Der singende Wald 2

  • Die Bäume im singenden Wald haben sich -dank Ancalimas unermüdlichem guten Zureden- genauso gelichtet wie im Rest Amonlondes. Ein paar gelbe Blätter hängen hier und da noch an den Zweigen und das Lied ist in den äußeren Regionen des kleinen Waldstücks auch für geübte Ohren nicht mehr zu vernehmen.
    Nur im Zentrum, am Teich, halten die Bäume noch ihre knallroten, leuchtend gelben und sattbrauen Blätter fest -und hier ist auch noch so manches grüne Blatt zu sehen. Hier trägt der Wind das Lied noch, leise flüsternd aber niemals verstummend. Und hier zeigt sich dem aufmerksamen Beobachter hin und wieder ein heller Schatten zwischen den schlanken Stämmen.
    Die Schwäne haben den Teich nicht verlassen, majestätisch zieht das Paar über die Wasseroberfläche. Hin und wieder treten scheue Waldbewohner an den Tümpel um zu trinken.

  • Von Amonlonde Stadt her kommend betritt Alanis die Nordstraße. Es ist ein recht kühler Morgen, werswegen sie ihren grünen Mantel mit beiden Armen um herum zieht. Ein ganzes Stück hinter der Stadtmauer wartet sie auf Damorg, der an diesem Morgen so unvorsichtig war, direkt vor dem Haus des Katschmareks auf sie zu warten. Ihre Lippen sind zusammengepresst, ihr Blick unzufrieden.

  • Es dauert einige Zeit bis auch Damorg den Platz fern ab der Stadt erreicht. Er trägt seine übliche Gardemontur, welche er nur mit einer schwarzen Gugel ergänzt hat, welche nach hinten geschlagen ist. Als er an Alanis herantritt schweigt er und schaut etwas verlegen auf den Boden.

  • Als sie ihn herannahmen sieht, entspannt sich ihr Gesichtsausdruck ein wenig, wenngleich es für ein Lächeln nicht ganz reichen will.


    "Guten Morgen" , sagt sie dann leise und nun zucken ihre Mundwinkel doch kurz nach oben. An seiner Miene ist klar abzulesen, dass er weiß, daß er unvorsichtig gewesen ist und es tut ihr in der Seele weh, daß es ihn so mitnimmt, mit dieser Einschränkung in ihrem Leben umgehen zu müssen. Aber er würde sich schon daran gewöhnen, dass das Leben im Allgemeinen nicht mit Annehmlichkeiten um sich warf. "Ich will Dir etwas zeigen. Den singenden Wald."


    Sie deutet auf das Waldstück, das neben der Straße liegt.

  • Er blickte nach oben in ihr Gesicht. "Entschuldige, bitte." Presste er hervor.
    Als er merkt das sie ihm scheinbar nicht sonderlich böse ist, löst sich seine Anspannung mit der er auf dem Weg hierher kämpfen musste. Sin Blick wurde fragend. "Der singende Wald?"

  • "Man könnte sagen der Ort ist - magisch" , erklärt Alanis, doch sie spart sich vorerst die gesamte Geschichte. Dafür muss man den Wald erst selbst gesehen haben. Sie zwinkert Damorg zu. "Aber keine Sorge, es kann dort nichts passieren."


    Sie deutet auf den kleinen Waldpfad, der von der Straße abbiegt.


    "Kommst Du?"

  • "Magisch?" Damorg seufzte und blickte sie mit großen Augen an. "Gut wenn du meinst." Er schluckte, nahm seinen Mut zusammen und setze sich in Bewegung. Als er bei Alanis angekommen war nahm er ihre recht in seine linke Hand.

  • Sie lächelt bei dieser Geste, dann gehen sie in den Wald hinein. Dick und raschelnd liegt das Herbstlaub unter ihren Füßen. Die Bäume sind kahl und zittern leicht im kühlen Herbstwind, wie Menschen, denen man den Mantel genommen hat. Hin und wieder tanzt eines des letzten, gelbgrün verfärbten Blätter an ihnen vorbei zu Boden.


    Der Pfad schlängelt sich, mal etwas breiter, mal sehr schmal, eine ganze Weile durch den Wald. Alanis seufzt.


    "Mein Meister ist hier im Amonlonde" , sagt sie schließlich unvermittelt und ihr Blick umwölkt sich.

  • Als er merkt das an diesem Wald scheinbar nichts sonderbares ist entspannt sich der junge Priester wieder. Er betrachtet den Wald jedoch mit Intresse.
    Als Alanis die Stimme erhob, wendete er ihr den Blick zu.


    "Das ist schön, du verstehst dich doch sehr gut mit ihm wenn ich mich recht erinnere. Wobei du ihn doch erst in Lupien gesehen hattest, oder? Man könnte ja fast meinen er verfolgt dich."


    Scherzte er, mit einem Grinsen.

  • Alanis hebt die Schultern. Sie sieht plötzlich unglücklich aus.


    "Ja, das könnte man meinen", gibt sie zurück. Es klingt ein wenig lahm. Sie schweigt kurz, senkt den Kopf. Man merkt, dass es in ihr arbeitet und sie nach den richtigen Worten sucht, mit denen sie Damorg ihre Befürchtungen mitteilen kann. Schließlich sagt sie schlicht nur: "Er war eine ganze Weile mein - Gefährte. Nicht nur mein Meister. Ich habe ihm von Dir erzählt."


    Der Pfad schlängelt sich um eine kleine Schonung von Buchen. In der Ferne heben sich schwarze Umrisse zwischen den Bäumen ab. Dort, wo sie zu sehen sind, scheint der Wald merkwürdigerweise noch sein volles Herbstlaub zu haben.

  • Damorg achtet nicht mehr auf den Wald eben so wenig wie auf seine Schritte und wo sie ihn hinführten, Alanis Worte bringen seinen Kopf zum arbeiten und es dauert einen Augenblick bis er versteh was sie ihm damit sagen will.


    "Und er hängt dir noch nach?"


    Von dem Scherzhaften das eben noch in seiner Stimme mitgeklungen hatte war nun nichts mehr zu vernehmen.

  • Alanis nickt leicht.


    "Ja. Tut er. Mehr, als mir bewußt war. Sonst hätte ich ihm nichts erzählt." Mit der freien Hand massiert sie kurz ihre Nasenwurzel, dann macht sie eine recht hilflose Geste. "Zu hoffen, daß sich deswegen zwischen ihm und mir nichts ändern wird, wäre wohl ziemlich dumm."


    Sie blickt zu Boden und steigt über eine große Wurzel, die aus dem Boden ragt.

  • Damorg nimmt die Wurzel erst im letzen Moment wahr und schafft es nur mit Mühe darüber zu steigen, ohne zu stolpern.


    "Das heißt du verlierst wegen mir ein Stück Halt aus deiner Vergangenheit?"


    Seine Kehle wurde schlagartig trocken.


    "Ich will keinen Keil zwischen euch treiben."

  • Alanis runzelt die Stirn.


    "Unsinn" , sagt sie dann, sehr bestimmt. "Er wußte, dass das eines Tages passieren würde. Nun muss er sich mit dem Gedanken anfreunden und wir müssen sehen, wie wir unser Verhältnis miteinander klären. Das wird ein wenig Aufwand werden, aber das ist nichts, was nicht jedes andere ehemalige Paar auf dieser Welt auch hinbekommen muss."


    Sie schenkt Damorg ein Lächeln, ist mit einem schnellen Schritt vor ihm und nimmt auch seine anderen Hand. Unter einem zu dieser Jahreszeit ungewöhnlich bunten Blätterdach bleiben sie stehen.


    "Mach Dir keine Sorgen. Sein Zorn wird verfliegen."

  • Er bleibt etwas verdutzt stehen, als sie sich unerwartet vor ihn bringt. Er lächelte sie an. Er wollte gerade seinen Kopf zu ihr nach unten neigen, als ihm ein Wort in ihrem Satz aufstößt.


    "Zorn...?"


    Sein Lächeln verschwindet.

  • Alanis beißt sich auf die Lippe. Verdammt - das hatte sie nicht sagen wollen.


    "Er ist hin und wieder etwas unbeherrscht. Er steht dem Feuer ziemlich nahe."


    Sie lächelt beruhigend, doch das, was sie vermitteln will, vermag sie nicht vollends auszustrahlen.


    "Ich denke, er ist wirklich nur hier, um mich zu sehen und dann weiterzureisen. Aber vielleicht solltet Ihr nicht unbedingt zusammentreffen. Er ist - verletzt, denke ich."

  • "Das könnte durchaus interessant werden, aber ich verstehe was du meinst. Ich werde versuchen ihn zu meiden, sofern es mir möglich ist."


    Er legte Ernsthaftigkeit in seine Worte um sie zu bekräftigen.


    "Aber ich kann ihn gut verstehen. Ich würde dich auch nicht einfach aufegeben wollen."

  • Alanis versucht es mit einem Lächeln, doch es wirkt etwas verzerrt.


    "Es ist eh an der Zeit, dass ich einen eigenen Schüler wähle und mich von dem Gedanken löse, selbst die ewige,schutzbedürftige Schülerin zu sein. Dieser Gedanke hat ihn und mich vor einigen Jahren zusammengeführt, doch die Zeiten haben sich geändert. Als Freund und Ratgeber werde ich ihn jedoch immer brauchen, denke ich."


    Sie beugt sich vor und gibt ihm einen Kuss.


    "So, komm weiter. Wir sind fast da."

  • "Einen Schüler?"


    Fragt er etwas überrascht. Und blieb noch für einen Augenblick stehen. Damorg war nicht sonderlich von dem Gedanken angetan Alanis mit noch einer Person teilen zu müssen. Dann setzte er schnell seine Füße in Bewegung um Alanis wieder einzuholen.


    "Wo wollen wir denn genau hin?"

  • "Das wirst Du sehen" , ruft sie über die Schulter zurück. Es sind nur noch einige Meter durch den Wald, dann steht sie vor den schwarzen, abweisenden Ruinen der alten Komturei. Wie mahnende Finger scheinen die Mauerreste in den Himmel zu weisen. Über den Überbleibseln und um sie herum wölbt sich ein Kreis perfekten Herbstwaldes. Goldene, rote, braune und auch einige saftiggrüne Blätter, die noch an den Bäumen hängen, rascheln leise im Wind. Hier liegt so gut wie kein Laub auf dem Boden, nur einige wenige Blätter dümpeln auf dem kleinen, schwarzen Teich dahin, auf dem zwei weiße Schwäne ihre Runden drehen.


    Alanis wartet, bis Damorg zu ihr aufschließt.


    "Fällt Dir etwas auf?" , fragt sie.