Beiträge von Tia

    Tia beobachtete weiter den Käfer, der nun die Flügel ausbreitete, sich zu Johanna drehte und anfing zu brummen als ob er gleich abheben wollte.


    "Ich werde mich bemühen. Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe."


    Sie seufzte tief. Sie wollte sich schon allein der Herrin wegen bemühen, war sich aber nicht sicher, ob das reichte. Irgendwie erschien es ihr nicht .. richtig.

    Tia schlug die Augen nieder.


    "Ich will ihn nicht mögen." murmelte sie leise. "Wenn ich es wollte, könnte ichs vielleicht. Aber... ich will nicht. Wie kann ich etwas tun, was..."


    Als sie wieder aufschaute sah sie den Maikäfer und schaute ihm fasziniert zu. Mit kullerrunden Augen sah man jetzt sofort das neugierige Kind, das sie eigentlich sein sollte.

    Tia zog die Nase kraus und verzog den Mund.


    "Ich soll den da lieben? Das wird ganz schön schwer."


    Darauf grinste sie. Das erste Mal, dass sie wirklich so kindlich aussah wie das Kind, was sie sein sollte. Auch wenn sie es in diesem Moment nicht so erfasste, war es doch Johannas direkte und lebensnahe Art, die ihr jetzt den Ernst nahm.


    "Wenn das immer so sein wird.. also, dass viele Menschen do.. dämlich sind, wie schafft Ihr das dann? Sie zu lieben, meine ich."

    Tia gab ihr das Tuch in die Hand.


    "Ja." sagte sie dann rasch. Etwas langsamer "Eigentlich nicht wirklich. Er wird dämlich bleiben. Egal ob ich ihn schlage oder nicht. Es bringt doch nichts."

    Etwas zögerlich nahm Tia das Taschentuch an und tupfte sich an der Lippe herum. Testweise fühlte sie mit der Zunge die Schwellung und zuckte dann mit den Schultern.


    "Danke. Wird wohl gehen. Ich sah schon schlimmer aus."


    stellte sie fest und hielt etwas unschlüssig, was sie damit tun sollte, das Taschentuch in der Hand.

    Für einen Moment stockte sie, dann schlug sie einen anderen Weg ein.


    "Ich weiß, ich hätte einfach weiter gehen sollen und nicht auf das hören, was sie sagen. Vielleicht hätte ich auch einfach einen anderen Weg nehmen können. Ich habe ihn zuerst geschlagen."


    Das letzte Bekenntnis klang trotzig.


    "Aber eigentlich war es das nicht wert. Ich weiß."

    Und schon stob der Junge mit seiner Gefolgschaft davon.


    Tia, die davon ausging, dass das jetzt noch nicht zu Ende war, blieb wo sie war. Ruhig schaute sie der Bande hinterher. Ihre Unterlippe war leicht angeschwollen, aber sonst schien sie bei bester Gesundheit zu sein, wenn man den Staub auf ihrer Kleidung nicht mit zählte.
    Sie schaute Johanna an und hob einen Mundwinkel, der mit mehr Enthusiasmus als Lächeln hätte gewertet werden können.


    "Ihr werdet mich jetzt nicht so einfach davon kommen lassen, oder?" stellte sie mehr fest als dass sie fragte.

    Er senkte den Kopf und kaute zerknirscht auf seiner Unterlippe. Tia war scheinbar gar nicht mehr wirklich von Belang.


    "Ja, Schwester Johanna." sagte er obwohl er nicht sicher war, dass er alles verstanden hatte.


    Zumindest konnte er sich jetzt überhaupt nicht vorstellen, dass er mal Kinder haben könnte. Urks.. Ob er seiner Mutter sagen sollte, dass sie....? Für den Moment entschied er sich dagegen um einer zweiten Schelte zu entgehen. Vielleicht irgendwann einmal.

    Die Kontrahentin war jetzt vergessen. Wie ein Hase in der Falle schaute der Blonde Johanna mit großen, verschreckten Augen an.


    "Nein....?" kam als Antwort, sehr langsam. Es war wohl als Aussage gemeint, schien aber vielmehr eine zerknirschte Frage. Er wusste wohl, dass es ihm jetzt an den Kragen gehen würde und versuchte mühsam den Schaden zu begrenzen.

    Dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, der Priesterin das zu sagen, was sie hören wollte oder sich zumindest reumütig zu geben, war an dem Jungen scheinbar vorbei gegangen.


    "Die selbe Brut."


    Kaum war das raus, kam die Erkenntnis scheinbar doch, jedoch wenige Sekunden zu spät.


    "Sagt meine Mutter." kam etwas verspätet und weniger sicher nach.

    Ein weiterer der Jungen, dessen Verschwinden die verbleibende Unterstützung auf zwei vermindert hätte, hielt im langsamen Rückwärtslaufen inne und scharrte unschuldig mit den Füßen auf der Erde, als hätte er nie vor gehabt sich in Luft aufzulösen.


    "Ich .. ehm..." brachte der Blonde hervor und schluckte. Ihm war wohl klar, dass er hier eine Priesterin der Herrin Laya vor sich hatte, die er tunlichst nicht anlügen sollte. Jetzt suchte er nach einer Möglichkeit die Wahrheit so zu beugen, dass es keine Lüge war, aber ihn trotzdem nicht bloß stellte. Er warf einen hilfesuchenden Blick zu seinen Kumpanen, die aber damit beschäftigt waren, selbigem auszuweichen.


    "Meine Mutter hat aber gesagt, er habe rumgehurt."


    sagte er dann in der Hoffnung, dass die Autorität seiner Mutter in aus dieser misslichen Lage befreien möge. Tia hingegen ballte wieder die Fäuste, bewegte sich sonst jedoch nicht.

    Tia hob den Kopf und sah Johanna an.


    "Es wäre doch dumm von mir, sie anzugreifen. Hätte ich die Möglichkeit, würde ich sie lieber gar nicht erst sehen."


    Verächtlich schnaubte sie.


    "Ich sollte auf dem Markt Brot kaufen. Da haben sie mich abgepasst. Sie haben meinen Vater beleidigt."


    Tia verschränkte die Arme und deutete mit dem Kinn auf den Blonden. Aus ihren Augen sprühte der neu erwachte Zorn.


    "Den da hätte ich geschafft, dann hätte er für immer die Klappe gehalten. Und die dort, die sind doch viel zu feige sich einzumischen."

    Sofort ertönte ein Stimmengewirr. Der Blonde zeigte anklagend auf Tia, seine Gefolgschaft stimmte - zumindest zum großen Teil - ein.


    "Die wars. Sie hat Steine nach uns geworfen. Das tut sie immer."


    behauptete er und einige andere nickten bestätigend. Tia hingegen verhielt sich still. Ihr Mund war in einem bitteren Lächeln verzogen, ihr Kopf leicht gesenkt, als gehe sie das alles nichts an. Keineswegs ein Geständnis sondern vielmehr Resignation drückte ihre Haltung aus.
    Der Blonde erntete einen schwer deutbaren Seitenblick, der wohl so etwas wie Verachtung ausdrücken mochte, dann schüttelte sie unmerklich den Kopf.

    Die Jungen ließen Johanna widerstandslos durch, zwei machten sogar kehrt und gaben Fersengeld. Als ob man sie nicht gesehen hätte.


    Auch die beiden Kontrahenten ließen voneinander ab. Der Blonde schaute die Priesterin mit großen, ängstlichen Augen an. Das Mädchen hingegen wischte sich mit einer trotzigen Handbewegung ein kleines Blutrinnsal ab, das aus ihrem Mund kam. Aus ihrem Blick sprach keine Furcht, eher zornige Gelassenheit.

    Tia starrte dem etwas größeren Jungen unerschrocken in die Augen.


    "Jetzt lass mich endlich vorbei!" herrschte sie ihn an.


    Einer der kleineren Buben, die außen herum standen, trat von hinten an sie heran und schubste das Mädchen in den Rücken, so dass Tia einen Schritt nach vorne machte, dem größeren Jungen an die Brust stieß.
    Schnell wirbelte sie herum und verpasste dem Angreifer einen Tritt. Anstatt dass er sich wehrte, hopste er aber lieber außer Reichweite, wo sich die Reihe der Jungen wieder schützend hinter ihm schloß um sie nicht hindurch zu lassen.


    Der große Blonde verschränkte die Arme und grinste sie hämisch an.


    "Na, willst du zu deinem Liebsten? Ich hoffe du lässt dich gut bezahlen. Dein Vater hat ja sicher genug Geld zu seinen Huren gebracht."


    Tia blinzelte ihn kurz an, kniff dann wütend die Augen zusammen.


    "Sag das nie wieder!" knurrte sie.


    "Was davon? Dass du dich bezahlen lassen sollst oder dass dein Vater gut bezahlt hat? Oder hat er vielleicht...?" setzte er ungerührt fort, da er sich in der Sicherheit seiner Bande wusste.


    Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich das kleinere, schmächtigere Mädchen auf den Jungen und schon bald war eine wilde Rauferei im Gange.