MARS 1 - ein neues Konzept

  • MARS 1 – ein anderes Konzept


    Das Konzept:


    Hintergrund unserer Unternehmung war das Bestreben, ein neues Konzept zu testen, gutes Rollenspiel mit einer möglichst historischen Umgebung und Ausrüstung zu verbinden, dabei die Preise niedrig zu halten und maximale Spannung zu erzeugen. Was dabei heraus kam: 3 Tage zum Nulltarif, 25 Spieler, 60 Kilometer ursprüngliches Gelände, Blutblasen, Hinterhalte, Abseilen an Steilwänden, Überwinden von Gewässern und richtiger Zeitdruck. Einhelliges Urteil: Nochmal machen!


    Der Auftrag:


    September 12hundertirgendwann. Der Freiherr von Merode schuldet dem Grafen von Malmedy eine (eher symbolische) Lieferung Salz. Der Graf droht mit Krieg, wenn die Fuhre nicht innerhalb von 3 Tagen vor Ort eingereicht wird. Seufzend lenkt der Freiherr ein und schickt ein paar seiner Kriegsknechte los, um das Salz zu liefern. Einige Pilger schließen sich an, um den Schutz der bewaffneten Gruppe auf diesem gefährlichen Stück des Jakobsweges zu nutzen. Dummerweise weiß der Freiherr nicht: Das Salz soll gar nicht ankommen, der Graf von Malmedy sucht nur einen Vorwand zum Krieg. Der Graf von Jülich bekommt Wind von der Aktion und verfolgt seine eigene Agenda. Und letztlich sind da auch noch die aufrührerischen Waldbauern…


    Der Freitag:


    Am späteren Morgen treffen wir uns in Eupen – Wir, das sind ein ministerialer Ritter und sein Knecht, drei Pilger, zwei Waffenknechte aus Merode und ich, der Waldhüter des Freiherrn (der als einziger den Weg kennt). Magere Bewaffnung, schweres Gepäck. Unser Auftrag ist klar: Das Salz abholen. Die Luft ist klar, die Vögel zwitschern und es verspricht, ein heißer Tag zu werden. Wird es auch. Nach höchstens 8 Kilometern kommt ein ernstgemeinter Rat zum tragen: Nehmt nur das mit, was Ihr bewältigen könnt – zwei Kettenhemden, zwei Schilde und ein Helm werden sorgsam in Leinen eingehüllt im Unterholz zurückgelassen, zugunsten wichtigerer Sachen: Verpflegung, Decken, Wasser. Gegen Mittag haben wir etwa 16 Kilometer hinter uns, drei Flüsschen, eine Schlucht, zwei gerissene Riemen, zu dünne Sohlen. Zwei können nicht mehr weiter. Wir übernehmen die Salzkiste an einer Raststelle, füllen Wasser nach und verabschieden die Beiden, die uns bis hierher treu geleitet haben. Vier neue Weggefährten (allesamt bewaffnet, harte Jungs) kommen hinzu und wir marschieren los. Jetzt gilt’s. Die Gerüchte lassen keine Hoffnung aufkommen: Jemand ist hinter uns her. Nur noch 36 Stunden, um die Lieferung ans Ziel zu bringen, quer durch unwegsames, feindbesetztes Gelände. Selbst ich als ‘Veranstalter’ habe keine Ahnung, wo wir auf wie viele wie Gerüstete treffen werden. Nur das sie kommen, das weiß ich. Im Vorhinein haben wir uns auf die Kampfregeln verständigt, es gilt der Codex Belli in der Version 2003, Stahlwaffen, Nahkampf nur bei Tageslicht, Fernkampf rund um die Uhr. Na, toll, denke ich und schnalle meinen Gürtel enger. Die 32 Kilo auf dem Buckel werden mir noch leid tun. Aber das Zeug werde ich brauchen. Zwei Stunden später traben wir keuchend über Trampelpfade. Hochmoor, spektakulär. Kein Auto, kein Laternenpfahl, keine Hochspannungsleitung – dafür wenig berührte Natur, klare Bäche in Kiesbetten, von denen wir trinken können. Und das unbestimmte Gefühl der Gefahr. Spätestens jetzt sind wir in der Rolle. Gejagte. Die Pilger beten an jedem Wegkreuz, ich kabe einen Bolzen auf der Armbrust. Schußbereit, wachsam. Wir überqueren einen Fluß mit Hilfe einer Seilbrücke – Selbstsicherung, Fremdsicherung. Gut, daß jeder in der Gruppe irgendwas kann. Prussik, Seilsteig, oder einfach nur Aufmuntern. Kopf hoch, genug trinken, wird bald Abend. Die Sonne sinkt endlich, die Schatten werden länger. Noch ein paar Kilometer bis zur Hill, Nachtlager winkt, unter den Sternen. Plötzlich brechen sie aus dem Unterholz. Blutverschmiert, die Waffen erhoben, irrer Blick. Im letzten Moment erkennen wir am Wappenrock die Unseren. Den Einen müssen wir (spieltechnisch) bewusstlos schlagen, der Andere beruhigt sich langsam: Hinterhalt, Flucht, drei Mann erschlagen. Das ist alles, was wir aus ihm herausbekommen. Wiederstrebend und unter Hinweis auf unsere Bewaffnung sind die Beiden bereit, mitzukommen. Es gibt kein Zurück mehr. Schnelles Nachtmahl, kaltes Fleisch und einen Schluck Wein zur Stärkung. Nachtwachen, bloß kein Feuer. Es wird kalt, das Wasser rauscht zwischen den Steinen. Wind in den Kiefern, nackte Sterne.


    Der Samstag:


    Nebel über dem Fluß, das Frühstück hastig heruntergeschlungen packen wir unsere Sachen. Mein Unterschlupf hat sich bewährt, Wolle hält warm. Verhältnismäßig. Meine Füße sind wund, verdammte Ledersohlen. Andere haben’s schwerer, ein Kämpfer gibt auf und verabschiedet sich. Der härteste Tag. Über wurzelige Pfade geht es dem Morgen entgegen. Die Augen sind überall, jederzeit kann ein Pfeil einschlagen – die Abmachung heißt: Keiner bleibt zurück. Verwundete müssen getragen werden. Scheißidee, aber konsequent. Wir wollen möglichst viel Raum gutmachen, bevor unsere Gegner aufstehen. Vielleicht schaffen wir’s ja und sind schneller. 30 Grad vor 10 Uhr, die Sonne sticht aus dem stahlblauen Himmel. Ein Abgrund tut sich auf, vielleicht 10 Meter tief. Kürzester Weg: Abseilen. Zwei haben Höhenangst. Da müssen wir durch, habt Vertrauen, sage ich. Wir knoten Sitzgurte, geben Einweisungen. Einer geht vor, die gespannte Armbrust in der Hand. Es geht glatt, kein Pfeilhagel aus dem Gebüsch. Unten entspannen wir uns, das war nicht von Pappe. Schnell ein Mittagsmahl, Wasserflaschen nachgefüllt. Endspurt nach Malmedy, nur noch 17 Kilometer. Auf Knüppelpfaden geht es weiter, leichtes Gehen, wir fressen Kilometer, den Blick gesenkt. Fehler. Wir sind nachlässig geworden, sehen den blitzenden Helm nicht. Pfeilhagel. Drei sind getroffen, wir anderen verteidigen uns, so gut es geht. Der lachende Anführer, ein blonder Hühne, stellt seine Forderungen: Her mit der Kiste. Na gut, geht nicht anders. Bis zum letzten Mann würde hier nicht ziehen. Wir haben nur sehr begrenzte Heilungsmöglichkeiten. Wir geben auf. 7 Gegner haben uns kleingemacht. Wir werden gefangen genommen und wegeskortiert. Wenigstens tragen die jetzt die verdammte Kiste… Auf dem Weg: zähe Verhandlungen. Fragen nach dem warum, dem wohin und wie viel. Gold wechselt den Besitzer, das Versprechen, da ist noch mehr. Man lenkt ein. Halbe Halbe, und ein Vertrag mit dem Freiherrn: Eine neue Waldsiedlung soll’s sein. Erleichterung. Unsere Verletzten schleppen sich dahin, der Rest trägt das Gepäck. Zeitdruck kommt dazu. Die Gruppe trennt sich, die Fittesten schleppen das Salz, lassen fast alles andere zurück. Wir rennen. Die letzten 1 ½ Stunden, wir müssen pünktlich sein. Wir nehmen die Klamm nicht mehr wahr, die Wasserfälle, den Lavendelduft. Vorwärts. Kurz vor 7 kommt die kleine Einsiedelei in Sicht, der Graf wartet da mit Gemahlin und ein paar Schergen. Wir haben’s geschafft. Er muß akzeptieren, der Krieg ist abgewendet. Die Nachzügler kommen an, überglücklich, wir fallen uns in die Arme. Echte Tränen. Das war hart. Wir feiern mit Met und Schmalz, Brot und Käse. Die Schurken, die wir gekauft haben, feiern mit. Schlafen auf der Stelle ein, alle, die nicht heimfahren. Lächeln auf mondbeschienenen Gesichtern.


    Der Sonntag:


    Großer Abschied. Das war was, wir haben’s gepackt. Keine Queste nach Heilkräutern, kein Gefecht mit Untoten. Der Kampf gegen uns selbst, den inneren Schweinehund. Keiner hätte gedacht, daß er so weit gehen könnte und würde. Keiner hat leichtfertig aufgegeben. Blutblasen sind vergessen, der Stolz bleibt. Und Zwei, die den Rückweg antreten. Erik und Stefan, der Waldhüter des Freiherrn. Ohne Gepäck, nur Wasser und Proviant. Und meine treue Armbrust. Wer weiß, ob nicht doch noch irgendwo jemand lauert…


    Fazit:


    Gelungenes Mittelalter / LARP-Crossover, ohne Budget, mit viel Begeisterung. Mit Sicherheit nur für kleine Gruppen zu realisieren, für Leute, die sich einschätzen können. Eine gute Einweisung ist wichtig, jeder ist eigenverantwortlich gefragt, auch Alternativpläne zu entwickeln. Wer transportiert wen von wo ab? Handy ist die wichtigste Notbremse. Gung-Ho klappt selten und es wird jedem, aber auch wirklich jedem klar, wo die igenen Grenzen liegen. Und das Rollenspiel wird besser, auch auf folgenden Cons.