Der Wachhabende nickt der Dame grüßend zu.
"Nun, dann wollen wir mal losgehen. Ich hoffe eurem Gemahl wird es schnell wieder besser gehen. Meine Männer werden sich hier um alle weiteren Formalitäten kümmern."
Dann dreht er sich halb zur Seite und deutet auf einen Weg, der von der Küste auf einen größtenteils bewaldeten Hügel hinaufführt und nach einigen Dutzend Metern hinter dem Strand dann auch im Wald verschwindet.
"Die Siedlung ist an der Flanke des Berges, das heißt wir müssen nach oben gehen, aber ich denke, dass das kein Problem für die Herrschaften ist. Nach einer Seereise freut man sich meistens, sich ein wenig die Beine vertreten zu können".
Er wartet, bis die Handelsgesellschaft an seiner Seite ist, dann positioniert er sich wie zufällig an der Seite der Gemahlin des ehrenwerten Gregor, Sohn des Grog, und läuft los. Nachdem einige Höflichkeiten ausgetauscht wurden, Frage nach dem Befinden, dem Verlauf der Reise und ähnliches, hält der Gardist einen Moment inne, und fängt dann wieder zu reden an:
"Wisst Ihr, werte Herrschaften…" - Kastnor lächelt seine neuen Begleiter breit und mit einem verschmitzten Blitzen in seinen freundlichen Augen an - "Wisst, ihr" – wiederholt er sich – "ich war dabei, als die Lorenier die tempturische Grenzstadt Shyr angegriffen haben, in den letzten Kriegstagen".
Ohne die Möglichkeit mehr als ein stummes Nicken erwidern lassen zu können fährt er fort:
"Ich war in einer Einheit, die die Tempturier an der Grenze zu Lorenien unterstützten sollte. Ich bin gebürtiger Taurier, wahrlich, eine prächtige Provinz, ruhig, mit fruchtbaren Schafsweiden, wunderbaren Wäldern, umgeben von majestätischen Bergen, doch in den mächtigen taurischen Städten Rhytanen und Basajaun kann auch die unruhige Seele ihre Zerstreuung finden". – Er grinst in seinen Bart hinein - "Einzig schade nur, dass Basajaun nicht über einen Hafen verfügt, das ist wahrlich eine Schwierigkeit ohnegleichen. Die Steilküsten lassen einfach keinen wirklichen Hafen dort zu, und außerdem sind die Gewässer dort recht seicht und größere Schiffe könnten nicht sicher manövrieren. Nun ja, paar Fischerboote gibt es dort schon, und über ausgeklügelte Seilwinden können wir marginalen Fischfang dort betreiben, aber es ist alles sehr bescheiden, leider". – Einen winzigen Moment wirkt er fast ein wenig melancholisch, bevor er unbeirrt fortfährt – "Ihr fragt Euch sicher, wie ein alter Soldat wie ich soviel davon weiß, nicht wahr?" – Ohne eine Antwort abzuwarten fährt er fort – "Nun, bevor ich zur Armee bin habe ich in Basajaun gewohnt und dort gearbeitet, als einer der wenigen Fischer. Ach, was war ich damals noch ein junger, schicker Bursche! Die Mädchen sind mir nachgerannt sage ich Euch, doch heute, da bin ich schon glücklich, wenn mir eine hübsche Dame nur ein Lächeln schenkt".
Nach einer Sekunde Schwelgens in alten Erinnerungen erzählt er weiter seine Geschichte, ungeachtet dem Interesse seiner Zuhörer:
"Aber ich schweife ab, nicht wahr?! Über Shyr wollte ich euch erzählen, und den Angriff der Lorenier! Ich war dort, die Taurier waren mit den Tempturiern verbündet und meine Einheit half ihnen, die Stadt vor feindlichen Angriffen zu verteidigen. Dies war nicht so schwer, den ein mächtiger Fluß bildet sie Grenze zwischen den beiden ehemals verfeindeten Provinzen. Doch dann haben es diese lorenischen Hunde" – diese Beleidigung scheint eher respektvoll als wirklich böshaft zu klingen - "tatsächlich geschafft, mit ihren Katapulten über die gesamte Flußbreite bis in die in der Ufernähe liegenden Stadtbereiche zu feuern, über die Stadtmauer hinweg! Unvorstellbar, eine technische Meisterleistung! Feuergeschosse haben sie benutzt, und als eines der ersten Gebäude" – er schmunzelt – "hat es unsere Lieblingskneipe erwischt, die Taverne „Zum betreuten Trinker“. In Feuer und Flammen ist sie aufgegangen und hat einige benachbarte Gebäude mit in Leidenschaft gezogen, bevor das Feuer unter Kontrolle war. Das könnt Ihr mir glauben, dieser Verlust hat massig Unmut ausgelöst unter den Soldaten!" – Er lacht freundlich – "Aber wie gut, dass dieser unselige Krieg dann einige Tage später beendet wurde, nach Generationen, sage ich Euch!"
Der Weg schlängelt sich weiter von der Anlegestelle den Hügel herauf, während der Gardist den Neuankömmlingen weiterhin seine Lebensgeschichte offenbart. Dann, als ob es sich besinnen würde, dass er eigentlich gar nicht das Recht hätte, die Reisenden mit derartigen Geschichten zu belästigen, hält er plötzlich mit seinen Erzählungen inne und fragt:
"Aber interessiert Euch das überhaupt? Entschuldigt bitte meine Redseligkeit – meine Kameraden kennen meine Geschichten schon in- und auswendig und hören mit gar nicht mehr zu! Da freue ich mich über alle Leute, die einem alten Mann ein Ohr schenken, für seine alten Geschichten… und missachte dabei manchmal die Regeln des guten Anstands".