Flauschig im Aishaus

  • Alanis lauscht dem Geräusch trappelnder Füße - oder doch Pfoten? - auf der Treppe, dann nimmt sie Platz auf der Bank und deutet auf den Korb mit Pilzen, der noch auf dem Tisch steht.


    "Ist es ein guter Pilzherbst?" , fragt sie beiläufig und lächelt sanft.

  • Von oben dringt nun der Klang aufgeregter Kinderstimmen und eine weitere, tiefere Frauenstimme in die Küche. Es klingt beinahe, als würde die Horde gleich die Küche stürmen.
    Ai lächelt und nickt, dann greift sie zur Tafel.


    Ja, ist es. Davon werden wir ein paar Tage essen können.


    Sie strahlt und fügt dann hinzu:


    Was führt dich her? Wie ist es dir ergangen?

  • Alanis zieht die Teekanne am Henkel zu sich herüber und füllt erst einmal zwei der Tassen mit dem duftenden Tee. Ihre Gesten sind ruhig und bedacht, doch ist am Ende, als sie sich wieder auf der hölzernden Bank niederlässt, ein kleines Zögern in ihren Bewegungen zu erkennen.


    "Ich bin gerade dabei, mich bei einigen Menschen zu entschuldigen, denen ich in der Vergangenheit durch mein Verhalten Unrecht getan oder geschadet habe."


    Ihre schlanken, mit Tintenklecksen und einigen Schwielen bedeckten Hände schließen sich um ihre Teetasse.


    "Ich wollte mich bei Dir entschuldigen, dass ich Dir in Magonien in Momenten des Kummers oder Zorns keine bessere Helferin sein konnte."

  • Die Schankmaid sieht sie ernst an und schüttelt sacht den Kopf. Nein, Alanis, tu das nicht.


    Es gibt nichts, wofür du dich schuldig fühlen müsstest, Alanis. Dass ich mich in diesem Moment, sie zögert, bevor sie weiterschreibt und ein Schatten wandert über ihr Gesicht, nicht im Griff hatte, dafür kannst du nichts. Genauso wenig wie dafür, dass ich überhaupt mit der Expedition mitgegangen bin..


    Sie will noch mehr schreiben, aber dann stürmen drei Kinder die Küche, Caspar, der jüngste und kleinste erobert sofort den Schoß seiner Mutter für sich, während Magnus und Sophie, die obwohl ebenso wie ihr Bruder zweijährig, wie Vierjährige aussehen, Alanis mit Beschlag zu belegen versuchen.


    "Wer bist du?", fragt Sophie keck und lächelt die ihr unbekannte Frau an. Man sieht, dass sie es faustdick hinter den Ohren hat.


    Mit den Kindern ist Groa, die Hebamme und Ais Kinderfrau und Freundin, in die Küche gekommen und nickt der Priesterin grüßend zu. "Alanis, willkommen!", sagt die Ältere und schüttelt dann missbilligend den Kopf, als sie sieht, wie die beiden Kinder über den Gast herfallen.

  • Alanis blickt auf die Tafel und will etwas sagen, doch dann bricht schon die Invasion der Kinder über die Küche herein. So schließt Alanis den Mund wieder und schluckt die Antwort, die sie geben wollte, hinunter. Als das kleine Mädchen sie fragt, wer sie sei, lächelt Alanis breit auf sie und ihren Bruder hinunter, die beide ganz ungezwungen halb auf dem Boden, halb auf ihren Röcken stehen und sie neugierig mustern.


    "Ich bin Alanis. Und wer bist Du, junge Dame?" Dann hebt sie den Blick zu der Hebamme und nickt ihr freundlich zu. "Hallo, Groa. Schön, Dich wiederzusehen."


    Sie wirft Ai einen halb amüsierten, halb 'Später!" sagenden Blick über dem Tisch zu.

  • "Phie!", lächelt das kleine Mädchen und ihr Bruder schiebt sofort hinterher: "Manus!" Sophie will gerade ansetzen, Alanis von ihren Abenteuern auf dem Waldspaziergang zu erzählen, als Groa in die Hände klatscht.


    "Magnus, Sophie! Lasst unseren Gast doch erst einmal ankommen! Kommt her, ihr könnt beim Kochen helfen und es mir erzählen!"
    Sie zwinkert der Priesterin und der Schankmaid zu und dirigiert die beiden Kinder an das vordere Ende des Tischs, und bald sind alle drei darin vertieft, Kartoffeln zu putzen und die Geschichten des Tages zu erzählen. Dass Groa alle Kartoffeln, die Sophie in der Hand hatte, ein weiteres Mal putzen muss, bevor sie sie schält, kümmert sie nicht.


    Caspar in der Zwischenzeit hat seinen Kopf an der Brust seiner Mutter vergraben und traut sich nur, über Ais Arm hinweg, der ihn umschlungen hält, ab und zu einen Blick auf die Fremde zu werfen.


    Ai lächelt resigniert und zuckt mit den Schultern. Ja, so ist das.

  • Alanis nickt den beiden Kindern zu, jenen Gesichtsausdruck einer Erwachsenen präsentierend, die Kinder zwar mag, aber nicht recht weiß, wie sie mit ihnen umgehen soll. Als Groa die Kinders zum Kochen überredet, lächelt sie der Hebamme fast ein wenig dankbar zu und konzentriert sich dann eine kleine Weile wieder auf ihren Tee, bevor sie aufblickt und sich von weiteren Kinderaugen beobachtet fühlt. Sie zwinkert dem Kleinsten auf dem Arm seiner Mutter zu und lächelt breit.


    "Du hast eine große Familie" , sagt sie dann und betrachtet sich das wohlgeordnete, liebevolle Chaos in der Küche. "Beneidenswert." Man merkt, dass sie Letzteres sagt, weil sie es aus tiefstem Herzen meint - und nicht etwa, weil es höflich wäre oder um eine Lücke im Gespräch zu schließen.

  • Ai zieht sich die Tafel heran und löst vorsichtig einen Arm von ihrem Sohn, der davon wenig begeistert ist, es dann aber geschehen lässt und sich einfach an ihrem anderen Arm festhält, die kleine Hand hält den Ärmel des einfachen Kleides fest gepackt.
    Ai schreibt und schiebt die Tafel dann über den Tisch.


    Es ist nicht einfach. Und.. ich habe es mir nicht gewünscht. Manchmal stößt das Schicksal einen in eine Richtung, die man nicht erwartet hat.


    Du bist jederzeit herzlich willkommen hier. Hier unten gibt es auch ein Zimmer, das meiner Cousine gehörte, ehe sie fortging, wenn du möchtest, kannst du hier wohnen. Ich sage Kassi immer, sie soll ihre Gäste zu mir schicken, wenn es drüben zu voll wird, aber sie hört ja nicht auf mich.


    Ai grinst und schiebt die düsteren Gedanken fort, die im Kreise ihrer Familie keinen Platz haben.

  • Alanis nimmt die Tafel an und liest das Geschriebene. Für einen Moment verharrt der Blick ihrer graugrünen Augen auf den Worten, dann kräuselt ein schwaches Lächeln ihre Lippen.


    "Das Unerwartete im Leben lässt uns über uns selbst hinauswachsen und gibt uns die Kraft, Dinge zu tun, die wir uns vorher niemals hätten vorstellen können", sagt sie leise und sehr ernst, doch dann hellt sich ihre Miene auf. Sie schiebt die Tafel wieder über den Tisch zurück und gießt sich und Ai Tee nach.


    "Es ist nicht voll - voller Leben, aber nicht voll. Dennoch danke für das Angebot. Ich bleibe nicht lange. Nur bis kurz nach der Richterwahl, dann muss ich wieder fort."


    Sie rollt den Becher zwischen den Handflächen hin und her und wirkt nachdenklich.

  • Die junge Schankmaid sieht Alanis forschend ins Gesicht.


    Was beschäftigt dich?


    Sie reicht die Tafel herüber und steht dann auf, setzt sich Caspar, der wie eine Klette an ihr klebt, auf ihre Hüfte und geht zum Herd, um Milch für die Kinder zu kochen.

  • Alanis schmunzelt vor sich hin, doch es wirkt nicht fröhlich, eher so, als habe sie sich angewöhnt, auf diese Frage mit einem Lächeln zu reagieren, ohne es wirklich ernst zu meinen. Sie wartet geduldig, bis Ai zurückkommt, bevor sie ansetzt:


    "Ich versuche gerade, gewisse Dinge in meinem Leben zu klären - wie ich es bereits sagte. Ich denke daran, dass es wohl nicht bei jedem der Menschen, zu denen ich gehen werde, so werden wird wie hier bei Dir."

  • Ai antwortet im Stehen, damit sie ab und an die Milch umrühren kann.


    Dann wünsche ich dir viel Kraft dafür. Es ist ein mutiger Weg, den du da gehst.


    Sie wirkt, als wolle sie mehr sagen, aber dann legt sie die Kreide nieder, um nichts zu sagen, was ihr womöglich nicht zustünde.

  • Alanis schneidet eine Grimasse.


    "Mutig - naja. Längst überfällig, das ist er. Seit ich Priesterin bin, versuche ich, mich selbst und das Priesterdasein zu vereinen, doch es gelingt nicht so recht. Mehr als ich selbst leiden aber darunter die Menschen, die mich gern haben und denen ich nicht das geben kann, was sie sich erhoffen."


    Sie schlägt ein Bein über das andere und lächelt Ai dann zu. Tatsächlich wirkt sie nun wieder entspannt, so als wäre das Thema, über das sie spricht, nicht der Stein auf ihrer Seele, der dort seit Monaten lastete.

  • Es ist schön, dass du bei uns bist. Ich freue mich sehr darüber. Bleibst du zum Abendessen?



    Ai lächelt und deutet auf den großen Korb, der bis zum Rand mit allen möglichen Pilzen gefüllt ist.

  • Ai reicht der Priesterin ein kleines Messer und ein Holzbrettchen, eine flache Schale aus Holz und eine Schüssel mit Wasser. Dann tut sie Honig in die inzwischen heiße Milch und füllt sie in kleine Becher, von denen sie drei auf den Tisch stellt, in Reichweite der Kinder und Groa, stellt Caspar auf den Boden und reicht auch ihm einen Becher. Und zum Glück greift er den Becher mit beiden Händen und trinkt, bevor er seiner Mutter an den Tisch folgt. Er stellt den Becher mit übergroßer Vorsicht auf die für ihn hohe Tischplatte und krabbelt wieder auf Ais Schoß, die nun damit beschäftigt ist, die Pilze zu putzen, die sie dann Alanis reicht.


    Halbieren reicht, ich brate sie nur mit ein paar Kräutern an, schreibt sie noch schnell.

  • Alanis bringt alles, was Ai ihr gibt zum Tisch und stellt es dort ab, sorgsam ausserhalb der Reichweite der Kinder. Dann fängt sie an, gemeinsam mit Ai, die die Pilze putzt, die Sammlung entzwei zu schneiden, schlechte Pilze auszusondern und die Holzschüssel zu füllen.


    "Ich finde viel zu wenig Zeit, selbst zu kochen" , sagt Alanis ein wenig bedauernd, doch es blitzt auch Humor in ihren Augen. "Andererseits ist es schon ziemlich schön, sich hin und wieder bekochen zu lassen. Ich komme gerade von einer Magierakademie in Lupien - der Schokoladenkuchen war himmlisch."


    Sie grinst und schiebt sich einen halben Pilz, den man auch ungekocht essen kann, in den Mund.

  • Ai lächelt und trocknet sich die Hände ab, um etwas zu schreiben, Caspar noch immer auf dem Schoß. Dabei hält sie die Tafel so, dass Alanis mitlesen kann.


    Magst du uns eine Geschichte erzählen? Die Kinder sind ganz wild auf Geschichten aus fremden Ländern, mit viel Magie und Zauberei.


    Sie grinst.


    Natürlich nur, wenn du willst.

  • Alanis räumt den Abfall von den Pilzen in den Eimer, der später zum Komposthaufen wandern wird und setzt sich dann wieder hin. Sie schenkt sich den letzten Rest lauwarmen Tees ein und bläst die Backen auf.


    "Pfft....", sagt sie so laut, dass es die Kinder durchaus mitbekommen können. "Eine Geschichte mit viel Magie und Zauberei? Da muss ich nachdenken."


    Sie verschränkt die Arme vor der Brust.


    "Ich denke, ich habe da eine. Es geht um ein schreckliches Untier! - Vor vielen, vielen Jahren, lebten in der Burg auf dem Wawel-Berg oberhalb des großen Flusses der König Krak mit seiner Tochter Wanda. Alle Bürger der Stadt liebten ihren gutherzigen König und die liebevolle Wanda. Jahrelang lebten alle in Frieden und sorgten um das Wohlhaben ihrer Stadt. Unter ihnen lebte auch in der Familie des Schuhmachers ein tüchtiger und fleißiger Lehrling namens Dratewka. Eines Tages passierte folgendes: In einer Höhle unter dem Wawel-Berg hatte sich ein böser Drache niedergesetzt. Er hatte drei Köpfe, und sein ganzer Körper war mit Schuppen bedeckt. Wenn er wütend war, tobte er so stark, dass der ganze Berg bebte, aus seinem Maul spie Feuer und Rauch. Er versetzte die ganze Stadt in Schrecken. Um ihn zu besänftigen, legten die Bewohner täglich ein Schaf vor seine Höhle . Es war für ihn aber noch nicht genug. Und so beschlossen sie, ihm einmal im Jahr ein junges Mädchen zu opfern. Und so liefen alle jungen Mädchen aus Angst vor dem Drachen weg und kehrten nicht zurück. Bis auf die Prinzessin Wanda. Viele Bürger versuchten gegen den Drachen anzukämpfen. Niemand konnte ihn jedoch bewältigen. Der Ältestenrat verbrachte Tage und Nächte, um eine Lösung zu finden, fand aber keine. Schließlich war in der Stadt kein Mädchen mehr, nur die Prinzessin Wanda. Der Drache wurde immer ungeduldiger. Da nun kein anderes Mädchen mehr zu finden war, stand fest, dass die Königstochter an der Reihe war. In der ganzen Stadt herrschte große Trauer. Der König verkündete im ganzen Land, dass er einen tapferen Ritter suche, der den Drachen besiegen würde. Es kamen viele mutige Ritter und kämpften erfolglos gegen den Drachen. Die meisten wurden im Kampf vom Drachen getötet. Als keine Hoffnung mehr bestand, erschien der Schuhmacherlehrling Dratewka vor dem König. Er bat um Erlaubnis, gegen den Drachen anzutreten. Der König hörte und stimmte seinem Vorhaben zu. Sofort begann der Junge mit seinem Plan. Vom Metzger holte er sich Schafsfell. Von allen Bürgern sammelte er Schwefel, Salz, Pfeffer und Pech. Er füllte das Fell damit voll und nähte es dicht zu, dass es wie ein echtes Schaf aussah. Nachts warf er das "Schaf" vor den Höhleneingang. Am nächsten Morgen kam der hungrige Drache aus der Höhle und fraß sofort das Schaf. Kurz darauf verspürte er ein fürchterliches Brennen im ganzen Körper. Er versuchte es durch Trinken von riesigen Wassermassen zu löschen. Er trank so viel, dass man den Boden des großen Flusses sehen konnte. Er trank weiter, so lange, bis er endlich mit einem riesigen Knall platzte. Es herrschte große Freude in der ganzen Stadt. Dratewka heiratete Wanda, und sie lebten noch lange Zeit glücklich und zufrieden."

  • Kaum, dass Alanis mit der Geschichte begonnen hat, ist es in der Küche mucksmäuschenstill geworden. Sogar Caspar hört irgendwann auf, sich zu verstecken und lauscht Alanis' Worten mit großen Augen, obwohl er vieles sicher nicht versteht.


    Sophie und Magnus schweigen noch einen Moment nachdenklich, nachdem die Geschichte zu Ende ist, bevor sie gleichzeitig herausplatzen:
    "Dann ist der D'ache geplatst und üüüberall war Wasser!?" "War die P'inzessin schön?" "Hat die P'inzessin Kinder wie Kassi?"
    Sophie zählt angestrengt an einer Hand, wieviele Kinder im Hause des Katschmareks leben und hält dann einfach beide Hände hoch. "Soviele Kinder?" "Und ein Wawa? Hat die P'inzessin ein Wawa?", fragt Magnus.


    Ai ist in der Zwischenzeit aufgestanden und hat eine große gußeiserne Pfanne von einem Haken genommen, in der sie nun die Pilze mit Schnittlauch und Petersilie brät. Sie lacht still vor sich hin und lauscht, mit dem Rücken zum großen Tisch, auf Alanis' Antwort.