Beiträge von Neugieriges Waschweib

    "So was! Na, wenn das keine Neuigkeit ist", lächelte Lene.


    "Der arme Gardist!", rief sie aus.


    Das Waschweib bezahlte und verließ den Laden. Lene war fast schon wieder in Hochstimmung.


    Ein Gardist wurde in Amonlonde schwer verwundet. Das bedeutet, dass es Kämpfe zwischen Magonien und Amonlonde gegeben hatte. Möglicherweise gab es Krieg!.


    Sie ging weiter, lieferte Wäsche aus und Ihr Weg führte sie nicht von ungefähr zum


    >>> Hospital

    "Ach so...", sagte Lene und die Enttäuschung war Ihrer Stimme anzuhören.


    Kein Skandal...


    "Is für Fieber gut oder so - net wahr?", sagte sie. "Nee, nichts für mich. Aber ich bräuchte etwas Zirn. Eine Rolle grauen, schwarzen und blauen bitte."


    Sie seufzte.


    "Ist auch gar nichts Interessantes los, in den letzten Tagen... Oder habt Ihr vielleicht was gehört?", fragte Lene.

    <<< Von irgendwoher


    Lene betrat den Laden und schaute sich um. Sie war mißmutig gelaunt. Irgendwie gab schon seit einiger Zeit nichts interessantes oder skandalöses zu entdecken. Sie hatte sowohl die Spur von diesem Niro verloren, als auch von seinen Helfershelfern, dem Hexer, der Bordellbesitzerin und der Rotkappe.


    "Trostlose Zeiten...", seufzte sie.


    Ihr Rang bei den Tratschweibern begann schon wieder zu sinken, weil sie nichts Neues berichten hatte. Ihre ärgste Konkurrentin Aische hatte gerade neulich von einem skandalösen Techtelmechtel eines Bauernmädchens mit einem reichen Kaufmann berichtet. Die Blicke der anderen hatten förmlich an Aisches Mund geklebt und jedes Wort aufgesaugt. Ihr hingegen hatte es einen leichten Stich versetzt. Wieder seufzte sie. So klapperte sie nun einen Ort nach dem anderen ab, in der Hoffnung neue Gerüchte aufzuschnappen.


    "Guten Tag Frau Tedenheim!", grüßte sie. "Ihr habt da 'nen Schild draußen. Was steht d'n da drauf? Ist's was Interessantes?", fragte Lene mit einem leichten Hoffnungsschimmer in der Stimme.


    Lene konnte nicht lesen.

    "Oh, vielen, vielen Dank! Ihr wart ja sooo mutig!", lobte Lene.


    Sie errötete vor soviel Lob. Das tat ihr richtig gut. Endlich wurde ihre Mühe durch Anerkennung belohnt.


    "Ihr seid echte Freundinnen! Wenn ich Euch nicht hätte! Todesmutig seid Ihr da hineingestürmt und habt ihn aus den Klauen des Bösen entrissen! Ich danke Euch", sagte Lene ergriffen und hielt den Wäschekorb wie eine Trophäe mit beiden Händen hoch.


    "GEMEINSAM KÖNNEN WIR DAS SCHAFFEN! Wir müssen erreichen, dass das Bordell wieder geschlossen wird. Wir wollen hier in unserer Stadt keine Mörder und keine Zuhälter! Und wir wollen schon gar nicht, dass unschuldige Frauen bedroht und zu Huren gemacht werden. Frauen: Behaltet Eure Männer im Auge, denn sie sind es, die am ehesten schwach werden und den Verlockungen erliegen!", redete sich Lene in Rage.


    "JA, WIR KÖNNEN DAS! DENN WIR SIND RENASCANERINNEN!"


    Das Publikum jubelte. Lene ließ den Korb langsam wieder sinken.


    "Und jetzt muss ich endlich die Wäsche ausliefern", sagte sie leiser und machte sich in Richtung einiger kleinerer Gassen der Oberstadt auf den Weg.

    <<< Die Taverne "Zum Zaunkönig (5)"


    Das neugierige Waschweib stürzte aus dem Zaunkönig, und rannte über den Platz in Richtung der Mütter. Ihren Wäschekorb, den sie sonst immer trug, hatte sie seltsamerweise nicht bei sich. Sie schien über irgendetwas sehr erregt zu sein. Wahrscheinlich hatte sie gerade wieder von den neusten Gerüchten erfahren.


    Die Mütter riefen und stoppten sie. Während Lene noch um ihren Atem rang, erzählen sie ihr von dem Rüpel Thersites.


    Lene beruhigte sich dabei langsam wieder und fand in ihr Element zurück. Sie echauffierte sich gebührend und fügte weitere Informationen über Thersites hinzu, die sie im Zaunkönig erfahren hatte: Er soff wie ein Loch und sollte dafür auf einer einsamen Insel ausgesetzt werden.


    Das hörten die Mütter mit Genugtuung! Endlich griff die Garde mal durch!


    Dann erzählte Lene noch über die viel größeren Skandale:
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    [*] Ein Priester, der an der Akademie lehrte, hatte sich blasphemisch über die Götter geäußert. Ein PRIESTER!!!
    [*] Die Besitzerin des Bordells hieß Olera, hatte spitze Ohren und unterrichtete die Mädchen in den Liebesdingen.
    (Die Mütter klebten förmlich an Lenes Lippen!)
    [*] Die ehemalige Schankmaid des Zaunkönigs und ein weiteres Mädchen namens Lena war ebenfalls in die Liebesdienste getreten oder gezwungen worden. Damit verfügte der Zuhälter über mindestens 5 Mädchen plus die Bordellbesitzerin, die sicher auch ganz besondere Kunden bediente!
    [*] Der Zuhälter arbeitete mit einem unheimlichen Mann mit bleicher Haut zusammen, der Gedanken lesen konnte. Die Zuhälter-Trio wollte den Grafen Littlewin ermorden, um sich zu bereichern und weitere Bordelle in ganz Renascân zu eröffnen.
    [*] Ebenso war ein schwarzer Hexer im Bunde, der als harmloser Wanderer getarnt war, und die Mädchen mit Zauberkraft vor der Garde verstecken konnte und... wer-weiß-noch-was zaubern konnte, was im Bordellgeschäft bei den Mädchen und den Kunden nützlich sein konnte.
    (Hier lächelte Lene andeutungsvoll und die Mütter japsten zutiefst entrüstet auf).
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    "Bei den Fünfen! Ich habe meinen Korb vergessen!", stöhnte Lene plötzlich.


    Sie erzählte von ihrer heldenhaften Flucht vor dem unheimlichen Gedankenleser, und wie sie ihm angedroht hatte, alles der Garde zu erzählen.

    Lene war hin- und hergerissen.


    Hier gab es die wichtigen Informationen, die Skandale, die sie weitererzählen konnte und ihr die Bewunderung ihrer Zuhörer eintrugen. In nur einer Stunde hatte sie hier soviel erfahren, wie sonst nirgends!


    Andererseits war die Rotkappe ZU gefährlich. Wenn er sogar Gedanken lesen konnte, dann konnte er ja auch leicht herausfinden, wer sie war und wo sie... NEIN! NUR NICHT DARAN DENKEN!


    Lene versuchte an etwas Harmloses zu denken, aber ihr fiel nur der Brunnen und die anderen Wasch... NEIN! NICHT DARAN DENKEN!


    Lene sprang panikartig auf, stürzte zur Tür, riss sie auf und stürzte nach draußen. Ihr Wäschekorb blieb auf der Bank stehen.


    >>> Der Dorfplatz von Renascân (2)

    Lene, an ihrem kleinen Tisch in der dunkleren Ecke, zitterte vor Aufregung. Sie hatte schon wieder einige Neuigkeiten aufgeschnappt.


    1) Thersites sollte auf eine einsame Insel strafversetzt werden.
    2) Thersites trank soviel Alkohol im Dienst, dass er davon völlig besoffen wurde.
    und die skandalöseste Nachricht:
    3) Die unheimliche Rotkappe und die Bordellbesitzerin planten zusammen mit einer Person namens Tihara zu Beltaine einen Grafen zu ermorden.


    Der Unheimliche und die Bordellbesitzerin waren extrem gefährlich.

    Lene war hin- und hergerissen. Sollte sie diesem Niro/Miroslav und seinen Mädchen folgen? Vermutlich schickte er sie zu Kunden. Interessanter schien es zu sein, dem Unheimlichen und der Bordellbesitzerin zu folgen. Wenn Lene Glück hatte, würden die sie direkt zum Bordell führen!


    Sie wartete ab... Ihr war klar, dass dies ihr gefährlichstes Abenteuer werden würde. Der Unheimliche sah noch viel gewalttätiger aus als Niro/Miroslav.

    Als der Zuhälter und seine Mädchen aufstanden, versuchte Lene noch unauffälliger zu wirken. Sie senkte den Kopf und starrte auf den Tisch und stützte ihre Stirn mit einer Hand ab, so dass ihr Gesicht halb verdeckt war.


    Das sie dadurch eigentlich eher auffälliger wirkte kam ihr nicht in den Sinn.


    Skandalös, was sie wieder gehört hatte. Leider hatte sie nicht alles verstanden, was die Verschwörer miteinander besprochen hatten. Manchmal hatten sie sogar geflüstert - ein eindeutiges Schuldeingeständnis. Allerdings war das genaue Verstehen gar nicht notwendig gewesen, sie hatte ja Augen im Kopf:


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    [*] Der Unheimliche mit der weißen Haut und der roten Kappe arbeitete für diesen Niro/Miroslav. Oder war er sogar der geheime Oberboss? Der Unheimliche hatte von Angst gesprochen, vermutlich gehörte Angst und Einschüchterung zu seinem Geschäft, um die Mädchen gefügig zu machen.
    [*] Der braune Wanderer arbeitete ebenfalls für ihn, sonst hätten er nicht geflüstert und ein ängstliches Gesicht gemacht. Hatten sie Angst, dass die Garde sie erwischte? Der Wanderer war ein Hexer, denn er hatte sich urplötzlich in Luft aufgelöst. Der Zuhälter war also mit einem Hexer im Bunde!
    [*] Der Hexer hatte wohl den Unheimlichen verhext, so dass er sich zeitweise unsichtbar machen konnte oder er hatte ihm ein Artefakt gegeben. Der Zuhälter war begeistert gewesen und hatte davon gesprochen, dass man so die Mädchen schnell vor dem Zugriff der Garde verstecken konnte.
    [*] Die Fee Solera war wohl die Frau von der Rotkappe. Sie unterrichte Morgaine und die anderen Mädchen wohl in den Techniken, denn so klang das, was sie zum Abschied zu Morgaine gesagt hatte. Dann war sie es wohl, die das Bordell leitete.
    [*] Morgaine arbeitete seit neustem für den Zuhälter. Das war auch die Erklärung dafür, warum sie nicht mehr im Zaunkönig arbeitete. Hatte Talinor sie vermittelt? Außerdem hatte sie für den Zuhälter bezahlt. Klar, sie musste ja sowieso ihr ganzes Geld abgeben. Mit dem anderen, armen Ding war es ja auch so gewesen.
    [*] Das andere Mädchen des Zuhälters Lena gehört auch dazu, denn der Zuhälter hatte Morgaine und Lena beim Hinausgehen wörtlich zur Arbeit angetrieben.
    [*] Ob Talinor eingeweiht war? Man konnte auch niemandem mehr trauen!
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    <<< Der Dorfplatz von Renascân (2)


    Lene stahl sich leise in den Zaunkönig.

    Drei stehende Gestalten wandten ihr den Rücken zu:
    Der Redcap, der braune Wander mit dem Holzstab und Talinor. Sie unterhielten sich. Sie verdeckten halb einen Tisch, an dem weitere Personen saßen.


    Lenes Herz schlug höher: Dort saß der Zuhälter mit zwei weiteren jungen Mädchen! Er rekrutierte also schon wieder neues Frischfleisch für seine Kundschaft. Skandalös!!!


    Lene setzte sich in eine dunkle Ecke und spitzte die Ohren.


    Das die drei Männer um den Tisch mit dem Zuhälter standen, konnte nur eines bedeuten: Sie steckten unter einer Decke! Sogar der Wirt des Zaunkönigs! Skandalös!!!

    <<< Vom Waschhaus
    Lene hatte heute wieder viel zu tun. Sie musste die frische Wäsche ausliefern und war dazu auch in der Oberstadt unterwegs.


    Als sie über den Dorfplatz lief, spielte sie kurz mit dem Gedanken, beim Zaunkönig vorbei zu schauen. Dort hatte sie schon einmal Erfolg gehabt und diesen Miroslav oder Niro entdeckt, wie auch immer sein wahrer Name lautete. Allerdings war das nicht ganz ungefährlich gewesen. Zumindest der Schankbursche steckte mit diesem Zuhälter unter einer Decke. Wer weiss, vielleicht auch der Wirt? Nachdem sie ihm nur mit knapper Not durch die Straßen von Renscân entkommen war, wollte sie nicht ein zweites Mal in diese Situation kommen.


    Dann hatte sie ihn in Bellarias Haus auf dieser Bardensang Veranstaltung wiedergesehen - viel fremdes und undurchsichtiges Volk mit spitzen Ohren, Elfen und Feen... Und dann auch dieser Mann mit der roten Kappe und dem weißen Gesicht. Wie aus den gruseligsten Kindermärchen...


    Lene schüttelte sich bei dem Gedanken daran.


    Und zwischen all diesen seltsamen Wesen hatte sich ihr Zuhälter wohl gefühlt... Er hatte sie glücklicherweise nicht wiedererkannt, und sie konnte dort wieder skandalöse Dinge aufdecken:
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    [*] Dieser unzüchtige Niro/Miroslav plant ein fahrendes Bordell vor den Toren Renascâns zu öffnen. Sie hatte das von Tauron van Daik gehört. Dabei zählen die Merkantoresschwestern und diese andere junge Frau, die er dreisterweise für seine Schülerin ausgibt, zu den ersten Angestellten.
    [*] Der Zuhälter brüstete sich in aller Öffentlichkeit mit dem Glasschuh einer wunderschönen Prinzessin, welche er verlassen hat. Als Trophäe benutzt er nun den Glasschuh als Trinkgefäß.
    [*] Der Gardist Dorian wurde mit einer Elfe im Liebesspiel und trauter, unzüchtiger Zweisamkeit erwischt worden.
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    Ihr Kollegin Aische war vor Neid erblaßt, als sie alle diese pikanten Details zu berichten wusste. Sie hatte ihr endgültig den Rang der bestinformiertesten Waschfrau abgelaufen.


    Auch die Garde hörte mit Interesse ihren Informationen zu. Sie schien aber derzeit noch nichts gegen den Zuhälter unternehmen zu wollen. Männer!! Vermutlich trugen sie sich mit den Gedanken das Bordell selbst zu besuchen. Skandalös!!!

    <<< Taverne "Zum Zaunkönig" (5)"


    Lene trat aus der Taverne. Der Dorfplatz war leer und auch die Gassen, die sie einsehen konnte. Waschweib hätte schreien mögen vor Frustation! Hätte der Schankbursche ihre Bezahlung nur nicht so lange herausgezögert, dann hätte sie sehen können wohin die zwei gegangen waren. Schnell rannte sie zur nächstgelegen Gasse und schaute dort hinein: Nichts!


    So klapperte sie alle Gassen ab, die in den Dorfplatz mündeten, aber überall war dasselbe Ergebnis: Der Zuhälter und sein Mädchen waren verschwunden. Was nun? Sie überlegte fieberhaft. Wenn der Schankbursche mit dem Zuhälter unter einer Decke steckte, konnten möglicherweise auch die ganzen anderen Informationen, die sie von ihm hatte, falsch sein. Ob der Name des Zuhälters wirklich Miroslav Mytholon war? Irgendwie klang das doch seltsam. Fast wie ein Deckname! Vermutlich war es auch eine Lüge, das er ein Studiosus sein sollte. Lachhaft! So einer doch nicht!


    Mit hängenden Schultern wollte Lene gerade aufgeben - sie stand gerade an dem Weg zur Unterstadt - da tauchte der Zuhälter alleine wieder aus einer der gegenüberliegenden Gassen auf. Er kam aus der Oberstadt! Vermutlich hatte er sein Mädchen bei einem wohlhabenden Kunden in der Oberstadt abgeliefert! Ein Skandal! Sozusagen ein Hausservice für die reichen Händler und Adeligen, die dort wohnten. Unglaublich! Das Waschweib zitterte vor Aufregung und Empörung - und vor Kälte.


    Plötzlich wurde ihr noch kälter. Der Mann kam direkt auf sie zu! Natürlich! Er wollte in die Unterstadt - dorthin, wo solches Gesindel wie er sich üblicherweise herumtrieb! Hoffentlich hatte er sie nicht gesehen. Lene blieb kein anderer Ausweg: Sie konnte nicht auf den Dorfplatz zurück, sondern musste vor dem Zuhälter die Gasse zur Unterstadt hinab fliehen, in der Hoffnung, dass er sie nicht erwischte. Sonst würde sie vielleicht auch in einem Bordell enden!


    Lene rannte mit klopfendem Herzen die Gasse zur Unterstadt hinab. In der Dunkelheit war es gar nicht so einfach, auf dem Weg auszurutschen oder einen Fehltritt zu machen. Sie hastete an dem neu gebauten Wohnheim der Akademie vorbei, welches sich an der Grenze zwischen Unter- und Oberstadt befand.


    Das Mädchen war sehr hübsch und jung gewesen. Sie hingegen war nicht mehr so... nun ja... taufrisch. Wenn der Zuhälter sie erwischte, würde sie sicherlich nicht wie das Mädchen die Reichen bedienen, sondern eher die Seeleute, die nach langer Fahrt, gierig nach einem Weibe lechtzen und eher ruppig mit den Dirnen umgingen. Lene errötete bei dem Gedanken, was die Seeleute mit ihr anstellen würden. So lange hatte kein Mann sie berührt - sie verdrängte den Gedanken - und das würde auch so bleiben, schwor sie sich - wenn nur der Zuhälter sie nicht erwischte!


    Da blieb ihr Fuß an einer Unebenheit der Straße hängen, sie stolperte, knickte um und stürzte. Ihr leerer Wäschekorb flog in hohem Bogen auf die Straße. Ein Schmerzensschrei entwandt sie sich ihren Lippen. Sie rappelte sich wieder auf. Bestimmt hatte der Mann sie gehört! Eine Welle der Panik überschwemmte sie. Ihr rechtes Knie war blutig und ihr Rock hatte war dort aufgerissen und mit Blut und Dreck verschmiert. Lene wollte weiter hasten, aber ein weiterer Schmerzenschrei entrang sich ihrer Kehle. Ihr Fuß war umgeknickt und schmerzte höllisch beim Auftreten. Sie konnte nicht mehr laufen, sondern nur noch humpeln. Jetzt würde der Zuhälter sie bestimmt einholen!


    Hüpfend und manchmal an Seitenmauern des Weges abstürzend humpelte Lene weiter. Es dauerte eine Ewigkeit, ehe sie die erste Seitengasse der Unterstadt erreichte. Der Zuhälter hätte sie eigentlich längst einholen müssen. Warum hörte sie ihn nicht? Sie sah sich um, sah aber niemanden.
    Sie stöhnte leise. Ihr Knie und der umgeknickte Fuss pochten sehr schmerzhaft. Warum nur, hatte sie sich auf eine so gefährliche Mission eingelassen? Und wenn der Zuhälter nun gerade in diese Seitengasse abbog? Sie war verloren! Sie konnte nicht weiter fliehen. Erschöpft und schwer atmend sank sie an einer dunkle Hauswand herab. Nicht dunkel genug, wie ihr schien. Ihr Fuss beschwerte sich dafür mit einer weiteren Welle des Schmerzes. Mit etwas Glück würde der Zuhälter sie nur für eine arme Bettlerin halten. Anspannt lauschte sie auf die Schritte, die sein Kommen ankündigen mussten. Vielleicht hatten die Fünfe ein Einsehen mit ihr und liessen ihn stur geradeaus gucken und an ihrer Gasse vorüberlaufen. Wenn nicht, dann würde sie sich in ihr dunkles Schicksal fügen - sie hatte keine Kraft mehr.


    Die Zeit verging, aber sie hörte keine Schritte. Sie hörte eine Katze fauchen und ein kleines Tier - eine Maus oder Rate - angstvoll quicken. Lene stellte sich vor, dass sie dieses Tier war - und der Zuhälter die geschmeidige Katze, die sie fangen würde.


    Dann nach unendlich langer Zeit - so schien es ihr - hörte sie Schritte, schwere Schritte von mehreren Leuten. Sie hörte das Scheppern von Metall. Lenes Herz rutschte in ihren Hals und laut hörte sie das angstvolle Klopfen ihres eigenen Herzens. Dann schritten zwei Gardisten der Stadtwache federnden Schrittes an ihrer Seitengasse vorbei. Sie kamen aus der Oberstadt. Lene wollte um Hilfe rufen, aber ihr Mund war wegen der Aufregung ganz trocken und sie brachte kein Wort heraus. Die Gardisten entfernten sich, ohne sie gehört zu haben.


    Lene blieb reglos sitzen. Die Kälte der Straße zog an ihrem Körper hoch und sie begann wieder zu frieren. Ihre Zähne klapperten, aber nichts geschah. Nach weiteren endlosen Minuten oder Stunden dämmerte Lene, dass der Zuhälter nicht mehr kommen würde. Sie war von den Fünfen verschont wurden. Inbrüstig schickte sie ein Dankesgebet los und beruhigte sich ganz langsam wieder. Vorsichtig versuchte sie sich zu bewegen und aufzustehen. Mit dem Fuss ging es etwas besser oder sie spürte den Schmerz wegen der Kälte kaum noch. Langsam humpelte sie zurück zum Hauptweg. Sah sich um - nichts. Dann humpelte sie weiter zu ihrer Unterkunft in der Unterstadt.


    Den ganzen Weg über grübelte Lene über die Frage, wohin der Zuhälter verschwunden sein mochte.

    Lene hatte beobachtet, wie ihre beiden Beobachtungsobjekte, Miroslav Mytholon und die junge Frau sehr lange zusammenhockten. Er schien sehr eindringlich auf sie einzureden - vermutlich drohte er ihr - und ab und zu blitzte ein Messer zwischen den beiden auf. Das arme Ding!


    Lene kaute aufgeregt an ihren Fingernägeln herum. Obwohl sie den ganzen Tag schwer gearbeitet hatte und der Alkohol in dem Tee sie hätte müde machen sollen (und davon war im 2. Tee seltsamerweise eine Menge mehr!), waren Lenes Nerven zum Zerreißen gespannt. Einmal sah sie, wie das arme Ding auf ihrer Lippe kaute - sie hatte bestimmt Angst vor dem Unhold! Dann sah sie, wie es sich zum einem Lächeln zwang - ein echtes Lächeln konnte das bestimmt nicht sein - vermutlich wollte sie den Mann mit ihrem falschen Lächeln milde stimmen.


    Dann, ganz plötzlich brachen die beiden auf und die Frau zahlte zum einen die Zeche und gab ihrem Zuhälter außerdem noch Geld! Dass dieser Miroslav Mytholon ein Zuhälter sein musste, war dem Waschweib sofort nach dem Aufblitzen des Messers klar geworden. Nun hatte sie den Beweis: Das arme Mädchen musste ihr Geld, welches sie vermutlich auf skandalöse Weise verdient hatte, an ihren Zuhälter abgeben!


    Natürlich wollte auch Lene sofort ihre Rechnung bezahlen - aber der Schankbursche schien sie nicht gehört zu haben. Als Lene wiederholte, dass sie zahlen zu wolle, schien er absichtlich langsam zu machen und verzögerte alles. Vermutlich hatte er ein Schmiergeld von dem Zuhälter bekommen und wollte verhindern, dass sie ihm folgte!


    Ein Skandal!!! Wer wurde noch geschmiert?


    Schließlich wurde Lene ihr Kupfer los und stürzte aus der Taverne auf den
    >>> Dorfplatz

    Lene triumphierte! Sie hatte endlich seinen Namen. Miroslav... hieß so nicht auch der Ex-Wirt des Zaunkönigs?


    "Eine seiner guten Bekannten, würd' ich sagen", sagte das Waschweib geringschätzig und drückte mit dem Tonfall ihrer Stimme aus, was sie davon hielt.


    "Ich hätt' gern noch so'n speziellen Tee", sagte sie und fügte leise, mehr zu sich selbst hinzu: "... jetzt wo es so interessant wird."


    Ihre Augen klebten an den Rücken ihrer beiden Beobachtungsobjekte. Verzweifelt versuchte sie zu erkennen was dort vor ging.


    Blitzte da nicht ein Messer zwischen den beiden auf? Oh Gott! Er zwingt sie dazu, sich ihm hinzugeben! Oder ist er ein Zuhälter, der seine Mädchen auf die Straße schickt?, dachte sie, geschüttelt von mildem Entsetzen und Schaulust...


    Ein wohliges Gefühl erfasste sie. Solch einen Skandal hatte sie schon lange nicht mehr aufgedeckt. Ihre Kollegin Aische würde vor Neid erblassen.

    Lene hatte gehört, wie Niro nach einem "Hinterzimmer" fragte.


    Einfach schamlos dieser Mann!, dachte sie. Er wollte sich mit seiner Gespielin ein Zimmer nehmen. Über das Kopfschütteln des Schankjungen schien er etwas enttäuscht zu sein. Nun hatten sie sich in die hinterste Ecke zurückgezogen und steckten die Köpfe dicht zusammen. Wahrscheinlich flüsterte er der Frau irgendwelche schamlose, anrüchige Geheimnisse ins Ohr.


    Lene konnte leider nicht sehen, was die beiden taten, da die beiden ihr den Rücken zudrehten und zu dicht - schamlos dicht - zusammen hockten. Wahrscheinlich hielten sie Händchen und überlegten, ob sie es wagen konnten, sich hier zu küssen! Sollten sie nur! Dann würde sie... ja was eigentlich?


    Sie seufzte. Wielange war es her, dass ein Mann bei ihr Händchen gehalten hatte...


    Sie zuckte kurz zusammen und hoffte, dass der Schankbursche ihren Seufzer nicht bemerkt hatte. Dann konzentrierte sie sich wieder auf die Antwort des Schankburschen. Der Junge sollte endlich etwas mehr über die beiden Turteltauben erzählen!

    Das neugierige Waschweib war mit dem bisherigem Verlauf des Abends etwas unzufrieden. Es schien, als habe sie irgendeinen Streit oder sonstiges interessantes verpasst. Die Spannung unter den Gardisten war fast noch greifbar. Aber die waren schon im Aufbruch begriffen.


    Schade, schade..., seufzte sie gerade in sich hinein, während sie den Tee mit Schuß fest umklammert hielt.


    Da ging die Tür auf und zwei Personen traten ein. Sie glaubte, ihren Augen nicht zu trauen. Der Mann kam ihr bekannt vor... Das konnte doch nicht sein! Er war es! Sie hatte ihn gesehen als sie durch das Fenster des Hauses der Merquatores Schwestern geblickt hatte: Er hatte sich auf die Schwestern gestürzt und war in unzüchtiger Art und Weise mit ihnen auf dem Boden herumgerollt!


    Beinahe wäre sie wie von einer Tarantel gestochen, aufgesprungen.
    Jetzt war der Mann in Begleitung einer hübschen, jungen Frau unterwegs. Erst die Merquatores Schwestern, jetzt das arme, hübsche Ding! War er ein Heiratsschwindler oder ein Gigolo, der sich von den Frauen bezahlen ließ? Sie musste es unbedingt herausbekommen...

    "Vielen Dank! Das wird gut tun", sagte Lene.


    Sie roch mit ihrer spitzen Nase an dem Rumaroma, welches der Tasse entströmte. Dann nippte sie vorsichtig an dem Tee.


    "Es ist so ruhig hier. Ist das nur mein Eindruck - oder ist das muntere Geplappere hier urplötzlich verstummt, als ich eintrat...", murmelte sie vor sich hin. "Wie schade..."


    Dann wendete sie sich wieder Jesche zu, die immer noch nähte. Lene hielt aber die Ohren gespitzt, um auch andere Gespräche aufzuschnappen.