Malglins Haus 12

  • Kassandra nickt leicht.
    "Kann ich dir Tee anbieten, während du auf ihn wartest?", fragt sie Tear'asel.
    Die Kanne ist an diesem Tag viele Male neu befüllt worden, jedes Mal wenn Kassandra frierend von einem erneuten Versuch aus der Bibliothek kam.
    Jetzt steht sie auf dem Tisch, ein paar Tassen dumherum.

  • Ihr Blick fällt auch gleich auf die Tassen.


    "Ich bin wohl nicht die erste, der du heute Tee anbietest, mhh," sagt sie sanft und nickt dann. Schließlich sieht sie wieder auf.


    "Willst du darüber reden?"

  • Kassandra lacht.
    "Um die Erste zu sein, der ich Tee anbiete müßtest du morgens noch vor den Kindern in der Küche sein." Dann wird sie ernster, zuckt die Schultern.
    "Ich weiß nicht. Was gibt es zu reden...?" Sie macht eine kurze Pause.
    "Diese Dinge... ich fühle mich nicht wohl, damit zu hantieren. Früher oder später geht es schief. Wenn die... Gabe... von selber... sich von selber meldet, dann nur um mir die schrecklichsten Dinge zu zeigen. Sterbende Freunde... gefolterte Ehemännner..." Ihre Stimme wird ein wenig wackelig.
    "Auf der anderen Seite... es geht ja nicht weg, nur weil ich mich nicht damit beschäftigen will. Und wer weiß, wann der nächste Geist kommt und irgendwelche Dinge von mir will. Wann ich mein Kind suchen muß, das sich auf diesen Pfaden verirrt hat." Sie seufzt.
    "Wer weiß, ob ich mich nicht eines Tages verirre. Heute morgen habe ich auf der Suche nach Ancalima zuerst Silia gefunden... erzähl Thiran nicht davon."

  • "Dann warst du das also," sie überlegt kurz, geht dann aber nicht weiter darauf ein.


    "Du wirst gleich mit mir schimpfen aber gerade weil du diese Gabe auch an deine Kinder weitergegeben haben könntest, gerade weil du für sie so empfänglich bist, wäre es dann nicht den Gedanken wert, sie zu kontrollieren?"


    Ein wenig kneifen sich ihre Augen zusammen, schon scheint sie Wiederworte zu wittern. Deshalb redet sie schnell weiter.


    "Gerade damit du nicht mit allem Ballast beworfen wirst? Ich kenne meine Grenzen und würde dir nie wieder in deinen Gedanken herumpfuschen aber andere haben deine direkten Worte wohl nicht so klar verstanden."

  • "Gelingt es den Menschen nicht, diese Gabe soweit zu kontrollieren, das man sie gezielt einsetzen kann, ein und ausschalten wie es einem beliebt? Seine Seele so zu stärken, dass sie wie ein Schild, wie eine Mauer..."


    Plötzlich schweigt sie. Die einzige Ursache dafür, dass sie diese Gabe ganz bewußt einsetzen konnte, bestand aus dem Seelenkokon, der sie wie eine schützende Mauer umschloss. Erst wenn sie ihn senkte, war sie bei entsprechend wenig Konzentration genauso anfällig für Visionen wie Kassandra...und Silia auch.


    Betreten blickt sie zu Boden und murmemlt leise...


    "Hochmut kommt vor dem Fall."

  • Kassandra lächelt leicht.
    "Meine Großtante... Es kommt ja nicht von ungefähr, daß ich die Gabe habe. In der Sippe meines Vaters finden sich immer wieder Frauen mit dieser Fähigkeit... Ich weiß, daß es Möglichkeiten gibt, sie mit Absicht einzusetzen, Kräuter, Räucherwerk um Visionen bewußt hervorzurufen. Aber daß es etwas gibt, sie zu unterdrücken..."

  • Manchmal war es schwierig, sogar für ihr Volk auf die Schnelle irgendeinen Punkt in einer Zimmereinrichtung zu finden, zu fixieren und dann darauf zu starren, als hätte man nichts mitbekommen. Leider schienen sich alle Gegenstände im Augenblick außerhalb dieses Raumes aufzuhalten...


    Tear'asel blickt also irgendwann wieder zu Kassandra hinüber.


    "Lebt noch irgendjemand, den du fragen könntest, wie sich diese Gabe besser händeln lässt?"

  • "Natürlich... Aber vermutlich wird sie von mir erwarten, meinen Mann und Sohn zu verlassen, um die nächsten zehn oder zwanzig Jahre mit ihr im Wagen umherzureisen und zu lernen, die Karten zu deuten und mit Geistern zu reden..." Kassandra seufzt.

    Das Problem ist nicht der Druck! Das Problem sind die Apachen!!

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  • "Du hast natürlich recht," sie lehnt sich etwas nach vorne und nippt von dem Tee. "Die Ausbildung diese Gabe besser kontrollieren zu können ist nicht etwas, das man von heute auf morgen lernt. Allerdings gibt es immer ein paar grundsätzliche Regeln, die es zu trainieren gilt."


    Sie fährt sich mit den Fingern über das Kinn.


    "Die wichtigste ist das Durchsetzungsvermögen. Wenn jemand aktiv Kontakt haben möchte, zum Beispiel ein Geist, so musst du dich immer darauf beziehen, das er etwas von dir möchte und nicht du von ihm. Ergo nutze deinen Sturkopf, um ihn in die Schranken zu weisen, die Gabe darf nicht dir die Regeln aufzwingen, sondern du ihr.
    Stärke dich innerlich. Schalte die Gefühle und Probleme, die dich tagtäglich belasten aus, schließe sie weg, bevor du dich auf eine Reise begibst. Lasse sie nicht Teil deiner Gedanken werden, denn so werden sie auch Teil jener, die deine Gedanken besuchen."


    Wieder überlegt sie.


    "Trainiere es so, dass du dir kleine Dinge, kleine Gegenstände vornimmst, am besten kurzlebige organische. Sie können dich nicht mit Erinnerungen überschütten, die dich wie eine Flutwelle erdrücken. Arbeite dich langsam vor und sei dir deines eigenen Geistes immer bewußt. Eigentlich ist das das wahre Geheimnis, bleibe dir immer bewußt, lasse dich nicht in den Abgrund hineinziehen, der in dich blickt, wenn es geschieht oder in den du hinabblickst."

  • "Es mag daran liegen, dass du die Gabe fürchtest, weil du nicht verstehst, wie sie funktioniert. Lerne sie zu verstehen, analysiere sie, spiele mit ihr, übe...nur dann wird sie ihr Mysterium verlieren und du damit deine Angst."


    Ihr Blick richtet sich zur Türe und dann zum Fenster hinaus.


    "Etwas anderes, weswegen ich auch hier bin...ich möchte Thiran mitnehmen. Ist er schon so weit? Training würde ihm gut tun, er muss seine Fähigkeiten...die anderen Fähigkeiten..., wieder zu trainieren beginnen und Endúneath hat mir angeboten, dass er das bei den Mondelben im Lager tun kann. "

  • "Thiran?" Kassandra schüttelt den Kopf.
    "Ich bin froh, daß er seine Beine überhaupt bewegen kann. Er schafft es nicht mal in die Stadt aus eigener Kraft, geschweige denn bis vor die Tore. Ich fürchte, das wird warten müssen. Wenn du mit Thiran irgendwas trainieren willst, dann nur im sitzen."
    Oder liegen... Sie hatte gehofft, Anna würde ihm die Kraft geben, sich schneller zu erholen, doch die Genesung schritt weiter nur langsam voran.

  • Ihre Augen schlitzen sich leicht.


    "Ich verstehe nicht, wieso der Genesungsprozess so viel Zeit in Anspruch nimmt."


    Eine kurze Pause ensteht.


    "Du wirst mir gewiss sagen, dass er die Unvernunft in Person ist und sich viel zu früh wieder bewegt hat, was einen zusätzlichen Zauber zur Folge hatte. Aber selbst so, sollte er nach mehrern Tagen vollkommener Ruhe, inzwischen wieder auf den Beinen sein. Schließlich hat er ja nicht viel zu tun, außer in ...seinem...Bett zu liegen und sich auszuruhen, nicht wahr?"

  • Kassandra übergeht die Anspielung darauf, in welchem Bett Thiran nun liegt -obwohl sie weiß, daß es oft genug nicht sein eigenes ist.
    "Sein Rücken... sah ziemlich schlimm aus. Und nein, es hat es nicht besser gemacht, daß er die Wunden direkt nach der ersten Heilung wieder aufgerissen hat... Ich kann nicht sagen, ob es zu früh war, daß er sich bewegt hat. Vielleicht war es auch gut, daß er sich gezwungen hat, wieder auf die Beine zu kommen. So wie er sich jetzt zwingt, zu gehen und zu sitzen. Aber das gehen bereitet ihm Schmerzen und sitzen irgendwann auch. Auch wenn er es nie sagt, du siehst es ihm an."

  • "Ich bin ehrlich, mir wäre es lieber, er würde im Mondelbenlager sein. Aber wie es aussieht ist das aufgrund der Schwere seiner Verletzungen nicht möglich. Ich werde Endúneath darauf ansprechen, ob es möglich ist, dass einer der Heiler, sofern überhaupt da, nach Thiran sehen könnte."


    Wieder gleitet ihr Blick zur Türe, wo der Mondelb eben nach draußen verschwunden ist.


    "So viele Dinge...geschehen."