Eine Lichtung im Wald

  • Eine einzelne Gestalt zieht durch den herbstlichen Wald.
    Der Bogen über der Schulter ist nicht der einzige Hinweis auf die elbische Natur der Trägerin, aber der erste und offensichtlichste.
    Die bloßen Füße erzeugen selbst in Ansammlungen von Herbstlaub, die die Frau wo immer möglich umgeht, erstaunlich wenig Geräusche.
    Die Kleidung ist in den Farben des Waldes gehalten und das Haar hat den Ton der zu dieser Jahreszeit flammendroten Blätter des wilden Weins. Eine Schwananfeder, als Schmuck getragen, sticht weiß aus den Locken hervor.
    Die Elbe hält auf ihrem Weg ungefähr westwärts, Wege und Pfade eher ignorierend. Eine Lichtung im Wald schließlich wird erst ausgiebig begutachtet und dann wohl als Rastplatz für sicher erachtet, denn sie betritt den hellen Fleck erst und bückt sich dann, lächelnd, nach den letzten Erdbeeren des Jahres.

  • Ein Wolf folgt den Spuren der Elbe, bleibt jedoch immer wieder stehen, legt das Bündel ab, das er zwischen den Zähnen trägt und hält dann die Nase in den Wind. Seine Ohren zucken nervös. Unweit der Lichtung legt er das Bündel unter einen dichten Busch und schleicht sich dann langsam näher, immer wieder hinter sich blickend und schnüffelt, hin- und hergerissen in seiner Aufmerksamkeit zwischen der Elbe vor und etwas hinter ihm, das für einen normalsterblichen Beobachter wohl nicht wahrzunehmen wäre.

  • Der Wolf, dessen Fell sehr dunkel, beinahe schwarz ist, trabt angespannt auf die Lichtung und sieht sich um. Einen Moment folgt er einer Geruchsspur am Boden und verschwindet dann wieder in die Richtung, aus der er kam.

  • Der Griff zum Dolch ist noch nicht ganz vollendet, da ist der Wolf auch schon wieder verschwunden. Stirnrunzelnd blickt sie dem Tier nach. Ein rascher Blick nach oben zeigt ihr, daß sie in den Bäumen nicht mehr viel Deckung findet, zu sehr hat der Herbst das Laub bereits gelichtet.
    Trotzdem zieht sie sich rasch an einem der größeren Stämme empor und steigt dann in die Krone. Oben sucht sie sich einen Ast nah am Stamm auf dem sie ihre Rast ungestört von Wölfen und ähnlichem halten kann.
    Die Gestalt wird still und scheint fast mit dem Baum zu verschmelzen.

  • Der Wolf, der eigentlich eine Wölfin ist, kehrt zu dem Busch zurück, wo er das Bündel zurückgelassen hat. Ein leises Winseln ertönt, gefolgt von nassen, reißenden Geräuschen und dem Knacken sich verändernder Knochen. Am Ende hockt eine nackte, narbenhäutige Frau mit langem, dunklem Haar unter dem Busch, zitternd vor Kälte. Sie beeilt sich, die Kleidung anzuziehen, die sie als Wolf in der Schnauze mit sich herumgetragen hat, und in der sogar ein kurzes, aber gefährlich scharfes Sax steckte. Als die Stiefel geschnürt, der Gürtel angelegt und der nun leere Sack über den Rücken geworfen ist, macht sie sich, diesmal auf zwei Beinen, auf den Weg zu der Lichtung, zu den Erdbeeren, die sie dort gefunden hat.


    Sie hockt sich, scheinbar unbekümmert hin und sammelt die kleinen Früchte in der Hand, während sie darauf wartet und hofft, dass die Elbe sich zeigt, der sie folgte.

  • Doch die Elbe tut nichts dergleichen. Das Menschenkind dort unten ist keine Bedrohung und wird auch von nichts bedroht, also bleibt sie auf dem Baum und nutzt die Zeit wie sie es ursprünglich vorgehabt hatte, zur Regeneration.

  • Nachdem die junge Frau alle auffindbaren Erdbeeren gesammelt hat, macht sie es sich in der nur noch schwachen Herbstsonne gemütlich. Nachdem sie zwei, drei Erdbeeren verspeist hat, blickt sie auf und in die ungefähre Richtung der Elbe.


    "Willst du keine Erdbeeren? Die sind lecker!"

  • Die junge Frau zuckt mit den Schultern und isst in scheinbarer Ruhe auch die restlichen Früchte. Doch sie bleibt angespannt, lauscht angestrengend in den Wald, vornehmlich in die Richtung, aus der sie kam. Noch melden ihre feinen Sinne nichts, was nicht in diesen Herbstwald gehört, auch wenn sich das schnell ändern kann, wenn ihre Vermutung sich bestätigt.


    "Bitte entschuldigt meine Vermessenheit. Ist Euch bewusst, dass jemand.. euch folgt?"


    Oder etwas. Sie spricht es nicht aus. Stirnrunzelnd ruft sie sich den Geruch, den sie einige Stunden zuvor aufgenommen hatte, in Erinnerung. Fremdartig. Nichts, was sie schon einmal gerochen hätte.

  • Die junge Frau steht auf und deutet eine Verbeugung an. Aus der Nähe ist eine unförmige und wenig schöne Narbe zu sehen, die sich über ihre linke Wange zieht und nur knapp das Auge verfehlt. Sie trägt eine ärmellose Ledercotte, wie sie ein Mann tragen würde, die wollenen Ärmel, die darunter herausschauen, sind löchrig und an vielen Stellen halbherzig geflickt. Das Sax an der Hüfte, die kurzen schlanken Beine stecken in Lederhosen und hohen Stiefeln. Sie ist zierlich, drahtig, und zwei Köpfe kleiner als die Elbe, vor der sie jetzt steht.
    Als sie spricht, bindet sie die fast schwarzen Haare, die ihr bis weit auf den Rücken fallen, mit einem Stück Schnur zusammen, damit sie ihr aus dem Weg sind.


    "Nein. Ihr kamt heute morgen an dem Erdloch vorbei, in dem ich schlief. Ich beschloß nach einiger Zeit, Euch zu folgen. Ich gebe zu, ich war neugierig. Als ich bemerkte, dass ich.. nun, nicht nur Jäger, sondern auch Gejagte war, wich ich von eurer Route ab, um herauszufinden, wer mir da folgt. Es war aber nicht herauszufinden. Wäre es.. ein Tier oder ein Mensch, Elb oder Zwerg, hätte ich es erkannt. Doch sein Geruch war mir gänzlich fremd, und um kein Risiko einzugehen, näherte ich mich ihm nicht weiter.
    Es folgt Euch in großem Abstand, aber Eurer Fährte sicher. Manchmal leise wie ich selbst, manchmal klingt es, als würde es durch Bäume brechen. Es selbst bleibt aber stumm, oder zumindest konnte ich auf die Entfernung nichts hören."


    Ihre Worte klingen ruhig, besonnen. Obwohl ihre Worte sehr vage sind, ist sie sich ihrer Sache sicher.

  • Sehr sehr weit entfernt klingt es fast so, als stürze ein Baum um, in ebendem Moment, als Lucandriel nach etwaigen Geräuschen lauscht.


    Die Frau nickt. "Gut beobachtet." Sie zögert einen Augenblick, dann fragt sie:
    "Was gedenkt Ihr zu unternehmen?"

  • Was auch sonst?


    "Eine Weile, nachdem Ihr an meiner Höhle vorbeigekommen seid. Es folgt euch in großem Abstand, wie Ihr hören konntet."


    Sie legt die Hand auf das Sax und dreht sich um, in Begriff, die Lichtung zu verlassen.