Die Bibliothek

  • Sie schüttelt leicht den Kopf
    "Ich weis nicht ob du verstehst was ich meine.


    Als ich in diese Welt kam, habe ich das erste Jahr bei Menschen gelebt. Ich habe mit ihnen gelebt. Habe ihre Sprache gelernt, ihre Sitten gesehen, ihre Gebräuche... ihre Ängste gespürt und ihr Leben gesehen.
    Ich weis das sie zerbrechlich scheinen und dennoch schaffen sie es in ihren kurzen Lebensspannen vieles von sich zu verwirklichen.


    Für die alten von uns rasen sie durch ihr Leben und haben kaum Zeit inne zu halten um zu geniessen was ihnen gegeben. Doch für sie ist es anders. Für sie ist die Zeit die ihnen gegeben wurde nicht zu kurz. Aber sie ist endlich und sie wissen es, doch es stürzt sie nicht in den Abgrund sondern es inspiriert sie zu mehr..."

  • "Wir hatten den ersten direkten Kontakt zu Menschen vor etwas über fünf Jahrzehnten. Doch wir hatten zu der Zeit andere Probleme, sodass sie lediglich ein Randthema der Erforschung der neuen Umgebung waren. Erst als wir uns hinaus wagen konnten und feststellten, dass sie wohl die bedeutendsten Völker in diesem Teil der Welt stellen sind wir zu dem Schluss gekommen dass es nötig ist mehr über sie zu erfahren. Das ist jetzt gerade mal sieben Sternenläufe her und selbstverständlich erlaubt uns das keine tiefgreifende Erkenntnis.
    Nimm beispielsweise einmal ihre Lebensspanne. Dass sie so gering ist führt dazu dass natürlich Theorien entwickelt werden wie damit umzugehen ist. Die verbreitetste ist zur Zeit, dass man Menschen nicht nur als Individuen, sondern als verwandtschaftliche Weiterleitungen sehen soll. Nimm als Beispiel Kassandra und Ruth und auf der Gegenseite mich. Ist jemand schlecht zu mir, so werde ich mir das je nach Relevanz für Jahrzehnte behalten. Das wird Kassandra aufgrund ihrer Sterblichkeit nicht, jedoch wird sie vieles an Ruth weitergeben. Betrachtet werden muss, wenn man es auf die Art der Tel'Alan ausdrücken will, nicht allein Kassandra, sondern darüber hinaus der Kassandra-Ancale-Ruth-Komplex. Es ist ein einfaches Modell, das sie für uns verständlicher macht, aber wie gesagt, wir fangen gerade erst damit an soetwas zu entwickeln.
    "

  • Die Elbe lauscht Enduneaths Ausführungen und als er fertig ist steht sie erst einen Moment regungslos da, dann fängt sie plötzlich an zu lachen.


    Es dauert eine Weile bis sie aufhört und sich die Tränen die ihr aus den Augen laufen wegwischt.


    "Da ist genau euer Problem." sie kichert immer noch leicht.
    "Die Menschen sind keine Wesen die ihr studieren müsst.
    Ihr habt sie nicht einmal im Ansatz verstanden, geschweige denn das ihr es überhaupt versucht habt.
    Ihr macht Pläne und überlegt wie ihr sie studieren sollt anstatt sie euc einfach anzusehen und von ihnen zu lernen wer sie sind.
    "

  • Endúneath reagiert sehr verhalten auf ihre plötzliche Heiterkeit.
    "Ich weiß nicht bei welchen Menschen du damals unter gekommen bist, aber ich bezweifle, dass jemand der deinen Ansatz bei den Menschen im Osten Luxburgs, in Arlech oder auf Lithanis verwenden würde, überhaupt lang genug lebt um auch nur einen ersten Bericht zu verfassen. Vielleicht ist das was du beschreibst eine effektive Methode, aber sie anzuwenden ohne vorher das Ziel observiert und studiert zu haben halte ich für töricht bis fatal. Oder es anders zu formulieren: Das mit dem einfach ansehen funktioniert genau solange gut wie man seine Augen überhaupt noch..." er unterbricht kurz als er erkennt dass die Analogie bei ihrem Zustand vielleicht nicht die günstigste ist, "bildlich gesprochen natürlich.

  • Silia seufzt und wird ernst.


    "Es geht aber nicht darum einen Bericht zu verfassen, Enduneath.
    Was würde es denen nutzen, die diesen Bericht lesen? Sie würden auch wieder nur wissenschaftlich erfassen was geschrieben steht.


    Es geht aber um mehr."
    Sie tippt sich auf die Brust in Höhe des Herzens


    "Aber du hast recht, ich hatte Glück bei den richtigen Menschen zu landen. Sie haben mich aufgenommen und mich als eine der ihren behandelt."
    Erinnerungen an diese Zeit lassen sie traurig lächeln. Erinnerungen an Feli...
    "Und es war auch keine Methode, die ich angewandt habe."


    Sie geht einen Schritt auf den Elben zu.


    "Auch das ist ein Teil eures Problems, oder zumindest projiziert ihr es nach aussen. Seht ihr euch überhaupt als Teil des ganzen? Ihr Betrachtet die Welt der Menschen von Aussen. Entweder sind sie oder ihr der Fremdkörper. Und von dieser Seite aus gesehen seid ihr es."


    Sie nähert sich ihm noch etwas und legt den Kopf lauschend schief. Ihre Stimme verändert sich ein wenig, wird ruhiger und distanzierter.


    "Ihr seid so anders als mein Volk. Aber wie habe ich es, die ich sogar nicht mehr wirklich von dieser Welt stamme, geschafft mehr im Hier zu sein als ihr?
    Wer seid ihr wirklich? Was wollt ihr hier? Habt ihr diese Fragen schon beantwortet?
    "

  • Er lächelt nun ein wenig, gleich ob sie es wahrnimmt oder nicht.
    "Ich denke wir kommen der Sache jetzt deutlich näher. Aber zunächst - natürlich ist das was du gemacht hast das Anwenden einer Methode, egal ob bewusst oder unbewusst. Und warum sollte gerade am Anfang der Phase des kennen Lernens nicht Methode stehen?


    Ansonsten... Sind wir Teil des Ganzen? Ja. Ist das Ganze die Welt der Menschen? Nein. Gibt es eine Welt der Menschen? Nein! Es mag verschiedene Welten geben, aber diese hier gehört weder den Menschen noch uns. Da wir aber alle hier leben stellt sich nun die Frage ob es ein miteinander Leben oder nur ein gegeneinander Leben geben kann. Um das herauszufinden sind wir hier in Amonlonde, wo Menschen neben Elben leben. Wir, die wir Hîn Meneldû heißen, die Kinder der Sternenschwestern sind, jene die nach Perfektion in den Künsten streben, das Wissen der Welt sammeln wollen, das Verständnis der Magie zu erreichen und sie zu beherrschen trachten und die wir die Wächter der nächtlichen Wälder sind. Darum können wir nie wie die Menschen sein, nie wirklich Teil ihrer Gesellschaft. Aber müssen wir das denn? Ich sage nein."

  • Sie lächelt und es scheint fast ein wenig müde


    "Diese Welt gehört nicht den Menschen, das ist es aber nicht was ich meinte. Ihr seid her gekommen und heraus zu finden, ob ihr mit den Menschen gemeinsam leben könnt. Also solltet ihr doch die Welt der Menschen, die Welt so wie die Menschen sie sehen, verstehen und begreifen, oder ist das falsch?
    Sicherlich könnt ihr nicht wie die Menschen sein, aber ihr könntet versuchen ein Teil ihrer Gesellschaft zu sein. Oder zumindest ein Gast ihrer Gesellschaft.


    Doch ihr steht aussen. Ihr betrachtet sie wie ihr ein Tier betrachtet, das ihr noch nie gesehen habt. Ihr steht dort und entwickelt Pläne.
    Ihr betrachtet sie, ob ihrer kurzen Lebensspanne, als Familien-Komplexe, als Strukturen aber betrachtet ihr sie noch als Individuen?


    Ich weis das du mit Kassandra befreundet bist, betrachtest du sie wirklich als Kassandra-Amcale-Ruth Komplex? Das müsstest du doch nach deinen Ausführungen. Was ist daran falsch Kassandra als Kassandra zu sehen?


    Beantworte mir noch eins: Haltet ihr euch für besser als sie? Als die Menschen?"

  • Er verdreht ein wenig die Augen. Natürlich sehen wir sie auch noch als Individuen. Hauptsächlich sogar, wie ich bereits sagte. Wie sollten wir sonst überhaupt mit ihnen kommunizieren?
    Und ja, wir sehen uns als Gast hier. Vielleicht hast du andere Ansichten was ein Gast so tut, aber sei dir versichert dass wir die Entwicklungen durchaus kritisch beobachten und die Methodik entsprechend anpassen. Ich meine, warum sollte ich mich beispielsweise sonst mit dir unterhalten?
    Aber nun zum interessanten Teil: Welche Menschen meinst du, weil es gibt die Menschen gar nicht. Und was ist gut, denn ohne gut kann es kein besser geben.
    "

  • Die Elbe überlegt eine lange Zeit bevor sie antwortet.


    "Nehmen wir die Menschen hier in dieser Stadt, in diesem Land. Und was gut ist.. wie sie leben, welche Fähigkeiten sie aufweisen, wie sie ihr Leben gestalten.


    Seid ihr besser als sie?"

  • Sie lacht leise und schüttelt den Kopf, da sie sich nicht verstehen.


    "Fühlt ihr euch ihnen überlegen?
    Nicht einem bestimmten Menschen gegenüber. Denkt ihr, dass eure Lebensweise besser ist als ihre?
    Das ihr über ihnen steht?
    "

  • Er denkt ein wenig nach. "Diese Frage ist nach so kurzer Zeit nicht zu beantworten, auch nicht auf Gefühlsebene. Die Amonlonder haben ein gesellschaftliches System etabliert was auf den ersten Eindruck durchaus funktionieren kann. Doch ob es überdauert, und letztlich ist es das worum es geht, kann nur die Zeit zeigen."

  • "Aber das ist es doch. Die Zeit... betrachtet es doch aus ihrer Sicht.
    Ih müsst es nicht mit den Augen der Elben sehen. Sicher wird die Zeit es zeigen, ob ihre Gesellschaft sich behaupten kann. Doch das ist nicht wichtig. Nicht für sie.
    Dieser Aspekt ihres Lebens ist für sich meist unwichtig. Ihr Leben ist im JETZT nicht im Laufe der Zeit.


    Sie leben im hier. Vergesst die Jahrhunderte die vor euch liegen. Wenn ihr die Menschen verstehen wollt dann müsst ihr verstehen was es heisst im Jetzt zu leben."


    Sie seufzt
    "Oder versucht es zumindest."

  • "Gehen wir einmal davon aus, die Menschen lebten nur im Jetzt und dachten nur an das Jetzt. Keine Struktur die so denkt kann in der Zeit bestehen. Warum sollten wir uns dann überhaupt Gedanken darum machen, warum sollten wir uns dafür interessieren sie zu verstehen? Genau dann wäre es doch legitim sie von außen zu betrachten als eine mehr oder weniger notierenswürdige Randerscheinung, die in den Bibliotheken der Tel'Alan ihre Bestimmung hat. Oder noch härter formuliert: Das einzig wirklich interessante wäre, ob sie im Jetzt eine Gefahr für uns darstellen, unsere Feinde sind und die entsprechenden Gegenmaßnahmen einzuleiten wären.
    Aber das ganze fußt, meiner und der vorherrschenden Meinung bei uns, auf einer falschen Annahme. Wir gehen davon aus dass Menschen durchaus auch an die Zukunft denken können und manche tun das auch. Vielleicht nicht Jahrhunderte, aber doch offensichtlich immerhin an ihre Kinder. Womit wir wieder beim Kassandra-Ancale-Ruth-Komplex wären. Sie verhalten sich nicht immer so, dass sie ihren Nachkommen verbrannte Asche hinterlassen, weil ihnen das Verbrennen irgendwelche Vorteile gebracht hat. Oder sehe ich das falsch?
    "

  • "In Bezug auf die verbrannte Asche siehst du das richtig."
    Sie überlegt eine zeitlang
    "Aber ich fürchte du begreifst nicht was ich dir vermitteln wollte und ich bin mir nicht sicher wie ich es dir begreiflich machen soll.


    Ihr seid hier um eine potentielle Gefahr auszuloten. Das habe ich inzwischen verstanden. Ich bin hier weil mich Freundschaft bindet und ich hier einen Ort gefunden habe an dem ich willkommen bin.
    Ich möchte ein Teil sein.
    "
    Sie macht eine umfassende Geste
    "Ich möchte hier bei ihnen sein. Mir ist bewußt das ich sie nicht in ihrem tiefsten kenne und ich weis auch das einige, vielleicht sogar viele von ihnen gefährlich sind. Aber ich weis auch das es einige gibt denen ich vertraue.


    Eine der ich meine Seele anvertraut habe.


    Manche von jenen die hier leben bergen dunkle Geheimnisse. Doch wer bin ich, dass ich darüber urteile? Ich habe selbst Dunkelheit in mir, ich habe böses gesehen und erlebt. Ich habe Dunkelheit bekämft und trage immer noch Kämpfe aus. Doch werd bin ich, dass ich über jene endgültig urteile die ihre eigenen Kämpfe austragen?"


    Sie tritt von Enduneath zurück.


    "Ich fürchte im Moment habe ich dir nichts mehr zu sagen junger Wächter.
    Fasse das nicht falsch auf. Ich habe immer noch nichts gegen dich und ich weis das Kassandra dir vertraut.
    "
    Sie zieht einen Anhänger an einem Lederband aus ihrer Gewandung hervor. Der Wächter kennt den Stein, den Stein, den sie Kassandra gegeben hatte. Doch inzwischen ist er nur noch ein Stein.


    "Ich weis was du getragen hast und ich bin dir dankbar für den Dienst den du mir erwiesen hast. Doch du hast noch viel zu lernen über die Wege der Welt. Es geht nicht immer nur um die eigene Sicherheit und manchmal geht es nicht einmal um die Sicherheit des eigenen Volkes."
    Die letzten Worte sind sehr leise gesprochen, fast für die Elbe selbst.

  • Der Mondelb nickt.
    "Letztlich bin ich Novize des Wächterordens. Selbstverständlich habe ich noch viel zu lernen, für die Geschichte mit der Allwissenheit bin ich noch ein wenig zu jung. Und da ich Wächter bin ist es selbstverständlich, dass ich mich solcher Dienste, wie dem Schutz dieses Kleinods, annehme. Auf der anderen Seite bedeutet das aber, dass es mir in letzter Konsequenz stets um den Schutz meines Volkes geht, denn das ist mein Weg. Und leider werde ich dir auch nur diese eine, als Mitglied eines zweiten Hauses immerhin zwei Aspekte unserer Gesellschaft näher bringen können. Wenn ich eine Bitte an dich richten darf, so sprich nicht nur mit Wächtern unseres Volkes über unser Volk. Sonst wirst du dir viele Möglichkeiten des Verständnisses verbauen."