Der junge Mann ist ohnmächtig. Mira schaut sich den Bauch an. Er blutet aus zahlreichen verletzten Organen und auch die Bauchwunde selbst hat einige große Gefäße erwischt. Ein zweiter tiefer Schnitt verläuft über sein Bein. Schon jetzt ist der Boden um den Mann blutgetränkt. Mira arbeitet konzentriert und so schnell sie kann. Bindet Gefäße ab, versucht die Blutungen an den Organen zu stoppen. Aber sie hat das Gefühl mit jeder gestoppten Blutung findet sie eine neue. Wo blieb nur die Hilfe? Mira wusste was passieren würde. Es war unausweichlich. SIE konnte nichts weiter machen. Eine Heilerin und dennoch völlig nutzlos. Würde ein Hund vor ihr liegen oder ein Pferd, sie hätte längst den Dolch gezogen und dem ganzen ein Ende bereitet. So saß sie hier, versuchte den jungen Mann so lange am Leben zu halten, bis ein Prister kam. Ein Prister hätte ihm vielleicht helfen können. Sogar Magier konnten das. Erst vor kurzem hatte sie Liri getroffen, die ihr erzählt hatte, wie sie einen Ritter mit einer Halswunde gerettet hatte. Wie groß wären ihre Chancen bei einer Halswunde gewesen? Hälfte, hälfte? Aber die Stadt war weit weg. Bei der Menge an Blut, die der junge Mann verlor zu weit. Der junge Mann hustete. Blut lief nun auch aus seinem Mund. Schwer atmend öffnete er die Augen. Mira hasste diese Momente. Er schaute sie an. Flehend, ängstlich und doch voller Hoffnung. "Hilf mir!" hauchte er, bevor ihn die Ohnmacht wieder übermannte. Tränen liefen Mira über die Wangen vor Verzweiflung, Hilflosigkeit und Wut. Sie hatte schon viel gesehen. Auch Dämonen und andere Scheußlichkeiten. Aber das was sie wirklich in ihren Träumen verfolgte waren nicht die Schrecken dieser Schlachtfelder. Was sie wirklich verfolgte, waren diese Blicke. Diese Hoffnung, die sie immer wieder enttäuschte.
Als ein Bussard hoch über den Wipfeln schrie, wusste Mira, dass es vorbei war. Sie blieb einfach neben dem jungen Mann knien und hielt seine Hand.