Beiträge von Jyla Windgeflyster

    Antaeriel - an diesen Namen musste sie sich erst gewöhnen, auch wenn sie sich an keinen anderen erinnern konnte - lächelte zurück und nickte.


    "Ja, ein bisschen. Und durstig!"


    Ganz vorsichtig richtet sie sich auf, bis sie gerade sitzt. Sie fühlt sich wirklich besser - kein Schwindel, kein Schädelbrummen und nur leichtes Ziehen oder Pochen an den Stellen, wo ihr Körper lädiert ist.

    Schließlich schlägt dieser die Augen auf und schaut sich, immer noch mit diesem seligen Lächeln auf dem Gesicht, um.
    Ihr Blick erscheint heute klar, hell und wach.
    Als sie Calechú erblickt, huscht der Ausdruck des Wiedererkennens über ihr Gesicht.


    "Hallo Calechú.",


    sagt sie und richtet sich ein wenig auf - gerade so viel, um besser sehen zu können und dabei nichts Verletztes oder Empfindliches all zu sehr zu strapazieren...

    Es ist der Morgen am Tage danach. Unter dem Blätterdach der hohen, mächtigen Bäume, in denen die Elfensiedlung liegt, ist es noch recht kühl, hier und da hängen noch Nebelfetzen zwischen den riesigen Stämmen. Die ersten Sonnenstrahlen verwandeln zusammen mit den Wassertropfen des Morgentaus alles in eine unwirkliche Glitzerwelt. Es ist frisch, die Luft riecht rein und nach der erdigen Geborgenheit des morgenfeuchten Waldbodens. Vögel zwitschern, kleine Tiere huschen umher, die letzten dämmerungsaktiven Kreaturen ziehen sich zu ihren Ruheplätzen zurück...


    Oben in ihrem Krankenzimmer erwacht die angeschwemmte Frau mit einem seligen Lächeln auf den Lippen. Tief atmet sie die erfrischende Luft ein und genießt zum ersten Mal seit ihrer Ankunft hier einen Moment absoluter Klarheit. Kein Brummen im Kopf, keine pochenden Schmerzen, kein unangenehmes Zwicken machen ihr gerade zu schaffen. Für einen Augenblick hat sie das Gefühl, wie ein junges Tier aufzuspringen und umhertollen zu können. Sie weiß, dass sie das nicht tun kann, aber allein der Gedanke daran erfüllt sie Glück. Sie ist sich ihres (Über-)Lebens in diesem Moment euphorisch bewusst und gerade macht es ihr auch keine Sorgen, dass in ihrem Kopf kaum mehr Erinnerungen vorhanden sind, als bei einem neugeborenen Kinde.


    In ihrem Geiste entsteht ein Bild eines klaren Waldteiches, der in der frühen Morgensonne einladend glitzert. Wasser plätschert vom speisenden Bach über bemooste Steine, silberne und goldene Fische flitzen mit strahlenden Schuppen unter der Oberfläche umher.
    Die Frau wünschte, sie sei gerade an diesem Ort - sie würde zunächst einen tiefen Schluck des klaren Wassers genießen, um dann ein erfrischendes Bad in diesem sicheren, von Teppichen aus Laub und Moos umrahmten Tümpel zu nehmen...


    Ein lautes, zufriedenes Seufzen entringt sich ihrem Mund...

    Unterdessen atmet die Fremde im Krankenquartier ein paar Mal tief durch.


    "Danke."


    sagt sie und blickt schließlich die Elbe mit einem zaghaften Lächeln an. Und tatsächlich ist dieses schlichte 'Danke' so unglaublich vielschichtig, wie es nur sein kann.



    "Wie ist Euer Name?"


    möchte sie, begleitet von einer entsprechenden Geste von der anderen wissen.

    Langsam taucht die Fremde aus ihren Erinnerungen wieder auf. Die beruhigende Stimme und das waldige Grün der Augen ihrer Gegenüber helfen ihr dabei als Ankerpunkte.
    Schließlich sitzt sie schwer atmend, die Augen geschlossen, mit einem kummervollen Gesichtsausdruck da und lehnt sich haltsuchend und erschöpft an die Elbe an.

    Die Fremde runzelt die Stirn und versucht die Erinnerungsfetzen zusammen mit dem, was die Elbe ihr erzählt zu einem Bild zusammenzusetzen. Doch immer wieder entziehen sich Teile ihrem Griff.
    Sie hört Meeresrauschen, Stimmen, das leise Schreiten von mehr als zwei Füßen über Waldboden und das Gezwitscher von Vögeln. Sie riecht den erdigen Duft des Waldes, Tang und Salz, und den Körpergeruch einer Person. Sie sieht verschwommene Gesichter, die sich zu ihr herunterbeugen und ganz kurz ein erschreckendes Bild von Wellen, die über ihr zusammenschlagen und den Himmel ausblenden. Sie spürt einen warmen Körper an ihrer Seite, Steine und Sand unter sich, sanfte Berührungen von kundigen Händen und das seltsame Gefühl, wenn man in einer Trage transportiert wird.


    Der letzte Hinweis löst eine Reaktion aus. Die Frau starrt die Elbin an.


    "Am Meer?!"


    Plötzlich weicht jede Farbe aus dem Gesicht der Fremden, Schweiß tritt auf ihre Stirn und sie beginnt zu zittern.
    In ihren Ohren rauscht es, Eindrücke stürzen auf sie ein und entführen sie aus dem Krankenzimmer zurück zu einer anderen Situation:
    Wassermassen umschließen sie, drücken auf ihren Kopf, Wellen schlagen über ihrem Kopf zusammen und werfen sie wie eine Puppe in den Strömungen hin und her. Mal sieht sie den Himmel, mal füllt nur das Schwarz der See ihr Blickfeld aus. Sturmböen und nasse Brecher tosen in ihren Ohren, salziges Wasser und der metallische Geschmack von Blut lassen sie würgen, doch da ist keine Luft, nur noch mehr Wasser...


    Mit starrem Blick und verkrampftem, zitterndem Körper sitzt die Frau viel zu hastig atmend auf ihrem Krankenbett - offenbar gefangen in den grausigen Erinnerungen...

    Die Frau blickt die Elbin dankbar an und nickt.
    Nachdem sie zuerst offenbar aus Gewohnheit mit der rechten Hand nach dem Löffel greifen will (sie verzieht kurz das Gesicht und lässt es dann bleiben), beginnt sie nun mit der Linken zu essen.
    Dies tut sie extrem langsam, sowohl von den Bewegungen her, als auch von der Zeit die sie sich nimmt, einen jeden Löffelvoll im Mund zu schmecken und zu genießen, bevor sie schluckt.


    Dabei hört sie ihrer Helferin so aufmerksam zu, wie es ihr möglich ist.


    Es wird deutlich, dass sie die ganze Portion auf keinen Fall wird schaffen können...

    Als habe ihr Magen die Frage verstanden, knurrt es plötzlich unter dem Hemd der Fremden.
    Diese schaut ein wenig irritiert an sich herunter und dann zu der Elbin.


    "j...ja."


    sagt sie.
    Doch offenbar beschäftigt sie etwas noch mehr, als Hunger. Und so fragt sie:


    "Wo bin ich?"


    Es ist offensichtlich, dass diese Frage mehr beinhaltet, als nur die Bitte um eine geographische Antwort. Ihr ist aufgefallen, dass die für sie selbstverständliche Srpache hier nicht gesprochen wird und dass ihre Gegenüber offenbar nicht viel Übung in deren Gebrauch hat.


    Sie versucht ihre Gedanken zu sammeln und in Ruhe und Logik zu verstehen, was hier um sie herum geschieht und geschehen ist, aber mit dem Brummschädel, der allgemeinen Schwäche und den ständigen, leichten Schmerzen der Verletzungen fällt es ihr sichtlich schwer, sich zu konzentrieren...

    Etwas versteift, weil sie diesen stechenden Schmerz in ihren Rippen vermeiden will, lässt sich die Fremde von der Elbe umpositionieren.


    Nachdem der Schmerz auf ein ignorierbares Maß abgeklungen und nur noch die allgegenwärtige Steifigkeit, das leichte Ziehen an den heilenden Wunden und der kaum noch fühlbare Brummschädel zurückgeblieben ist, wendet sie sich wieder ihrer Umgebung zu.
    Sie schaut sich genau um und nimmt die Atmosphäre und Charakteristika ihres Krankenlagers neugierig auf...

    Die Fremde trinkt durstig, aber zum Glück langsam, sodass sie sich nicht verschluckt. Nachdem der halbe Becher leer ist, zieht sie den Kopf zurück und schenkt der junge Elbe einen dankbaren Blick.


    Dann schaut sie mit gerunzelter Stirn auf ihre rechte Hand herunter, die in ihrem Schoß liegt. Vorsichtig fühlt sie mit den Fingerspitzen der linken Hand über Verband und Schiene und wackelt vorsichtig mit den Fingern, um auszutesten, wie stark die Verletzungen sind.
    Zufrieden damit, das sie wenigstens die Finger bewegen kann, tastet und schaut sie dann nach ihren anderen Blessuren.
    Sie fühlt noch einmal nach der Prellung in der Schulter und verzieht das Gesicht, als ihre Finger durch den feinen Stoff des dünnen Hemdes das Gewebe rund um die Verletzung an der Seite reizen.
    Nachdem das Wackeln mit den Füßen nicht auf beiden Seiten gleich gut geklappt hat, zieht sie die leichte Decke zur Seite, runzelt die Stirn über die stark verschorften Knie und versucht dann sorgenvoll den geschwollenen, steifen Knöchel zu erreichen.
    Das Vorbeigen jedoch verursacht einen stechenden Schmerz unter der Stelle, an der ihre Seite verletzt wurde.
    Zischend zieht sie den Atem ein und hält sich mit zusammengekniffenen Augen den Brustkorb an diesem Punkt...

    Am Nachmittag kündigen eine veränderte Atemfrequenz und unruhige Bewegungen ein erneutes Aufwachen der Fremden an.
    Noch bevor sie ihre Augen öffnet, versucht sie etwas zu sagen, doch ihr Mund ist ausgetrocknet. Sie schluckt mühsam und krächzt dann:


    "Etwas zu trinken..."


    Sie hustet, verzieht das Gesicht und richtet sich auf, wobei sie sich vorsichtig auf ihren linken Arm stützt. Etwas desorientiert schweift ihr Blick auf der Suche nach Flüssigkeit durch den Raum...

    Die ganze Geschichte hat die Fremde ziemlich erschöpft. Und so sieht sie etwas niedergeschlagen und verheult und ziemlich müde zu Ealoren auf.
    Die ruhige Stimme und die sanfte und zugleich beschützende Berührung beruhigen sie. Sie kämpft plötzlich gegen schwere Lieder und bleierne Müdigkeit an...

    Tränen schimmern in den Augen der Fremden.
    Sie sieht die Heilerin an, deutet mit der Hand und sagt mit leiser, zittriger Stimme


    "Ealoren".


    Dann zeigt sie auf sich und schluchzt verzweifelt auf.


    "Und ich? Wer bin ich?"


    Ängstlich, verunsichert und erschöpft lehnt sie sich an die Heilerin an und weint bitterlich...

    Diese schaut sie ein wenig hilflos aber nachdenklich an.


    Dieser ganze Schwall Worte, in der feinen, melodiösen, aber unbekannten Sprache...


    Die Geste zum Schluss macht ihr deutlich, dass die andere sich ihr vorstellt, aber ist dieses "Imealoren" jetzt der Name, oder sind ihr ob der singenden Sprache einfach einzelne Worte wie eines vorgekommen?


    Noch in Gedanken darüber, erfüllen plötzlich Unsicherheit und Unruhe die Frau. Die andere hat sich ihr mit Namen vorgestellt, und das hieße, sie würde von ihr auch einen Namen erwarten. Doch da ist keiner! Wer ist sie? Und wie kommt sie hierher? Was war vorher? Wenn dies nicht ihre Sprache, nicht ihr Volk ist, wohin gehört sie dann?


    Nach außen hin vollzieht sich ein beunruhigender Wandel im Zustand der Frau: Zunächst hatte sie ausgesehen, als wolle sie etwas auf die Vorstellung der Heilerin erwiedern, doch dann waren ihre Gedanken offenbar sprunghaft gewandert - nun sitzt sie verkrampft da, es ist eine an Panik grenzende Unruhe in ihren Augen und sie schaut sich verzweifelt um...

    Kurz ist ihr ein wenig schwindelig - lange hatte sie ja jetzt gelegen, doch der kräftige Griff gibt ihr Stütze, bis der unangenehme Eiertanz in ihrem Kopf wieder aufgehört hat.
    Bei den Worten der anderen hört sie genau hin, ihr Gesichtsausdruck ist der von jemandem, der versucht, sich krampfhaft an etwas zu erinnern.
    Dann jedoch zuckt sie nur traurig mit den Schultern, um dabei ordentlich zusammenzufahren, als die Prellung an der Schulter und die schnittartige Wunde an ihrer Seite schmerzhaft gegen diese Bewegung protestieren. Sie hebt ihren rechten Arm an, um mit der Hand ihre Verletzungen zu betasten, nur um festzustellen, dass dieser Arm geschient und verbunden ist und sich zudem unglaublich schwach und schmerzhaft anfühlt.
    Also betastet sie vorsichtig mit der linken Hand zunächst die Schulter und dann die Seite mit der Wunde, nur um dabei erneut das Gesicht zu verziehen. Etwas ernüchtert schaut sie auf ihren lädierten Körper...

    Die fremde Frau schaut die Elbin an, ihr Blick ist ruhig und entspannt. Sie kennt die Stimme und auch an das Gesicht glaubt sie sich schemenhaft zu erinnern.
    Bis auf ein nichtssagendes Lächeln geht sie nicht auf die Worte der anderen ein. Statt dessen versucht sie, sich ein wenig aufzurichten, um sich ihre Umgebung besser anschauen zu können...

    Es ist ein ruhiger Vormittag am 2. Tag nach Ankunft der Fremden in der Siedlung. Immer mal wieder ist sie zwischendurch aufgewacht, ohne jedoch wirklich ansprechbar gewesen zu sein. Ihr Zustand hat sich stetig gebessert, der Husten ist fast abgeklungen und ihre Verletzungen haben langsam zu heilen begonnen. Auch ihre Träume sind ruhiger geworden.


    Nun liegt sie im grünlichen Dämmerlicht der Vormittagssonne, die sich ihren Weg durch das Blätterdach der Siedlung bahnt, schlägt die Augen auf und versucht, sich zu orientieren.
    Ihre Blicke erinnern ein wenig an ein neugeborenes Kind, das versucht, die Welt um sich herum Stück für Stück aufzunehmen und zu verarbeiten...

    Eine veränderte Körperspannung verrät, dass die Frau wieder einmal aus ihrer Bewusstlosigkeit empor steigt. Statt jedoch zu zucken und wirr zu murmeln, atmet sie dieses Mal tief ein, ihre Züge entspannen sich, bis fast ein Lächeln auf ihrem Gesicht liegt. Ganz offensichtlich, nimmt sie die friedlichen Eindrücke ihrer Umgebung wahr und scheint sie auch zu genießen. Dann schlägt sie kurz die Augen auf und versucht offenbar sogar, ihren Blick auf die Person, die ihr am nächsten ist zu fokussieren. Doch nur ein schwaches Lächeln, als habe sie eine Art Frieden gefunden, gleitet über ihr Gesicht und die Lieder fallen ihr wieder zu...