Dämmerung: Gespräche mit Perondae Nyareth Cyrchanyon

  • Als Endúneath das Zelt betritt, kann er sogleich eine Person in leichter Rüstung dort stehen sehen. Sie hat ihm den Rücken zugewendet, den Blick auf eine von der Zeltwand hängende Karte gerichtet. Auf dem niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes liegt ein Schriftstück, dass der junge Wächter nur allzu gut aus zahlreichen Studien kennen dürfte. Ansonsten liegt nichts offen herum, nicht einmal eine Kanne Tee oder Trinkschalen. Einzig und allein das, was die Wächter ausmacht ist deutlich präsentiert und greifbar.

  • Jeder Augenblick der der verstreicht brennt schmerzhafter. Was immer sie ihm, nachdem sie ihre Meinung ihm gegenüber hinreichend durch anhaltende Ignoranz gezeigt hatte, an Worten entgegnen wird, wird schlichtweg grausam werden. Es ist nicht das erste Mal dass er etwas solches erlebt und sie nicht die Einzige die ihm dabei gegenüber gestanden haben wird, aber nie war die Pause zu Beginn so lang. Endúneath schluckt. Denn alles was er tun kann ist weiter warten, wenn er zumindest noch den Respekt wahren möchte, was als Novize mehr als ratsam ist.

  • Nach einer gewissen - für Endúneath wohl gefühlt ewig dauernden - Zeit wendet sich Nyareth langsam um. Sie sieht ihn jedoch nicht direkt an, sondern blickt zuerst auf das Schriftstück hinab, dass auf dem zentralen Tisch liegt. Die Arme hat sie hinter dem Rücken locker verschränkt.
    Als sie dann endlich aufsieht und mit einem seufzend anklingenden Einatmen deutlich macht, dass sie etwas sagen wird, bohrt sich ihr Blick in den Wächternovizen.


    "Erkläre."

  • Nun erhebt er den Blick wieder, auch wenn er bestenfalls aus der Verzweiflung Mut zu schöpfen vermag.
    "Es ist..." ...unmöglich zu erklären. "Ich habe das Gefühl mehr und immer mehr die Kontrolle über meine... Emotionen zu verlieren. Ich finde weder den Grund, noch eine Möglichkeit mir zu helfen."

  • "Was ist der Grund?"
    Sie steht immernoch mit strenger Haltung vor ihm. Die Stimme ist ebenso leise, so wie nun einmal die normale Lautstärke ist, wenn zwei Mondelben regulär miteinander sprechen.

  • Diese Frage hatte er sich schon wie oft gestellt, doch auch wenn er sich nicht sicher ist, auch wenn es nur eine Vermutung ist, so gibt es doch nur ein Wort, das die Panondae als die Wahrheit akzeptieren würde.
    "Tear'asel."

  • Schweigen begegnet ihm und ein Blick, welcher mehr als deutlich anrät sich zu sammeln und vollständige Sätze herauszubringen.
    Abermals verengen sich Nyareths Augen um ein Geringfügiges, gerade für einen Moment. Ihren Missmut über diese Situation kann man förmlichst aus der Luft greifen.

  • Ihre Mimik wirkt auf ihn alles andere als festigend. "Vielleicht liegt es daran dass sie mir als Lehrerin so vieles bieten kann und ich ihr so wenig im Gegenzug. All die Zauber, oder sogar das Zauberbuch." Plötzlich wird ihm klar, dass es vielleicht eine weniger gute Idee war ihr davon zu berichten.

  • Und dieser Gedanke bestätigt sich sofort.
    Die Arme lösen sich aus der Verschränkung und sie gleiten an ihre Seiten.
    "Ein was ?" Ihre Stimme klingt gepresst.


    Wären sie zu Hause, würde die Luft nun wohl knistern von der Energie, die von dieser Frau ausgeht.
    "Bring das Buch zu mir. Auf der Stelle. Das ist ein Befehl..."

  • Er nickt mit gesenkten Haupt und verlässt umgehend das Zelt, nur um wenige Augenblicke später erneut einzutreten. In der Hand hat er besagtes Buch, in Leder von der Farbe anthrazitener Nebelschwaden gehüllt und von einem diagonalen, orange und beinahe glühenden, diagonalen Riss auf der Oberseite gezeichnet.
    Wortlos überreicht er ihr das, was ihm in den letzten Tagen mit das Teuerste gewesen ist.

  • Als er wieder eintritt, steht Nyareth wiederum halb mit dem Rücken zu ihm.
    "Leg es auf den Tisch," befiehlt sie und wendet sich dann um.
    Auf dem Tisch liegend wird Endúneaths Blick erneut auf das andere Buch fallen, dessen Schlichtheit nicht vermuten lassen würde, was der Inhalt desselben ist.


    Ein verachtender Blick trifft das Magiebuch.


    "Welches der beiden bevorzugst du, Endúneath...?" Ihre Stimme ist wieder ruhiger und leiser geworden, doch der Strenge und ein wenig lauernde Tonfall ist noch nicht verschwunden.

  • Ein eiskalter Schauer läuft ihm den Rücken herunter. Und allein dass sie die Frage stellt, die seine Loyalität dem Werk seiner Meisterin, sera Panondae Am'Anethra Cyrchanyon selbst, in Frage stellt, vermag es, in ihm mehr Schmerzen hervorzubringen als es jede Zwillingsklinge dieser Welt könnte, selbst wenn er die Desensibilisierung gegenüber physischen Schmerz nicht durchgemacht hätte.
    "Den Kodex natürlich." Denn das war es, das das schlichte, graue Buch enthielt. Der Kodex des Wächterordens, den zu befolgen und die Vorgaben der Großmeisterin verstehen und anwenden zu lernen das Ziel eines jeden Novizen ist.

  • "Sehr gut..."
    Sie lächelt schmal und streckt eine ihrer Hände langsam nach vorne. Kurz vor dem Magiebuch hält sie noch einmal inne, verzieht den Mundwinkel und blickt dann Endúneath an. "Amüsant." Sie richtet sich etwas mehr auf und beginnt mit Zaubergesten. Aus einer kleinen Tasche hat sie einen Kristall hervorgezogen. Offensichtlich untersucht sie das Buch. Es folgen zwei weitere Zauber, die wohl sie als Person schützen. Als das getan ist, schüttelt sie noch einmal sanft und amüsiert den Kopf, sieht zu Endúneath auf.. und schiebt ohne etwas weiteres zu sagen das Buch mit dem Handrücken auf die schmale Tischkante zu, jedoch nicht in die Richtung des Wächternovizen.