Das Haus III

  • Alanis legt ihren Mantel über die Lehne der bequemen Liege und setzt sich hin, ihre kalten Finger ineinander verschränkend. Entspannt schlägt sie ein Bein über das andere.


    "Mir graust es auch wieder, bei diesem Wetter noch einmal auf ein Schiff zu steigen dieses Jahr. Aber ich war fast ein ganzes Jahr nicht mehr zuhause in Dargaras und muss mich dort wieder mal blicken lassen."


    Sie lächelt, und es liegen Vorfreude und ein wenig Wehmut in ihrem Gesicht.

  • Alanis nickt.


    "Viel zu beschäftigt, ich habe kaum bemerkt, wie das Jahr vorbei geflogen ist. Im Frühjahr war ich in Galladoorn, bei einer Heilerakademie. Danach -." Sie grübelt kurz nach und ihre Stirn legt sich in Falten. "In Solania. Und in Aventurien. In Lupien und Magonien. Und jetzt bin ich wieder hier seit ein paar Tagen."


    Das Lächeln kehrt auf ihr Gesicht zurück.


    "Aber ich Zukunft werde ich mehr darauf achten, dass ich genug Zeit finde, in der Heimat zu sein, anstatt in der Fremde von einem Ort zum anderen zu rennen. - Nun, wie läuft es bei Dir? Wie geht es Deinem Sohn?"

  • "War ich wirklich so lange weg?" , überlegt Alanis laut, dann schießt ihr ein erklärender Gedanke durch den Kopf. "Ach, ich vergaß, er wächst schneller als menschliche Kinder." Sie schenkt Jala ein Lächeln. "Dann macht Dein Sohn seine Flegeljahre schneller durch als andere Kinder - ich hoffe um Deinetwillen, dass es dafür nicht doppelt so heftig ist."

  • "Das glaube ich", gibt Alanis recht trocken zurück und nimmt sich, nachdem sie der Magd dankend zugelächelt hat, einen Zimtstern vom Gebäckteller. Zimtsternen kann sie einfach nicht widerstehen.


    "Nun, und gibt es noch etwas Neues aus der Amonlonder Gerüchteküche, das ich nicht weiß?"

  • "Spannend." Alanis betrachtet Jala ruhig und schenkt ihnen beiden je eine Tasse Tee ein. Dann stippt sie erst einmal in aller Seelenruhe einen Keks hinein und beißt mit genießerischer Miene hinein. "Arkana, Bauls stets Widersacherin in Allem und Jedem, ist nicht mehr Richterin. Dafür Cordobayan, der sehr nett und sehr bemüht ist, Wulfbain, der vom Rat nominiert wurde und mit seiner Weisheit sicherlich eine gute Wahl ist und Stefanus."


    Sie lächelt leicht und nimmt einen Schluck Tee, nachdem sie ihn mit Honig gesüßt hat.

  • "Für mich ist das gar nicht so seltsam. Bei mir zuhause werden die Entscheidungen von einem Sippenrat gefällt, bei dem auch große Reden und hin und wieder die Fäuste geschwungen werden. Daher kann ich dem Gedanken der Demokratie schon etwas abgewinnen. Für jemanden, der jedoch aus einem ganz anderen politischen System kommt, muss es wirklich befremdlich erscheinen, was hier in Amonlonde geschieht."


    Sie schmunzelt ein wenig und denkt dann ein wenig über die Frage der Stimmung nach.


    "Ich weiß, das viele ernste Gespräche geführt worden sind und bei manchen Gästen und Einwohnern aus den verschiedensten Gründen keine gute Stimmung aufkommen konnte. Aber es war auch keine schlechte Stimmung. Ich würde sie als - gedämpft, aber freundschaftlich beschreiben."

  • Alanis dreht die Teetasse zwischen ihren Händen hin und her.


    "Nun, ich denke viele Amonlonder und viele ausländische Gäste blicken mit gespanntem Interesse in die Zukunft Eures Landes. So eine Richterwahl erinnert die Menschen daran, wieviel Gewicht Entscheidungen haben können. Ich denke das war der Grund."


    Sie leert ihre Tasse und isst noch einen weiteren Keks.

  • Alanis erhebt sich lächelnd und streift einige Kekskrümel von ihren Röcken, dann schickt sie sich an, Jala zu folgen und sich das Kind zu betrachten, bei dessen Geburt sie vor einiger Zeit zugegen war.

  • Jala bringt sie ins Kinderzimmer - bisher das einzige-, in dem sich bereits eine Amme um Chamiz kümmert.
    Der kleine Junge sieht nicht anders aus als andere einjährige Kinder, bis auf die spitzen Eckzähne, die sich zeigen wenn er -so wie jetzt- seine Mutter anlacht.
    "Mama!" Er streckt Jala die Ärmchen entgegen damit sie ihn hochnehmen kann.
    "Chamiz, schau mal wer uns besucht." Jala dreht das Kind in ihrem Arm so, daß es Alanis Anschauen kann. "Das ist Alanis. Sie kommt von ganz weit weg hierher."
    Chamiz wendet ihr das Gesicht zu und betrachtet die Besucherin prüfend.

  • Alanis lächelt das Kind freundlich und breit an.


    "Salve, Chamiz", sagt sie in ruhigem Tonfall und betrachtet Bauls Sohn eine ganze Weile stumm. Schließlich blickt sie wieder zu Jala und nickt ihr zu. "Du bist wahrlich gesegnet. Ein strammer, gesunder Junge."

  • Chamiz grinst mit einem Mal Alanis an und ähnelt damit seinem Vater- nicht nur wegen der Eckzähne- wie aus dem Gesicht geschnitten.
    "Ja, das ist er", lächelt Jala.
    Chamiz schaut zu ihr und dreht dann ihr Gesicht mit einem Händchen zu sich.
    "'Men'on?", fragt er.
    "Heute Abend kommt er bestimmt", versichert ihm Jala.

  • Alanis schmunzelt im Angesicht der Szene häuslichen Glücks. Ihre Gedanken wandern zurück, dreizehn Jahre. Ja, so hätte es sein können -. Sie lächelt leicht und ein wenig wehmütig. Leben war das, was passierte, wenn man andere Pläne machte.


    Sie betrachtet Mutter und Sohn noch eine Weile, dann geht ein Ruck durch ihre Gestalt.


    "Ich hoffe Du nimmst es mir nicht übel, wenn ich so langsam wieder aufbreche?"