Emma läuft durch das hohe Gras auf die steinigen Steilhänge zu, die sich in Richtung Raken erstrecken und genießt die Sonne.
Ein angenehmer Wind fächert die trockenen Grashalme durcheinander und lässt die Wiese wirken, als würde sie Wellen schlagen.
Als sie den Hang erreicht beschattet sie die Augen mit einer Hand und sieht prüfend hinauf. Ja, da wachsen bereits die ersten Sanddornbüsche.
Die orangefarbenen Beeren strahlen im Sonnenschein und die Äste sind schwer von den vielen Früchten.
Emma klettert den Hang bis zum ersten Busch hinauf und sucht sich einen sicheren Stand. Dann beginnt sie, die empfindlichen Beeren abzupflücken und in ihren Korb zu legen.
Nach einer Weile beginnt sie zu summen. Ihre Hände wandern flink zwischen dem Strauch und dem Korb hin und her.
Als ein großer Schwarm Vögel in über sie hinwegfliegt, hält sie kurz inne und sieht ihm nach. Sie lässt den Blick schweifen, betrachtet die Wiesen, den Waldrand und den Fluss und findet es wunderschön.
Trotzdem breitet sich das Fernweh in ihr aus. Nachdem sie Wildau verlassen hatte war sie einige Zeit mit Lina durch Magonien gereist.
Es war anstrengend gewesen, doch die stetige Abwechslung hatte ihr gut gefallen. Die Schiffsreise nach Renascân, allerdings, war furchtbar gewesen und nachdem sie endlich angekommen waren, hatten sie Beide keine Lust mehr auf Reisen gehabt. Renascân gefiel ihr gut. Das Zimmer bei der Witwe Kramer war gemütlich und sie hatte viele Freunde gefunden. Das erste Jahr war sie einfach froh gewesen, wieder ein Zuhause zu haben, aber mittlerweile hatte sie doch wieder Lust auf etwas Abwechslung. Wenn Narvi und Mira von ihren Abenteuern erzählten, wurde sie fast ein bisschen neidisch.
Andererseits lief der Verkauf ihrer Kräuter seit diesem Jahr wirklich gut. Sie hatten viele Kunden und sie kam kaum hinterher ihre Vorräte aufzufüllen. Eigentlich konnte sie es sich nicht leisten zu verreisen… es sei denn… vielleicht, wenn sie auf ihren Reisen weiterhin etwas verdienen konnte. Oder wenn sie Vorräte anlegte, die die Witwe Kramer verkaufen konnte, wenn sie nicht da war…
Das Gespräch mit Narvi am Fest der Akestera kommt ihr wieder in den Sinn. Es geht ihr seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Das wäre auch eine Möglichkeit…
Seufzend schüttelt sie den Kopf und macht sich wieder an die Arbeit. Man wusste nie, wie lang so eine Reise dauern würde. Wie sollte sie denn so viele Vorräte anlegen. Und überhaupt sollte sie froh sein, dass sie
endlich ohne Almosen der Witwe Kramer zurechtkommen konnten, anstatt sich über zu wenig Abwechslung zu beklagen!
Sie greift etwas zu energisch nach den Beeren und sie zerplatzen in ihrer Hand. Emma atmet tief durch, wischt den Saft an dem Lumpen ab, den sie immer an ihrem Gürtel trägt, und pflückt vorsichtiger weiter.
Als der Korb keine einzige weitere Beere mehr aufnehmen kann, macht sie sich auf den Heimweg. Auf dem Weg pflückt sie noch hier und da ein paar Blätter.