Beiträge von Leo Kirsch

    "Mythodea," er lässt sich den Namen auf der Zunge zergehen und spült mit einem Schluck Rotwein nach, "klingt nach einem Frauennamen, Elemente, so so, hin- und hergerissen, von Wind und Feuer, könnte einen zu einem Lied inspirieren,


    Dunkel war's der Mond schien helle, ...



    ... aber das ist eure Aufgabe, Tara, ich bleibe da lieber bei meiner Prosa." Der leicht abwesende Blick in seinen Augen verschwindet und er wendet sich wieder den Anwesenden zu.


    "Irgendwie ist mir im letzter Zeit hier zu viel vom Sterben die Rede. Wo ist die sprichwörtliche Amonlondische Lebensfreude geblieben?"


    Er beginnt zu Summen: "Wein Weib und Gesang." Dabei lächelt er Lilli zu.

    "Ja, ja, wir Künstler, ab und zu wird man ein wenig größenwahnsinnig, aber ansonsten geht's." Spricht's und nimmt einen tiefen Zug aus dem Rotweinglas.


    "Was war das denn für ein Land, wo man mal so eben auf die Idee kommt, die Herrschaft zu übernehmen. Hier geht ja auch einiges drunter und drüber, aber ich käme doch nicht auf die Idee, den guten Malglin zu beerben, außerdem fehlen mir dazu die Mittel." Er reibt die Finger um klar zu machen, dass er nicht die geistigen, sondern die finanziellen Möglichkeiten meint.

    Leo schenkt Lilli ein und nicht zu wenig, denn er weiss, dass sie guten Rotwein zu schätzen weiss.


    "Gut geht's. Kassandra war gerade dabei von Mythodea zu erzählen. Sie war ja mal wieder mit Tara unterwegs und hat erzählt dass unsere liebe Tara schon zur Herrscherein eines Landes avancieren wollte. Hättest du, äh", er verschluckt sich leicht,"hättet Ihr ihr das zugetraut, Lilli?"


    "Aber erzählt doch Kassandra, wie kam Tara auf den Gedanken und wie habt Ihr es ihr ausgeredt?"

    "Hallo Lilli."


    Leos Blick verweilt ein wenig länger, als für einen Freund normal auf Lilli. Augenblicklich hat er sämtliche guten Vorsätze bezüglich Lehrstuhl und anderem Geschreibsel über Bord geworfen.


    "Aber sehr gerne, setz dich."


    Natürlich bietet er ihr den Platz an seiner Seite an, denkt aber im selben Moment, dass er mit ihr immer noch nicht geklärt hat, ob jetzt jeder von ihrer Beziehung wissen darf. In ihrer Trauer hatte er erst Fra Diablo sie trösten lassen, dann aber entschieden ihr selbst zur Seite zu stehen und dabei sämtliche Vorsicht fahren lassen. Seitdem hatten sie sich nur im Pfannkuchenhaus getroffen.


    "Kassandra, bitte noch ein Glas für Lilli. Ausnahmsweise darf ich sie mal einladen." Er lächelt sie an.

    Leo schenkt sich ein Glas ein und hört Kassandra zu.


    Leo tut gespielt entsetzt, "Tara wollte was werden? Ich wusste ja schon immer, dass die politische Ambitionen hat, aber gleich Landesherrin? War das vor, oder während des Besäufnisses?"

    "Immer gerne, macht am Besten gleich ne neue Flasche auf, ich nehme den Rest dann mit hoch, ich wollte eigentlich noch was geschrieben haben, aber andererseits - Ihr habt bestimmt viel zu erzählen, wenn Ihr mit Tara unterwegs gewesen seid.


    Hier ist ja momentan nicht so viel los, da alle mit dem Wiederaufbau beschäftigt sind."

    "Ah, Akademie, das erinnert mich daran, dass ich irgendwann auch mal Vorbereitungen für meine ersten Lehrveranstaltungen treffen wollte. Vielleicht bis später, Tara."


    "Hallo Kassandra, schön, dass ihr wieder da seid, dann kriege ich wohl jetzt wieder meinen gewohnten Rotwein. Als ihr vergangene Woche weg wart, wusste Maglor gar nicht, dass Rotwein auf Lager war. Er meinte irgendwas von Fruchtweinen, dabei habt ihr mir doch immer so einen guten Rotwein verkauft.


    Aber Maglor wusste eh so einiges nicht, jetzt kehrt hier wohl wieder Ordnung ein. Er schaute mich auch ganz verwundert an, als ich ihm sagte, dass ich ein Zimmer im Rohbau der neuen Taverne bezogen habe und dann durch die Hintertür in Richtung Rohbau entschwunden bin."

    Durch die offene Tür betritt Leo die Taverne.


    "Was ist denn mit dem los? Rennt mich einfach um."


    Leo rückt seine Kleidung zurecht. "So 'was, rennt mich einfach über den Haufen und entschuldigt sich nicht mal, ich dachte, der Kerl hätte Manieren."


    "Hallo Tara, hallo Kassandra, was war das denn?"

    Einige Tage nach dem Piratenangriff sitzt Leo mal wieder auf seinem Lieblingsplatz, unter dem Baum am Rande der Theaterarena. Er ist hergekommen, um zu denken und zu denken gibt es viel.


    Lilli ist in den vergangenen Tagen sehr verschlossen gewesen. Trotzdem zweifelt er nicht an ihrer Liebe. Der Tod Voltans hat ihr eben sehr zu schaffen gemacht.


    Nein, auch dass ihre Liebe durch die Vorkommnisse der vergangenen Tage mehr Leuten bekannt geworden ist, als eigentlich beabsichtigt, ist nur ein Symptom der Wirren dieser Tage.


    Was ihn am Meisten beschäftigt ist sein eigenes Verhalten in den Stunden der Gefahr. Ja, er hat geholfen die Flüchtlinge im Wald zu sammeln. Ja, er ist nach wie vor sicher, dass es richtig war, bei den Wehrlosen zu bleiben, anstatt selbst in den Kampf einzugreifen. Er ist Künstler - kein Held. Er hofft, er hat mit seiner Zuversicht den Zurückgebliebenen etwas Halt geben können.


    Aber vorher hat er eine Seite an sich entdeckt, die er nicht kannte. In der Verzweiflung drüber, dass Gromph alle im Lager wohlgeschmiedeten Pläne einfach über den Haufen warf und durch sein 'Mir-nach-und-drauf'-Verhalten die gerade vereinten Kräfte spaltete, hat er sich zu dumpfem Rassismus verstiegen. Leo hat vor versammelter Mannschaft sämtliche Vorurteile über die Orks ausgepackt. Der Sieg hatte Gromph Recht gegeben, aber was viel schwerer wog, war: in diesem Moment ist er, Leo, der vorher vehement die Einheit gepredigt hat, selbst zum Spalter geworden.


    Lange sitzt Leo versunken da. Dann durchzuckt ihn ein Gedanke, der so klar und richtig ist, dass er sofort nach Hause eilt, um ihn festzuhalten:


    "Der wirkliche Feind kommt von innen und er heißt Unvernunft."


    Mit dieser Erkennis im Gepäck ist Leo wieder ein weniq mehr mit sich im Reinen.

    So verbringen Leo und Lilli einen romantischen Abend unterm Sternenhimmel, der in dieser Nacht noch heller zu strahlen scheint als sonst.


    Als die Flasche Rotwein zur Neige geht und die Kälte über die Stufen des Theaters zieht treten sie den Heimweg an.

    Leo läuft ihr entgegen, nimmt sie hoch in seine Arme und dreht sich mit ihr in den Armen um sich selbst, als wolle er tanzen.


    "Ich könnte die ganze Welt umarmen."

    Diese Chance läßt sich Leo natürlich nicht nehmen. Er spielt sich mit den nächsten Zeilen auf die Bühne. Erst mit großen Gesten, dann wieder leiser und fast nachdenklich zitiert er ein Stück eines unbekannten Schriftstellers, was ihm auf seinen Reisen in die Hände geraten ist und ihm sehr gut gefiel.


    "Drum besser wär's das Nichts entstünde,
    So ist denn alles, was ihr Sünde,
    Zerstörung kurz das Böse nennt,
    mein eigentliches Element."


    Er wechselt kurz Haltung und Stimmlage, da er anscheinend eine andere Person spielt:


    "Ihr nennt euch einen Teil und steht doch ganz vor mir."


    "Bescheidne Wahrheit sprech ich dir,
    der Mensch, die kleine Narrenwelt,
    die sich gewöhnlich für ein Ganzes hält.
    Ich bin ein Teil des Teils der Anfangs alles war,
    Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
    das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
    den alten Rang, den Raum ihr streitig macht."


    Lilli scheint beeindruckt, Leo hat sein Ziel erreicht. Jetzt bricht er abrupt ab und geht lachend auf Lilli zu.


    "Schöner Text, nicht? Aber leider nicht von mir. Passt nur thematisch nicht ganz, aber ich wollte ihn mal ausprobieren, wie er so im Halbdunkel dieses Theaters wirkt."

    Leo hat sich oberhalb der Ränge hinter einem Busch verborgen, er lernt weiter Text bis Lilli kommt.


    Er kann sich ein leises Kichern nicht verkneifen, als er sieht, dass Lilli nach ihm Ausschau hält. Kurz befürchtet er, sie würde wieder gehen, aber dann sieht er, wie sie sich knapp vor der Bühne niederlässt.


    Er schleicht sich einige Reihen tiefer, bis er in der Mitte nur einige Meter hinter ihr steht. Mit tiefer, tönender und lauter Stimme setzt er an:


    "Ich bin der Geist, der stets verneint,
    und das mit Recht,
    denn alles was entsteht
    ist wehrt, dass es zugrunde geht."

    "Nun ja, der Tropfen ist nicht schlecht, aber ich glaube unten in der Taverne gibt es noch mehr davon, sagt einfach, ihr wollt meine Lieblingsmarke haben, lasst euch nicht mit dem billigen Fusel abspeisen.


    Aber ihr solltet wirklich auf euren Laden aufpassen, Don Vasili ist zwar ein lieber Kerl, aber ihm ist nichts wichtiger als ein gutes Spielchen.


    Ich muss mich bald auch auf den Weg machen, ich wollte noch das Amphitheater besuchen, um schon mal ein wenig für mein Stück zu planen."

    "Jetzt habet allesamt Achtung Leut,
    und höret, was wir vorstellen heut!
    Ist als ein geistlich Spiel bewandt,
    'Jedermensch' ist es zubenannt."


    Dabei geht er im inneren Kreis herum und stellt sich vor, wie die Ränge von Amonlondischen Bürgern und fremdem Volk gefüllt werden. Aber er, er wird nur Eine sehen und sie ihn, wie er wieder aufblüht, nicht nur mit ihr, sondern auch in seiner Kunst.


    Leise lacht er vor sich hin, als ihm eine neue Idee kommt.


    Er packt seine Papiere und verschwindet von der Bühne. Lilli soll ihn ersteinmal nicht sehen, wenn sie kommt.

    Singend und mit einer guten Flasche Wein unterm Arm kommt Leo wieder im Amphitheater an.


    "Den lieben Gott lass ich nur walten,
    der Berge, Lerchen Wald und Feld
    und Erd und Himmel will erhalten.
    Hat auch mein Dach aufs Best' bestellt."


    Die Sonne steht schon niedrig, und er kann es kaum erwarten, seine geliebte Lilli wiederzusehen, daher schafft er es auch kaum, sich wieder auf sein Stück zu konzentrieren. Er beschließt erstmal Text zu rezitieren, damit er ihn sich besser einprägt.

    "Ach ja, ich hatte Euer Amulett fast übersehen, stimmt, ihr seid ja auch Ratsmitglied. Die Informationspolitik hier in Amonlonde ist sicher noch verbesserungsbedürftig, mein Gedächtnis allerdings auch.


    Ich dachte eigentlich so etwas würde intern verteilt, aber vielleicht ist es ganz gut, dass wir hier in Amonlonde noch nicht so viel Bürokratie aufgebaut haben.


    Ich werde euch gerne eine Abschrift anfertigen und zukommen lassen. Bis jetzt habe ich sie an Malglin, Celeb und Tara gegeben."

    "Es ist bereits mein zweiter Entwurf, der erste war ein wenig unvollständig, aber diesen habe ich inzwischen offiziell beim Rat eingereicht. Vielleicht könnte euer Gemahl mir sogar dabei helfen, was mir nämlich noch fehlt ist eine offizielle Auflistung der Regeln des offiziellen Staatsspiel, ihr wisst, was ich meine."

    Die beiden sind fast wie kleine Kinder, die miteinander spielen. Vergnügt gehen sie die Treppe hinauf.


    Plötzlich, sie treten wieder in den Gastraum, stellt der Schauspieler in Leo auf ernst um.


    "Habt dank werte Lilli, dies wird meine Kreativität fördern. Gehabt Euch wohl."


    Er grüßt noch kurz in die Runde, dann ist er auch schon aus der Tür. Draußen hört man ihn ein Liedchen trällern:


    "Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
    den schickt er in die weite Welt,
    dem will er seine Wunder weisen
    in Berg und Wald und Strom und Feld."