Die Ereignisse der letzten Jahre Revue passieren lassend, saß Aldhayn in der Bibliothek des Bärengrundes und suchte nach seinen Erinnerungen. Der Aufenthalt im Land der Lesath hatte ihn Einiges gekostet. Nun musste er es sich mühsam zurückholen.
MIt jedem Bericht den er las erinnerte er sich auch an das dazugehörige Ereignis. Doch der Prozess war langwierig und seine Geduld begrenzt. Immer wieder bekam er Wutanfälle, immer wieder war er von seiner eigenen Leistungsfähigkeit enttäuscht, immer wieder überkam ihn der Gedanke, daß diese Suche völlig ohne Sinn und Nutzen für ihn war.
Er war Vater eines Kindes, daß er nicht kannte. Vater eines Kindes, das im Feindesland groß wurde, Gatte einer Frau die sich nicht an ihn erinnerte, und Gatte einer Frau die ihn über alle Maßen hasste. Zwei Leben die so unvereinbar waren wie nur irgendetwas, und dann noch Eines. Als Krieger, als Champion zahlreicher Turniere, Länder und Gottheiten.
Warum erinnerte er sich nicht mehr daran, daß er Aquas Antwort auf die Herausforderungen der anderen Lager war? Warum erinnerte er sich nicht daran, daß er als Schwertmeister der Linesti über besondere Kräfte verfügte? Warum funktionierten sie nicht? Warum hatte er seit zwei Jahren kein Turnier mehr gewonnen, geschweigedenn gekämpft? Wo waren seine Verbündeten, seine Knappen, seine Freunde?
Alles woran er sich erinnerte war, daß er als Berater des Heerführers sein Lebenswerk präsentiert und erfolgreich angewandt hatte. Das mobile strategische Führungskommando Bärengrund-Messan hatte es dem Lager des Lichtes ermöglicht, sämtliche strategischen Ziele zu erreichen, die es sich ausersehen hatte.
Es hatte die Angriffe der Feinde vorhergesehen, Gegentaktiken entwickelt, Informationen gesammelt und den Rat beraten, und es hatte ihn gut beraten. Er beschloss auf jeden Fall in das Land der Lesath zurückzukehren, um dieses Wissen weiter auszubauen.
Dies war ein anderer Teil seiner Vergangenheit, er konnte seinen ewigen Ruhm als Gott des Krieges nicht auf dem Schlachtfeld erlangen, dafür war er zu alt, zu wenige Schlachten gab es zu schlagen und viele Andere hatten schon deutliche Vorsprünge erkämpft. Was er aber konnte, war das Gesicht des Krieges zu verändern, derart, daß es nicht mehr bloße Gemetzel waren, deren zahlenmäßig überlegene Seite siegte.
Dies war ein Teil seiner Identität; Einer der tief verwurzelt lag, und mit dem er sich identifizieren konnte, den er verstehen und nachvollziehen konnte. Er würde sich ihm widmen, doch nun widmete er sich etwas Anderem.
Aldhayn erhob sich von seinem Lesesessel vor dem Kamin und ging zu seinem Schreibtisch, wo er sich niederließ und einen Brief an einen alten Freund aufsetze.
Geehrter Montra´ar Talris, viel Zeit ist ins Land gegangen, seit wir uns über die Geschicke unterhalten konnten. Meine so wie die des Landes, meines Lehens und der Nymbra. Ich schreibe an Euch in einer Zeit größter Verwirrung, wenn nicht gar Verzweiflung. Der kalte Hauch des Todes der mich im Lande der Lesath umfing, nahm mir Jahre meines Lebens, Jahre der Erinnerung, Jahre meiner Identität. Ich bitte, nein flehe Euch an, daß ihr mich im Bärengrund aufsucht, auf daß wir gemeinsam auf die Suche gehen können, nach dem Mann den Ihr einmal Freund nanntet. Bitte zögert nicht, mir in dieser dunklen Stunde beizustehen. Euer ergebener Aldhayn Grauquell vom Bärengrund zu Montralur Reichshüter seiner fürstlichen Hoheit Montra´ar Talris Protektor von Messan
Als er geendet hatte, siegelte er den Brief und rief einen Boten zu sich. Er instruierte ihn, mit einer kleinen Gruppe, nicht mehr als fünf Mann Talris zu suchen, wo auch immer er ihn finden möge, und nicht ohne ihn zurückzukehren.
Dann wartete er, Tage, Wochen, vielleicht auch Monate auf seinen alten Freund...