Als Marthiana sich in dem Raum umsah schmunzelte sie. Sie sah das kleine Kind und die Windeln und ihr wurde etwas schwindlig.
"Nein dankeKassi, ich habe im Moment keinen Durst... ich... möchte das hier einfach schnell hinter mich bringen..."
Sie brabbelte dem Baby ähnlich etwas in sich hinein was Kassi nicht verstehen konnte, dann langte sie in ihre Tasche und zog einen Brief hinaus.
"Nun... du weisst in etwa in welcher Situation ich mich befinde, aber das verhängnissvollste daran weisst du ja noch gar nicht.. In Engonien sind eben gewisse Dinge passiert... Dinge die... lies am besten den Brief, es wird dir die Situation besser darstellen können als ich es im Moment kann. Der Brief ist von meinem Vater, ich habe ihn in meiner Verzweiflung in einem Brief um Rat gefragt... sieh selbst was herausgekommen ist..."
Sie hielt Kassandra einen Brief hin, der schon ziemlich zerknittert aussah, als wäre er tausendmal aufgerollt und gelesen worden in der Eile und dann wieder unordentlich zusammengerollt. Ein paar Tropfen auf dem Papier verwischten die Tinte... Es war eine sehr elegante und schwungvolle Schrift...
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Alae mein Kind,
mit Kummer und Sorge las ich deinen Brief. Es ist mir noch immer ein Rätsel wie dies geschehen konnte, und ich frage mich, ob du dir bewußt bist, welchen Aufruhr du an den Hof Miralas´ gebracht hast.
Nachdem mich dein Schreiben erreichte musste ich den Rat einberufen, da du mit deiner Tat mehr als nur ein kindliches Malheur begangen hast. Deine Bitte und deine Tat fordern Handlungen die das Wohl und den Verderb Aparcias zum Thema haben.
Ich kann im Augenblick nichts tun als dich aus der Ferne zu tadeln, doch selbst dies wird bei dir auf taube Ohren stoßen.
So wie du einfach gegangen bist, deine Eltern und deinen Bruder zurückgelassen hast, ohne dir Gedanken zu machen, was deine Tat auslösen würde, hast du erneut kopflos gehandelt und wie ich vermute aus reiner Lust heraus dein Ehegelübde einem Mann gegeben den du nicht liebst.
Wie konntest du nur so töricht sein? Wenn er wenigstens dein Herz berührt hätte, wäre ich nicht gezwungen erneut einen Ausweg für dich zu suchen.
Das letzte Mal, daß ich auf deine Fehltritte reagieren musste, entschied ich falsch und kommandierte deinen Bruder an die Ostfront, damit die Drow diesen Umstand nicht ausnutzen, was erwartest du nun von mir?
Wen muss ich diesmal opfern, um dich zu retten?
Es gibt keine einfache Lösung für das Problem. In den alten Zeiten als Aparcia stark und mächtig war, hätte ich ein Heer ausgesandt um deine Ehre zu retten und diesen Ritter niederzuwerfen, doch diese Zeiten sind vorbei.
Es sollte an dir und deinem Bruder sein sie wieder einzuläuten.
Doch meine Hoffnung schwindet mit jedem neuen Tag, mein Blut dünnt aus, meine Erben schwinden und der letzte von ihnen scheint in seinem kindlichen Leichtsinn Aparcia den letzten vernichtenden Stoß zu geben.
Es gibt keine Worte meine Enttäuschung einzufassen. Es gibt kein Leid mit dem man den Schmerz beschreiben kann mit dem du mein Herz füllst.
Seit ich dir Ileya in gutem Glauben an die Seite gestellt habe, hast du aus ihren Lehren stets nur das gezogen, was für dich von Vorteil war, deiner Lebensfreude dienlich und hilfreich dich meinem Einfluß zu entziehen.
Deine Mutter stirbt, dein Bruder ist vergangen und auch ich zehre mich aus in Sorge um dich, all jene deren Hoffnung und Freude du warst, vergehen an deinen Missetaten.
Ich bin müde mein Kind, so müde dir dabei zuschauen zu müssen, wie du mit deinem Egoismus jene zerstörst die dich lieben und zusehen zu müssen wie du dabei Leid über dich selber bringst.
Wenn doch dein Tun zumindest dich selbst glücklich machen würde, so hätte unser aller Opfer einen Sinn, doch dein Leid ist unser Leid.
Ich wünsche mir wenig mein Kind, nur das du und dein Land glücklich sind.
Ich wünsche mir, daß du die Weisheit erlangst eine Herrscherin zu werden, eine Führerin, jemand zu dem mein Volk einst aufschauen wird.
Ich wünsche mir, das Aparcia gesundet, stark und strahlend wird, so wie es einst war, als unser Haus noch jung und mächtig war.
Mein Kind, es gibt etwas, was mein Herz mich verlangt dir zu sagen.
Als ich einst bemerkte, wie rebellisch dein Geist war, wie stark du warst, welche Präsenz dein Erscheinen in einem Raum war, noch vor deinem 50sten Geburtstag, da entschied ich mich gegen den alten Weg, ich zwang dich nicht dazu die Lehren einer Hofdame zu lernen, ich gab dir eine Amazone zur Seite. Damit du an ihren Lehren wachsen konntest.
Genauso wie ich deinen Bruder privat unterweisen ließ, anders als alle Prinzen vor ihm.
Ich dachte ihr würdet auf diese Weise einen frischen, jungen und mächtigen Geist in Aparcia einziehen lassen.
Ich dachte ich zöge eine neue Generation alter Könige heran, mächtig, stark und stolz und vor allem Weise.
In deinem Bruder irrte ich mich, weil er von den schier unglaublichen Taten berauscht war, die er vollbrachte. Als strahlender Stern verging er, weil er sich in Sorge und Übermut nicht mäßigen konnte.
Er stand immer in erster Reihe wenn es in die Schlacht ging, und vergaß seine Verantwortung seinem Haus gegenüber.
Und ich befürchte, in dir mein Kind irre ich mich, weil aus deinem freien Geist ein rebellischer geworden ist, anstatt aus eigenem Willen eine hohe Verantwortung zu entwickeln, entfliehst du ihr. Anstatt um Aparcias Willen deine eigenen Wünsche zu mäßigen, handelst du wie dein Bruder, immer in erster Reihe und ich fürchte diese Einstellung wird mich in Bälde auch meinen letzten Erben verlieren lassen.
Aber genug vom Tadel eines alten Vaters, du fragtest mich als Fürst um Rat, und hier nun der Ratschlag der Weisen Aparcias:
Es gibt drei Möglichkeiten, der Hochzeit zu entgehen.
Zum einen findest du einen Mann der ihm im Stande überlegen ist, und der sowohl in deiner Gunst steht, so wie er dich ebenfalls lieben muss.
Jener muss nun durch Befehl oder Fehdrecht dem Ritter untersagen dich zu ehelichen und deine Ehre wiederherstellen indem er ihn besiegt oder hinrichten lässt
Der Ritter richtet ein Turnier zu deiner Ehrenrettung aus und fällt unter deinen Farben
Der Ritter verliert sein Leben vor dem Termin der Hochzeit
Alle diese Lösungen beinhalten zwingend deine voreheliche Verwitwung.
Allerdings können sie nur dann Anwendung finden, wenn sein Blut noch nicht in deinen Adern fließt. Du darfst kein Leben unter dem Herzen tragen, das seinen Ursprung in seinem Blut hat.
Ansonsten ist die Ehe bereits vollzogen und sein Tod wäre der Tod eines rechtmässigen Angehörigen des Herrschaftshauses Aparcias.
Es gibt noch eine weitere Lösung die allerdings für ihn oder für dich bittere Folgen haben würde, und mit dir für Aparcia...
Bringe ihn dazu seine Farben abzulegen, sein Schwert seinem Herren zu überreichen, Lehen, Rechte und Pflichten in dessen Hände zu legen und mit einem Tritt durch seinen Herren das Land zu verlassen.
All dies muss auf seinen Wunsch und durch ihn selbst geschehen.
Wenn er in das selbst gewählte Exil geht, und du kein neues Leben unter deinem Herzen trägst, hat er die höchste Schande des Adels auf sich genommen und somit auch deine Schuld.
Deine Ehre ist wiederhergestellt.
Wenn er jedoch der Mann ist, als den du ihn mir beschrieben hast, so wird er eher sterben, als das er diese Schande auf sich nimmt.
Mein Kind ich hoffe du findest einen Weg im Ratschlag Aparcias.
Auch hoffe ich, daß du einen Weg findest, mit dem dein Fehltritt nicht wieder das Leben eines großen Kriegers fordert, so wie es dein Bruder war.
Trotz allem was du uns an Schmerzen bereitest, sei dir der Liebe deiner Familie bewußt.
Als Fürst hätte ich dich längst verbannt, doch als liebender Vater, bitte ich dich, pass besser auf dich auf und komm bald nach Hause.
In nicht endender Liebe und großer Sorge
Argothon der Zweite
Fürst von Aparcia zu Miralas