Malglins Haus 9

  • "Danke." Vittoria kippt den Kaffee runter. Verzieht dann das Gesicht und pustet heftig, weil sie sich den Mund verbrannt hat. "Zahnweh," japst sie dann, Ancales Frage beantwortend. "Und er ist aus seiner Kiste gefallen. Und Alexander war nicht da, um ihn zu trösten. Wo steckt der überhaupt? Muss sich rausgeschlichen haben." Sie verzieht das Gesicht und holt sich noch einen Kaffee. "Vielleicht hat er auch laut singend auf meinem Rücken getanzt, bevor er gegangen ist. Ich hätt das glaub ich auch nicht mitgekriegt." Sie streckt sich laut gähnend, hält dann verspätet die Hand vor den Mund und sagt " 'Tschuldigung. Bin erst lang nach Mitternacht zurückgekommen. Die Nacht war zu kurz." Sie nippt wieder an ihrem Kaffee.

  • "Als ich das letzte Mal nachgeschaut habe saß euer Sohn mit meinen dreien im Kinderzimmer und hat ihnen Geschichten erzählt. Und so leise wie es da oben ist stellen die bestimmt grade was an...", meint Ellemir.
    Ancale steht auf um Fellis' Gesicht zu streicheln. "Armes Baby", sagt er. "Caspar hat auch Zähne..."
    "Caspar bekommt Zähne und das tut ihm manchmal weh, meinst du?", fragt Ellemir.
    Ancale nickt.

  • Vittoria lächelt Ancale an. "Gib ihm doch mal was zum draufrumkauen. Etwas was nicht splittert oder bricht - hartgetrocknetes Fleisch zum Beispiel, oder ganz sauber entrindetes und ausgekochtes, dann getrocknetes Buchenholz. Oder einfach eine geschälte, gewaschene Möhre. Das Kauen hilft bei Zahnweh." Sie nippt am Kaffee. "Alexander erzählt Geschichten? Na, hoffentlich nicht die, die er von Wawat hat. Trollgeschichten sind nicht kindergeeignet." Sie lacht. "Zum Glück sind die meisten Kindern zu langweilig, weils nur um Gold und Steine geht - und Brücken natürlich." Vittoria leert ihre Tasse und steht auf. "Passt du kurz auf Fellis auf? Dann geh ich die Ziege melken, dass er seine Milch kriegen kann. Und weißt du, ob 'Sander schon gefrühstückt hat? Ich will dann bald los zur Hütte."

  • "Die Kinder haben vorhin gefrühstückt. Alexander war dabei", antwortet Ellemir. "Sicher paß ich auf Fellis auf. Heute ist übrigens Akademietag. Bis auf Caspar gehen da alle unsere Kinder hin. Vielleicht hat ja Alexander auch Lust mitzugehen. Und wenn du magst laß mit den Kleinen hier, dann kommst du schneller voran an der Hütte..."

  • "Tara und Kassandra haben sich angewöhnt gegenseitig auf ihre Kinder aufzupassen", erklätr Ellemir. "Einmal in der Woche sind Taras Kinder bei uns, einmal in der Woche sind unsere Kinder bei ihr.", erklärt Ellemir.
    "Dann hat jeder mal einen freien Tag. Und außerdem hat Tara, die ja Akademieleiterin ist, einen Tag an der Akademie, an denen alle Kinder da zusammen spielen können. Nicht wie Schule für die größeren Kinder, sondern mehr zum singen und Geschichten erzählen. Das ist Akademietag. Die Kinder freuen sich da immer drauf."

  • "Viele Kinder, hn? Das würde Alexander bestimmt gefallen." Sie schaut nachdenklich drein. "Er war zuhause nicht unglücklich, aber jetzt, wo er sich an so viele Kinder gewöhnt . . . hoffentlich gibt das keine Probleme, wenn wir zurück gehen. Naja, soll ers genießen, mit anderen Kindern spielen zu können. Kann er einfach so mit zur Akademie, oder muss ich ihn anmelden oder sowas?"

  • Vittoria melkt die Ziege, füttert Fellis und verabschiedet sich von ihm und seinem Bruder. Mit ihrem Werkzeug im Bollerwagen macht sie sich die Südstrasse runter auf den Weg zur Hütte. Sie bindet feste Schilfbündel, hievt sie mit einem Seilzug aufs Dach und bindet sie dicht beieinander und überlappend auf dem Holzgerüst des Dachstuhls fest. In der Mittagspause spaziert sie durch den Wald neben der Hütte und sammelt Schirmpilze, Kräuter und Hagebutten. Gegen Abend hat sie ein Viertel der Dachfläche gedeckt und macht sich auf den Heimweg.
    Zurück bei Malglins Haus stellt sie den Bollerwagen unter, nimmt den Korb mit ihren Sammelergebnissen, klopft an und tritt ein. "Hallo, alle zusammen. Jemand da?"

  • Aus der Küche kommen Kinderstimmen und der Geruch nach gebratenem Hasen.
    Ellemir öffnet die Tür. "Hallo Vittoria. Sicher sind wir hier. Ihr seid spät..."
    Auf der langen Küchenbank sitzt Ai und stillt Caspar. Eine gedrungene ältere Frau hat Fellis im Arm und füttert ihn aus einer ledernen Flasche.
    Die Kinderspielecke neben der Bank ist ziemlich voll, dort sitzt Alexander zwischen Ancale, Hagen und Magnus, die unter viel Diskussion mit Holzklötzen bauen. Thyra, Lina und Sophie liegen nebeneinander auf dem Bauch und spielen mit ihren Puppen.
    Mit einer freien Hand winkt Ai Vittoria zu. Fellis spuckt den Schlauch aus als er Vittorias Stimme hört und die alte Frau dreht ihn so, daß er Vittoria sehen kann.

  • Vittoria krault Fellis unterm Kinn. "Hallo, Zwerg. iss schön." Dann hebt sie Alexander aus der Kinderecke raus, drückt ihn und setzt ihn zurück. "Ja, ist etwas später geworden. Beim Schilfbündel binden hab ich die Zeit vergessen, das ist so monoton. Hier hab ich Schirmpilze und Kleewurzeln zum Dünsten, ausserdem wilden Majoran und Thymian zum Würzen. Wieviel Zeit ist denn noch bis zum Essen? Ich hab Hagebutten mitgebracht für eine Hagebuttensoße, aber dafür müssen die erst entkernt, geschält, gekocht und püriert werden. Das dauert ne Weile."

  • "Och, laß uns einfach mal machen", antwortet Ellemir und begutachtet Vittorias Beute. Flink setzt sie eine Pfanne auf und beginnt die Pilze zu putzen.
    Die alte Frau, die sich als Groa vorstellt, versucht Fellis den Rest der Ziegenmilch zu geben, während Alexander seiner Mama erzählt was er alles an der 'Demie' gemacht hat.

  • "Ich brauche gleich etwas kochendes Wasser, Elli." Vittoria setzt sich und beginnt die Hagebutten aufzuschneiden und die Kerne herauszukratzen, während sie Alexander aufmerksam zuhört und gelegentlich nach Details fragt. Plötzlich klopft sie Alexander auf die Finger. "Leg die Kerne zurück, Sander. Hier wird kein Juckpulver verteilt. Wehe dir, wenn hier jemand Juckanfälle kriegt." Sie droht ihm mit erhobenem Finger, dann muss sie lachen. "Rabauke. Geh spielen. " Sie putzt die Hagebutten fertig, wirft die sauberen Hälften dann kurz in kochendes, danach in kaltes Wasser und beginnt damit, die feine Schale abzuziehen. "Hab heute ein Viertel der Dachfläche gedeckt und schon einen ordentlichen Vorrat an Schilfbündeln geschnürt. Morgen nehm ich die Kinder mit, Elli, und binde noch mehr Bündel. Wenn du dann nochmal einen Tag auf die Kleinen oder zumindest auf Fellis aufpassen kannst, dann sollte ich fertig werden. Ancale, wenn Elli es erlaubt, willst du dann morgen auch mit zur Hütte kommen? Dann wären meine zwei nicht so allein." Kleingeschnitten kommen die Hagebutten zuletzt in einem Topf mit etwas Wasser auf den Herd. Als sie weichgekocht sind, zerdrückt Vittoria sie mit einem Holzstampfer und fügt einige Kräuter und etwas Salz als Würze hinzu.

  • Ancales Augen fangen an zu leuchten und er schaut Ellemir bittend an.
    "Mit Sander biele?", fragt er.
    Ellemir zieht ein bedenkliches Gesicht. "Dann nimm aber lieber noch jemanden mir", bittet sie Vittoria, während sie die Pilze in der Pfanne wendet. Dann setzt sie das Wasser auf, nach den Vittoria gefragt hat.

  • "Nicht so viel Wasser, nur ein bißchen. Wenn du meinst, dass noch jemand mit sollte, frag ich Ai, aber an sich kann nichts passieren. Ich muss morgen nicht aufs Dach, bin also die ganze Zeit unten bei den Kindern. Ausserdem ist die Hecke ums Haus doch fast geschlossen. Und durch ein Schlehengestrüpp krabbelt nicht mal das unternehmungslustigste Kind durch, um abzuhauen." Als das Wasser kocht, gibt sie es schlückchenweise zur Hagebuttenpampe, rührt dabei ständig um, bis die Soße die richtige Konsistenz hat. "Ausserdem sind Ancale und Sander doch schon groß. " Sie schaut Alli verschwörerisch an. "Sie können auch mal etwas Freiheit genießen."