Beiträge von Anderer Magonier

    Die Stille nach dem Knacken ist fast unnatürlich. Sogar das Rauschen der Bäume scheint leiser geworden zu sein. Weit entfernt hört man eine Amsel ihr einsames Lied singen.
    Wenige Meter von Gerion und Xann entfernt wieselt ein Eichhörnchen einen Baum hoch und schaut die beiden dann auch sicherer Höhe aus schwarzen Knopfaugen an. Als es tief im Wald kracht, klettert es rasch noch einige Meter höher und verschwindet in einer Baumkrone.

    Lutz scheint von einfachem Gemüt zu sein, doch herzensgut. Hätte er keinen schwarzen Vollbart gehabt, hätten die Frauen die feine Röte gesehen, die seine Wangen überzog.


    "Danke, Erwürd'n." brummelt er und geht wieder zu seinem Stand.


    Hilde dachte kurz über Johannas Frage nach.


    "Naja, so genau haben wir uns das noch gar nicht überlegt." gestand sie dann und wuchtete den Sack mit erstaunlicher Kraft hinter das Tuch. "Morgen ist zumindest der wöchentliche Markttag. Da sind die Leute schon bei Sonnenaufgang hier."

    "Ja, gerne.. ehm.. Johanna." versuchte Hilde es, auch wenn der Vorname etwas holprig über ihre Lippen kam.


    "Grade sind wir noch am Aufbauen. Aber wir hoffen schon bald auf die ersten Spenden."


    Sie wies auf die Kiste.


    "Diese dort ist für Geldspenden. Aber wir erwarten eher Sachspenden für die Tombola."


    Als hätte er auf dieses Stichwort gewartet, kam ein Mann von einem Marktstand herüber. Er schleppte einen Sack, der wohl nicht leicht war. Schnaufend stellte er ihn vor den Frauen ab und musterte dabei die Insignien, die Johanna trug. Ererbietig verbeugte er sich kurz.


    "Ich bin Lutz, Ehrwürd'n. Ihr sammelt fürs Waisenhaus, nich? Wir ham zwar nich viel, aber den Sack Töften können wir wohl erübrij'n. Is' ja fürn guten Zweck, nich wahr?"


    Der Mann grinste treuherzig, nahm sich die Kappe vom Kopf um sich durch die Haare zu streichen und sie dann in den Händen zu drehen.

    Hilde schob gerade eine kleine Bärenfigur aus Rosenquarz zurecht und betrachtete ihr Werk. Die kleine, füllige Frau hatte ein offenes, freundliches Gesicht. Das Leben hatte einige tiefe Falten in ihr Anlitz gegraben.
    Als sie Johanna sah, fing sie an zu lächeln.


    "Seid Ihr Johanna, Mutter?" fragte sie die deutlich jüngere Frau eine Anrede nutzend, von der sie nicht sicher war, ob sie richtig war. "Miriel hat erzählt, dass Ihr vielleicht kommen würdet. Aber das war ja.. sehr schnell. Ich bin Hilde. Das dort sind Anna und Gisela."


    Dabei deutete sie auf zwei Frauen, die gerade mit zwei Körben auf den Stand zuhielten.

    Die Augen des Jungen werden groß und ein Strahlen breitet sich über sein Gesicht aus. Dann greift er nach dem Beutel.


    "Danke Frau Johanna." sagt er. "Einen schönen Tag noch, Frau Johanna." meint er noch und geht dann zur Tür. Kaum hat sich die Tür hinter ihm geschlossen, fängt er an zu rennen um seinen Freunden stolz seine Beute zu präsentieren.

    Schüchtern betrat ein Junge von vielleicht acht Jahren den Tempel. Vorsichtig schaute er sich um und trat dann ein. Leise schloß er die Tür, die dabei ein wenig knarrte. Ohne einen Schrein vorzuziehen, verneigte er sich rasch in Richtung der Schreine und tappelte dann etwas nervös von einem Fuß auf den anderen. Unschlüssig schaute er sich um.


    "Hallo?" rief er schüchtern und zuckte dann zusammen, als seine eigentlich nicht allzu laute Stimme die Stille zerschnitt.

    Auf den Dorfplatz rumpelte ein kleiner Karren, der von einem Esel gezogen wurde. Selbiger schaute etwas gelangweilt aus der Wäsche.
    Auf dem Karren stapelten sich einige Bretter und Bohlen. Ein auseinandergebauter Tisch war wohl auch dabei nebst einigen Stoffplanen. In den nächsten zwei Stunden waren drei Männer damit beschäftigt, einen Stand aufzubauen. Die Bretter wurden mit Dübeln aneinander befestigt anstatt mit Nägeln, so dass man den Stand rasch wieder auseinander bauen konnte.

    Seine erste Woche im Hospital und dann gleich sowas.
    Wäre ihm die Patientin abgehauen, man hätte ihn sicher hinausgeworfen.


    Er musste so schnell es ging Meister Edric finden, sonst könnte die Frau einen erneuten Fluchtversuch starten.

    Alanis hatte gerade ein paar Schritte gemacht, als schon einer der jüngeren Gehilfen auf sie zugestürzt kam.


    Aber ihr könnt doch nicht...


    Er ergriff ihren Arm und versuchte sie zurück zum Bett zu führen.
    Es ist noch viel zu früh zum Aufstehen und außerdem würde es Meister Edric bestimmt nicht gutheißen. Denkt doch nur was beim letzten mal passiert ist, als ihr seinen Anweisung nicht folgegeleistet habt.
    Der junge Mann war vollkommen aufgelöst und wirkte für einen kurzen Augenblick etwas überfordert mit der Situation.

    Als Gerion und Xann wieder an dem Ort angekommen waren, an dem sie den Fuchs gefunden hatten, war alles unverändert. Eine breite Schneise von der Siedlung weg in den Wald zeigte den beiden überdeutlich, welchen Weg das Tier genommen hatte. Die Spur führte scheinbar konfus manchmal im Zickzack durch das Unterholz.
    Ab und an können Gerion und Xann Blutstropfen auf dem Boden und an Zweigen finden. An einigen wenigen weiteren Stellen befinden sich Flocken einer seltsamen, weißlichen Substanz auf dem Boden und an Ästen auf etwa Kniehöhe. Hätten sie es nicht besser gewusst, könnte man es für feinporigen Seifenschaum halten. Vorausgesetzt natürlich man kennt den Schaum von Seife und weiß um den Unterschied von feinporigem und grobporigem Seifenschaum.



    Zur gleichen Zeit woanders


    Die Bewegung ist verschwunden. Die einzige wahrnehmbare Bewegung ist das sanfte Schwingen der Äste des Waldes im Wind. Mit einem Stöhnen sinkt es kurz in die Knie, als ein brennender Schmerz durch den Hinterlauf zuckt. Doch schnell verebbt der Schmerz wieder. Orientierungslos setzt es seinen Lauf fort. Äste splittern und dröhnen dabei wie das Gebrüll von tausend Stimmen in den Ohren.

    Bei einem weiteren Schauer sträubt sich das Fell. Ein tiefes Keuchen dringt aus der Kehle, das sich in ein bedrohliches Knurren wandelt. Am rechten Rand des Gesichtsfeldes bewegt sich etwas. Der Kopf ruckt in diese Richtung und kann nur die Bewegung fixieren, nicht aber das, was sich da bewegt. Mit einer rasanten Drehung setzt sich der massige Körper in Bewegung und rast auf das zu, was auch immer es gesehen hat. Es ist schlecht seine Aufmerksamkeit zu erregen. Die Wut sucht sich einen Kanal. Der Geist verschwimmt hinter einem blutroten Vorhang.

    Wäre der Fuchs noch warm, hätte er die anschmiegsame Konsistenz einer Wärmflasche. So ist der Körper derart widerlich weich, dass nicht mal eine Totenstarre hatte einsetzen können.
    Einer der spitzen Eckzähne des Fuchses ist abgebrochen, zwischen einigen anderen Zähnen steckt ein kleiner Fellbüschel. Eindeutig vom Schwein. Die milchig, weißen Augen lassen erkennen, dass das Tier bestimmt schon einen ganzen Tag tot ist.


    Spuren sagen, dass das Schwein wohl weiter gezogen ist in den Wald. Es hat dabei nicht den leichtesten Weg gewählt, sondern muss wohl einfach geradeaus gegangen sein.



    Derweil irgendwo anders:


    Feurig heiße Luft brennt in den Lungen und jagt Stromstöße durch die Adern. Das Herz pumpt in einer unglaublichen Geschwindigkeit das Blut in die hintersten Winkel des Körpers. Viel zu schnell. Das Herz müsste eigentlich zerspringen. Wieso tut es das nicht? Dann hätte die Qual ein Ende. Die Sicht ist getrübt und gnädiges Grau hat die viel zu grellen Farben ersetzt. Der rasselnde Atem und die Ausdünstungen haben alles Getier im weiten Umkreis instinktiv flüchten lassen.

    Als Xann das Gebüsch umläuft, bietet sich ihm ein seltsames Bild. Als wäre er am Stamm herab gerutscht, liegt ein kleines, braunrotes Fellbündel am Fuße eines Baumes. Den Fuchs erkennt man nur noch an der Farbe. Die verdrehten Glieder lassen darauf schließen, dass das Tier zwar äußerlich unverletzt scheint, im Körperinneren jedoch kaum noch ein Knochen heile ist geschweige denn an seinem angestammten Platz ist.


    An der Schnauze des Tieres klebt getrocknetes Blut. Das Zeichen hätte niemand mehr gebraucht um auf innere Verletzungen zu schließen. Um das Tier herum ist die Erde aufgewühlt und ganze Erdschollen scheinen in blinder Tobsucht herausgerissen worden zu sein. Auch die Rinde weist Schäden auf. In der feuchten Erde finden sich Spuren von kleinen Pfoten und die Spuren des Schweins. Möglicherweise ist da noch mehr, jedoch ist es dann durch das aufgewühlte Erdreich nicht mehr zu erkennen.

    Kiefer mahlen knirschend aufeinander. Die Lefzen geben dabei ein widerlich schmatzendes Geräusch von sich als sich ein Speichelfaden löst und auf den Waldboden auftrifft.
    Kleine blutunterlaufene Augen mustern hektisch die Umgebung. Ein Geräusch? Ein Zittern durchläuft den massigen Körper.



    Derweil bei Gerion und Xann


    Das Gebüsch, in das der Durchgang gebrochen ist, kann ohne größere Probleme auch umgangen werden. Umso seltsamer, dass das Schwein direkt hindurch gebrochen ist.

    Der Waldboden ist kühl. Die Tropfen sollten Linderung verschaffen. Und doch rammt es die Klauen in den weichen, feuchten Waldboden und Hitzewellen zucken über den Körper. Die Kehle ist trocken und kein Bach dieser Welt kann Linderung verschaffen. Das schwere Röcheln ist zu einem steten Begleiter geworden. Zeit hat sowieso noch nie eine Rolle gespielt.


    Die Ohren stellen sich auf und zucken von einer Richtung in die andere. Die Welt hört sich anders an. Die Töne sind schrill und das vertraute Zwitschern der Vögel ist zu einem unerträglichen Gebrüll geworden, dass die Nerven bis zum Bersten spannt. Und die Wut. Diese Wut. Ein Grollen entringt sich der trockenen Kehle, das man nie von ihm zu hören geglaubt hätte. Das graue Licht des späten Winters, das nur zögerlich durch die noch kahlen Zweige dringt, ist grell geworden in den Augen, deren Wahrnehmung langsam verschwimmt.