Beiträge von Melly

    Emma läuft zügig den Strand entlang, beinah sieht es aus, als würde sie rennen. Ihr Herz klopft so schnell, dass sie das Gefühl hat, es könnte jeden Moment aus ihrer Brust herausspringen. Als sie es nicht mehr aushält, bleibt sie stehen, schlingt die Arme um ihren Oberkörper und starrt auf das Meer. Die Wellen rollen gemächlich an den Strand und Emma zwingt sich, in ihrem Rhythmus zu atmen. Eine ganze Weile steht sie so da, atmet und starrt auf die Wellen. Saugt die endlose Weite in sich hinein.


    Als die Panik endlich nachlässt, kauert sie sich auf einen Felsen und stützt den Kopf auf die Knie. Sie möchte noch nicht zurück in die Stadt. Hier draußen fällt es ihr leichter, klar zu denken. Hier kann sie den Unterschied zwischen realer Welt und Erinnerung erkennen. Früher war ihr das nie schwer gefallen. Sie musste das in den Griff bekommen. Schon bald würde sie wieder zusammen mit der Garde nach Pirmasens reisen. Da konnte sie nicht als
    Nervenbündel aufkreuzen.


    Frustriert vergräbt sie eine Hand in dem feuchten Sand. Normalerweise helfen ihr Gebete, sich zu sammeln. Oder sie zählt Rezepte auf. Doch in ihrer Panik entfallen ihr sogar Verse, die sie schon seit frühester Kindheit kannte. Das macht ihr am meisten Angst. Die Augenblicke, in denen sie jegliche Orientierung verlor und die Erinnerung sämtliche Gedanken verschlang. Fröstelnd zieht sie den Umhang fester um sich und steht auf. Sie will nicht länger darüber nachdenken. Sicher findet sich im Laden etwas zu tun.

    Ein Jahr später…



    Emma schreckt schlagartig aus dem Schlaf und sieht sich hektisch im Zimmer um. Erst als sie im schwachen Dämmerlicht langsam die vertrauten Schemen ihrer kleinen Kammer ausmacht, kann sie sich ein wenig beruhigen.
    „Nur ein Traum“, wiederholt sie in Gedanken immer wieder und zwingt sich tief durchzuatmen. Fröstelnd steigt sie aus dem Bett und zieht sich schnell etwas Warmes an. Sie muss etwas tun. Bestimmt gibt es irgendwo im Haus eine Ecke zu schrubben oder im Gärtchen etwas Unkraut zu zupfen… Etwas hektisch reißt sie die Tür auf und betritt den kleinen Hinterhof.


    Draußen ist es noch fast dunkel. Eine dünne Schneeschicht liegt immer noch auf den Beeten. Ein Rest Wintergemüse steht noch feinsäuberlich in Reihen und weit und breit ist kein Unkraut zu sehen. Missmutig schaut sie zum Himmel, der wieder einmal wolkenverhangen ist. Wenn doch bloß der Winter endlich vorbei wäre!
    Sie wartet noch, bis es etwas heller ist, dann nimmt sie ihren Umhang und macht sich auf den Weg. Im Haus hält sie es nicht mehr aus. Es zieht sie nach draußen. Vielleicht brachte ihr ein Spaziergang ja etwas Ruhe.




    -->weiter in „Die Küste von Renascân“

    Emma betrachtet den Wust an Papier und denkt, dass sie nicht mit Mira tauschen möchte.


    "Uff das ist viel! Ich halte dich auch nicht lange auf. Ich wollte die da nur loswerden", meint sie etwas mitleidig und zeigt auf die Kräutermischung. "Wird ja nicht besser, wenns bei mir rumsteht."


    Sie nimmt einen großen Schluck Tee.
    "Gibts sonst noch irgendwas neues bei dir?"

    "Danke!", sagt Emma und sieht dem Gardisten nach, als er davongeht. Sie zieht ihr Schultertuch enger um sich und fröstelt ein wenig. Ein eisiger Wind weht vom Meer her. Während sie in Bewegung war, hatte sie ihn kaum bemerkt, aber nun kriecht er beißend unter ihre Kleidung. Der Wunsch nach einer Tasse Tee verfestigt sich und sie hofft, dass der Gardist Mira schnell findet..

    Emma geht eilig auf das Wachgebäude zu und spricht die Wachen an.


    "Die Fünfe zum Gruße, ich suche Mira. Ich habe eine Kräuterlieferung für sie.", wiederholt sie, was sie den Wachen in der Oberstadt schon gesagt hat.


    Sie deutet lächelnd auf den Beutel und wartet.

    Emma wird knallrot, als sie die Antwort der Gardisten hört.
    Hatte sie da etwa etwas verwechselt? Oberstadt, Unterstadt, wo war Mira das letzte Mal mit den Kräutern hingegangen?
    Mist, sie war so in Gedanken gewesen, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, erst in der Unterstadt zu fragen.
    "Entschuldigung, ich glaube ich hab da was verwechselt", lächelt sie reichlich verlegen,"Kann es sein, dass sie in der Unterstadt ist?"

    Emma atmet genüsslich die kalte Winterluft ein und läuf zügig auf das Gebäude zu. Sie hofft Mira gleich zu treffen, oder wenigstens Auskunft darüber zu erhalten, wo sie sie finden kann.
    Am Gebäude angekommen, spricht sie den wachhabenden Gardisten an:
    "Hallo, ich suche Mira. Ich hab Kräuternachschub für sie. Ist sie grade hier?"
    Sie deutet auf die Kräuter und sieht den Gardisten erwartungsvoll an.

    Der Winter bringt eine Menge Schnee, aber auch jede Menge Kundschaft. Die Leute kommen wegen Schnupfen oder sie sind im Schneeausgerutscht und haben sich das Handgelenk verstaucht.
    Emma steht in ihrem Zimmer und zählt die Kräuterbündel. Als sie fertig ist nickt sie zufrieden und kritzelt ein paar Zahlen auf einen
    Zettel. Die Vorräte haben ordentlich abgenommen, aber sie macht sich keine Sorgen, dass es knapp werden könnte.
    Ein Hoch auf die Götter, die das Land hier so abwechslungsreich gestalteten, denkt sie. In den tiefen Wäldern in Wildau war es viel schwieriger gewesen, genügend Vorräte anzulegen.


    Sie sieht sich in dem kleinen Zimmer um und atmet den Kräutergeruch tief ein. So schön es hier ist, der Wunsch zu Reisen ist auch im Winter nicht verschwunden. Ein bisschen mehr von der Welt sehen…Aber allein war das auf keinen Fall möglich. Nur zu gut waren ihr noch die Ereignisse der Reise hierher bewusst.
    Während ihre Gedanken kreisen fällt ihr ein, was Narvi am Fest der Akestera zu ihr gesagt hatte: Dass die Garde vielleicht Interesse an ihren Diensten hätte. Da wäre sie in sicherer Begleitung...


    Entschlossen steht sie auf, steigt in die Küche hinunter und füllt Kräutermischung in einen Beutel.
    Was nützt es schon Wunschgedanken bloß nachzuhängen, jetzt würde sie Nägel mit Köpfen machen. Zügig machte sie sich auf den Weg um Mira zu suchen.


    --> weiter im Wachgebäude der Oberstadt

    Als Emma zurückkommt hängt sie eilig den Kessel mit Wasser über das Feuer. Sie gießt den Silberkrautauszug ab und holt die Kräuter, die sie für den abendlichen Tee der Witwe Kramer benötigt. Sie holt das frische Leinkraut und gibt etwas getrocknete Brenessel und Heidekraut dazu. Als das Wasser kocht brüht sie das ganze auf und bringt den Silberkrautaufzug zum kochen. Sie beginnt gerade Gemüse für einen Eintopf kleinzuschneiden, als sie hört, wie die Witwe Kramer vorn den Laden abschließt.


    "Da liegen noch Kräuter vor der Tür Emma!", ruft die alte Frau und Emma springt auf.


    "Die hab ich ganz vergessen! Ich räum sie schnell nach oben!", antwortet Emma und schnappt sich den Berg Beifuß, um ihn in ihr Zimmer zu bringen.
    "Dein Tee ist gleich soweit und das Essen ist auch bald fertig", sagt sie im vorbeigehen.


    Die Alte lächelt und deutet auf die Kräuter.
    "Häng die nur in aller Ruhe auf, solange du noch Licht hast. Ich kümmere mich um das Essen", sagt sie und deutet auf ihre knotigen Hände "Seit du mir den Tee machst sind die viel besser geworden, da kann ich mich schon mal dafür bedanken."
    Emma lächelt erfreut und geht nach oben in ihr Zimmer. Langsam wird es immer schwieriger einen Platz für die Kräuter zu finden, die ganze Decke hängt voll. Der Winter kann kommen, denkt sie zufrieden, dieses Jahr habe ich reichlich Vorräte.

    Emma hört Narvi erleichtert zu. Natürlich wird sich die Garde schon drum kümmern.
    Sie lacht bei dem Gedanken, wie Finlay mit Lamask Tee trinken musste. Der Bursche ist für so was nicht geschaffen, viel zu ungeduldig, denkt sie und ist froh nicht die einzige zu sein, die Lamask erwischt hat. Trotzdem tut es ihr Leid ihn einfach stehengelassen zu haben. Es muss einsam sein, wenn sich jeder unwohl in seiner Nähe fühlt. Aber es ist schon spät und sie ist nicht gerade erpicht darauf ihm nochmal zu begegnen.
    Sie winkt Narvi hinterher und macht sich eilig auf den Weg zum Kramerhaus, im Kopf geht sie die Aufgaben durch, die sie noch erledigen muss und seufzt. Diese Zettel haben ihr ordentlich Zeit gestohlen, aber aufregend war es allemal!


    --> weiter im Haus der Witwe Kramer

    Emma zögert kurz, wenn sie Narvi die Zettel gibt, erfährt sie vielleicht nicht, was es damit auf sich hat. Andererseits will sie keine Scherereien, jetzt wo es doch gerade gut läuft in der Stadt.


    "Wenn du da was rausfindest, erzählst du's mir dann? Ich verrate es auch nicht weiter!", sie gibt Narvi alle drei Zettel und lächelt bei dem Gedanken an ihre und Narvis Pläne.
    "Kommst du dann einfach im Laden vorbei, wenn du das geklärt hast?" Sie deutet auf die Zettel. "Dann können wir in Ruhe nachdenken. Nicht, dass du wieder nicht da bist und...naja Lamask..." Sie runzelt wieder nachdenklich die Stirn, dann hellt sich ihre Miene wieder auf. "Außerdem hab ich noch Sanddornsaft für dich!", lacht sie und schüttelt etwas ungläubig den Kopf, "Der hat mich wirklich kalt erwischt."


    Plötzlich wirft sie Narvi einen seltsamen Blick zu.
    "Eines will ich noch wissen: Was wäre passiert, wenn du nicht gekommen wärst? Hätte er ernsthaft mit mir Tee getrunken?"

    "Unten am Weg der von den Steilhängen zum Rakentor führt. Ich war grade auf dem Rückweg und da lagen sie am Boden. Hat wohl jemand verloren. Also, weißt du was es bedeutet? Woran soll die Stadt Schuld sein?"


    Sie schaut Narvi aufmerksam an um keine Regung ihres Gesichts zu verpassen.

    Emma denkt kurz über Narvis Antwort zu Lamask nach und stimmt ihr dann in Gedanken zu.
    Sie setzt sich auf den Baumstamm und kramt die drei Schnipsel und ihre Lösung aus der Tasche.



    "Die habe ich heute morgen beim Sanddornpflücken am Wegesrand gefunden. Ich hab versucht herauszufinden was da steht, aber die Bedeutung ist mir nicht klar. Ich finde aber es klingt nicht so gut."


    Sie hält die Fetzten Narvi hin und gibt ihr auch die Lösung.

    Zitat

    Ren....n macht sich mit........ – Freiheit für I..... Lan....!!! ....isch-Vin... für alle Ze..!!!
    Niede. ..t Al......ngen!!! Tod und Verde.. den blut.......en Auf.....isc..n!!!

    Zitat

    ......ân ma... ...h ......uld.. – ....heit ..r .si..or ....ara!!! Loren....-....gy fü..... ..it!!! Ni...r ..t Alt......gen!!! ..d ..d Ve.... den .......stig.. ........ischen!!!

    Zitat

    .......n ...ht si.. .......ldig – ...ih..t für ...dor ..ng...!!! Lor....ch-...agy f.. a... .eit!!! N....r mit ....einin...!!!
    Tod ..d ...derb d.. b...rüns....n A...tändis...n!!!

    Zitat

    "Renascân macht sich mitschuldig - Freiheit für Isidor Langara!!! Lorenisch-Vinagy für alle Zeit!!!Nieder mit Altweiningen!!! Tod und Verderben den blutrünstigen Aufständischen!!!"


    "Wenn wo Tod und Verderben draufsteht, kann ich mir denken, dass es kein Freundschaftsbrief ist. Was hältst du davon? Und was heißt das da?" Sie zeigt auf die Worte Isidor Langara und sieht Narvi erwartungsvoll an.

    --> Fortsetzung vom Gebäude der Späher


    Erleichtert lässt sich Emma von Narvi die Straße entlangziehen.


    "Und du bist sicher, das macht ihm nichts aus?", fragt sie, sie schüttelt verwundert den Kopf, als sie an Lamask denkt. "Ein seltsamer Kerl."


    Dann zuckt sie die Schultern, als würde sie ihre Verwunderung abschütteln und sieht Narvi an.


    "Wir müssen auch nicht allzu weit gehen. Hauptsache wir sind ungestört. Ich will dir was zeigen", sie grinst voll freudiger Erwartung.
    "Wie geht es dir denn? Ich wollte dir eigentlich eine Flasche Sanddornsaft mitbringen. Die hab ich aber grade Lamask geschenkt. Du kannst aber natürlich trotzdem eine haben."


    Sie wirkt zwar immer noch ein wenig zerstreut, doch der Schreck, den Lamask ihr eingejagt hat ist über die Neugier und Aufregung längst vergessen.

    Die Anspannung fällt von Emma ab, als Narvi sie umarmt und sie muss grinsen, als sie ihr etwas in ihr Ohr flüstert.


    "Ich wollte dich zu einem Spaziergang einladen", antwortet Emma ihr. Dann deutet sie auf das Gebäude. "Lamask hat mich willkommen geheißen. Aber da du ja jetzt da bist..."


    Sie sieht Narvi fragend an, unsicher, wie Lamask reagieren wird, wenn sie seine Einladung zum Tee jetzt doch abschlägt. Auf keinen Fall möchte sie ihn zum Feind haben. Vielleicht konnten sie den Tee ja später trinken.

    Ungläubig starrt Emma auf Lamasks Rücken. Irre, da draußen, klar..., denkt sie etwas bitter, doch ein kleines Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht und diesmal ist es echt. Sie will gerade hineingehen, als sie Narvi hört. Erleichtert dreht sie sich um und wartet bis sie beim Gebäude ist.


    "Narvi ist hier." ruft sie Lamask zu. "Wir wollten gerade Pfefferminztee trinken", erklärt sie dann Narvi, und schaut immer noch etwas verwirrt und verunsichert drein.

    Emma ist unglaublich erleichtert, weil Lamask einen Schritt zurück macht. Dann zuckt sie vor Schreck heftig zusammen, denn Lamask brüllt Narvis Namen so laut, dass es vermutlich noch sämtliche Nachbarschaft gehört hat.
    Wenn das so weitergeht bleibt mir noch mein Herz stehen vor Schreck, denkt sie und versucht ihren Atem zu beruhigen. Dann trifft sie wiedereinmal Lamasks Blick und sie verliert sich kurz in den hellen starrenden Augen.
    Unheimlich, ist das beste Wort, dass Emma als Beschreibung für diesen Blick einfällt.
    Als Lamask fragt, ob sie Tee möchte, ist sie hin- und hergerissen. Einerseits will sie unbedingt auf Narvi warten, sonst hätte sie auch gleich weglaufen können, andererseits macht Lamask ihr Angst.
    Jetzt sei keine Memme, redet sie sich selbst Mut zu und gibt sich einen Ruck.


    "Ja, ich nehme gern einen Pfefferminztee, danke", sagt sie und versucht zu lächeln, was ihr nicht so recht gelingen will, weshalb sie es vorerst aufgibt.