Vom Hafen zur Stadt- und andersrum

  • Alanis hebt den Kopf, als die Geräusche in ihre Ohren dringen und verzieht ein wenig das Gesicht ob der Liederquälerei. Dann blickt sie in die Richtung, aus der der Karren herankommen muss - und dann an sich herunter, nur um festzustellen, daß sie aussieht wie das Opfer eines blutigen Massakers, das in einem brennende Haus stattgefunden hat, das inmitten eines Schweinetrogs gestanden hat. Ja, es war Krieg und sie hat lange nicht mehr in einem Zuber gesessen.

  • Und sie muß auch nicht lange darauf warten, daß der Karren um die Ecke gerumpelt kommt.
    Der Lenker, ein Mann in mittleren Jahren mit feuerrootem Haar, sieht sie und hebt grüßend den Stock, mit dem er die Ochsen sonst antreibt.
    "Mahlzeit, junge Frau. So alleine unterwegs?"

  • "Mahlzeit. Ja, offenkundig allein. Du aber auch." Sie beschließt, ihren desolaten Zustand zu ignorieren und ihren letzten Rest Charme herauszuholen und auf Hochglanz zu polieren. Sie lässt ihre weissen Zähne aufblitzen. "Du hast nicht zufälligerweise noch ein Plätzchen frei, falls Du zur Stadt fährst?" Hoffnungsvoll blickt sie ihn an und ihr fällt in just diesem Moment auf, wie müde sie eigentlich ist. Seit Wochen hatte sie nicht mehr als drei Stunden pro Nacht geschlafen.

  • "Für eine schöne Frau, immer", grinst er, hält die Ochsen an und streckt ihr die Hand entgegen um ihr erst die Kiepe abzunehmen und ihr dann auf den Karren zu helfen.
    "Ich bin Herbert", stellt er sich vor. "Von Gisberts Fuhrunternehmen."
    Der Wagen ist Beladen mit Säcken, Kisten und Bündeln.

  • "Puh, dann habe ich aber nochmal Glück gehabt."Sie spürt ein Lachen in ihrer Kehle aufsteigen, das in ihrer Stimme vibriert. Es fühlt sich deutlich besser an, als ständig gegen einen Kloß im Hals zu kämpfen. Sie setzt sich neben den jungen Mann auf den harten Holzsitz und reicht ihm die Hand."Hallo, ich bin Alanis. Ich bin auf der Durchreise und wollte mir den Hafen der Freien einmal ansehen."

  • Sie rückt ihr Schultertasche, in der sie das vertrauenserweckende Gefühl der Dinge spürt, mit denen sie die Elemente besser zu sich rufen kann, ein wenig zurecht und stellt sie schließlich kurzentschlossen zwischen ihren Füßen ab. Ihre Hand fährt über ein paar Blutstropfen auf ihrem Rock, die sich auf dem grünen Stoff, der definitiv schon bessere Tage gesehen hat, bräunlich ab.


    "Ich lebe eigentlich nirgendwo richtig. Öfters vielleicht einmal in Dargaras, dem Land hinter den Nebeln. Vor kurzem war ich im Krieg auf dem Kontinent Mythodea, wo ich den Katschmarek und seine Frau getroffen habe. Und da mich mein Schiff hierhin brachte, dachte ich mir, ich gehe von Bord und sehe mir diesen Ort einmal an."

  • "Und schon wieder - was für ein Glück."Alanis misst ihn ihrerseits mit einem abschätzenden Blick."Als klar wurde, daß das untote Fleisch das Heerlager binnen eines Tages überrennen würde, brach Panik aus. Ich habe niemanden mehr getroffen, den ich kannte, also bin ich alleine los. - Aber man ist ja schließlich niemals allein, nicht wahr?"Ihr Tonfall klingt munter, doch der Humor erreicht ihre Augen nicht. Rasch fragt sie:"Und, wo wohnst Du? Im Hafen oder in der Stadt Amonlonde? Oder gibt es hier mehrere Siedlungen? Ich muss gestehen, ich weiss so gut wie gar nichts über diesen Ort."

  • "Ich wohn oben in der Stadt. Ja, am Hafen gibts eine kleine Siedlung, für die Seeleute und Hafenarbeiter. Und dann gibts den Flußhafen, ein Stück den Caranduin hinauf. Da steht eine Siedlung, die jetzt, mit den Flüchtlingen aus Forlond, noch ein Stück gewachsen ist. Tja, am besten wohnt's sich aber in Amonlonde Stadt. Nicht so weit zur Taverne." Er grinst.

  • "Dem berühmten brennenden Tisch natürlich." Sie lächelt wieder, runzelt dann aber die Stirn."Flüchtlinge? Aber nicht von innerhalb Amonlondes, oder? Ich hatte bisher den Eindruck, dass das hier ein recht friedlicher Ort ist."

  • "Und die tanzende Hexe", ergänzt er und scheint nicht überrascht, daß der Tisch über die Landesgrenzen hinaus berühmt ist.
    "Nein, in Amonlonde ist es friedlich, zum Glück", erzählt er dann.
    "Aber vor zweieinhalb Jahren haben die Nymbra Forlond, die amonlondische Hafenstadt auf Montralur überrannt. Das war eine ziemliche Katastrophe."

  • "Was sind Nymbra?", erkundigt sie sich neugierig, hört sie dieses seltsame Wort doch das erste Mal in ihrem Leben. Den Namen Montralur hat sie schon hin und wieder vernommen, kann aber auch das Land nicht wirklich einordnen. Hatten die Montralurer nicht einen elbischen Herrscher? Ihre Stirn legte sich kurz in Falten, als sie nachdenken, doch dann blickt sie ihren Begleiter wieder an.

  • "Nymbra sind die Geißel Montralurs", erklärt er und sein Gesicht wird ernst und traurig.
    "Alle anderen Völker Montralurs leben mehr oder weniger in Frieden miteinander, aber die Nymbra töten jeden Fremden, der ihnen in die Hände fällt. Sie glauben, daß ihr Gott alle anderen Rassen nur erschaffen hat, um ihm als Blutopfer dargebracht zu werden."

  • "Nun, das unterscheidet die Nymbras leider nicht von vielen bösen Rassen, denen man auf den Reisen durch die Lande begegnet. Aber im Vergleich mit ihnen scheinen sogar Dunkelelfen noch wahre Musterschüler an gutem Benehmen und Diplomatie zu sein." Sie erinnert sich an die ausgezeichnete Kooperation mit den Dunkelelfen in Mythodea und ihre Mundwinkel ziehen sich kurz nach oben. Wahrlich, hin und wieder gab es auf dieser Welt doch noch Dinge, die sie überraschten."Werdet Ihr versuchen, diese Stadt in Montralur wieder zu besiedeln oder ist das zu gefährlich?"

  • "Puh, keine Entscheidung, um die man einen Mann beneiden kann", stellt sie fest und hebt dann die Schultern."Natürlich ist es an sich nicht richtig, vor dem Bösen und vor Gewalt zu kapitulieren, aber der Preis ist oftmals einfach zu hoch." Sie legt den Kopf leicht schief. "Was denkst Du darüber?"

  • "Braucht man Stadtmauern nicht, um sich zu schützen? Ich dachte, hier ist es friedlich?"bohrt Alanis nach, klappt dann aber abrupt den Mund wieder zu. Ihre blassen Wangen röten sich."Entschuldige bitte, ich klinge wie die Inquisition. Ich bin wohl zu sehr daran gewöhnt, daß überall Probleme lauern, daß ich potentielle Punkte sofort sehe. - Ich bin mir sicher, daß Malglin eine gute und richtige Entscheidung treffen wird. Ich habe ihn noch nicht oft getroffen, aber es macht den Eindruck eines weisen und erfahrenen Mannes. Ich wünsche Euch auf alle Fälle alles Glück, damit das hier weiterhin ein Ort wirklich freier Menschen bleiben kann."