Beiträge von Thankmar

    Es ist dunkel. Es muss etwa Mitternacht sein. Das sonst so geschäftige Treiben im Hafen ist zum Erliegen gekommen. Man sieht die Hand kaum vor Augen. Es ist eine Mondlose nacht und es ist dunkel. Bernold torkelt ein bisschen beim Laufen. Kurz ist er unsicher, ob er den richtigen Weg genommen hat. Dann schüttelt er lachend den Kopf. Bisher hat er immer heim gefunden, zu seiner liebreizenden Frau.
    Zwei Gestalten kreuzen seinen Weg. Sie schleifen etwas schweres hinter sich her. Es ist kaum zu erkennen bei der Dunkelheit. Bernold lallt ihenen ein "Die Fünfe zum Gruße" zu und torkelt weiter an ihnen vorbei. Arme Schweine denkt er, müssen um diese Zeit noch Schiffe beladen.
    Ein paar Miuten später hört er es zweimal platschen. Na da waren die beiden wohl nicht mehr so nüchtern, denkt er sich, haben sie einfach das Schiff verfehlt. Das hätte ich sogar noch getroffen. Er kichert ein wenig, während er weiter nach hause läuft.

    TocK.......Tock....Tock..TockTockTockTockTock. Eine dicke Walnuss springt über das Pflaster. Von der Dachkante schaut eine Krähe mit schiefem Kopf nach untern und krächzt einmal. Sie hüpft zwei Sprünge über das Dach und fliegt dann hinunter zur Nuss. Erneut nimmt sie die Nuss in den Schnabel und fliegt wieder los. Diesmal wählt sie ein Dach das etwas höher ist und lässt die Nuss fallen. Tock-Knack. Die Nuss zerpringt in 2 Hälften. Als wäre sie zuällig vorbeigekommen landet die Krähe vor den Nusshälften und beginnt das Innere zu fressen.

    Ein Gardist streckte seine rötliche Nase in die Tür


    "He, Mira. Da draußen wartet jemand auf dich. Irgendwas mit Kräutern, sagt sie."


    Er grinste breit


    "Oder soll ich mich drum kümmern? Also, um die Kräuterfrau, meine ich. Von Kräutern hab' ich zwar keine Ahnung, aber gegen mich is kein Kraut gewachsen."

    Die Wachen nickten Emma freundlich, aber förmlich zu.


    "Zum Gruße! Zu Mira?"


    "Müsste grad Dienst haben, ja. Moment."


    Er pfiff durch die Zähne, dann erschien von drinnen ein dritter Gardist


    "Schau mal ob Mira da ist. Hier ist Kundschaft."


    Der dritte Gardist, ein noch recht junger Bursche, raunte ein kurzes "Jwl....", dann verschwand er recht schnell wieder im Wachgebäude

    Rauhes Tuch berührte ihre Hände, als ihr Bewusstsein sich an die Oberfläche wandt. Ihre Augenlider waren zentnerschwer.


    "Sie wird wach. Vater!" sagte eine Stimme leise neben ihr und sie spürte eine Bewegung.


    Etwas berührte kitzelnd ihr Gesicht und verschwand dann wieder. Als sie es endlich schaffte ihre Augen zu öffnen musste sie sich erst an das sanfte Licht gewöhnen. Über ihr schwebte das Gebälk... einer Hütte? Neben ihr auf einem Schemel hockte ein Mädchen, recht jung. Die Beine hatte sie an den Körper gezogen und schaute ihren Gegenüber neugierig an. Hinter ihr stand ein Mann, der in seinen Händen einen Lappen hielt und auch er ließ sie nicht aus den Augen.


    Dann sprang das Kind auf und verschwand im hinteren Teil der Hütte.


    "Bleib besser liegen." sagte der Mann mit einem freundlichen Lächeln. "Dein Kopf hat eine ordentliche Beule abbekommen."


    Schon erschien wieder das Mädchen. Ein dürres Geschöpf in einem recht formlosen Kittel. Aber ihre Hände waren geschäftig und ihre Augen waren hellwach. Sie schob den Schemel an die Pritsche heran und stellte einen Schale darauf ab. Ohne Zögern half sie dem Gast dabei sich aufzurichten und schob ihr ein Kissen in den Rücken.


    Als sie merkte, dass die Frau Schwierigkeiten hatte den Löffel zu führen, nahm sie ihn ihr aus der Hand und begann sie zu füttern, als wäre das schon immer ihre Aufgabe gewesen.

    Beide Gardisten nickten


    "Gehe ich mal von aus, ja."


    "Aber keine Ahnung, ob sie grad Dienst im Lazarett hat. Und wenn nicht, dann vielleicht in den Quartieren unten. Freiwillig will ja keiner raus bei der Saukälte."


    "Dann viel Erfolg."

    Die beiden Gardisten, die vor dem Eingang des Wachgebäudes (rotnäsig wie sie waren) offenbar schon eine ganze Zeit lang Wache standen, nickten Emma grüßend zu.


    "Die Fünfe zum Gruße. Mira? Hier?"


    Er sah zu seinem Kameraden, der mit den Schultern zuckte


    "Nicht dass ich wüsste. Hat sie denn gesagt, dass sie hier oben wäre?"


    Der andere schüttelte leicht den Kopf


    "Nee, würde mich wundern. Wüsste auch nicht, was sie mit den Kräutern hier oben sollte."


    Irgendwie schienen die beiden von der Frage reichlich überrascht.

    Die Antwort erfolgte dahingehend, dass es keine gab. Der Kerl drehte sich kurz um, sah Alvina ins Gesicht und leckte sich... über die Lippen. Eine obszöne Geste?! Oder möglicherweise nur trockenen Lippen geschuldet. Dann machte er sich davon.


    Zwei junge Burschen tauchten auf, vielleicht dreizehn Jahre alt.


    "Hey, soll'n wa euer Gepäck tragen?"


    Aus einem überraschend schmutzigen Gesicht schauten ein paar überraschend helle Augen die beiden Frauen an. Der andere kratzte derweil an seinem Handrücken herum und kaute an einem Stengel Süßholz.


    "Wir können euch auch alles zeigen. Was ihr wollt. Wir kennen hier jeden Stein." Das Lächeln des Wortführers war doch recht einnehmend.


    "Jop." setzte der andere bestätigend dazu.

    Von Ferne ist das Bellen eines Hundes zu hören. Das langbeinige Tier mit der struppigen Schnauze springt um einen Stein herum. Der Hund rennt ein Stück weg, kehrt aber wieder zurück.


    Vom seltsamen Verhalten des Tieres aufmerksam geworden, kommt ein Junge heran. Er mag etwa 12 Jahre alt sein. Einige wenige Sekunden starrt er die Frau an, die dort liegt. Ihr Haar schwimmt auf den Wellen, die im steten Rythmus des Meeres heranrollen. Sie trägt ein aufgeweichtes ledernes Wams und überall hängt Seetang. Bewegt sich da die Hand? Der Junge schreit auf und rennt begleitet von dem aufgeregt bellenden Hund auf das Häuschen zu.


    "Vater! Vater!"

    Links und rechts erstreckt sich ein langer Strand. Er ist durchbrochen von Felsansammlungen, an denen viele Muscheln und Seetang hängen. Vor der Küste sind ein paar Sandbänke, so dass die Wellen nur abgeschwächt ans Ufer rollen.


    In einiger Entfernung ist ein Dorf. Doch hier ist ein Häuschen, dort, wo der Sand aufhört und fruchtbare Erde beginnt.

    In dem Versuch den Sturm zu übertönen, brüllte der Kapitän den Seeleuten Anweisungen zu. Das Segel flatterte in Fetzen am Mast. Den Fünfen seis gedankt nur noch in Fetzen. Der Wind hätte sonst das Boot gekippt. Und wenn der es nicht getan hätte, dann eine Welle.


    Mit rasender Geschwindigkeit ritt das kleine Schiff die Wellen, sackte in Täler ab und bestieg Berge, die höher schienen als jeder Gipfel. Allzu oft schien es kippen zu wollen und richtete sich doch in letzter Sekunde wieder auf.


    Der Sturm war überraschend über sie gekommen, so dass sie keine Vorbereitungen hatten treffen können. Befanden sie sich auf einem Wellenberg, so konnten sie bereits die Insel sehen. So nah. So nah und doch durfte sie nicht näher kommen. An den Felsen würden sie gnadenlos zerschellen. Der Kapitän versuchte beizudrehen, so dass sie wieder auf das offene Meer zuhielten. Womöglich würde es dort ruhiger sein.


    Ein Blitz zerriss die gespenstische Dunkelheit und schlug nicht weit von ihnen in die Wasseroberfläche. Gleich darauf krachte eine Woge eisigen, grauen Wassers aufs Deck.

    "Mann über Bord!"
    ertönte es von allen Seiten.


    Zwei rannten an die Reling. In diesem Hexenkessel war an eine Rettung nicht zu denken. Auf einem Wellenkamm meinten sie einen Kopf zu sehen. Eine Täuschung?


    "Mögen die Fünfe ihr gnädig sein." murmelte der eine, unhörbar im Tosen des Sturms. Er warf einen Blick zum Himmel, an dem kein einziger Stern sich zeigte, küsste seine Fingerspitzen und reckte sie kurz in die Höhe.


    Viele Stunden später hatte sich das Meer beruhigt. Mit vor Erschöpfung zitternden Knien stand die Mannschaft an Deck, manche saßen an die Reling gelehnt. Das Schiff dümpelte im trüben Wasser. Der Kapitän hatte seinen Ersten Maat beauftragt die Gaben der Frau zu suchen. Doch der Maat kam zurück und schüttelte nur den Kopf. Keine Gaben. Sie war eine Fremde gewesen.

    "Es ist mein Schiff. Meine Verantwortung."
    der Kapitän nickte. Er würde eine Spende tätigen. Sobald sie an Land waren.

    Wenige Tage später legte ein anderes Schiff ab, kleiner, aber durchaus tauglich für eine Überfahrt. Nach Maranakar sollte es gehen.


    An Deck stand eine Frau, stämmig, struppiges, halblanges Haar, das der Wind zauste. Ihr Gang zeigte deutlich, dass sie üblicherweise schwere Rüstung trug. Heute war sie in ein speckiges Lederwams gekleidet. Wollene Hosen bedeckten ihre Beine. Das selige Grinsen in ihrem Gesicht hob die gespaltene, vernarbte Unterlippe noch hervor. Sie fixierte den Horizont, der nichts zeigte außer graues Wasser und einen ebenso grauen Himmel.


    Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen herauszufinden, wo er sich befand. Jetzt war sie kurz davor ihn zu schnappen und sich dieses Kopfgeld zu holen. Wer auch immer ihn auch suchen sollte: Sie war ihnen allen voraus und hatte hinter sich genug falsche Fährten hinterlassen. Magonien, eine winzige Insel. Sie schnaubte abfällig. Das sollte das kleinste Problem sein. Sie würde ihn schon finden, ihn stellen und dann könnte sie alles haben. Alles, was ihr Herz begehrte.

    Der Herbst hatte Einzug gehalten in Renascân, und so wurde auch das Meer unruhiger. Sehr bald schon würden wieder deutlich weniger Schiffe anlegen, aber noch war das Treiben im Hafen geschäftig. Jeder schien darauf aus, die letzten einigermaßen schönen Tage nutzen zu wollen, um sich auf den nahenden Winter bestmöglich einzurichten.


    Es war einer dieser letzten schönen Tage. Die Herbstsonne schien von einem leicht bedeckten Himmel, aber ihre Strahlen reichten nicht mehr aus, um die Kälte zu vertreiben. Die Segel eines kleinen Handelsschiffes zeigen sich am Horizont, das vor geraumer Zeit in Maranakar in Richtung Renascân abgelegt hatte. Am Bug war in strahlend-türkisblauer Schrift der Name "Elkorin" zu lesen. Leider war der Rest des Schiffes weit weniger strahlend, es schien die besten Tage schon lange hinter sich gelassen zu haben.


    Als es festmachte warteten am Kai schon einige Händler in Erwartung ihrer Ware sowie die üblichen Tagelöhner in Erwartung, beim Löschen der Ladung ein paar Münzen verdienen zu können. Die Planken wurden herübergeschoben, die "Elkorin" war also angekommen.

    Später. SEHR viel später. Wir sind im Herbst des Jahres 414 n.Dj.


    Vom Dach des Hofes Nieselitz lugt seit einiger Zeit keck ein Ziegel hervor. Nun ist es an der Zeit, die weite Welt kennenzulernen. Er löst sich und schlittert die Dachschräge herunter. Der Wind weht ihm um die (nicht vorhandene) Nase, als er über den Rand des Daches saust und eine eher senkrechte Richtung einschlägt. Der Boden kommt näher. "Ob er wohl nett zu mir sein wird?" denkt sich der Ziegel...

    Fast als würde ein mittelgroßes Tier durch das Unterholz brechen hörte es sich an, als der kleine stachelige Kerl sich seinen Weg durch die Ausläufer des Gartens bahnte. Ohne Rücksicht auf Gestrüpp wühlte er sich auf der Suche nach Insekten und anderen Leckereien durch das raschlige Blattwerk, das den herbstlichen Boden bedeckte.


    Grunzend und schmatzend machte er sich über den fetten Engerling, den er aus einem Loch in der Erde geholt hatte. Dann sah er sich mit seinen kleinen, glänzenden Knopfaugen um. Ob er schon nach einem Quartier für den Winter suchte? Bei welchem Manöver er seine Stacheln durch das Blatt gebohrt hatte, das nun raschlig braun vertrocknet aber hartnäckig an seinem Rücken haftete, das wusste er nicht mehr. Aber wirklich stören tat es auch nicht.

    Währenddessen krabbelte ganz in der Nähe von Emma und Narvi ein kleiner Käfer den Stamm eines Baumes herauf, sich redlich gegen die Höhen und Tiefen der widerspenstigen Borke zur Wehr setzend. Ob sein Name wohl Karl war? Wohlgemerkt, der des Käfers, nicht der des Baumes. Denn sind wir doch einmal ehrlich, Karl ist doch kein guter Name für einen Baum.

    Lamask zuckte nicht einmal mit der Wimper. In aller Ruhe bereitete er eine Kanne köstlich duftenden Pfefferminztee zu. Er deckte für drei Personen und zündete sogar ein Stövchen ein, auf das er die tönerne Kanne stellte, nachdem er die drei Tonbecher gefüllt hatte.


    "Milch? Honig?" fragte er in den Raum, in dem nur er sich befand. Wenig überraschend erhielt er keine Antwort.


    "Ich auch nicht." Dann nahm er an dem einfachen Holztisch Platz und starrte ins Leere. Hin und wieder hob er seinen Becher und nahm einen Schluck Tee.


    Die Zeit verging. Während der Tee in den beiden anderen Tonbechern langsam erkaltete schenkte sich Lamask nach. Weiter starrte er. Schluck für Schluck, mit langen Pausen dazwischen.


    Schließlich, die kleine Kerze im Stövchen war ein gutes Stück heruntergebrannt, nahm er die Kanne herunter und drückte die Kerzenflamme zwischen Daumen und Zeigefinger aus. Dann leerte er den erkalteten Tee der beiden anderen Becher in die Kanne zurück, erhob sich und ging mitsamt Kanne durch den Flur. Gegenüber der nunmehr geschlossenen Haustür bog er rechts ab und stieg die Stufen herauf.


    Im Schlafraum angekommen ging er ohne Skima und ihrem Falken größere Beachtung zu schenken an ihr vorbei. Allerdings war ein leises "Mahlzeit" von ihm zu hören. Vor dem Bett von Narvi machte er halt. Er hob mit der linken Hand die Decke an, den rechten Arm mit Teekanne streckte er nach vorn. Mit einer kleinen, aber stets zunehmenden Neigung goss er den Tee leicht schwenkend großflächig ins Bett, bis auch der letzte Tropfen aus der Kanne herausgekommen war. Er senkte die Decke wieder und strich sie fein säuberlichst glatt.


    Schließlich schritt er wieder in Richtung Skima, wieder ohne den Kopf zu bewegen oder auch nur die Augen das kleinste Stückchen zu ihr oder dem Falken zu drehen. Direkt vor ihrem Bett blieb er kurz stehen und zischte "Ich mag Pfefferminztee.", bevor er die Stufen wieder herunterstieg.

    Wenig später öffnete sich die Tür, die die Zellen vom Rest des Wachgebäudes abtrennte.


    "Kannst rein. Ist nicht abgeschlossen. Der ist ja nicht gemeingefährlich. Die hinterste Zelle ists."


    klärte der Gardist Mira auf und tippte sich an den Eisenhut.


    Die Zellen sind einfach und zweckmäßig eingerichtet: Der Boden ist mit Brettern ausgelegt und in der einen Ecke steht eine schmale Pritsche. Ein Schemel und ein kleines Tischchen sind auch vorhanden. Zwei kleine Fenster - so klein, dass sicher niemand hindurch passt, aber durchaus Tageslicht in den Raum kommt - sind in den oberen Teil der Außenwand eingelassen. Schließlich sind dies keine Zellen um jemanden für alle Zeit wegzusperren sondern vielmehr die, die dem Insassen mahnend auf die Finger klopfen.