Beiträge von Thekla

    "Nicht..."
    Calechú hält sie fest und versucht sich gleichzeitig an die Dinge zu erinnern, die sie über die Sprache der Menschen gelernt hat. Wie hatte sie sich darauf gefreut ihre Kenntnisse dahingehend auszuprobieren. Irgendwann einmal. Doch jetzt fühlt sie sich seltsam unbeholfen und befangen.
    "Ihr... verletzt. Nicht... anfassen."
    Gleichzeitig schüttelt sie den Kopf und schiebt die Frau wieder in die sitzenden Position zurück.

    Nachdenklich betrachtet Ealoren die schlafende Elbe.
    Nicht lange danach kommt Calechú um ihre Meisterin abzulösen. Auf die Neuigkeit, daß die Fremde wach war und gesprochen hat, hat sie sichtlich Mühe ihre Aufregung im Zaum zu halten. Warum ist sie nicht selber da gewesen?
    Daß sie eine Sprache spricht, die Ealoren nicht erkannt hat verwirrt sie.
    Die nächsten Stunden sitzt sie sehr angespannt neben dem Krankenbett und beobachtet jede kleinste Regung der Schlafenden.

    Die Elbe hält sie und streicht ihr langsam und beruhigend übers Haar. Die wenigen Worte, die ihre Patientin von sich gegeben hat zeigen ihr, daß sie sehr wohl sprechen kann - etwas bei dem sie sich bis dahin nicht sicher war. Die Worte klingen unvertraut, gehören keiner Sprache an die sie spricht. Doch die Bedeutung ist nicht so schwer zu erraten. Schwere Verletzungen mit langer Bewußtlosigkeit führen hin und wieder zu einem mehr oder minder umfassenden Gedächtnisverlust, das weiß sie.
    Sie hält also die Fremde eine Weile und schiebt sie schließlich ein Stück von sich um ihre ins Gesicht zu sehen. Beide Hände legt sie um ihr Gesicht und schaut sie ernst an.
    "Antaeriel", sagt sie tröstend. "Antaeriel." Sie nickt und wischt mit einer Hand ihre Tränen fort. "Ihr seid ein Geschenk des Meeres..."

    "Ealoren", wiederholt die Heilerin noch einmal deutlich und langsam den Namen, als ihr klar wird, daß die Angesprochene die Silben nicht aus dem Satz lösen kann. Sie beobachtet das Gesicht ihres Gegenübers und Mitleid und Sorge zeigen sich in ihren sanften Zügen als sie den Wechsel der Gefühle im Gesicht der anderen bemerkt.
    "Schhhhh. Regt euch nicht auf", versucht sie sie zu beruhigen. "Es eilt nicht. Vielleicht seid ihr noch nicht so weit."
    Sanft nimmt sie ihre Hand. "Alles ist gut..." Nicht nur uhre Worte sagen das sondern auch Tonlage und Körperhaltung.

    Mit routinierten Griffen hat die Elfe den Rücken ihrer Patientin mit Kissen abgestützt, so daß diese ohne Anstrengung aufrecht sitzen bleiben kann.
    "Ja, ihr seid schwer verletzt gewesen", bestätigt sie die offensichtliche Bestandsaufnahme.
    "Aber ihr versteht mich nicht nicht wahr?", fragt sie dann mitleidig. Ein wenig ratlos blickt sie in das schmale blasse Gesicht.
    "Ich werde mich euch trotzdem vorstellen." Sie weist mit der Hand auf sich selber. "Im Ealoren." Prüfend schaut sie ins Gesicht ihrer Patientin, ob die verstenden hat, daß sie sich gerade vorstellt.

    Die Elfe greift nach ihrem Arm und der Schulter, der Griff ist fest und sicher. Sie hilft der Fremden sich aufzurichten und sagt dabei in der gleichen Sprache und ruhigen Tonart: "Bewegt euch vorsichtig. Der Arm war gebrochen, er wird noch eine Weile der Schonung bedürfen."

    Über ihr Lager beugt sich eine Frau, feine, ebenmäßige Züge und spitze Ohren zeugen von ihrer Herkunft.
    "Le suilon", erklingt ihre sanfte Stimme.
    "Ihr seid in Isilsarn, in Sicherheit", fährt sie dann in der gleichen Sprache fort. "Es ist gut, daß ihr wieder wach seid..."

    Calechú ist an ihrer Seite als sie die Augen aufschlägt und will schon das Wort an sie richten, doch es ist noch immer zu früh.
    "Ja... ihr seid unter euresgleichen und in Sicherheit", sagt sie leise, als das Bewußtsein wieder schwindet. "Ruht euch aus und werdet gesund..."


    In den Wipfeln angekommen wird die Trage in ein weitläufiges Krankenzimmer gebracht, in dem die Fremde auf eine gewachsene Liege umgebettet wird.


    Calechú und ihre Meisterin werden sich die nächsten Tage mit der Pflege der Patientin, dem zubereiten von Medizin und der Wache an ihrem Lager abwechseln.

    Am Ende des Tages, der auf den folgte, an dem die junge Elfe Calechú aufgeregt ins Dorf kam, von einer angespülten Elfe am Strand erzählte und mit der ältesten Heilerin und zwei weiteren Helfern das Dorf wieder verließ, kehren die vier mit einer Trage zwischen sich in den inneren Kreis zurück.
    Die Frau auf dem Segeltuch ist noch immer bewustlos.
    Die Heilerin eilt davon, um einen Raum für die Gefundene und mehr Medizin vorzubereiten, nachdem sie Anweisungen gegeben hat wie mit der Trage weiter zu verfahren sei.


    Calechú bleibt bei der Fremden während ihrer beiden Begleiter zusammen mit weiteren Elfen eine Art Seilzug bauen, um die Fremde samt Trage in die Wipfel der Baumhäuser zu transportieren.

    Bevor die vier die Trage anheben und mit ihrer Last langsam und vorsichtig den Aufstieg wagen sieht Calechú noch einmal zurück zur Wasserlinie, wo die Frau gelegen hat.
    Zwischen den nassen Kieseln sieht sie etwas glitzern und einem Impuls folgend geht sie dort hin. Ein Ring liegt dort, silbern mit einem blassen Stein. Die Elfe hebt ihn auf ohne weiter darüber nachzudenken und kehrt zu ihren Gefährten zurück.


    Der Aufstieg mit der Trage ist mühsam und es vergeht einige Zeit bis die Elfen mit ihrer Last die Kante des Abbruchs erreichen und sich in den Wald, in Richtung Heimat wenden.

    Jedes Mal wenn die Frau anfängt zu reden und sich zu bewegen ist Calechú mit einem Satz an ihrer Seite. Sie streicht ihr sacht über die Stirn oder spricht beruhigend auf sie ein, bis sie sich wieder entspannt und aufhört sich aufzuregen.
    Nach kurzer Zeit ist das Tragegestell fertig und die Elfen legen es neben die fremde Frau um sie dann so vorsichtig wie möglich darauf umzubetten.

    Die alte Heilerin beobachtet den Husten mit Sorge, die übrigen Veränderungen jedoch mit Zufriedenheit.
    Noch bevor sich die Sonne wieder über den Horizont erhebt verläßt Calechú den Platz ihrer Meditation und geht, nein, hüpft beinahe dorthin wo ihre Meisterin neben der Verletzten sitzt.
    Auf ihre aufgeregten Nachfragen gibt die ältere Elfe ihr ruhig und bereitwillig Auskunft. Dann nutzt sie die Gelegenheit geeignete Behandlungsmethoden für den Husten mit ihrer Schülerin zu besprechen, worüber die Zeit bis zur Beendigung der Meditation ihrer beider Begleiter vergeht.
    Mit den beiden männlichen Waldelben nehmen sie ein karges Frühstück zu sich und beginnen dann, aus den Resten von angeschwemmtem Segeltuch, Tauen und Hölzern eine Trage für ihre Patientin zu bauen.

    Als die Sonne bereits beginnt zu sinken tauchen vier Schemen vor dem Waldrand auf und beginnen mit dem Abstieg. Calechú folgt den beiden Männern und der Frau aus ihrem Volk als letzte den steilen Pfad zum Ufer hinab. Sie ist nun wirklich erschöpft, nur noch die Sorge um die angespülte Frau treibt sie voran. Erleichterung macht sich breit als sie sie so vorfindet wie sie sie verlassen hat.
    Die Elben schüren das Feuer neu und richten ein provisorisches Lager ein.
    Es wird beschlossen, die Nacht am Meer zu verbringen. Der Aufstieg in der Dämmerung und Rückweg im Dunklen erscheint unnötig riskant mit der Verletzten.
    Diesmal hat Calechú Unterstützung dabei, ihren Findling neu zu verbinden, Heilkräuter haben sie bereits mitgebracht.
    Die Wunden werden noch einmal versorgt und Calechu´s Meisterin gelingt es auch, der Verletzten etwas dünne Suppe einzuflößen.
    Ihre Aufmerksamkeit gilt zu einem Teil jedoch auch ihrer Schülerin und als die Sonne hinter dem Horizont versunken ist schickt sie die Wiederstrebende sich auszuruhen und zu meditieren.
    Sie selber und ihre beiden Begleiter wachen abwechselnd über der Halbelfe, kontrollieren Atmung und Temperatur und halten das Feuer die Nacht über in Gang.

    Calechú versucht noch einmal, die Fremde zu wecken, damit sie ihr sagen kann, daß sie sie nicht verläßt sondern mit Hilfe zurückkehren wird. Doch die Versuche sind fruchtlos und so läßt sie sie schweren Herzens zurück nachdem sie ihr noch einmal Wasser eingeflößt, das Feuer geschürt und der Fremden einen Wasserschlauch und etwas Reisebrot dagelassen hat - für den Fall daß sie doch von alleine aufwacht.


    Eilig macht sie sich an den aufstieg und dann auf den langen Weg zurück ins Dorf um Hilfe zu holen.

    Calechú hält die Nacht Wache bei der Fiebernden, sie sorgt dafür, daß das Feuer nicht ausgeht und verabreicht ihr noch zweimal von der fiebersenkenden Medizin.
    Daß sie beginnt sich in der Bewußtlosigkeit zu bewegen beunruhigt die Elfe. Dem gebrochenen Arm ist das nicht zuträglich. In diesen Phasen versucht sie zumindest den Arm so gut es geht ruhig zu halten und leise und beruhigend auf die Frau einzureden, ihr vorzusingen um sie aus den Alpträumen zu holen.


    Als die Sonne aufgeht sitzt sie mit unterschlagenen Beinen neben der angespülten Frau und versucht sich davon zu überzeugen, daß diese jetzt einen halben Tag ohne sie auskommen kann. Sie sollte gehen und Hilfe holen solange sie noch nicht zu erschöpft ist. Die Nacht ohne Regeneration fordert ihren Tribut.

    Als immer klarer wird, daß die Frau beginnt zu fiebern nimmt Calechú den vorbereiteten Sud in dem Lederbeutelchen und versucht vorsichtig der immer noch Bewußtlosen etwas davon einzuflößen, ohne daß es in die Luftröhre gerät.
    Das Ergebnis ist durchwachsen, mit etwas Glück hat die Frau die erforderliche Dosis geschluckt.
    Sie läßt die Fremde noch einmal für kurze Zeit alleine um noch einmal Wasser zu holen und im letzten Licht des schwindenden Tages einzusammeln was sie an fiebersenkenden Kräutern noch finden kann.
    Als sie wieder zum Ufer herunterklettert geht sie noch einmal ihre Möglichkeiten durch.
    Hilfe zu holen und die Fremde so lange allein zu lassen scheint ihr grade in der Nacht zu riskant. Es würde dauern bis sie das Dorf erreichte und mit ihrer Meisterin und genügend Helfern zurückkehren konnte um die Frau die Felsen hinauf und in die Sicherheit des Dorfes zu tragen.
    Also blieb nichts anderes übrig als mit ihrem Findling hier die Nacht zu verbringen und zu hoffen daß sie morgen stabil genug war um sie einen halben Tag alleine zu lassen.

    Schließlich sind alle Wunden gereinigt und verbunden und Calechú fragt sich, was sie nun noch tun kann. Die Fremde in die pralle Sonne zu legen, um sie zu wärmen scheint ihr wenig sinnvoll. Anstatt sie aufzuwärmen riskiert sie damit wohl eher einen Sonnenbrand oder Sonnenstich. Am sinnvollsten scheint es ihr, die Frau etwas näher ansFeuer zu rücken und sie mit ihrer eigenen Körperwärme zu wärmen.
    Und dann kann sie nur noch warten, abwarten, ob ihre Maßnahmen nun eineVerbesserung des Zustandes bringen oder ob as Meer sich seine Beute doch noch holt...