In den Eiszinnen

  • Sie waren nun einige Stunden bergan gegangen. Dunbar führte die Gefährten sowie die Schotten sicher durch die hügelige Gegend.


    Man konnte sie kaum voneinander unterscheiden. Alle hatten sich in dicke Kleidung gehüllt und die Köpfe mit Schals verborgen, um dem mittlerweile wieder aufgekommenen Wind zu trotzen.
    Die Landschaft war karg und nur wenige Sträucher waren zu sehen. Es war unnatürlich still. Lediglich hin und wieder hörte man einen Brunftschrei der Trolle.


    Schweigend kämpfte man sich den Abhang herauf. Lediglich der eine oder andere von den Füßen losgetretene Stein machte ein Geräusch.

  • Die Eiszinnen unterschieden sich deutlich von der bislang durchwanderten Landschaft Yerodins. Es war kalt und es gab kaum Vegetation. Die karge und wenig abwechslungsreiche Landschaft am Fusse der Eiszinnen ließ erahnen, wie dramatisch es wohl weiter oben zugehen musste. Es war nicht verwunderlich, dass kaum jemand die Lust verspürte, die Eiszinnen zu erforschen. Die Eiszinnen waren bei weitem das unwirtlichste und möglicherweise tödlichste Gebiet Yerodins. Es hieß, das weiter oben, etwa ab 400m Höhe, die Temperatur so niedrig war, dass man dort keine Überlebenschance hatte.
    Jeder aus der Gruppe warf hin und wieder einen ehrfürchtigen Blick hinauf, als sollte auf diese Weise alles Böse ferngehalten werden.


    Raven und Connar hatten sich an die Spitze des Zuges gesetzt und Raven führte die Gruppe zielsicher vorbei an riesigen Findlingen und durch enge Schluchten, die mehr als Unwohlsein bei den Männern hervor riefen.

  • Mit Ehrfurcht schaute sich Darian in der Umgebung um. Er war noch nie vorher in den Eiszinnen gewesen. Früher hatte er die weißen Spitzen des Bergmassivs von Weitem bei der Feldarbeit sehen können.
    Er kannte nur die Geschichten die sich um diese Berge rankten.
    Es hieß das ein Mensch hier oben nicht lange überleben könnte und die Trolle die dort hausten sollen gar grausam mit denen umgehen, die sich hier hinein verirrten.


    Darian rückte etwas näher an die Gruppe heran und hielt den Griff seines Schwerts fest, so als ob ihm dies etwas Sicherheit geben könnte.


    Sie liefen nun schon eine ganze Weile durch Schluchten und immer wieder vorbei an riesigen Felsbrocken die von Riesenhand verteilt zu sein schienen.


    Es war bisher nichts aufregendes passiert und das war auch gut so, dachte Darian bei sich.


    Die Männer hatten genug mit der Kälte zu tun die durch den immer wieder in Böen aufpeitschenden Wind noch heftiger wirkte.

  • So ging es Stunde um Stunde voran. Die Kälte war beißend, doch jeder war daran interessiert, diese unwirtliche Gegend zu verlassen. Deswegen war auch keine Rast geplant. Angesichts der Kälte war die Chance zu erfrieren hoch.


    Sie kamen nun durch eine kleine Schlucht. Zu beiden Seiten ragten die grauen Felswände bis zu vierzig Schritt herauf. Der Wind nahm nun ab und Raven hielt die Gruppe für eine kleine Verschnaufspause an. Im Stehen aß man eine Kleinigkeit. Dunbar gab jedem einen kleinen Schluck Uisge, um die Stimmung etwas aufzuhellen.


    Dann wurde es über ihnen dunkel. Wolken zogen schnell heran und der Himmel verfinsterte sich. Es begann zu schneien. Raven hielt alle Gruppenmitglieder zum schnellen Aufbruch an, um die Schlucht schnell zu durchwandern, bevor der Schnee diese unpassierbar machen würde.


    Sie kamen gut voran. Der Schnee fiel nur langsam und es war auch nicht mehr ganz so kalt. Als sie das Ende der Schlucht vor Augen hatten, hörten sie plötzlich ein Donnern. Raven hielt kurz an, lauschte, riss die Augen auf und schrie:


    Lauft! Das muss eine Lawine sein.


    Alle nahmen die Beine in die Hand, so gut es die steifgefrorenen Knochen erlaubten. Über ihnen prasselten bereits einige kleine Kiesel wie ein steinerner Regen in die Schlucht und auch das Schneetreiben wurde plötzlich stärker. Wie ein weißer Schleier flirrte der Schnee durch die Schlucht, so dass sie mehr blind als sehend liefen. Scrum rutschte aus, doch zwei Hände packten ihn schnell und zogen ihn halb mit sich, bis er wieder Halt spürte. Und dann waren sie aus der Schlucht heraus. Linker Hand war ein felsiger Unterstand zu erkennen und Raven führte alle darunter. Das Grollen schwoll weiter an und es prasselte Felsbrocken und Schnee von oben herunter. Dann gab es ein großes Krachen und man konnte keine fünf Schritt weit sehen, als die Lawinde aus Schnee und Geröll in die Schlucht stürzte. Ihnen stockte der Atem und sie hielten sich die Ohren zu.


    Dann war es vorbei und langsam klärte sich die Luft. Rund um sie herum lag der Schnee bestimmt drei Ellen hoch, doch alle waren unverletzt geblieben. Scrum drehte sich herum und bemerkte, dass der Unterstand eine Nische hatte. Er schaute in die Dunkelheit, konnte jedoch nichts erkennen. Ein unangenehmer Duft kam dort heraus, irgendwie muffig und stechend. Scrum wollte gerade einen Lichtzauber wirken, als ihn ein unglaublich harter Schlag vor den Kopf traf. Er flog drei Schritt zurück und prallte gegen die Felswand. Mit verschwommenen Blick konnte er noch erkennen wie Troll mit einem Hechtsprung aus der Nische geflogen und mit einem markerschütterndem Schrei auf die Gruppe zukam.


    Dann wurde es schwarz vor Scrums Augen...

  • Der Schnee war schnell gekommen und er hatte gespürt, dass Gefahr drohte. Er kannte den Unterstand und hatte sich dort zurückgezogen, wohl wissend, dass er dort sicher war.


    Dann hatte er sie plötzlich gehört und schon standen sie da. Gefangen von der Gefahr hatten sie ihn nicht bemerkt, obwohl der erste nur einen Schritt neben ihm stand. Er konnte das Menschenfleisch riechen und sein Magen knurrte. Die Brunftzeit war hart und entbehrungsreich. Jetzt hielt ihn nichts mehr. Der erste Mensch stand zu nahe an ihm, so dass er ihm einen schnellen Schlag gegen den Kopf gab.


    Dann stürzte er sich auf die überraschten Männer. Er schnappte sich den erstbesten Schotten und hieb ihm seine schwere Keule auf den Kopf, so dass es nur so spritzte. Der Schotte fiel zur Seite und bewegte sich nicht mehr. Doch dann war keiner mehr bei ihm, denn alle waren schnell zurückgewichen und bildeten einen Kreis um ihn herum.
    Sein Hunger ließ ihn nicht lange überlegen und er stürzte sich in die Menge. Die Arme der Schotten kamen nicht schnell genug hoch, so dass er drei von ihnen mit einem Rundumschlag seiner Keule niederstreckte.


    Dann stand er plötzlich einem alleine gegenüber. Dieser hatte einen langen Zweihänder in der Hand, von dem ein merkwürdiges blaues Schimmern ausging. Kurz war er vom Glanz der Waffe gefangen, doch dann hob er die Keule und holte mit einem tiefen Brüllen nach Connar aus.

  • Mit Schrecken nahm Connar auf, was der plötzliche Angriff des Trolls unter seinen Männern angerichtet hatte. Und jetzt konzentrierte sich das Biest auf ihn.
    Der Troll schlug zu und Connar wich dem Schlag aus. Er machte sich keine Illusionen darüber was geschehen würde, wenn er versuchte diese Keule zu parieren oder gar zu blocken. Inzwischen hatten sie etwas Platz gewonnen und der Überraschungseffekt war dahin. Connar konzentrierte sich auf den riesenhaften Troll und nahm nur aus dem Augenwinkel wahr, dass sich die Männer formierten.
    Der Troll schlug immer wieder nach ihm und er war vollauf damit beschäftigt, den gewaltigen Schlägen aus zu weichen. Connar musste den Troll beschäftigen und den anderen die Möglichkeit geben, ihn an zu greifen. Der Troll konzentrierte sich jetzt auf Connar, der ihn ihn zu treffen versuchte, um ihn an sich zu binden. Connar spürte die Kälte nicht mehr, Schweiß lief ihm vom Kopf den Hals herunter in den Kragen. Er wußte, sein Leben war in höchster Gefahr.

  • Raven sah den am Boden liegenden Scrum und die wahrscheinlich schwer verletzten Schotten. Jetzt waren nur noch Connar, Darian und drei Schotten übrig.


    Die Krummschwerter waren wie von selbst in seine Hände gesprungen. Raven erkannte die Absicht seines Herrn. Er wollte den Troll beschäftigen. Raven sah aber auch, wie knapp die Schläge des Trolls an Connar vorbei zischten. Er nutzte seine Chance, als ihm das Monster den Rücken zuwandte. Er sprang direkt hinter den Troll und schlug schnell und präzise auf die Achillessehne des Trolls ein und durchtrennte diese mit mehreren Schlägen. Der Troll schrie auf und wirbelte herum. Dabei erwischte er Raven mit seiner Keule genau am Brustkorb. Raven wurde davon geschleudert und schlug hart an der Wand auf, was er jedoch schon nicht mehr bemerkte. Er bekam auch nicht mehr mit, dass der Troll zusammen sackte und nicht mehr stehen konnte.

  • Er hatte nur den einen mit dem langen Schwert im Blick, als ihm plötzlich die Beine wegsackten. Den Schmerz spürte er gar nicht, so überrascht war er. Instinktiv warf er seinen Oberkörper herum und ließ die Keule durch die Luft wirbeln. Er spürte, wie sie ein Ziel traf. Danach landete er mit dem Rücken auf dem Schnee. Noch während er versuchte sich aufzurichten hörte er schnelle Schritte auf dem neuen Schnee knirschen. Er ließ noch einmal die Keule wirbeln, doch diese traf niemanden. Dann spürte er ein Zucken in seinem Nacken und es wurde tiefste Nacht in seinem Geist.

  • Er lag noch in der Nische und er hatte einen Traum.


    In diesem befand er sich zurück in der Herrschaftsstadt, die er vor einigen Monaten besucht hatte, als sie den Weg zu den nördlichen Wasas gesucht hatten. Doch alles schien sich verändert zu haben.
    Dann erschien plötzlich Talris in seinem Geist, wie er den Herrschaftsstab - nunmehr erfüllt von neuer Kraft - auf den Boden stieß und sich die Stadt wie von Geisterhand aus dem Tal erhob, um sich prächtig und würdevoll zu zeigen.
    Schließlich erlebte er, wie Talris in einen Thronsaal einzog, in denen Menschen und einige der montralurischen Rassen ein Fest feierten.
    Er konnte die Wärme des Feuers spüren....


    ...als er plötzlich unsanft ins Gesicht geschlagen wurde. Langsam kam er zu sich und sofort spürte er das dumpfe Pochen in seinem Hinterkopf. Er tastete vorsichtig nach hinten und spürte ein dicke Beule. Er versuchte einen Blick auf seine Hand zu werfen, doch sein Blick war noch verschwommen. Nach und nach klärten sich seine Augen und erleichtert nahm er wahr, dass kein Blut an seiner Hand klebte.


    Dann merkte er, wie jemand an ihm rüttelte und ihn fragte, ob alles in Ordnung sei.


    Alles in bester Ordnung, abgesehen von der Beule am Hinterkopf und dem dumpfen Pochen in meinem Schädel.


    Scrum rang sich ein Grinsen ab. Dann warf er einen Blick in die Runde. Er sah einen Fellberg inmitten eines Kreises der Schotten liegen. Connar beugte sich darüber und nun erkannte Scrum, dass es sich offensichtlich um einen Troll handeln musste. Erleichtert, dass Connar wohlauf war, wollte sich Scrum aufsetzen, doch die Beine sackten unter ihm Weg. Er musste würgen und sich in den Schnee übergeben.
    Sein Oberkörper fiel in den Schnee. Die Kälte auf seinem Gesicht tat gut.


    Dann spürte er, wie er unter jedem Arm gepackt und hochgehoben wurde. Man setzte ihn wieder in die Nische und reichte ihm ein feuchtes Tuch. Scrum reinigte sein Gesicht so gut es ging. Es ging ihm hundselend.


    Connar trat heran und beugte sich herab. Scrum winkte ab.


    Die Beule macht mir zu schaffen. Ich brauche noch einen Moment, dann können wir weiter. Ist jemand verletzt? Ich kann jetzt nicht helfen. Nimm den Heiltrank, den ich um den Hals trage, wenn jemand ihn braucht.


    Connar sagte: Nein, wir werden ein Lager aufschlagen. Raven ist verletzt und einer der Schotten ist tot. Ruh Dich aus! Doch den Heiltrank werde ich nehmen.


    Zuerst nahm er die Phiole, die um Scrums Hals hing, danach zog er dessen Mantel zusammen, damit dieser nicht frieren musste. Schließlich veranlasste er alles, damit ein Lager aufgeschlagen werden konnte. Tatsächlich schafften es die Schotten noch einiges Holz zusammen zu tragen, welches ein kleines Feuer ermöglichte. Die Nische gab genug Platz für alle.


    Kurz nachdem Scrum die Wärme des Feuers spürte, war er auch schon eingeschlafen.

  • Alles ging so furchtbar schnell. Noch ehe Darian überhaupt begriffen hatte was hier wirklich passierte sackte Scrum schwer getroffen zu Boden.
    Irgendetwas großes (Fell?) hatte sich von hinten angeschlichen und Scrum mit einem riesigen Gegenstand auf den Kopf geschlagen.


    Instinktiv griff Darian nach seinem Schwert als er sah wie Raven auf dieses riesenhafte Fellwesen zustürumte und es abzulenken versuchte.


    Darian tat es ihm gleich denn sie mussten dieses Viech (ein Troll?) irgendwie von Scrum weglocken.


    Ein Schotte stürmte heran und wurde von der Keule deart hart getroffen, dass das Geräusch berstender Knochen noch jetzt in Darians Kopf wiederhallte.


    Raven nutzte diesen Angriff des Trolls aus und machte einen Schritt auf ihn zu um im selben Augenblick wieder auszuweichen, doch er war nicht schnell genug - die Keule traf ihn noch am Brustkorb und Raven wurde hart zurückgeworfen.


    Darian hatte zu einem Hieb ausgeholt und verlagerte seinen Schwerpunkt um leichter ausweichen zu können als der Troll plötzlich nach hinten umknickte.
    Raven hatte den Angriff auf die Achillesversen des Trolls noch durchführen können bevor er selbst getroffen wurde.
    Und Dunbar hatte ihm schließlich den Rest gegeben.


    Darian steckte sein Schwert wieder zurück in die Scheide und blickte sich um. Scrum war wieder bei Bewußtsein, wirkte aber noch sehr mitgenommen.
    Raven war am Boden zusammengesunken und nicht ansprechbar und ein Schotte wurde gerade von seinen Kameraden zur Seite getragen.


    Darian ging herüber zu Raven und blickte Dunbar fragend an. Der wiederum nickte leicht und sagte knapp:" Er lebt!"
    Darian nestelte an seinen Ledertaschen am Gürtel und zog ein kleines Fläschchen ans langsam verblassende Tageslicht.
    Er gab es Dunbar und sagte: "Hier, versuch es ihm einzuflößen. Scrum kann sicher irgendwo etwas neues herstellen wenn es ihm wieder besser geht und wir die Gelegenheit dazu finden. Vielleicht in einem verlassenen Weiler wenn wir diese unwirtlichen Eiszinnen hinter uns haben."

    Darian Stienhauer, loyaler Ritter in den Diensten Yerodins

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  • Connar bemühte sich darum, das Nachtlager zu organisieren und die Verletten zu versorgen. Der schottische Krieger war allen Göttern zum Dank nicht tot. Dunbar konnte ihm den Heiltrank von Scrum einflößen, was seinen zustand stabilisierte. An ein weiter ziehen war jetzt jedenfalls nicht zu denken. Raven erholte sich langsam und Scrum war auch wieder bei Sinnen. Sobald es dem Magier besser ging, sollte er sich die Verletzten ansehen.


    Die Männer scharten sich um das schwächliche Feuer, das sie am Rande der Felsnische entzündet hatten und wärmten sich auf, so gut es eben ging. Das Feuerwasser der Schotten ging reihum und tat das seinige. Die Stimmung war nicht die beste, aber man war froh, noch am Leben zu sein.


    Die Nacht verlief ohne aufregende Zwischenfälle und der Morgen brachte gute Neuigkeiten. Raven war wieder auf den Beinen und der Schotte konnte durch eine Behandlung von Scrum wieder einen Fuss vor den anderen setzen. Connar half den Männern beim packen ihrer Habseligkeiten und nach einem kargen Frühstück setzten sie ihren Weg fort. Jetzt war es der gute Darian, der etwas gute Laune hervor zauberte, indem er heitere Geschichten zum besten gab, die er entweder irgendwo aufgeschnappt hatte oder sich selbst erdachte. Jedenfalls stimmte er die Männer heiter und brachte den Trupp zum Lachen.


    Connar führte die Männer von den Eiszinnen fort und bald schon war wieder üppige Vegetation vorhanden. Während einer kurzen Pause erläuterte Connar das weitere Vorgehen.


    Wir befinden uns jetzt westlich der Eiszinnen. Im Süden, etwa 25 Meilen von hier, fliesst der Timmerlan, der sich wiederum etwa 30 Meilen im Westen gabelt. Nach Norden wird er zum Tanan und im Süden fliesst er als Timmerlan weiter. Wir marschieren jetzt nach süden und überqueren den Fluss. Nach drei Tagen werden wir, wenn es keine Schwierigkeiten gibt, Yerodin - Stadt erreichen. Dort werden wir uns umsehen und dann nach Süden gehen, wo uns der Kapitän erwartet. Einwände?