Nirgendwo

  • Ein dichter Wald, undurchdringliches Unterholz. Dort eine Felswand, zwei Dutzend Schritt hoch. Der Wald ragt unmittelbar an die Stufe heran, umgibt sie und schließt sie ein, beinahe unsichtbar, wenn man nicht über die Baumwipfel schauen kann. Ein schmaler Wasserfall mündet linkerhand in den Bach, der sich zu Füßen der Wand in sanften Windungen in den Wald schlängelt. Etwas weiter rechts davon eine Vertiefung iim Gestein, angefüllt mit Laub des Vorjahres.


    Im oberen Drittel der bemoosten Schieferwand eine Öffnung, mannshoch. Kaum einzusehen, ein kleiner Felsvorsprung versperrt den Blick. In unmittelbarer Nähe zu Wasserfall und Höhle kein Zeichen von größeren Tieren als Wühlmäusen und Eichhörnchen, doch etwas entfernt verstreut Gerippe, halbverweste Schädel und sauber abgenagte Beinknochen, hier und da, wie eine lose Barriere um den Ort.

  • Einige Wochen nach ihrem Aufenthalt in den Drachenlanden kehrt die Wolfsfrau, die nun endlich wieder einen Namen trägt, in ihr einziges Heim zurück. In menschlicher Gestalt, ungewöhnlich genug, dass sie von den Tieren 'ihres' Waldes kritisch beäugt und beschimpft wird. Auf ihrem Rücken eine große Kiepe, schwer beladen, hat sie die Gelegenheit genutzt, sich einiges an Vorräten für den Winter zuzulegen.

  • Einige Meter hinter der Frau mit der Kiepe bewegt sich eine hochgewachsene Gestalt durch das dichte Unterholz. So recht mag er nicht in diese Umgebung passen, ist seine Kleidung zwar einfach gehalten, aber dennoch eher die eines Städters. Auch seine Bewegungen im dichten Unterholz wirken hier und da etwas ungeschickt.
    Immer wieder werden seine Schritte von einem leisen und missgestimmten Brummen untermalt, wenn das Unterholz wieder einmal etwas dichter wird.


    "Auf einem anständigen Weg wäre es viel bequemer..." schießt es ihm durch den Kopf, als er sich wieder bücken musste weil ihm ein tief hängender Ast den Weg versperrt.


    Ansonsten schweigend folgt er weiter der Frau vor ihm in eine ihm mittlerweile unbekannte Welt.

  • Jedesmal, wenn Brin sich stumm über ihre Reisebedingungen beklagt, schnaubt Nebelfang belustigt, doch ohne ihn noch weiter aufzuziehen, als sie es bisher schon getan hat. Nun lenkt sie ihre Schritte den Geräuschen des kleinen Wasserfalls entgegen.


    "Wir sind da."


    Stöhnend lässt sie die Kiepe von ihrem schmerzenden Rücken gleiten, der solche Lasten seit langem nicht mehr gewöhnt ist. Sie hatte darüber nachgedacht, sich ein Packtier zu suchen. Doch ein Tier bei sich zu haben, das in ständiger Panik vor einem lebte und vermutlich im Laufe der Reise vor Angst gestorben wäre, wäre keine sehr erfreuliche Reisebegleitung gewesen.
    Mit einigen schnellen Schritten ist sie am Bach, kniet sich hin und trinkt ausgiebig, bevor sie sich das Gesicht wäscht.

  • Am Wasserfall angekommen zupft er sich ein paar kleine Ästchen aus der Kleidung und vom großkrempigen Hut ehe er den Blick über die Szenerie vor sich schweifen lässt.
    Nachdem die Umgebung kurz begutachtet wurde lässt er sich an Ort und Stelle im Schneidersitz nieder und wirft seinen Hut neben sich.


    "Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit..." sind seine ersten Worte seit langem.


    Die Augen ruhen nun auf Nebelfang mit einer Mischung aus Neugierde und Unbehagen im Blick.

  • Kurz kramt sie in der Kiepe, dann wirft sie ihm ein kleines, in Leder gewickeltes Päckchen Dörrfleisch zu.


    "Eine Ewigkeit..?"


    Sie streckt sich und macht sich dann, ohne auf eine Antwort zu warten, daran, einen der Bäume hinaufzuklettern, die besonders nah an der Felswand stehen.

  • "Dann war es wirklich Zeit!", ruft sie und springt aus dem Baum auf den Felsvorsprung vor der Höhle (ohne zu fallen, das hat sie offensichtlich schon öfter getan).
    Sie gerät aus Brins Blickfeld, kurze Zeit später klingen dumpfe Flüche von oben herab. Einige undefinierbare Gegenstände fliegen in hohem Bogen aus der Höhle, einiges davon könnten Gerippe kleinerer Tiere sein. Und eines ist ganz sicher ein erstaunlich großes Vogelnest. Dann ist es einen Moment lang ruhig, bevor ein Seil die Wand hinabfällt und Nebelfang sich daran wieder auf den Waldboden hinablässt.

  • Ein wenig belustigt beobachtet er die aus der Höhle fliegenden Gegenstände und kaut weiter auf seinem Dörrfleisch herum.


    "Das wird sich zeigen..." murmelt er mehr zu sich selbst.


    Als Nebelfang sich am Seil die Wand hinablässt meint er etwas lauter: "Und nun?"

  • "Nun schaffen wir dich und das Zeug nach oben. Da ich davon ausgehe, dass deine Ansprüche, was Wärme und Wohnlichkeit betrifft, etwas größer sind, haben wir noch ein bisschen zu tun, bevor der Tag zu Ende geht."


    Sie zerrt die Kiepe hoch und trägt sie zum Seil, mit dessen Ende sie sie verschnürt, um sie nach oben zu ziehen.


    "Willst du mit hoch? Holz sammeln müssen wir auch noch, ich hab nicht mehr viel." Sie deutet nach oben und zuckt mit den Schultern.

  • Mit hochgezogener Braue begutachtet er einen Moment den Höhleneingang, ehe er sich seufzend seinen Hut schnappt und aufsteht.


    "Ganz so empfindlich bin ich nun auch nicht. Und ich glaube so manche herunter gekommene Spelunke dürfte deutlich schlimmer sein als eine Höhle im Wald."


    Während er ein paar Schritte auf sie zu geht setzt er sich seinen Hut wieder auf.


    "Wollen wir erst Feuerholz holen gehen?"

  • Sie schüttelt den Kopf.


    "Zuerst die Kiepe nach oben. Oder wolltest du unser Feuerholz einzeln hochwerfen?"


    Sie lächelt auf eine Art und Weise, die ihn ahnen lässt, dass sie ihn wieder mit einem Welpen vergleicht. Dann hangelt sie sich am Seil nach oben und zieht es, oben angekommen, hinter sich her. Einige Augenblicke später ist sie mit leerer Kiepe wieder unten angekommen, diesmal den Weg über den Baum nehmend, das Seil ist oben geblieben. Es scheint Routine zu sein, was sie tut, Vorkehrungen, die ausreichen, sich und ihr Heim vor Normalsterblichen zu verbergen. Allerdings - wer sollte schon hierherkommen?
    Sie streckt dem größeren Wandler die Hand entgegen, als wollte sie seine nehmen, und nickt zum Wald hin, in dem es allmählich dunkler wird, die Dämmerung ist nicht mehr fern.

  • Das Lächeln quittiert er mit einem leisen Brummen, welches beinahe schon in ein Knurren übergeht.
    Geduldig, aber wohl etwas missgestimmt, wartet er ab bis Nebelfang wieder am Boden angekommen ist.
    Die entgegen gestreckte Hand begutachtet er zuerst einige Sekunden ehe er sie ergreift und sie gewähren lässt.

  • Stumm zieht sie Brin mit sich und führt ihn so durch das Unterholz, dass er einigermaßen gut folgen kann. Die beiden haben Glück, ein nicht allzuweit zurückliegendes Unwetter hat ihnen eine Menge Sturmholz beschert. Sie müssen nicht weit gehen. Die Kiepe füllt sich schnell und auch einige wirklich große Äste schleppen sie im Ganzen zurück zum Bau, wo Nebelfang es unten an der Felswand aufstapelt. Als sie beschließt, dass es reicht, bietet sie dem Wandler abermals ihre Hand.


    "Lass uns Binsen suchen, ich brauche eine neue Schlafmatte. Und für dich können wir auch eine machen, ums Holz kümmern wir uns, wenn wir zurück sind."

  • Diesmal folgen sie dem Bachlauf eine Weile, bis der sich verbreitert und zu einem kleinen Teich wird. Nebelfang zeigt ihm, wie man die Binsen schneidet und zusammenlegt. Hin und wieder begutachtet sie sein Tun, ist sonst aber mit sich selbst beschäftigt.

  • Schweigend verrichtet er die ihm geziegte Arbeit, die Augen starr auf sein Tun gerichtet. Nur ab und zu wendet er sich von seiner Arbeit um den Blick musternd über die Umgebung und Nebelfang schweifen zu lassen.

  • Irgendwann richtet sie sich leise ächzend auf und wirft einen Blick auf den Haufen, den sie zusammengetragen haben. Sie nickt und steckt ihr Messer weg.


    "Das sollte reichen, lass uns gehen."


    Sie nimmt etwa die Hälfte des Haufens zusammen und wirft sie sich lose über die Schulter, dann dreht sie sich zu dem anderen Wandler um und wartet.

  • Auch sein Messer verschwindet wieder in der Lederscheide am Gürtel ehe er sich aufrichtet.
    Er nimmt sich die übrig geblieben Hälfte des Haufens und wirft sie sich ebenfalls über die Schulter.


    "Nach dir", sind die einzigen Worte, die er spricht nachdem er sich wieder Nebelfang zugewandt hat.

  • Während die eigentliche Dämmerung hereinbricht, kehren die beiden zu Nebelfangs Höhle zurück. Sie lässt das Seil herab und nach und nach bringen sie Feuerholz und die geschnittenen Binsen herauf.
    Nach der Wanderung hierher, die sie ungewohnter Weise in Menschengestalt erlebt hat, ist die Arbeit mühselig und anstrengend. Als sie den letzten großen Ast heraufgehievt haben, Brin unten, Nebelfang oben, zerrt sie den beiseite und lässt das Seil wieder hinunter, bevor sie den Kopf über den Felsvorsprung reckt.


    "Halt dich fest, ich zieh dich rauf!" Sie grinst. Und fühlt sich ein wenig unbehaglich bei dem Gedanken, ihn nun wirklilch in ihr ureigenstes Reich zu lassen.