Am Timmerlan

  • Sie hatten die Eiszinnen hinter sich gelassen und bewegten sich langsam auf den Timmerlan zu, den sie bereits von weitem im Tal sehen konnten. Auch hier war die Gegend kaum besiedelt. Einzelne Weiler waren zu sehen, jedoch lagen diese meist unmittelbar am Fluss, da dieser in der Gegend zum Transport von Menschen und Waren diente.


    Die Bäume schimmerten in den Farben des Herbstes. Am frühen Morgen hatte es geregnet und von weitem glänzten die Blätter in gelb, braun, rot und orange. Nebel lag im Flusstal und bedeckte den Großteil dieser recht kargen Gegend, in der es kaum Bäume gab.


    Die Truppe hatte nach den gut zwei Wochen Reise quer durch das Land schon einiges erlebt und dem entsprechend war ihre Kleidung noch etwas abgerissener als bei ihrer Ankunft. Man hätte sie von einfachen Bauern kaum unterscheiden können, wenn sie nicht ihre Waffen sichtbar an ihrer Seite getragen hätten. Da nun eine größere Chance bestand auf Menschen zu treffen, hieß der Herzog alle Männer ihre Waffen in ihrem kargen Gepäck zu verstauen, um nicht unnötig aufzufallen. Connar wollte einen Großteil der Strecke zur Hauptstadt mit einem Boot bewältigen, um keine Zeit zu verlieren.


    Als sie am späten Nachmittag den Fluss erreichten, suchten sie sich eine von vielen Büschen abgeschirmte Stelle am Fluss und schlugen ein Lager auf. Der in den Eiszinnen verletzte Schotte schlief sofort ein. Zu sehr hatte ihn der Abstieg aus dem Gebirge erschöpft. Der Rest der Gruppe zog es vor ein Bad im Fluss zu nehmen. Zwar war das Wasser kalt, jedoch nach Tagen ohne vernünftige Waschmöglichkeit war dies den meisten egal. Scrum zog nach einem ausgiebiegen Bad seine Verkleidung noch unwilliger an, da diese jetzt noch zerlumpter war als vorher. Er seufzte und holte aus seinem Gepäck ein wenig Angelzeug und machte sich auf den Weg, um flussaufwärts an einer ruhigen Stelle fischen zu gehen. Nach gut dreihundert Schritten hatte er einen passenden Platz gefunden. Er schnitt sich einen Stecken zurecht und setzte sich ans Ufer. Dann nahm er eine kleine Astgabel, steckte sie in den Ufersand, legte die Angel auf und zog sein leicht verstaubtes Grimoire aus der Gürteltasche.


    Scrum begann zu lesen und man hörte das murmeln von Worten, welches nur vom leisen plätschern des Timmerlan begleitet wurde.

  • Die Gruppe gönnte sich eine wohlverdiente Pause. Alle hatten sich mit Körperpflege beschäftigt und ruhten sich aus.


    Connar verspürte eine merkwürdige Erregung. Es war ihm schon klar, dass es etwas damit zu tun hatte, dass er sich so nah an seinen Wurzeln bewegte, wie schon seit Jahren nicht mehr.
    Er wünschte sich, Aleyna wäre hier. Connar rief sich ihr Bild vor Augen und verspürte einen Stich in der Brust. Er konnte nicht herum sitzen, er musste etwas tun. Also stand er auf und sagte den anderen, dass er sich etwas die Beine vertreten würde. Er wandte sich nach Westen und ging den Fluß entlang. Connar bemühte sich darum, sich im Wald so zu verhalten, wie es ihn die Kundschafter gelehrt hatten. Wenn er sich nicht irrte, waren sie unweit der Stelle, wo sich der Timmerlan gabelte und im Norden zum Tanan wurde. Das bedeutete, dass sie höchstens noch drei Tagesreisen von Yerodin-Stadt entfernt waren. Auf dem Fluß würde es sogar noch schneller gehen, aber auf dem Fluß in die Stadt zu gelangen, dürfte fast unmöglich sein, denn dass Assyntherpack kontrollierte so dicht bei der Stadt sicher intensiv den Schiffsverkehr.


    Connar hielt sich immer innerhalb der Baumgrenze, so dass er vom Wasser aus nicht gesehen werden konnte, er dagegen immer einen guten Überblick behielt. Die vereinzelten Boote auf diesem Teil des Flusses waren die von Fischern oder Bauern. Soldaten waren keine zu sehen, das würde sich jedoch ab der Flußgabelung ändern.


    Connar beschloß, dass sie von ihrem Lagerplatz aus auf die Südseite des Flusses wechseln würden und dann in südwestlicher Richtung auf die Stadt zumarschieren würden. So würden sie Ausläufer des großen Waldes durchqueren und ausreichend Möglichkeiten haben, sich zu verstecken, wenn dies notwendig sein sollte.


    Mit Hilfe eines der Fischer würden sie schon übersetzen können. Langsam ging er zum Lager zurück, bevor sich die anderen noch Sorgen machen würden.

  • Es war Abend geworden und über dem Fluss zogen langsam Nebelschwaden auf. Scrum spürte langsam die Kälte in seinen Knochen. Die nachmittaglichen Studien hatten seinen Geist erfrischt und er spürte neuen Tatendrang. Der Schlag des Trolls aus den Eiszinnen war so gut wie vergessen.


    Im Übrigen war ihm das Glück hold geblieben. Vier Fische von ganz ordentlicher Größe hatte er aus dem Timmerlan gezogen.
    So machte er sich auf den Weg zurück ins Lager. Die Schotten hatten bereits ein kleines Feuer entzündet. Scrum hatte die letzten Sonnenstrahlen genutzt und einige Kräuter gesammelt.
    Er kramte in einem Beutel und holte etwas Komponentensalz hervor, um die Fische damit zu würzen. Die Kräuter verschwanden in den ausgenommenen Bauchhöhlen der Fische.
    Kurze Zeit später zog ein verführerischer Duft durch das Lager. Es reichte so gerade für alle.


    Danach hatten sie sich um das Feuer geschart. Connar berichtete von seinen Reiseplänen und man spürte die Spannung in der Gruppe. Doch viel gesprochen wurde nicht. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.


    Scrum setzte sich zu Connar und Darian und zog seine letzte halbe Flasche Drachenblut aus der Tasche. Er schenkte jedem ein gutes Glas ein und hob es hoch. Mit feierlicher Miene schaute er zu Darian.


    Meine allerbesten Glückwünsche zum Geburtstag mein Lieber. Möge Danu allseits ein wachsames Auge über Dich haben und möge Dein Schwert niemals brechen!

  • Darian schaute Scrum ein wenig verwundert aber lächelnd an:"Vielen Dank für Eure Worte, aber mir ist schleierhaft woher Ihr wusstet...oder habe ich das mal irgendwo erwähnt?"
    Sagte Darian mehr zu sich selbst. Er stand auf und erhob seinen Becher Wein, nickte dankbar zu Connar und zu Scrum und dankte im Stillen der großen Mutter, dass er solche Gefährten gefunden hatte. Die Ihn zwischen sich aufgenommen und wie Ihresgleichen behandelten obwohl er nicht von ihrem Stand war.


    "Connar" sprach Darian den Herzog unvermittelt an "Ich war nur einmal als Kind in Yerodin-Stadt. Es war anlässlich irgendwelcher Feierlichkeiten zu Ehren Eures Vaters, an die ich mich aber leider nicht mehr erinnere. Ihr seid dort groß geworden, erzählt doch mal was uns dort erwartet - wie die Stadt aussieht oder ausgesehen hat."

  • Scrum hatte die kleine Feierstunde im Rahmen seiner Freunde genossen, jedoch ein wenig zu viel getrunken. Zu lange war es her, dass er sich einen genehmigt hatte. So torkelte er ein wenig am Fluss entlang, um wieder zu einem klaren Kopf zu kommen.


    Er ging weiter am Ufer des Timmerlan, der an dieser Stelle lauter rauschte. Offensichtlich gab es hier einige Stromschnellen. Scrum war nicht mehr ganz so gut zu Fuß. Deshalb wollte er sich ein wenig Licht machen. Doch offensichtlich hatte er dem Drachenblut zu sehr zugesprochen, so dass seine Zauberkräfte gegen Null tendierten.


    Wasch, noch nich ma ein lausiges IGNITIA will mir gelingen *hicks*?
    Egal, ein wenisch kaltes Wasssa, wird den juten Scrrrrumm wieder frisch machen! Jawoll!


    Er ging vorsichtig ein paar Schritte Richtung Fluss herunter. Der Fluss wurde immer lauter.


    Ein Füsschen vor das andere...nuschelte Scrum. Das Rauschen wurde noch lauter. Er konnte fast die Gischt im Gesicht spüren. Doch bevor er richtig realisierte, dass er an einem Wasserfall stand, rutschte sein rechtes Bein im Uferschlamm weg.
    Plötzlich gab es kein Halten mehr.
    Scrum entfuhr noch:


    Was zum...?


    als er begann zu fallen.


    Aaaaaaaaah!

  • Aaaaaaaah!


    Er fiel tief, doch nicht zu tief. Der Aufprall war hart. Er tauchte unter und schluckte Wasser. Panik kam in ihm auf. Das Wasser war eiskalt und er wurde schlagartig wieder nüchtern.
    Wild schlug er um sich und tatsächlich kam er wieder an die Wasseroberfläche. Er holte keuchend Luft, doch eine Welle packte ihn und drückte ihn schnell wieder unter Wasser. Wieder begann er um sich zu schlagen. Dabei knallte seine Hand hart gegen etwas, was er gerade noch festhalten konnte. Der Sog zog ihn hinfort. Er kam an die Wasseroberfläche, holte tief Luft und stellte fest, dass er sich an einem größeren Ast festgehalten hatte.


    Nachdem er dies realisiert hatte wurde er auch schon wieder runtergezogen. Das Wasser war sehr wild an dieser Stelle und es ging ständig rauf und runter. Es dauerte nicht lange und er war total erschöpft. Doch so schnell wollte er sich nicht geschlagen geben. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt er sich an dem Ast fest und ließ sich treiben. Immer wenn er die Gelegenheit bekam holte er Luft.


    Es schien endlos so weiter zu gehen. Dann wurde es plötzlich ruhiger. Es gelang ihm sich an Ast hochzuziehen, so dass sein Oberkörper aus dem Wasser kam. Erschöpft legte er sich zwischen die Äste. Sein Blick ging gen Himmel. Die Sterne leuchteten klar. Es war eine wunderschöne Nacht, doch er hatte keine Ahnung, wo er sich befand.
    Während er so in die Nacht starrte fielen ihm langsam die Augen zu.


    Irgendwann wurde er unsaft an der Schulter gerüttelt, doch richtig wach wurde er nicht.


    Er hörte nur noch: Wen haben wir denn da? Na los, zieh ihn hoch, bevor er versäuft.


    OT/Hier geht´s weiter/OT

  • Darian war nach dem Umtrunk zum Schlafplatz gegangen wo sich
    die Schotten bereits niedergelassen hatten.
    Scrum hatte es einigermaßen erwischt und wollte noch mal runter
    zum Fluß spazieren um wieder etwas klarer zu werden.


    "Mit den Schotten können wir wohl nicht mithalten" musste Darian innerlich grinsen.


    Er hatte Scrum noch eine gute Nacht gewünscht und hatte sich dann zum Schlafen hingelegt. Er versank binnen Minuten in einen unruhigen
    Schlaf. Die Anstrengung der letzten Tage und der Alkohol taten ihr übriges.
    In seinem Traum vom Kampf mit dem Troll schlich sich ein
    markeschütternder Schrei der ihm eine Gänsehaut auf den Armen verpasste, wovon er aber nichts mitbekam.
    Er zuckte kurz und seine Lider flatterten, dann wechselte das Traumbild in eine andere Szene in einer anderen, ruhigeren Welt.

  • Auch Connar hatte die fast schon besinnliche Zeit mit seinen Freunden genossen. Sie hatten einander aus ihrem Leben erzählt, Connar hatte Darian von Yerodin Stadt berichtet, es wurde gelacht und gescherzt, bis man schliesslich vor dem Fassungsvermögen der Schotten kapitulieren musste. Diese rauhen Kerle konnten ebenso viel saufen, wie sie kämpfen konnten.
    Darian begab sich zur Ruhe und Scrum wollte sich noch ein wenig die Beine vertreten. Die Clansmänner zogen sich auch zurück.


    Connar zog es vor, noch eine Weile am Feuer sitzen zu bleiben und sich seinen Gedanken hin zu geben, die immer wieder zu Aleyna drifteten. Es tat immer noch so verflucht weh.

  • Connar schüttelte den Kopf und vertrieb die düsteren Gedanken. Er sah sich um und stellte fest, dass Scrum noch immer nicht zurück war. Also stand er auf und ging in Richtung Fluss. Das Rauschen des Wassers wurde immer lauter. Er ging am Ufer entlang und hoffte auf den trunkenen Magier zu stossen. Aber Scrum war nicht zu finden. Eine gewisse Unruhe keimte in Connar auf. Er ging den Weg zurück zu der Stelle, an der auch Scrum das Ufer erreicht haben musste. Nichts. Möglicherweise schlief der Magier irgendwo hier im Gebüsch und Connar war schon ein paar Mal an ihm vorbei gelaufen, ohne ihn zu bemerken. Der Lärm des Wassers machte es unmöglich, Schnarchgeräusche zu hören. Kopfschüttelnd wollte er sich schon auf den Rückweg machen, als er am Uferrand auf etwas trat. In Gedanken bückte er sich und Griff nach dem Gegenstand, vermutlich ein moosbewachsener Stein, den er ins Wasser werfen wollte. Aber als er den Gegenstand in die Hand bekam, erkannte Connar darin sofort einen der vielen Beutel von Scrums Gürtel. Die Schnur war gerissen. Irgend etwas war seinem Freund passiert. Sofort lief er ins Lager zurück und weckte seine Gefährten. Schnell hatte er ihnen die Situation erklärt. Es wurden Fackeln hergerichtet und entzündet, dann begann die Suche nach ihrem Freund.

  • Die Nacht war egebnislos verlaufen. Die Gefährten hatten die gesamte Umgebung abgesucht und keine Spur von Scrum gefunden. Raven hatte die Spuren am Ufer sorgfältig untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass Scrum ins Wasser gestürzt sein musste.
    Nach einem kurzen und wortkargen Frühstück teilte Connar Gruppen ein. Er selbst, Raven und Darian würden flussbawärts marschieren. Zwei Clansmänner, William und Dunbar, würden im Flüssbecken nach Scrum tauchen, die beiden anderen, Angus und Nevin, würden ein paar Meilen flussaufwärts gehen und dann etwas abseits des Ufers wieder umkehren.


    Da sie kurz vor der Gabelung des Timmerlan waren, würden sie sich am Flusseck wieder treffen. Dort würde man dann weiter sehen.

  • In Darians Kopf tauchten fürchterliche Gedanken auf, was war Scrum nun wirklich zugestoßen? War er überhaupt noch am Leben?


    Die Spuren die Raven schlussendlich entdeckt hatte waren eindeutig: Die Wurzeln die am Uferrand in den Fluss ragten waren zum Teil abgeknickt und an einigen waren kleine Hautfetzen hängengeblieben.


    Über den Böschungsrand hinab waren Schleifspuren zu sehen. Wie, als wenn ein Mensch abrutscht und sich noch versucht an den Wurzeln festzuhalten und von der Strömung losgerissen wird.


    Darian wagte gar nicht den Herzog auf das unaussprechliche anzusprechen. Zu sehr litt er noch unter dem Verlust von Aleyna. Nein, es durfte einfach nicht wahr sein!


    Sicher war Connar dieser schreckliche Gedanke auch schon gekommen aber er versuchte ihn mit dem Eifer den er bei der Suche entwickelte zu verdrängen. Das war seiner Miene anzusehen.


    Also folgte Darian seinem Beispiel, sagte nichts und konzentrierte sich auf die Suche nach Scrum, und die Hoffnung ihn wohlbehalten wiederzufinden gab ihnen die Kraft weiterzumachen.

  • Seit Stunden hatten sie jetzt den näheren und weiteren Bereich des Ufers abgesucht und keine Spur von Scrum gefunden. Auch im Flussbecken, in dem die Clansmänner getaucht waren, hatte sich kein Hinweis gefunden. Lediglich der Beutel von Scrums Gürtel war als einziges Überbleibsel des Magiers am Ufer dieses mächtigen Flusses verblieben und konnte doch nicht erzählen, was in der Nacht vorgefallen war.


    Connar stand am vereinbarten Treffpunkt und blickt nach Westen. Er wollte allein sein. Seine Gedanken machten sich selbstständig und schienen ihn in den Wahnsinn treiben zu wollen. Er schwankte zwischen Wut und Trauer, zwischen Tatendrang und Hilflosigkeit und konnte den Tränen, die sich machtvoll aus seinem innersten heraus drängten, kaum Widerstand entgegen setzen. Er gab sich Schuld, er konnte überhaupt nicht verhindern, sich Schuld zu geben, auch wenn da in einer kleinen Ecke seines Bewußtseins etwas war, das diesem Schuldanerkenntnis widersprach.
    Er konnte nur an die verlorenen Seelen denken, die sein Dasein begleiteten. Seine Familie, Vater, die Brüder und deren Frauen und Kinder, die Menschen seines Landes unter der Knute der Assynther, Aleyna ... Aleyna, und jetzt auch noch Scrum. Connar spürte diese Last im Augenblick mehr als je zuvor und wollte dem Drang nachgeben, sich ebenfalls in die Fluten zu stürzen und bei denen zu erwachen, die er so unglaublich vermisste.


    Aber er zwang sich zum Leben; es gab noch eine Aufgabe zu erfüllen, dann würde er weiter sehen. Nur noch einen Augen blick im Licht der untergehenden Sonne, dann würde er den Befehl geben. Sie würden nach Yerodin Stadt gehen und dann zurück nach Montralur. Es würde bald den ersten Angriff auf seine Feinde geben. Sein Gesicht wurde emotionslos.

  • Sie hatten die Suche nach Scrum eingestellt.


    Connar, Darian und Raven waren wie einfache Bauern oder Fischer gekleidet, die Fremde als Führer begleiteten und sich augenscheinlich auf diesem Wege einen extra Verdienst beschafft hatten.
    Yerodin war eine große Hafenstadt und Fremde waren hier sicher nicht ungewöhnlich. Seit die Assynther hier das Sagen hatten, kamen jedoch immer weniger fremde Händler oder Gesandte ins Land.


    Die Gruppe stand vor dem großen Tor nach Yerodin-Stadt, welches exakt nach Osten wies. Connar sah das Tor verschlossen, man musste sich anmelden und die Wachen liessen die Ankömmlinge passieren oder wiesen sie ab, je nach deren Auffassung.
    Raven ging zum Tor und erklärte den Wachen den Begehr der Gruppe. Die Clansmänner waren mit ihrem Schiff gestrandet, hatten aber noch die Möglichkeit, hier Geld aus zugeben und mit Waren zu handeln. Mit dieser Geschichte, so hatten sie sich abgesprochen, wollten sie in die Stadt gelangen.


    Raven langte in seine Tasche und gab dem Hauptmann der Torwache ein Geldstück. Dies langte offensichtlich, die Gruppe wurde eingelassen und nicht einmal mehr durchsucht. Raven, Connar und Darian verhielten sich sehr zurückhaltend, während Dunbar den Wachen zugrinste und in breitestem Gälisch Pest und Hölle auf die Wachen und ihre Familien sowie die Angehörigen ihres Volkes herab wünschte. Die anderen Clansmänner grinsten ebenfalls und nickten bestätigend.


    Als sie das Tor passiert hatten und ausser Hörweite der wachen waren, konnten die Schotten nicht mehr an sich halten und lachten lauthals los. Die anderen stimmten ein, als William sie aufklärte.


    Connar fasste sich als erster und blickte sich um. Die Stadt wirkte ungepflegt und düster. Unrat lag in den Strassen, mehr als früher, und es schien weniger los zu sein. Es war kurz vor mittag, eigentlich hätte in den Strassen mehr Geschäftigkeit herrschen müssen. Aber es waren nur vereinzelt Menschen unterwegs. Raven führte die Gruppe zum Hafen. Auf dem Weg dorthin sahen sie eine Vielzahl leer stehender Häuser, manche wirkten geplündert, andere sogar niedergebrannt.


    Sie überquerten einen der drei Marktplätze, den Weinmarkt, der nichts mehr von seinem alten Glanz hatte. Nur wenige Händler hatten ihre Stände aufgeschlagen, es gab auch nur Ware, über die es sich zu handeln lohnte. Die Erträge aus den Drachenweinbergen waren seit zwei Jahren nahezu gleich null.
    Connar war erschüttert über den Zustand der Stadt. Raven, der schon einige Male hier gewesen ist, hatte berichtet, dass die Menschen ihre Treue zum alten Herrschergeschlecht mit viel Blut bezahlt hatten. Viele hatten ihre Häuser verlassen und waren in den großen Wald geflohen. Andere hatten versucht sich zu arrangieren und warteten auf die Rückkehr des einzigen Herrn dieser Stadt und des Landes, auf Connar Ayden ap Eboreus, den Herzog von Yerodin.

  • Seit Scrums Verschwinden hatte sich die Stimmung merklich verschlechtert. Als der Herzog schweren Herzens die Suche nach Scrum eingestellt hatte, konnte Darian spüren das diese wieder eine der schwersten Stunden im Leben dieses Mannes war.
    Er wirkte auf den ersten Blick gefasst, aber das war nur die Führung die er nach aussen hin wieder gab um den Männern Hoffnung zu geben.


    Darian hatte den Herzog aber in den letzten Jahren gut kennengelernt um zu wissen, dass es in ihm drin sehr viel düsterer aussah.


    Jetzt als sie durch Yerodin Stadt gingen und sie die Verwahrlosung erkannten trafen sich Darians und Connars Blicke für einen kurzen Augenblick und Darian wusste das der Anblick der Stadt das letzte war, was der Herzog ertragen konnte.
    Aber gleichzeitig keimte in diesem Blick etwas auf, was er in den letzten Tagen nicht mehr bei Ihrem Anführer gesehen hatte - Hoffnung und Ehrgeiz!
    Sie würden diese wiederlichen Assynther aus dem Land jagen und dieses wunderbare Land wieder seinen Einwohnern zurückgeben!


    Darian nickte Connar zu und verzog seine Mundwinkel zu einem leichten grinsen. Er spuckte herzhaft in die Gosse...


    Dann blickte er wieder in der Gegend umher um möglichst viele Informationen zu erhalten.

  • Connar konnte sich immer wieder nur fassungslos umsehen.


    Was haben diese Kerle nur aus meinem Land gemacht?


    Er spuckte auf den Boden und hatte erstmals seit langer Zeit den Terminus "mein Land" verwendet.


    Er gebot den Gefährten, ihm über den Markt zu folgen und schlug den Weg zum Hafen ein.
    Als sie dort eintrafen, wurden sie auch hier Zeugen der misswirtschaft, die die Assynther hier betrieben hatten. Viele Kais waren verwaist, es lagen vereinzelte Kriegsgaleeren im Hafen, die aber eher in schlechtem Zustand waren. Die Docks am anderen Ende des Hafens waren leer.


    Männer, wir verteilen uns jetzt und suchen einige Tavernen auf. In drei Stunden treffen wir uns wieder hier. Darian, du kommst mit mir und du Raven, suchst deinen Kontaktmann auf und holst dir von ihm die neuesten Informationen. Lass durchblicken, dass ich im Lande bin und dass das Volk sich ruhig verhalten soll, bis es vom Brückenkopf hört.


    Damit löste sich die Gruppe auf und ging der verabredeten Wege.

  • Also machten sich Darian und Connar auf ein wenig mehr in Erfahrung zu bringen. In ihren zerlumpten Gewändern und nach der langen Reisen sahen Sie einigermassen erschöpft aus um nicht weiter aufzufallen.


    Die beiden schlenderten wahllos auf eine Taverne zu in der einiges los zu sein schien. Gerade als sie eintreten wollten, flog ihnen die Tür
    entgegen und ein völlig abgerissen aussehender Seemann torkelte die Stufen herab.


    "Hier scheint es einen ordentlichen Schluck zu geben, Connar" sagte Darien grinsend und machte sich darauf den torkelnden Mann zu umrunden und einzutreten.

  • Connar und Darian betraten die Hafenschenke und gelangten in einen großen Raum, der rauchgeschwängert und mit den unterschiedlichsten Gerüchen versehen zunächst einmal nicht sehr einladend wirkte.


    Die Schenke war nicht zum Bersten voll, man konnte sogar noch einen Platz an einem Tisch finden. Dennoch war die Geräuschkulisse immens.
    Connar überliess es Darian, für Getränke zu sorgen und setzte sich an den freien Tisch. Er setzte sich so, dass er den Raum und den Eingang im Auge behalten konnte.


    Darian kehrte mit zwei großen Bechern Ale zurück und prostete Connar zu. Darian sah sich ebenso wie Connar im Raum um. Es galt jemanden zu finden, den man wenig auffällig befragen konnte. Auch dies überließ Connar Darian, der hierfür genau der Richtige war. Darian hatte eine Ader dafür, mit Menschen um zugehen. Er hatte eine besondere, gewinnde Art, die immer freundlich wirkte und keine Hinterlist vermuten ließ. Man sah ihm nicht auf Anhieb an, dass er ein ebenso harter Krieger sein konnte, wie die anderen Männer und sogar Connar selbst.

  • Während sie genüßlich ihr Bier tranken sah sich Darian in der Kneipe um.
    Es war eine typische Hafenkneipe - ein wenig heruntergekommen, dunkel und verraucht - aber es schien ein wenig ruhiger zu sein.
    Jedenfalls war gerade keine Schlägerei im gange und das Mobilar schien in letzter Zeit keinen größeren Strapazen ausgesetzt gewesen zu sein.


    Ganz in der Nähe von Connar und Darian saßen drei Männer zusammen und spielten ein Würfelspiel bei dem es offensichtlich recht lustig zuzugehen schien.
    Dies erregte Darians Aufmerksamkeit und er beschloss mit seinem Krug Bier in der Hand zu dem Tisch zu gehen und einmal zuzuschauen.


    Die drei Männer schienen Seeleute zu sein, die schon ein paar Tage hier waren. Sie machten einen halbwegs zivilisierten Eindruck und waren auch nich zu betrunken. "Das könnte gehen" sagte Darien zu sich selbst und trat an den Tisch heran.


    " Seid gegrüßt, mein Name ist Darian. Wie nennt man dieses offensichtlich so lustige Spiel?" richtete er seine Frage an den rechts sitzenden.


    Der angesprochene schaute kurz auf und mit einem Grinsen erwiederte er:"Wir spielen auf die Sieben - Euer Name tut hier nichts zur Sache aber wenn Ihr drei Kupfer aufbringen könnt, seid Ihr dabei und ich werde Euch kurz in das Geheimnis des Spiels einweihen"


    "Das wär schon mal geschafft" dachte sich Darian. Er kramte in seinem Beutel nach ein paar Kupfermünzen und legte dreie davon auf den Tisch. "So, dann erzählt mal!"


    Er hörte den Ausführungen zu und es war wirklich nicht schwer: Man würfelte mit zwei Würfeln aus einem Becher und musste das Spielfeld mit der Zahl der Augen mit einer Münze belegen - war dies schon besetzt so konnte man sich die Münze nehmen und musste nochmal würfeln. Dann war der nächste an der Reihe. Nur bei der Zahl sieben konnte er sich nichts vom Feld nehmen, diese Münzen blieben immer liegen. Bei einer zwei oder zwölf konnte er das Spielfeld abräumen.


    So leicht so gut, aber er hatte nicht wirklich viel Glück und schon bald war sein Kupfer auf dem Spielfeld verteilt und Darian war raus.


    Der Mann von gegenüber, ein bärtiger Schlacks gewann die Runde und sprendierte daraufhin für alle ein Bier. (Er hatte es schließlich nicht selbst bezahlt.


    Darian kramte erneut drei Kupfermünzen heraus und fragte allgemein in die Runde"Ich bin hier auf der Durchreise. Seid Ihr aus der Stadt? Wo könnten mein Kumpel und ich denn hier günstig übernachten?"


    Der Mann rechts von ihm ergriff das Wort:"Hier ist unser Heimathafen, aber wir laufen erst übermorgen wieder aus. Ihr seid hier schon ganz richtig, es gibt kaum Ratten und die Flöhe lassen einen meistens in Ruhe - dafür kostet es auch nur fünf Kupfer für die Nacht und ein kleines Frühstück bekommt Ihr auch noch dafür."


    Während Darian der Ausführung lauschte und sich wieder auf die Würfel konzentrierte stürzte ein sichtlich gereizter grobschlächtiger Kerl an den Tisch und hielt ein Messer an die Kehle des Erzählers. "Ah hier bist Du also, Jocke - Du elender Mistkerl, Du denkst wohl auch Du könntest meiner Schwester ein Kind machen und Dich dann nicht wieder blicken lassen wenn Du in der Stadt bist. Ich habe Dein Schiff im Hafen gesehen und mir gedacht, daß Du hier bist.


    Darien beobachtete die Szene genau, sicherlich war sein Tischnachbar kein Ehrenmann wenn es stimmte aber die Gelegenheit sich einen Freund zu machen war einfach zu gut.
    Darian rammte dem seitlich hinter Ihm stehenden Angreifer den Ellbogen in die Weichteile und schlug mit dem Handrücken so fest zu wie er nur konnte, als der so getroffene sich nach vorne beugte.


    Das Messer fiel dumpf auf den Tisch und der grobschlächtige rücklings auf den Boden. Der angegriffene ließ sich nicht zweimal bitten und war mit einem Satz über ihm. Er packte ihn am Kragen und riss den benommenen Kerl hoch, setzte ihm einen Schwinger mit der Rechten und ging Richtung Ausgang. Darian und der Rest der Truppe hinterher.


    Draußen angekommen schrie der Mann dessen Namen Darian immer noch nicht kannte, der vom Angreifer Jocke genannt wurde an:" Wie oft soll ich Dir noch sagen das ich deine Schwester nicht geschwängert habe und das Geld von dem Du andauernd redest steht Dir nicht zu - Du hast das Schiff aus eigenen Stücken verlassen und die Heuer vorher schon auf pump versoffen." So aufgebracht setzte es noch eine schallende Linke und einen Tritt in den Hintern und der vorhin noch so überlegen wirkende Kerl stolperte vorwärts und machte sich aus dem Staub.


    Jocke murmelte etwas von " So ein Idiot, ich muss aufpassen sonst erwischt er mich eines Tages doch noch" Er schaute Darian an und reichte ihm die Hand " Danke, Mann - wie war noch gleich Dein Name?"


    Darian stellte sich noch einmal vor. "Gut Darian, wir gehen jetzt rein und werden darauf erstmal was richtiges trinken."


    Darian war zufrieden und folgte Jocke zurück in die Kneipe. Connar saß immer noch völlig unbeteiligt an seinem Tisch und ließ sich sein Bier schmecken.
    Zurück am Spiefeld wurde erstmal eine Runde Rum bestellt und noch ein Bier zum nachspülen. Darian deutete auf seinen Gefährten:" Das ist mein Kumpel Connar, wir reisen zusammen aber er macht sich nichts aus Würfelspielen - ist es in Ordnung wenn ich Ihnen zu uns hole?"


    Die anderen drei schauten belustigt drein "Darian, Deine Freunde sind auch uns willkommen" antwortete Jocke.


    So gab Darian Connar einen wink sich zu ihnen zu gesellen und schon bald war man im Gespräch vertieft.


    Es stellte sich heraus das Jocke tatsächlich so hieß und er der Kapitän des eben erwähnten Schiffs war, welches sie sich morgen gerne anschauen könnten.

  • Connar hatte den Aufruhr, in den Darian hinein geraten war, verfolgt und war für einen Moment versucht, seinem Freund bei zuspringen. Aber er erkannt schnell, dass Darian sich nicht in Gefahr befand.


    Jetzt saß er mit ihm und den drei Seeleuten an einem Tisch. Während Darian mit den Männern würfelte und mit einem Lachen Kupfer ebenso gewann wie verlor, gab sich Connar zurückhaltend und beobachtete das Spiel.


    Schließlich beendete man das Spiel, Darian hatte mit einem kräftigen Plus abgeschlossen, und begann damit, sich Geschichten zu erzählen.


    Was ist mit diesem Land los? Ich war früher schon einmal hier, da schien mir alles etwas lebendiger, ja fröhlicher zu sein. Ist Yerodin zu einem Trauerhaus geworden?


    Connar hatte die Worte in die Runde gesprochen und erntete sofort eisige Blicke. Cafu, der mann, der links neben Connar saß, bedeutete ihm zu schweigen.


    Bist du des Wahnsinns? Wenn die Wachen diese Worte hören, landest du sofort im Kerker.


    Connar blickte den mann ungläubig an.


    Warum?


    Seid die Assynther hier sind, verkommt das Land! Es geht ein wie eine Pflanze, die zu wenig Wasser bekommt.


    Er blickte sich um und setzte eine verschwörerische Miene auf.


    Als die alte Familie des Herzogs noch regierte, lebte das Land. Der alte Eboreus kannte die Menschen und er liebte sie auch. Und er liebte sein Land. Das Rand war reich und die Menschen hatten ihren Anteil daran. Der alte Eboreus ließ die Menschen teilhaben und sie dankten es ihm. Es war, als wenn beide Seiten spürten, dass sie nur miteinander gut leben konnten. Seit die Schlangenbrut da ist, ist alles anders. Das Land blutet, die Menschen bluten, es geht allen schlecht. Die Brut raubt das Land aus, die Assynther waren schon immer neidisch auf uns. Als die Familie des alten Eboreus starb, nutzten sie ihre Chance und fielen über uns her. Das Land war führerlos und reif zur Ernte. Das Pack lebte einige Zeit wie die Made im Speck, aber damit ist es jetzt vorbei. Das Land gibt nichts mehr her, es ist ausgebeutet und die Menschen flüchten in den großen Wald. Das Schlangenpack hat zu wenig Leute, um hier weiter zu wirtschaften. Ausserdem sollen sie Probleme im eigenen Land haben.


    Lebt denn niemand mehr aus der Familie des Herzogs?


    Man weiß nichts genaues.


    Cafu grinste jedoch vergnügt und blickte dann wieder verschwörerisch. Der Alkohol hatte ihm die Zunge gelockert.


    Der Jüngste soll noch am Leben sein. Es heisst, er sein ein Riese geworden, der eine gewaltige Armee um sich versammelt hat. Wilde Kerle mit blau angemalten Gesichtern, die nur in Röcke gekleidet sind, sollen darunter sein. Ebenso Ritter und mächtige Magier. Er soll in den Mittellanden sein und dort eine gewaltige Flotte bauen, mit der er die Schlangenbrut von seiner Insel fegen will. Er soll sogar schon einmal hier gewesen sein. Die Menschen sagen, er sei ein Riese, der die Trolle der Eiszinnen mit einem Schlag seines gewaltigen Schwertes vernichtet habe. Der Junge Herzog wird kommen, so heißt es. Der Rabenflug soll sich im großen Wald versammeln. Die Göttin selbst habe dem jungen Ayden ihre Macht verliehen, heißt es.


    Die anderen nickten und selbst der grobschlächtige Jocke konnte sich der Worte seines Kumpanen nicht entziehen.


    Wenn die die wüßten, dass uns der Troll fast erledigt hätte, der mächtige Magier ertrunken ist, die Schotten lediglich eine Handvoll sind und der Rabenflug noch nicht organisiert ist, dachte Connar, dann würde er nicht so reden.

  • Während der Seemann sprach hatte Darian versucht Connar nicht anzuschauen, aber dennoch waren ihm seine Regungen nicht
    ganz entgangen.
    "Hm, das hört sich wirklich schlimm an was diese Assynther mit dem Land veranstaltet haben. Aber so wie ihr sprecht, scheint ihr noch nicht alle Hoffnung aufgegeben zu haben. Ich wünsche euch wirklich, dass ihr wieder bessere Tage erleben werdet und wer weiß - vielleicht kehren wir eines Tages hierhin zurück und das Land und diese Stadt sind wieder erblüht."
    Darian hatte versucht hoffnungsvoll zu klingen aber ein Blick die Augen der Seeleute verriet ihm, dass sie wohl nicht mehr wirklich daran glaubten.