Der singende Wald 3

  • "Oh", macht Kassandra.
    "Tja, das weiß man nicht", sagt sie dann und schaut durch die Bäume auf den Weg.
    In der Zukunft, die sie kennt würden die Amonlonder wahrscheinlich alles Magische vergessen. Vernichten, vertreiben, vergessen... Sie seufzt.
    Andererseits - der singende Wald war gewachsen, dort, auch wenn die Elben verschwunden waren. Und ihre eigene Familie... mindestens eines der Kinder hatte magisches Potential geerbt, daß ihre Nachkommen in einem Amonlonde unter dem Dreieinigkeitsglauben willkommen wären ist eher unwahrscheinlich.

  • Das Seufzen nimmt die Elbe mit einem kurzen besorgten und fragenden Blick in Richtung der Bardin wahr. Wenn sie Gefühle oder Gedanken erreicht haben, dann spricht sie das nicht an.

  • Tear brummte leise, ehe sie tatsächlich antwortete.


    "Es gibt schon einen Grund, wieso ich in der Vergangenheit argumentierte, dass der Wald lernen sollte, für sich selbst genug zu sein, gleich wie er entstanden ist oder was er von diesem Tag an beherbergte. Alles wird erwachsen."


    Sie hatte während dieser Worte ihren Kopf in den durch einige Baumkronen verborgenen Himmel gerichtet und sah erst jetzt wieder zu der Bardin hinüber.


    "Mae, du wirst nicht immer da sein... ein wenig abgegriffen ist folgende Metapher nun schon aber dies ändert nichts an ihrer Wahrheit. Es ist nicht deine Schuld, das die Welt so ist... wie sie ist... aber sofern du die Prämisse hast... ist es deine Schuld, wenn sie so bleibt."

  • "Gegenfrage Kassandra," erwidert sie spitzbübisch zurück, "wer bitte hat gesagt, du könntest das nicht?"


    Sie hebt ihre Schultern, grinst und stubst die Bardin sanft in die Seite.


    "Dieses Wort Welt... das fasst es nicht. Natürlich kann man nicht alles verändern, das kann nicht einmal einer eurer Götter. Aber wenn man wirklich bereit ist etwas zu verändern, dann kann man immer mit den Mitteln, die einem zur Verfügung stehen, ob nun offensichtlich oder nicht, etwas bewegen. Gegen das Vergessen hilft Erinnern, gegen fest eingefahrene Strukturen, hilft Mut aber auch Demut und so weiter... und so fort."


    Beabsichtlig theatralisch macht sie einige tanzende Bewegung mit ihrer Hand

  • Kassandra zieht die Augenbrauen hoch.
    "Ich könnte dagegenhalten, daß ich grade ein bißchen beschäftigt bin", sagt sie mit Blick auf das Baby im Tragetuch. "Vielleicht auch nur damit, meine eigene kleine Welt im Lot und am Laufen zu halten..."

  • "Und hälst nichts dagegen sondern unterstützt auch damit." Ein kurzer Blick gilt dem Säugling, dann setzt die Wildelfe ihren Weg fort.


    "Wenn du deine Welpen in Demut und Weisheit vor den Dingen erziehst, die größer sind als sie selbst, dann führst du deine Gedanken von einer besseren Welt fort.
    Du erziehst keine Plünderer und Ausrotter, sondern Wesen, die einst wie du Elben sehen - keine Spitzohren, die in den ach so lustigen Geschichten ihren Geschlechtsakt mit Bäumen vollführen.
    Wälder und Wiesen sind für sie keine Ware menschlicher Landwirtschaft, sondern alte und sich immer wieder erneuernde Organismen, voller Kraft und Anstrengung, denen sie mit Respekt und dem Willen zu schützen, statt mit Abholzung, Abrennung und Beackerung begegnen."

  • Tear gab einen undeutbaren Laut von sich. "Ich tue gewisse Dinge, ob sie eine Weltverbesserung bedeuten sollen - pfff eher nicht. Ich handle, wie du weißt, nach meiner eigenen Intuition, nicht weil ich das Gefüge der Welt analysiert habe oder von einem Gerechtigkeitssinn gelenkt werde - der ebenso diskutabel wie situationsabhängig ist."


    Sie grinste und fügte dann trocken hinzu.


    "Und wenn ich Dinge tue, bin ich manchmal der Meinung, dass sich der Erfolg oder die erwünschten Konsequenzen bei den entsprechenden Personen tatsächlich erst einige hundert Jahre später zeigen."

  • Sie scheint nicht zu verstehen und sieht die Bardin etwas verdutzt an.


    "Die zynische Bemerkung war nicht gegen Elben speziell gerichtet, sondern gegen die meisten anderen, die sich über ihr Schicksal auslassen aber keinerlei Wege begehen, die Änderungen herbeiführen. Mitleidsheisschen ist auch deutlich kuschliger, als ein steiniger Aufstieg."

  • Das Geräusch, das Tear machte, lies nicht darauf schließen, dass die tatsächlich Hoffnung hegte. Das anschließende Lächeln aber ebenso, dass sie sich nicht wirklich damit belastete.


    "Ich kann nur von mir sprechen, irgendwann bewahrheit sich , was ich vorausgesehen habe, was ich gesprochen und letztlich auch getan habe. Und wer mir nicht früher Glauben schenkt, der mag es sich für später aufheben. So oder so, ich habe es unlängst aufgegeben, überzeugen zu wollen... und zu retten... wenn sie weinen müssen, sollen sie... irgendwann sind keine Tränen mehr übrig, ebenso wie Zuhörer."

  • Tear sah sie mit überheblich arrogantem Gesichtsausdruck an - zugegebenermaßen seher bemüht.


    "Wie du weißt ist unsere Art unempfindlich gegen Krankheiten."


    Dann grinste sie verschmitzt und der künstliche Aglarien-Anfall und schüttelte leicht den Kopf.


    "Auf das einzelne Wesen bezogen nein. Es ist manchmal noch hart, jemanden zu sehen, der ohne Rücksicht auf sich selbst, noch auf die Wesen, die ihn umgeben auf einen Abgrund zusteuert.
    Anders ist das, wenn das Verhalten eines einzelnen oder einer kleinen Gruppe, das zu zerstören droht, was mir persönlich am Herzen liegt, mein Zuhause oder meine Familie. Aber dann ärgere ich ... mir... nicht... die ... Pest... an ... den... Hals..., sondern ich schenke den entsprechenden Verursachern eine solche, vornehmlich an Stellen, wo sie sich schlecht kratzen können."

  • "Ich gebe dir Frage auch mal an Dich zurück, schließlich hast du mir in der Vergangenheit in Sachen, ich helfe ich meinem Nächsten bis zum eigenen Tod, in nichts nachgestanden...?"


    Währendessen hatten sie die äußeren Ausläufer des singenden Waldes erreicht und in einiger Entfernung tat sich die Narbe auf - jene Straße, die nach Amonlonde Stadt führte.

  • "Ach, weißt du... Nein, eigentlich habe ich keinen Spaß daran, andere gegen die Wand laufen zu lassen. Es wird mir nur immer mühsamer sie davon abzuhalten. In meinem Alter muß man vielleicht mal anfangen seine Kräfte zu schonen..."

  • "Soll ich dir einen Stock schnitzen Kassandra?," entgegnet die Elbe mit einer Trockenheit in der Stimme, die der Wüste Thorgals alle Ehre gemacht hätte.