Beiträge von Eniya

    Eniya bemerkt seinen Blick und sieht in nachdenklich an.


    „…und aus diesem Grunde hat er diese Scheide noch niemals verlassen“, vollendet sie seinen Satz ruhig.


    Bei der Erinnerung daran, wie sie an die Waffe gekommen war, musste sie traurig lächeln.


    „Er ist in erster Linie keine Waffe sondern ein Zeichen. Ein Zeichen für das Aufwachen und den Wandel…. Ich habe ihn hier bekommen. In Daynon. Nachdem….“


    Sie lässt den Satz unvollendet und schaut ihn unsicher an.

    Auch Eniya lacht nun wieder.


    „Aber bedenke, sehen hat noch niemanden im Angesicht eines herabsausenden Schwertes gerettet – denn dann ist es auch zu spät…“


    Doch gleich schüttelt sie den Gedanken wieder ab und lächelt.

    Sanft sieht sie ihn an.


    „Irush, ich bin wesentlich begabter, als Du denkst.“ Ein verschmitztes Lächeln stiehlt sich in ihr Gesicht. „Ich habe die Zukunft gesehen, der Weg dahin fügt sich nur in das Bild hinein. Ich habe nicht gesehen, wohin Du gehst, sondern wo ich Dich finde. Du hättest nirgendwo anders sein können, als hier.“


    Sie scheint noch etwas hinzufügen zu wollen, schweigt aber für’s erste.

    Auch sie lächelt.


    „Das alles, um Dir zu zeigen, dass ich alles aufnehmen würde, um… in Deiner Nähe zu sein.“


    Sie grinst jetzt ebenso. „Gut, wir wissen, „alles“ ist ein großes Wort… Ich würde dafür keinen Abend lang an einem Tisch mit Dijarion sitzen oder mir ein Sommerhäuschen in Luxburg kaufen, aber….“


    Sie ließ den Satz unvollendet.


    Fast unmerklich streicht ihr Daumen über einen der Finger, mit denen er ihre Hand umfasst hält.

    Seufzend nimmt Eniya einen weiteren Zug.


    „Ich habe diese furchtbare Reise gemacht, glaub mir, ich meine es Ernst, wenn ich sage, dass ich mich in diesem Land nicht wohl fühle…Die Leute sehen einen alle so seltsam an und nachts kann man kein Auge zumachen. Dann bin ich alleine durch diese grauenvolle Stadt gereist. Ich hasse Städte, wirklich. Sie sind eng und hoch und voller Mauern, die einem die Luft zum atmen nehmen, und die Menschen hier sind noch viel seltsamer, und ich denke, wenn sie einem nur die Stiefel stehlen hat man wirklich Glück gehabt….“


    Unaufhörlich strömen die Worte aus ihrem Mund, langsam findet sie in ihren Redefluss zurück. Ihre Gesten werden ausladender und ihre Mine lebhafter.


    „Aber das ist es, worum es geht. Ich bin hier. Trotz allem.“ Diese letzten Worte spricht sie wieder leiser und ernster werdend.

    Bei seinen ersten Worten lächelt auch sie. Zum ersten Mal seit Tagen fühlt sie sich wieder sicher. Doch schnell wird sie wieder ernst.


    Sie versucht, ihre Worte überlegt zu wählen, doch erneut stockt sie. „Ich bin für Dich über meinen Schatten gesprungen“, antwortet sie schließlich schlicht und leise, als würde es alles erklären und in der Hoffnung, er würde verstehen.

    Eniya lacht auf, aber ohne wirkliche Freude.


    „Du weißt es wirklich nicht, oder?“


    Sie nimmt einen tiefen Zug und greift mit der freien Linken in ihr Dekoltee. Heraus zieht sie eine silberne Kette mit einem Anhänger daran, die Irush nur zu bekannt ist. Sie legt sie behutsam vor ihm auf den Tisch.


    „Egal, wohin zu gezogen wärst, Irush, ich hätte dich überall gefunden. Und ich wäre Dir überall hin gefolgt.“


    Sie lehnt sich zurück und nimmt einen weiteren Zug ihn nicht aus den Augen lassend.

    Eniya zaubert ein silbernes, verziertes Etui, ähnlich dem, das Kahri ihr eben gereicht hatte, aus ihrer kleinen Tasche und öffnet es. Zunächst bietet sie Irush ein Rauchkraut an, ehe sie sich selbst bedient.


    „Ach weißt Du, ich wollte ein paar Tage Urlaub machen, einfach mal rauskommen“, erklärte sie ironisch. „Und da habe ich die Ahnen gefragt, was sie mir denn empfehlen können, und stell Dir vor, dieses Kaphram war ihre erste Wahl. Nette Leute, gutes Essen, saubere Straßen…“


    Mit einem Streichholz entzündet sie das Rauchkraut und hält es anschließend Irush noch brennend hin.

    Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch sah Eniya die beiden dort zusammen stehen. Erst jetzt begriff sie wirklich, wie ähnlich sie sich waren. Zwei Kinder der Schatten.


    Schnell wandte sie den Blick ab und begann stattdessen in ihrer Tasche zu kramen.

    Beim Klang seiner Stimme zuckt Eniya zusammen und beinahe gleitet ihr die Tasse aus den Fingern. Vollkommen überrascht blickt sie von Irush, der gerade in das Separee tritt, zu Kahri.

    "Manchmal geschehen diese Dinge einfach", erklärt Eniya. "Es ist so, wie ich es Dir vor einigen Tagen erklärt habe. Man kann es nicht immer steuern..."


    Dankbar nimmt sie den frischen Tee an und wärmt ihre Hände damit. Die Kälte ist in ihre Glieder zurück gekehrt, und sie war sich sicher, dass es nichts mit den winterlichen Temperaturen zu tun hatte...

    Beschämt wandte Eniya den Blick ab. Sie hatte das nicht gewollt, zumindest nicht bewusst, aber solche Dinge geschahen nie zufällig. Kahri war zu Recht erbost.


    „Kein Wort wird jemals über meine Lippen kommen“, versprach sie leise und an der Aufrichtigkeit der Worte bestand kein Zweifel.

    Eniyas Blick drückt noch immer tiefste Verwirrung aus. Sie setzte zu einer Erklärung an, hatte jedoch schon zu oft erlebt, dass sie dem anderen nichts als leere Hüllen zu sein schienen. Der Schlag ihres Herzens beruhigt sich langsam.


    Nachdenklich blickt sie Kahri an, die Bilder verarbeitend.


    „Es tut… mir leid“, flüstert sie schließlich doch, zutiefst geschockt über das Geschehene.

    Keuchend und nach Luft ringend sackt Eniya auf ihrem Kissen zusammen. Ihr Herz schlägt hart, rasend schnell wie nach enormer Anstrengung. Der Schmerz in ihrer Brust lässt sie kaum atmen. Wie immer fängt ihr Körper den Schaden ab, den ihr Innerstes genommen hätte, und Kahris Schlag war härter, mächtiger und wütender gewesen als alles zuvor.


    Langsam stemmt Eniya sich wieder hoch, nachdem der schlimmste Schmerz abgeklungen ist. Ihre Hände zittern noch immer leicht.


    Mit unglaublicher Willenskraft hebt sie erneut den Blick, noch immer schwer atmend, und sieht ihrem Gegenüber in die Augen. Ihr Blick fleht stumm um Verzeihung, doch kein Wort kommt über ihre Lippen.

    Erschrocken und verwirrt zugleich flackerte Eniyas Blick. Doch sie zwang sich, Stand zu halten. Früher oder später würde es ihr ohnehin nicht erspart bleiben, bei ihm. Dies war nichts als ein weiterer Scheideweg, an dem man sich für eine Richtung entscheiden musste.


    „Ich weiß“, flüsterte sie deshalb nur, ohne den Blick abzuwenden.

    Ein weiteres Mal zieht Eniya an dem Rauchkraut. Diesmal schafft sie es, eine Antwort zurück zu halten. Nachdenklich sieht sie dem Rauch nach, der in kräuselnden Schlieren aufsteigt und sich schließlich verliert.


    Nach einigen Augenblicken hebt sie den Blick wieder und sieht Kahri fest in die Augen, nicht provozierend oder verärgert… eher abwartend.

    „Du sollst es nicht abstreiten, darum geht es nicht!“


    Eniyas Ton wird ungeduldig, während sie sich ein Rauchkraut aus dem silbernen Etui nimmt und es zurück auf den Tisch legt.


    „Aber wir kannst Du von ihm erwarten, dass er sich auf die Dinge besinnt, die ihn am Leben halten, wenn Du es nicht einmal selbst tust? Wie kannst Du ihn verurteilen, weil er zweifelt, wenn Dein Herz selbst voller Zweifel ist?“


    Eniya nimmt einen tiefen Zug, dankbar um die Beruhigung für ihre Nerven. Ihre Gedanken gingen in tausend Richtungen zugleich, und es fiel ihr schwer, konzentriert zu bleiben. Sie wollte dieses Gespräch nicht führen, um Kahris Willen nicht, und erst recht nicht um ihrer selbst willen.

    Nachdenklich nahm Eniya einen Schluck aus der Tasse mit dem langsam erkaltenden Tee. Hierauf blieb ihr nicht mehr viel zu sagen. Sie merkte, wie ihr das Herz immer schwerer wurde.


    Nach einer langen Pause, in der das Klirren des Löffels, mit dem sie in ihrem Tee rührte, das einzige Geräusch gewesen war, nahm sie den Faden wieder auf.


    „Mein Verstand ist in manchen Dingen weit weniger…“ Hart, wollte sie sagen, entschied sich aber anders. „…scharf als Deiner. Ich überlege nicht, ich fühle….“

    Eniya bemerkte die Veränderung, die mit ihrem Gegenüber vorging, deutlich. Sie war zu empfindsam, um es nicht zu sehen, zu mitfühlend, um nicht helfen zu wollen, aber zu unsensibel, um in Betracht zu ziehen, das Hilfe möglicherweise nicht erwünscht war.


    „Ein weises Wort, Tochter der Schatten…. Doch vergiss nicht, es manchmal selbst zu beherzigen....“


    Ihre Stimme ist weich und ohne Anklage und verrät deutlich die Anteilnahme dahinter.