Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (3)

  • Alanis erhob sich, um die Teekanne vom Tisch zu holen.


    "Ah", sagte sie leise und goss sich selbst in ihren Becher, der auf der Herdumfassung stand, noch etwas ein. Und dann direkt auch noch etwas in Ashabas Becher. Ein seltsamer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Keine Ablehnung. Eher ein Mitfühlen. Und vorsichtiges Taktieren "Die einen suchen sich die Auswege hier, die anderen da. - Bist Du wütend auf sie?"

  • "Nein, wieso?"


    Für einen Moment sah Ashaba irritiert aus.


    "Ich habs doch nie anders kennengelernt. Und wirklich schlimm finde ich es auch nicht. Wenn das ihr Weg ist, dann soll mir das recht sein. Zumal ich sowieso nur noch sehr wenig mit ihr zu tun habe. Es ist Jahre her, dass wir uns gesehen haben. Vielleicht sollte ich dem Kerl ein paar deutliche Worte auf einen Fetzen Papier schreiben und ihn zurück schicken."


    seufzte sie dann.

  • Alanis entspannte sich wieder, als sie Ashabas Worte hörte und atmete kurz durch.


    "Tu das, mit dem Du Dich wohl fühlst. Wenn Du einen bitterbösen Brief schreiben wirst, mach es. Es wird beim Empfänger vermutlich nichts auslösen, Dich aber von Deinem Groll befreien."


    Sie beugte sich vor, nahm ihre Teetasse auf und nahm einen Schluck. Ihre Schultern sackten ein weiteres Stückchen entspannt nach unten.


    "Uff", sagte sie dann. "Endlich wieder daheim. Gut, oder?"
    Ein erneuter Seitenblick auf Ashaba.

  • "Ich möchte eigentlich nur sehr wenige Worte schreiben."


    sagte sie mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. Ihr Puls schien sich wieder halbwegs beruhigt zu haben.


    "Da kommt man gerade heim, ordnet die liegen gebliebenen Sachen und dann stolpert so einer rein. Also eigentlich schon gut, wieder da zu sein. Aber auf der anderen Seite hätten wir ruhig noch länger auf See sein können. Die Wellen, der Seegang, der kotzende Thersites. Wie schön."

  • "Ja. Wenn man so auf Reisen ist, dann liegen die Dinge, die man erledigen müßte, ganz weit entfernt. So weit entfernt, wie man sich den kotzenden Thersites wünschen würde."


    Die Priesterin zog eine Grimasse, als sie an eine Menge uneingeordnete Pläne, Gefühle und Gedanken dachte.


    "Gönn der alten Dame zumindest nicht die Genugtuung, dass Du sie merken lässt, dass sie Dich getroffen hat."

  • "Keine Ahnung, ob sie überhaupt Genugtuung verspüren würde. Scheinbar geht es ja wirklich nur um den Erhalt des Lehens. Es ist ja nicht so, als ob andere Häuser bereits Schlange stünden um die Krallen danach auszustrecken."


    Sie nahm einen Schluck von ihrem Tee und zuckte etwas ratlos die Schultern.


    "Wieso ist Tarant eigentlich nicht zu Kamill gegangen? Er weiß doch, dass sie und die anderen Heiler der Garde ihm stets zur Verfügung stehen."

  • Auf Ashabas erste Worte wußte Alanis nichts zu antworten außer ein "Ist schon möglich", aber wirklich sicher klang sie nicht. Bei der Erwähnung Tarants wanderte ihr Blick kurz zur Zimmerdecke, so als hätte sie sich erst jetzt an ihren Besucher erinnert.


    "Er meinte, ich würde die Verletzung schon kennen. Was ja auch stimmt. Vielleicht vertraut er mir. Oder hat gänzlich andere Gründe."


    Letzteres sagte sie ein wenig leiser und hob dabei nonchalant die Schultern.

  • "Am Ende hat er ein Auge auf dich geworfen und stellt irgendwann fest, dass er sich die Nase blutig rennt."


    Ashaba grinste, froh ein anderes Thema zu haben.


    "Ist mir egal. Soll er tun, wie er will. Vielleicht ist er Kamill noch einen Dienst schuldig und drückt sich davor. Sie ist unerbittlich, wenn jemand mal seine Verbände nicht am Mann hatte."

  • "Ist ja auch nicht schlecht, hier bei mir zu liegen. Im Hospital liegen manchmal die komischsten Gestalten. Und ich weiß nicht, ob das Essen bei der Garde so gut ist wie bei mir." Alanis tippt sich kurz scherzhaft an die nicht existierende Mütze. "Sergeant, ich muss übrigens einen Eurer Männer dienstunfähig melden. Mindestens 8 Tage und danach noch 3 Wochen leichten Dienst."


    Und dann, wieder etwas leiser:


    "Er weiß von Damorg und mir, glaube ich. Ich denke nicht, dass er das Risiko eingehen würde, sich da einzumischen." Dann fiel ihr etwas ein und sie blinzelte erschrocken. "Mist. Ich habe ihm gar nicht Bescheid gesagt, dass ich wieder hier bin."

  • "Vielleicht gerade weil er von Damorg weiß. Tarant ist manchmal seltsam, was das Eingehen von Gefahren eingeht. Zuweilenl möchte man meinen, dass er den Tod sucht."


    Alanis' Erkennen quittierte sie mit einem Grinsen.


    "Wir sind gestern am späten Nachmittag angekommen. Jetzt ist es Morgen. Er wird dir vermutlich verzeihen. Zumal ich davon ausgehe, dass er es bereits weiß. Unser Eintreffen hier in Renascân ist sicherlich auch bereits im Tempel bemerkt worden. Es würde mich wundern, wenn nicht zumindest Aalok bereits im Tempel gewesen wäre. Und dahin wird mich mein Weg heute auch noch führen. Wenn du magst...."


    Sie machte eine kleine Pause, war sich nicht sicher, wie Alanis' das aufnehmen würde.


    "... kannst du mich ja begleiten."

  • Tarant liegt weiter entspannt auf dem Stohbett und nimmt alle Geräusche des Hauses und der Umgebung in sich auf.
    Sowas wie ein innerer Frieden kehrt langsam ein.
    In der entstandenen Gesprächspause, hat er sowohl die Wasserkanne als auch den Tee geleert.

    Lebe frei, stirb stolz.


    Disclaimer:
    In aller Regel möchte ich mit meinen Äußerungen niemanden beleidigen, angreifen oder bloßstellen. Es handelt sich lediglich um meine Meinung oder bestenfalls einen gut gemeinten Vor-/Ratschlag.

  • Alanis Augen leuchteten auf, als sie Ashabas Vorschlag hörte.


    "Sehr gerne." Ein kurzes Zögern."Ich weiß, das klingt jetzt vielleicht ein bisschen blöd. Aber ich vermeide es meistens, alleine hinzugehen - eher gehe ich gar nicht hin. Die Novizin sieht mich immer an, als würde sie mich am liebsten in die Feuerschale stoßen. Mit Anlauf."


    Ein kleiines Lächeln zuckte im ihre Lippen.


    "Ich zieh mir mal gerade was an. Dieser Sommer ist viel zu nass und zu kalt.", sagte sie dann unvermittelt und erhob sich, ihren Becher auf den Tisch stellend.


    Vor dem Fenster begann just in diesem Moment wieder der Regen zu fallen. Er plätscherte auf das Dach und rauschte durch den nahen Wald, der knapp ein Dutzend Schritt hinter dem Haus und Garten begann. Alanis ging in ihr Schlafzimmer, die Tür einen Spalt offen lassend. Hin und wieder, während sie sich umzog, erschien ihr Kopf in der Tür, damit sie Ashaba ansehen konnte.


    "Ich glaube übrigens, dass ich so ein Angebot nicht ausschlagen würde. Auch wenn ich Deine Gründe verstehe."


    Eine Hand deutete aus dem Türspalt hinauf auf das Schreiben, das wieder auf dem Tisch lag und zog sich dann zurück. Ein Hauch von Parfum, süß und verlockend, sickerte aus dem Schlafzimmer in die Küche und einige Zeit später kehrte Alanis in einer Wolke vom Wohlgeruch in die Küche zurück, in einem hübschen, warmen Kleid und mit geflochtenen Haaren.

  • "Mal im Ernst: Kannst dus ihr verdenken?"


    Ashaba kippelte gefährlich auf ihrem Stuhl.


    "Für sie bist du ein Eindringling in ihre heile Welt. Und wer weiß, was sie so alles weiß."


    Alanis' Geständnis, dass sie solch ein Angebot nicht ausschlagen würde, ließ sie einige Momente schweigen. Dann sah sie auf.


    "Kannst du dir vorstellen, dass ich Kinder groß ziehe? Siehst du mich mit einem Mann, einem Lehen und als Vorstand eines Haushaltes? Das ist alles so weit weg für mich und es gab einen Punkt in meinem Leben, da habe ich mich damit abgefunden, dass ich das alles nie haben würde. Ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet, dass ich mein Leben vermutlich auf einem Schlachtfeld aushauchen werde. Allein das Wann ist unsicher."

  • Alanis zog eine Augenbraue hoch und legte Ashaba kurz eine Hand auf den Arm - um ihr Zuspruch zu geben. Oder um die Kippelei zu beenden? Das war nicht so ganz ersichtlich.


    "Wie gesagt. Deine Gründe verstehe ich. Ich bewundere Dich für soviel - Wissen darum, was Du tun und sein wirst."


    Sie hob die Schultern und lächelte sachte, irgendwie resigniert.


    "Bei mir ist alles unsicher. Kinder? Mann? Wo werde ich in zehn, zwanzig Jahren wohnen? Werde ich weiter soviel reisen? Hierbleiben und vielleicht die Möglichkeit versäumen, im Namen meines Glaubens Großes zu erreichen? Vielleicht eines Tages die Möglichkeit nutzen, mehr zu haben - mehr Geld? Mehr Macht? Mehr Einfluss?"


    Sie nahm das Schreiben vom Tisch und faltete es sehr ordentlich zusammen, um es Ashaba zu reichen.

  • "Vielleicht kommt irgendwann deine ganz eigene Erkenntnis."


    sagte Ashaba und lächelte seltsam friedlich. In den letzten Jahren war so viel geschehen und sie hatte manches Mal an einem Scheideweg gestanden und geglaubt, es würde ihr den Kopf sprengen. Sie hatte sich in Alkohol geflüchtet und sich fast darin verloren bis ein guter Freund sie wach gerüttelt hatte. Nichts, auf das sie stolz war aber nichtsdestotrotz ihr Leben, auf das sie zurück blickte.


    "Muss ein Priester denn Großes bewirken?"


    Fragte die Soldatin dann nachdenklich.


    "Ist nicht möglicherweise die Rettung eines Einzelnen genauso wichtig und... groß?"


    Sie nahm das Schreiben entgegen und steckte es ein.


    "Wenn ich dich als Mensch ansehe, Alanis, dann ist das, was du tust, in meinen Augen richtig und gut. Dass du es im Namen der Elemente tust - nun, das kann jedem passieren."


    Eine leichte Pause folgte, in der sie die Priesterin offen angrinste. Sie würde wissen, wie sie diese kleine Spitze gegen den Elementeglauben zu nehmen hatte. Zumal das, was gerade aus ihrem Mund kam, eins der größten Zugeständnisse war, die Ashaba einem Priester anderen Glaubens je geben würde.


    "Hier wirst du im Namen deines Glaubens nicht viel erreichen. Aber du kannst viel erreichen. So mancher hier verdankt dir sein Leben. Nicht nur Leute wie ich, die mit dir im Feld waren sondern auch einfache Leute, die sich bei ihrer täglichen Arbeit verletzt haben. Du hast einen Weg gefunden sie für dich zu gewinnen, weil du einfach du bist."

  • Nun wirkte die Priesterin, die gerade von Macht und Einfluss gesprochen hatte, tatsächlich doch ein wenig gerührt.


    "Danke schön", sagte sie nach einem kleinen Moment, in dem sie sich wieder gesammelt hatte. "Das ist lieb von Dir. Nur leider -." Sie zuckte mit den Schultern und grinste schief. "Khai Thee, unser Hohepriester, sieht das alles ein wenig anders. Er hat mir gesagt, dass er nicht sieht, dass ich in Renascân vorankommen werde. Was meine Fähigkeiten angeht. Und meine Möglichkeiten. Und dass er ein ganz anderes Schicksal für mich vorausgesehen hat. Nenn es eine - Prophezeiung."

  • "Wirst du hier eine Heimat finden, einen Ort, an den du nach getaner Arbeit zurückkehren kannst oder wirst du diesem Ort den Rücken kehren?"


    Sie erwartete nicht, dass Alanis sich diesem Kai Thee und seiner Prophezeiung widersetzte. Wie könnte sie auch? Die Frage war nur, wie sie sie ausfüllen würde. Es würde sie schmerzen, Alanis gehen zu sehen, wie so viele vor ihr, die einen Platz in ihrem Leben gefunden hatten und dann einfach wieder daraus verschwunden waren. Manche ohne Lebe wohl zu sagen.

  • Alanis gab ein Geräusch von sich, das am ehesten wie 'Hrmpf' klang und legte den Kopf schief.


    "Wenn ich das mal wüßte. Das Bescheuerte an Prophezeiungen ist, dass sie verdammt ungenau sind. Ganz egal, wie ich mich entscheide, ich wette mit Dir, dass Khai Thee mich in vielen, vielen Jahren im ewigen Kreislauf erwartet, mir vor die Stirn haut und meint 'SO MEINTE ICH DAS NICHT, DU DABBES!."


    Die Priesterin grinste breit.


    "Sein Rat war, dass ich einsehen sollte, dass Renascân mich auf meinem Weg vermutlich behindern wird. Das, was er gesehen hat, ist meine Zukunft. Aber er hat nicht gesagt, dass das beides nicht einher gehen kann. Ich vermute wenn ich hier bin, wird es einfach etwas länger dauern, bis ich mein Ziel erreiche." Sie lehnte sich an den Tisch, blickte zu Ashaba hinunter und verschränkte die Arme. "Dafür hätte ich bis dahin hier ein gutes Leben."

  • "Also liegt es einfach an dir, ob du den schnellen oder den langen Weg beschreiten möchtest. Welcher auch immer es ist...."


    Ashaba reckte das Kinn ein wenig vor und sah Alanis an.


    "... hat... er denn einen Platz in deinem Leben, wenn du deinen Weg gehst?"


    Zwei Priester... konnten sie denn so eine Sache aufrecht erhalten, wenn ihre Götter sie derart forderten? Damorg würde nicht zurückstecken, nicht opfern. Dessen war sie sich gewiss. Und Alanis bedeutete ihr gerade, dass sie das auch nicht tun konnte. War das unvermeidlich gewesen? Sie hatte Damorg lange Zeit als einen Welpen angesehen, eine Art Schutzbefohlenen. Aber das war er schon lange nicht mehr. Es war nicht mehr an ihr, ihn zu schützen. Auch nicht hier vor. Das musste er selbst tragen. Und Alanis auch. Diese unweigerliche Konsequenz machte sie wehmütig, war es doch das, was ihr unmissverständlich zeigte, dass sie das selbst auch niemals würde haben können.

  • Alanis zögerte kurz und angelte sich ihre Teetasse. Mit gerunzelter Stirn blickte sie hinein, so als könne sie die Antwort, die sie geben wollte, darin voraussehen.


    "Er wird immer Teil eines Kompromisses sein. Niemals alles bekommen. Ich weiß nicht, ob das gerecht ist. Denn er hätte mehr verdient." Sie atmete kurz tief durch und verzog leicht die Lippen. "Ich denke, er ist sich längst nicht mehr so sicher, wie er einmal war. Und daher warte ich ab."