"Hallo Talinor. Schön Euch wieder zu sehen. Ich muss immer noch an Eure großartige Performance auf dem Bardensang denken. Wie heißt die faszinierende Sprache, in der Ihr in Begleitung der Trommel gesungen habt? Irgendwer meinte, es wäre gälisch. Ich habe das noch nie gehört. In welchem Land spricht man die?"
"Was die Getränke angeht: Ich hätte gerne einen leckeren Tee, und die Damen, soweit ich mich erinnere, auch", sagte Niro.
<<< Die Akademie zu Renascân (2)
Niro und Eléna schlendern zu einem Tisch in der Nähe vom Kamin und setzen sich. Niro beobachtet belustigt Morgaine, die wie aus dem Häuschen ist und sich freut. Ihre sonstige Niederschlagenheit ist wie weggeblasen.
Zu Eléna und Bellaria gewandt, sagte Niro:
"Wir haben jetzt ca. 2 h frei, ehe es weitergeht. Gute Idee, ja, lasst uns einen Tee trinken. Wollen wir in den Zaunkönig oder mal diese neue Konkurrenz-Kneipe Zur flennenden Flunder ausprobieren? Ich glaube, die hat jetzt eröffnet."
"Ihr seit auch herzlich eingeladen mal mein Zimmer in dem Wohnheim zu besuchen. Habt Ihr es schon gesehen? Da kann ich uns auch einen Tee machen und wir können uns ungestört unterhalten. Es ist ein wenig klein für drei, aber es wird schon gehen."
"Also... wo würdet Ihr gerne hin?"
"Gratuliere, Morgaine! Ich freue mich wirklich für Dich! Das ist toll. Du musst uns hinterher unbedingt davon erzählen", sagte Niro ehrlich.
Als nächstes haben wir, glaube ich, Magiekunde. Mal sehen, was wir heute durchnehmen...
Auch Niro zuckte zusammen. Woher konnte Meanor wissen, was Niro bezüglich Gerald vorgeschlagen hatte? Elfen mussten wirklich sehr feine Ohren haben...
Falls Niro sich nicht verhört hatte, war die Drohung Meanors fast ein Freibrief gewesen - solange sie nichts Schädliches anstellten.
Aber Morgaine war sich ihrer Sache offenbar sicher - sie wollte keine Bestrafung Geralds. Wenn man es genau nahm, hatte Meanor in dieser Stunde Gerald mehrfach abgestraft. Wahrscheinlich hatte Gerald jetzt genug. Aber wenn er es noch einmal wagen würde, Morgaine schief anzusehen, dann...! Ihm würde schon etwas einfallen.
So verließen sie gemeinsam den Klassenraum.
Niro war betrübt. Er war nicht zur Amonlonder Akademie eingeladen. Aber das war eigentlich zu erwarten gewesen. Klar, er hatte fleißig gelernt, aber dann hatte er eine so dumme Antwort gegeben! Und außerdem hatte er den Alchimie-Unterricht der vergangenen Wochen geschwänzt. Was hatte er denn erwartet?
Andererseits brauchte er auch Zeit für seine Schülerin Fianna. So schlimm war es daher nicht. Eigentlich war es sogar ganz gut. Wenn da nur nicht die Enttäuschung gewesen wäre.
Dann fiel ihm wieder ein, dass Morgaine den Preis gewonnen hatte und das Gerald einen Dämpfer bekommen hatte. Urplötzlich wurde Niro wieder froh.
Was nur Meanor von ihnen allen wollte? Er ging nach vorne.
Niro bearbeitete die Aufgaben. Der Theorie-Teil fing einfach an, wurde dann aber immer schwerer. Außerdem hatte er den leisen Verdacht, dass Magietheorie in seiner vorigen Akademie in Romanov in einigen Punkten abwich von der, die in Renascân gelehrt wurde. Die grundsätzlichen Dinge waren gleich - auch wenn sie teilweise anders benannt wurden. Anderseits gab es eine Dinge, die wohl nicht beweisbar waren, und daher in unterschiedlichen Akademien anders gedeutet wurden.
Die Kombinationen mit den Basen - in seiner Akademie nannte man das Fundamentale - empfand Niro als recht einfach. Die Zauber waren recht intuitiv. Allerdings gab es meist mehrere Zauber für zwei Basen - je nach Stärke, aber manchmal einfach auch Zauber mit ähnlicher Wirkung.
Zum Beispiel konnte man aus Körper und Schutz die Zauber Kampfschutz I, II, III, IV und V schaffen. Außerdem beruhte das Energiefeld ebenfalls auf diesen Basen, aber Niro glaubte, dass da noch eine weitere Basis dazukam, um den Bereich Luft, in der magischen Sprache Aera genannt, auszudrücken, der den Schutzraum definierte. Schließlich lauteten die magischen Worte:
CREO AERA SANCTUM OPPRIMO CORPOREM MAGIA.
Aus den verwendeten Basen konnte man damit auch die Worte ableiten, die für einen Spruch nötig waren. Es wäre besonders interessant, wenn man damit sogar neue Zaubersprüche erfinden konnte, wenn man sich nur bewusst machte, welche Basen zu beteiligen waren...
Niro errötete wegen seiner halb falschen Antwort vertiefte sich in das konzentrierte Mitschreiben von Meanors Vorlesung.
Niro hatte, während Meanor abstrakten "Basen" Energie aufgezählt hatte, schnell seinen Meldefinger wieder eingezogen. Er hatte gehofft, dadurch nicht mehr aufgerufen zu werden. Zu spät.
"Ähem... nun, nein. Nur die, die ihr aufgezählt habt...", sagte er kleinlaut.
Er überlegte fieberhaft.
"Vielleicht noch Kampf und Beeinflußung?", fragte er hoffnungsfroh.
Fünf Basen... hatte er da nicht mal etwas gelesen? Waren das nicht Kalk, Natron, Soda, Pottasche und Salmiak?, dachte Niro.
Er meldete sich.
Fünf Basen der hermitischen Magie..., grübelt Niro. Welche könnten das sein? Ein Glück, dass Meanor Gerald gefragt hat!
"Wie schön, dass es mal einer der Lehrer bemerkt...", flüsterte Niro Morgaine zu.
Er freute sich diebisch, dass Gerald endlich einmal einen Rüffel erhalten hatte. Niro konnte seine gute Laune bei einem Seitenblick auf Gerald, der ziemlich geknickt aussah, kaum verbergen.
Mal schauen, was Gerald antwortete..., dachte er.
"Nichts mit Gerald machen... Schade!", sagte Niro enttäuscht.
Er wirkte still und schien über Morgaines letzte Worte nachzudenken.
Schließlich waren sie im Klassenzimmer angekommen und setzten sich.
"Wir sollten uns sputen, sonst kommen wir noch zu spät zu Meanors Unterricht", sagte Niro.
Sie setzten sich in Bewegung.
"Was ist Geralds Schwäche?", fragte Niro. "Er ist so trocken wie Linhard Kröv, der Schreiber in der Präfektur. Die könnten verwandt sein. Er kann nicht mit Frauen umgehen. Keine an der Akademie will in seiner Gesellschaft sein. Vielleicht hat er was mit Jungs? Wie wäre es, wenn man einen Liebesbrief von einem Mann bei ihm findet, der sich angeblich nach ihm verzehrt? Böse, böse", grinste Niro.
Als Niro sah, dass Morgaine etwas zögerte, sprang er ein und sagte ernst zu Eléna:
"Nun, das sollte Morgaine Dir lieber selbst sagen. Aber soviel sei verraten: es ist immer noch wegen der blöden Gerald-Geschichte, weshalb man ihr eine Strafe aufbürdet, unter der sie leidet... Wir fragen uns, wann die Strafe endlich beendet wird."
Plötzlich huschte ein verschmitztes Lächeln über sein Gesicht.
"Außerdem frage ich mich gerade", setzte er hinzu, "wie wir auch mal Gerald eine Lektion verpassen können. Ich habe nämlich noch nicht mitbekommen, dass er für seine Beleidigungen von den Lehrern zur Rechenschaft gezogen wurde. Auch sein Verhalten gegenüber Morgaine hat sich nicht verändert... und das macht mich auch wütend. Gibt es irgendetwas, wo wir ihn blamieren können oder wir ihm zeigen können, dass Morgaine haushoch überlegen ist?"
"Das ist ja furchtbar!", sagt Niro entsetzt. "Sie müssen doch bemerken, dass es Dir danach nicht gut geht und du Schmerzen leidest! Ich denke du solltest es nächstes Mal einfach offen ansprechen - nachdem Du das Ritual durchgestanden hast, um Deinen Stolz zu wahren. Letztlich leidet auch Deine Ausbildung, weil Du dich vielleicht nicht so gut konzentrieren kannst... und das können sie nicht wollen! Oder ob es möglich ist, dass sie Dich einmal brechen wollen? Dass Du einmal zugeben musst, dass Du es nicht mehr erträgst - dann hören sie auf?"
"Vielleicht ist dies eine Prüfung für Dich: Du sollst lernen zu sagen, was Dir nicht passt - aber es nicht in Dich hineinfressen. Wenn Du es in Dich hineinfrißt, entsteht explosionsartige Wut daraus - und das kennst Du ja schon", sagt Niro nachdenklich und mitfühlend.
"Vielen Dank für die Aufzeichnungen. Du bekommst sie unversehrt zurück, und ich verspreche Dir, dass ich Dir in Alchimie helfen werde, sobald ich mehr verstanden habe. Aber ich denke, nicht ich werde Dir helfen... Wir beide werden uns gegenseitig helfen!"
Die Schüler drängelten sich aus dem Klassenraum heraus.
Als Niro sah, wie Morgaine auf Gerald reagierte, schob er sich von hinten in Geralds Nähe und schob schnell links ein Bein vor, so dass Gerald stolpern musste und ihm das Grinsen verging. Niro bewegte sich schnell auf die rechte Seite, so dass er nicht mehr hinter Gerald stand, als dieser schließlich sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte und sich wütend umdrehte, um die Ursache seines Stolperns zu sehen.
Einige Studenten lachten. Niro nicht. Er konzentrierte sich darauf, Morgaine einzuholen.
Schließlich erreichte er sie:
"Hallo Morgaine! Kannst Du mir vielleicht mal Deine Alchimie-Unterlagen ausleihen? Du hast ja gehört was gCoilltean sagte."
Dann schaute er sie genau an und forschte nach Resten von Tränen in ihrem Gesicht.
"Wie geht es Dir? Ist es immer noch so schlimm mit dem morgentlichen - na Du weißt schon was...?"
Nach dem harten Aufschlag war er wach. Der Schmerz hielt ihn wach. Niro versuchte, so gut es ging, dem Unterricht zu folgen. Alles war neu für ihn. Allerdings war es völlig interessant. Ob er hier wohl lernen würde, aus Blei Gold zu machen? Die Koboldkönigin im Wonderland konnte das auch.
Spektakulär waren auch die Mißerfolge. Als Niro vor einigen Monden eine Burg besucht hatte, war irgendein alchimistisches Experiment schief gegangen, wodurch die benachbarte Taverne dort 1-2 Stunden nicht betretbar gewesen war wegen der starken Rauchentwicklung.
Die Alchimisten benutzten jede Menge Geheimzeichen, deren Bedeutung Niro noch nicht kannte. Sie standen offenbar für irgendwelche Stoffe oder Metalle. Es wurde ihm klar, dass er unbedingt die Aufzeichnungen der übrigen Stunden kopieren musste. Nach dem Unterricht würde er Morgaine mal fragen. Niro schrieb die Mischung von der Tafel ab.
[Blockierte Grafik: http://www.deutsches-museum.de/uploads/pics/025_alch_rezepte.jpg]
Ja, die Geschichte ist schön ausgedacht und macht so auch viel mehr Sinn, als man herausbekommen konnte bzw. wir herausbekommen haben.
Aus der Sichtweise heraus konnten die Sandemanns ja nur gewinnen. Ich wüßte aber nicht, wie wir sonst nicht noch größeres Unheil hätten verhindern können. War es so unwahrscheinlich, dass Ihr als sehr mächtige Magier entkommt? Was hätten wir verbessern können?
Mit "guter" Gesinnung, kann man halt nicht einfach bis dahin unbescholtene Leute festsetzen und magisch Ausfragen. Hätte bei Euch ja wahrscheinlich ohnehin nicht funktioniert.
