Beiträge von Merenwen

    Merenwen schwieg eine Weile. Die Tatsache, dass sich in diesem Beutel ein Schwarz-Drachen-Ei befand hatte sie... überrascht und noch mehr verunsichert. Vieles von den Dingen, die Ciryon ihr erzählte hörte sie zum ersten Mal und sie war sich nicht sicher ob sie froh sein sollte, dass sie viele der Gefahren ob ihrer Unwissenheit noch nicht einschätzen konnte. Eine innere Stimme sagte ihr, dass sich dies bald ändern würde. Wie ruhig war ihr Leben bisher verlaufen, bedachte sie, was sich alles in so kurzer Zeit geändert hatte.
    "Nun... den Grund für meine Reise nach Gerund kennt Ihr bereits..." Für einen kurzen Moment verschleierte die aufkommende Traurigkeit ihren Blick.
    "Was könnte ich sonst erlebt haben, dass es von Interesse für Euch sein könnte? Ich würde Euch sicher nur langweilen."

    Merenwen legte den Kopf schief und betrachtete Ciryon ernst.
    "Es muss furchtbar sein, sich im Ungewissen über das Schicksal eurer Gefährtin zu befinden... doch wie schlimm muss es erst sein, Gewissheit über ihre Qualen und Schmerzen zu haben? Seid Euch meiner Unterstüzung gewiss, was immer Ihr plant zur Befreiung Euerer Freunde und Gefährtin, sofern es im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt." Nachdenklich schwenkte sie das Wasser im Becher, bevor sie einen erneuten Schluck nahm.
    "Meine Gedanken mögen töricht oder dumm sein... doch scheint sich der... nun was oder wer immer auch sich Eurer Freunde habhaft machen konnte... etwas von der Gefangennahme und nicht vom Tod seiner Geiseln zu versprechen... Und was den Verräter in Euren Reihen anbelangt... Manchmal reichen schon Gerüchte, um Zwietracht zu sähen, wo es nach Einheit verlangt..." Sie vermied es, ihn anzusehen.
    "Doch das sind zu einfache Gedanken... " Ihr Blick wanderte zu dem Beutel, den sie bis Ciryon ihn erwähnte nicht bemerkt hatte.
    "Und was kann so gefährlich sein, dass es selbst den Mon' Tra' Ahr mit Respekt erfülltes und trotzdem Platz in einem kleinen Beutel an Eurem Gürtel findet?" Eine Neugier lag in ihrem Blick, die sie schon als Kind um Kopf und Kragen gebracht hatte.

    Merenwen betrachtete den Ring. Auch wenn sie wenig vom Volk und den Künsten der Elben wußte, so erkannte sie dennoch ihre eindeutige Handschrift in diesem Ring. Sie bemerkte seinen Blick und erwiderte ihn.
    Was glaubte er, darin erkennen zu können?
    In seinen Augen las Merenwen Sorge...
    "Ich verstehe nicht viel von Kriegsführung und Taktik... Doch ich verstehe Eure Sorge um Ancalima und Eure Freunde... Und Euren Wunsch, sie zu befreien.." Nachdenklich nahm sie einen Schluck Wasser aus dem Becher, den der Diener ihr zugedacht hatte. Sie versuchte, sich in ihre neue Rolle als sein Lehrling einzufinden. Was erwartet er wohl jetzt von ihr?

    Merenwen betrat begleitet von Ciryon den Speisesaal und blickte sich neugierig und hungrig um.
    Das reiche Angebot an Speisen ließ sie für einen kurzen Moment mit offenem Mund dastehen. Auch wenn Ciryon ihr ein Papier ausgestellt hatte, war sie noch nie hiergewesen.
    Sie beherrschte sich jedoch schnell wieder und wartete darauf, wie Ciryon sich verhalten würde.
    "Ancalima... war sie die Elbe, die bei Euch war, als ich Euch das erste Mal aufsuchte?" Sie hoffte, ihm mit dieser Frage nicht zu nahe getreten zu sein.
    "Weiß man, warum und vor allem von wem sie gefangen genommen wurde?" Sie hoffte, er würde ihre Fragen nicht als ungehörig neugierig auffassen.

    Merenwen sah ein wenig beschähmt auf den Boden, doch sie lächelte...
    Als der majestätische Vogel sich mit rauschendem Flügelschlag in die Lüfte erhob folgte sie ihm mit den Augen.
    "Tatsächlich bin ich mir meines Verhaltens nicht sicher gewesen... " Ihre Wangen färbten sich leicht.
    "Ein wundervoller Vogel..." Sie blickte schon fast sehnsüchtig in den Himmel, in dem das Tier nun schon nicht mehr auszumachen war.
    Sie schloss sich ihm auf dem Weg zurück an und betrachtete ihn von der Seite. Ein leises Knurren ihres Magens trieb ihr erneut die Röte ins Gesicht.
    "Verzeiht, ich habe noch nicht viel Zeit gefunden etwas zu mir zu nehmen. Vieleicht geht es Euch ähnlich..." Sie begann wieder auf ihrer Unterlippe zu kauen.
    "Wie war Eure Reise? Ich hoffe Euer Vorhaben war von Erfolg gekrönt?"

    Angelockt durch eine gesummte Melodie kam Merenwen in die Gärten.
    Sie hatte in Ciryons Abwesenheit alles wichtige erledigt um sich nun voll ihrer neuen Aufgabe zu widmen. Und in dieser Absicht war sie hierher zurückgekehrt.
    Der Wind, der durch die Bäume strich und vom bevorstehenden Winter kündete ließ sie frösteln und sie zog den Matel enger.
    Neugierig, wer sich wohl hinter der Musik verbarg ging sie weiter und erblickte Ciryon auf einem Baumstumpf sitzend. Freudig, ihn wohlbehalten wiederzusehen machte sie ein paar Schritte auf ihn zu. Doch sein besorgter Blick und die Art, wie er begleitet von einem Vogel dort saß ließ sie zögern. Sie stand unsicher auf dem Weg und blickte ihn mit leicht geneigtem Kopf fragend an. Doch kam kein Wort über ihre Lippen. Vieleicht würde er nicht wollen, dass man ihn so sah...

    Merenwen nahm das Schreiben von Ciryon und verstaute es sorgsam in einem Lederbeutel, den sie bei sich trug. Sie wickelte das Schwert vorsichtig in das Leinen und verschnürte es wieder so, wie es gewesen war.
    "Ich danke Euch für das Vertrauen, dass Ihr in mich setzt, mich als Euren Lehrling anzunehmen. Ich wünsche Euch Glück und gutes Gelingen für Eure Reise. Ich werde Eure Abwesenheit nutzen um meine Angelegenheiten zu regeln und anschließend wieder hierher zurückkehren. Lasst mich wissen, wenn ihr zurück seid." Merenwen neigte den Kopf zum Abschied und ging den Weg zurück, den sie der Diener zuvor geführt hatte.

    "Ich werde mir die allergröße Mühe geben, Euren Erwartungen gerecht zu werden, und nichts an Eurem Tun in Frage zu stellen..." Überrascht von dem so schnell so positiv verlaufenden Gespräch trank sie mit Ciryon auf das Leben und den Tod. Sie hatte ihre Wahl getroffen, und das Gefühl die richtige Richtung einzuschlagen machte sie euphorisch trotz des traurigen Anlasses.

    Merenwen nahm den Becher dankbar und trank einen Schluck. Sie dachte einige Augenblicke über Ciryons Worte nach. Ihre Augen verdunkelten sich, als sie die nächsten Worte sprach.
    "Eure Worte würden mir richtig vorkommen... Doch muss ich zu bedenken geben, dass es keinen Richter auf Montralur geben wird, der das Volk der Nymbra für das, was sie dieser Insel angetan haben verurteilen wird. Und so wird sie auch niemand für drei weitere Tode zur Rechenschaft ziehen..." Sie wand ihren Blick ab, als ob die Erinnerung ihr unangenehm sei.
    "Mein Bruder und mein Onkel verließen unsere Heimat um ihren Teil im Kampf gegen die Nymbra zu leisten, doch kamen sie niemals in Gerund an. Ich konnte einen Händler ausfindig machen, der zu ihrer Gruppe gehörte, die einst von Nomerre aufbrach; er war aufs schrecklichste verstümmelt und gebrochen, schrecklich wirr und verängstigt...
    Seine Familie berichtete mir, dass er der einzige sei, der diesen Angriff überlebt hat und berichten konnte bevor er entgültig den Verstand verlor...
    Ich sinne nicht nach Rache gegen Einzelne, doch ich habe das Gefühl, es ist die einzige Möglichkeit, meinem Bruder und meinem Onkel den Frieden im Tode zu verschaffen, den sie zu finden verdienen... Ich bitte Euch, gebt mir das Instrument in die Hand, meinen Teil in diesem Kampf beitragen zu können. Lehrt mich, was immer Ihr wißt, Ciryon und macht es möglich, das große Loch, was mein Bruder hinterläßt ein wenig zu füllen, in dem ich Montralur an seiner statt diene... niemals so wie er es könnte, doch zumindest in dem Wissen alles in meiner Macht stehende getan zu haben..."

    Merenwen legte ein schmales Packet aus Leintuch auf den Tisch und setzte sich vorsichtig auf den ihr dargebotenen Platz.
    "Ich trete mit eine vieleicht ungewöhnlichen, unverschähmten oder auch lächerlichen Bitte an Euch heran, doch ich habe das Gefühl, dass ich sie trotzdem an Euch richten muss, auch auf die Gefahr hin, dass Ihr mich auslacht..."
    Verlegen machte sie sich daran das Packet aufzuschnüren... Zum Vorschein kam ein Schwert.
    Fast liebevoll strich die Halbelbe über das Metall und hinterließ eine Spur auf der Klinge. "Dieses Stück gehört zu den letzten Werken meines Bruders... Ich möchte..." Sie löste ihren Blick und sah Ciryon fest in die Augen. "... das Ihr mich lehrt sie zu führen... gegen die Mörder meiner Familie."

    Der Diener, der Merenwen in Empfang genommen hatte war eilends zurüchgekehrt,führte sie zu einem Turmzimmer und öffnete die Tür für sie. Eine Elbe grüßte sie und wies sie einzutreten.
    "Seid auch ihr mir gegrüßt..." Ein wenig verwirrte sie der schnelle Aufbruch der Elbe und sie begann nervös auf ihrer Unterlippe zu kauen.
    Sie wand sich an Ciryon.
    "Mae govannen, Ciryon. Ich danke Euch, dass Ihr so bereitwillig Zeit gefunden habt mit mir zu sprechen. Doch es lag nicht in meiner Absicht Eure Unterhaltung zu stören, geschweige denn, Euren Gast zu vertreiben..." Unsicher sah sie Ciryon an. So als ob sie sich schmerzlich an etwas erinnern würde fügte sie hinzu: "Ich freue mich, Euch wohlbehalten wiederzusehen. Nicht allen, nach denen ich unlängst suchte schien dieses Glück beschieden." Ein leichtes Zittern schlich sich in ihre Stimme und sie schluckte schwer.

    Ein Klopfen an der Tür riß Ciryon aus seinen Gedanken. Ein Diener öffnete vorsichtig die Tür und senkte demütig den Kopf vor den beiden Elben.
    "Bitte verzeiht die Störung. Herr, eine Frau, die sich mir als Merenwen Sinarion vorstellte wünscht Euch zu sprechen, sofern es Eure Zeit ermöglicht. Sie sprach davon, Euch bekannt zu sein."
    Unsicher, ob er nicht doch einen Fehler gemacht hatte hier zu stören trat er von einem Fuß auf den anderen.
    "Was darf ich ausrichten?"