Ashabas Hütte am Oberen Stichweg

  • Ashaba zog eine Augenbraue hoch und betrachtete amüsiert das Schauspiel. Ihre Rechte lag locker auf dem Rücken des Hundes, die Linke auf dem Loden des Mantels.


    "Sieh bloß zu, dass du Land gewinnst." sagte sie leise, aber nicht unfreundlich. "Der hier kann zum rasenden Dämon werden."


    Ein wenig musste sie grinsen bei dem Gedanken, da sie genau wusste, dass Moclin eher Fersengeld geben würde als sich mit der viel kleineren Katze anzulegen. Einige Narben auf seiner Schnauze erzählten auch sehr plastisch, wieso. Trotzdem wollte sie das Tier nicht verjagen. Die konnten das gut und gerne unter sich ausmachen.

  • Mit einem erschrockenen Laut rappelte der Hund sich drauf, trat Ashaba dabei in den Bauch und drückte sich dann mit gesträubtem Fell gegen die Frau. Etwas hektisch leckte er sich über die Lefzen, sah kurz mit einem hilflosen Blick zu der Soldatin und fixierte dann wieder die Katze. Eine Drohgebärde wollte dabei nicht so recht entstehen.

  • Als habe die Katze ein unsichtbares Schutzfeld um sich aufgebaut, witschte Moclin mit gesträubtem Fell um sie herum und gab seinen Platz auf dem Mantel auf. Sofort brachte er drei Meter zwischen sich und das andere Tier und tappte nun unschlüssig von einer Pfote auf die andere.

  • "Wenn ich irgendwas von einem Hund habe, Moclin, dann ganz sicher nicht von dir, du Feigling." brummelte sie und betrachtete den Hund mit einem liebevoll Lächeln.


    "Das ist eine Katze. Und die bist ungefähr vier Mal so groß." erklärte sie dem Hund, der ihr scheinbar nicht glauben wollte. "Das ist nichts weiter als ein Mittagessen."

  • Bei dem Wort 'Mittagessen' schien das kleine Tier aufzuhorchen. Tatsächlich war es recht dünn und sicherlich keine Konkurrenz für Moclin, und die geradezu putzige Selbstverständlichkeit, die das Kätzchen auf dem warmen, bequemen Mantel ausstrahlte, machten es sicherlich jedem schwer, ihm zu widerstehen - wenn man denn nicht gerade ein Hund war.


    Ein kurzes Robben auf dem Stoff in Richtung des Menschen, dann drückte sich ein Köpfchen gegen Ashabas Knie und ein mitleidserregenden Mauzen klang durch die kühle Herbstluft.

  • Ashaba hob die Augenbrauen.


    "Das... war überraschend einfach."


    stellte sie fest und ließ die Katze gewähren. Ihr Blick wanderte zu Moclin, der sich inzwischen gesetzt hatte. Er schien nicht vorzuhaben, wieder näher zu kommen. Inzwischen hatte es sich deutlich abgekühlt.


    "Na, es wird Zeit." meinte sie und erhob sich. Vorsichtig hob sie die Katze an und setzte sie neben dem Mantel wieder ab.

  • Auf die Vision war sie nicht vorbereitet.


    Aus dem Nichts bohrt sich ein glühender Schmerz in ihre Seite. Mit einem erstickten Laut krampft sie sich zusammen und geht in die Knie. Bilder, die vor ihrem inneren Auge aufblitzen, kaum zu erkennen und schon wieder verschwunden. Ein weiterer Schmerz am Unterschenkel, der sich tief in den Knochen bohrt und sie blind zurück lässt. Das Brüllen von Befehlen, Schmerzensschreie, Metall auf Metall. Das Zischen von Pfeilen. Heiße Luft in ihren Lungen. Als sie den Blick hebt die verzerrte Fratze eines Orks. Tiefe Trostlosigkeit. Ein Erkennen. Ein plötzlicher Schmerz an der Schulter, der sie gequält aufschreien lässt und die klebrige Wärme von Blut, das unter der Rüstung den Arm hinab läuft. Dann Dämmerung. Die Bilder kommen langsamer, aber keineswegs deutlicher. Die Sicht verschwimmt, der Lärm entfernt sich. Das Rauschen von Schwingen dringt leise an ihr Ohr und lullt sie in eine tiefe, schmerzlose Dunkelheit.


    Einige Stunden später ist tiefe Nacht über Renascân. Der Himmel ist klar. Ashaba erwacht mit dem metallischen Geschmack von Blut im Mund. Moclin liegt eng an sie geschmiegt neben ihr und gibt ihr Wärme. Seine Augen sind weit geöffnet und er beobachtet sie wach. In ihrem Kopf verhallt leise ein Name.


    'Damorg.'


    Mit versteinertem Herzen vergräbt sie ihr Gesicht im struppigen Fell des Hundes.

  • Nachdem sie einige Zeit regungslos da gelegen hatte, richtete sie sich langsam auf. Ihre Seite schmerzte fürchterlich. Als sie mit zusammen gebissenen Zähnen die Tunika ein wenig anhob, zeigte sich dort ein großer Bluterguss. Hatte sie sich beim Sturz angeschlagen?
    Mit fahrigen Bewegungen strich sie sich über das Gesicht. In den Mundwinkeln, an den Lippen und unter der Nase klebte getrocknetes Blut und die Kopfschmerzen brachten sie fast um. Unsicher stellte sie sich hin. Moclin suchte die ganze Zeit den Körperkontakt und beobachtete sie still und aufmerksam. Ihm schien durchaus klar zu sein, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte.


    Als sie den Mantel vom Boden aufgehoben hatte, legte sie ihn sich um die Schultern. Es war so unglaublich kalt. Hatte sie nicht gewusst, dass es früher oder später so kommen würde? Sie wusste, fühlte so sicher, dass sie durch Damorgs Augen gesehen hatte. Das Rauschen der Schwingen... Sie hob den Blick gen Himmel, der sich inzwischen mit Wolken zugezogen hatte. Nur der Mond tauchte die Landschaft in ein diffuses Licht.
    Gimrid war bei ihm gewesen. Was bedeutete all das für ihn? War er möglicherweise auch.. tot?


    Noch schien sie nicht wirklich begreifen zu können, was passiert war. Was war eigentlich passiert? Wusste sie das mit Bestimmtheit? Sie wandte sich in Richtung Unterstadt und Moclin folgte ihr auf den Fuß.

  • Ashaba hatte es einige Tage vermieden, ihr Grundstück wieder zu betreten. Ungern wollte sie an ihre Vision erinnert werden. Aber nach der guten.... guten? Nachricht, die sie von Johanna erhalten hatte, fiel es ihr wieder leichter.


    Sie hatte eine widerlich stinkende Masse angerührt, von der man ihr versichert hatte, dass sie die Fugen abdichten und wenn getrocknet aufhören würde zu stinken. Sie war gespannt. Gerade war sie fertig geworden und wischte sich die Hände erst an einem Tuch ab bevor sie sie in dem Wassereimer wusch, den sie mitgebracht hatte. Moclin hielt sich ein wenig entfernt, da der Gestank ihm wohl nicht passte. Er hatte irgendetwas gefunden, auf dem er hingebungsvoll herumkaute. Hoffentlich nur eine Wurzel und kein toter Igel.

  • Als Moclin von seinem kurzen Ausflug wieder kam, stellte er sich schwanzwedelnd mit aufgestellten Ohren vor Ashaba und schaute sie aufmerksam an.


    "Was?" fragte sie "Ich werd dir das... was auch immer du da gefunden hast jetzt nicht werfen. Vergiss es."

    Mit Schaudern dachte sie an halb verweste Kleintiere.

  • Als im dämmrigen Licht des Abends die Lichter in Alanis' Haus entflammten, schaute Ashaba mit gerunzelter Stirn auf. Für einen Schlag setzte ihr Herz aus. Wollte die Priesterin nicht in Forlond überwintern? Der nächste Schluß verpasste ihr ein ungutes Gefühl. Wusste sie bereits etwas? Wenn ja, wie viel? Und woher? Möglicherweise auch eine Vision?


    Dass sie mit ihr reden musste, war klar. Sie hatte nur unterbewusst gehofft, dass es nicht so bald sein würde. Egoistisch, ohne Frage, aber möglicherweise auch nur menschlich. Moclin hatte inzwischen das, was er mit sich herumgetragen hatte, irgendwo versteckt - hoffentlich weit weg - und schaute sie aufmerksam an, als erwarte er, dass sie irgendwas tun würde.


    Mit einem leisen Seufzen verstaute sie das Werkzeug im Unterstand und warf dann ihren Mantel über. Mit einem stummen nicken des Kopfes bedeutete sie Moclin, dass sie nun gehen würden und überwand die paar Schritte bis zu Alanis Haus.

  • Einige Wochen war Ashaba nicht mehr auf ihrem Grundstück gewesen und so hatten die Arbeiten brach gelegen. Jetzt stand sie vor dem kleinen Verschlag und betrachtete das Machwerk des letzten Herbstes. Das Dach würde sie wieder herunter nehmen müssen, so viel war klar.


    Der von See kommende Wind war eiskalt. Da sie das geahnt hatte, hatte sie auf einen Umhang verzichtet sondern trug ihren Gambeson, der vor der Kälte recht gut schützte. So verbrachte sie den Tag damit, weiter an ihrem Bau zu arbeiten. Es würde nicht sonderlich schön werden, aber ihr eigenes.

  • Der Frühling hielt Einzug und in der Sonne war es entsprechend warm. Der Wind war nach wie vor eisig kalt und kaum in den Schatten getreten brauchte man schon warme Kleidung. Doch da keine Bäume ihren Schatten auf ihr Grundstück mehr warfen, konnte die schwache Sonne ihre Strahlen ungehindert auf die noch recht wilde Fläche werfen.


    Angestrengt arbeitete sie an ihrem Bau und vertrieb so die dunklen Gedanken, die sie die vergangenen Wochen zwar verschont hatten, aber in den letzten paar Tagen wieder gekommen waren.


    Es war Zeit für eine kurze Pause. In einem Versuch sich den Dreck von der Stirn zu wischen, hinterließ sie noch mehr dort, was sie aber gerade nicht störte. Mit dem Trinkschlauch in der Hand schaute sie aufs Meer hinaus und war irgendwie .. zufrieden.

  • Auf dem Grundstück war der Verschlag dem Gerüst eines kleinen Häuschens gewichen, das nur darauf zu warten schien, verschalt zu werden. Der Verschlag war wohl als Kammer in den Bau integriert worden. Die Wände waren mit Leinenfetzen zu gestopft worden und mit Harz und Pech verschmiert.


    Noch hatte es kein Dach und auch die oberen Meter der Verschalung fehlten nach wie vor. Vor dem Bau hatte man einen Pfosten so drapiert, dass man ihn als Lehne nutzen konnte, wenn man auf dem Baumstumpf saß, dessen Sitzfläche inzwischen abgeschliffen und gewachst worden war. Davor hatte jemand eine Feuerstellegebaut, mit Steinen gesäumt und mit Sand und Asche ausgelegt.


    Zwischen den einzelnen Bauelementen und den Wänden blühten Krokusse und Schneeglöckchen. In Richtung Wald roch es würzig nach Bärlauch, der in einem weiten Teppich den Boden bedeckte.

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • Ashaba ging den Stichweg entlang um die Abendsonne von ihrer improvisierten Bank aus zu genießen. In ihrem Gepäck hatte sie einen Kanten Brot und Schinken, dazu eine Flasche mit Wasser, das mit einem winzigen Schluck Weißwein versetzt war.


    Moclin tobte vor ihr den Weg entlang und brachte emsig den Stock wieder, den sie für ihn warf. Als er diesmal zurück kam, wollte sie ihm schon sagen, dass es jetzt genug war. Doch statt des Holzes - zugegebenermaßen macnhmal brachte er einen anderen Stock wieder als sie geworfen hatte - brachte er einen Zettel.


    "Gute Güte, Moclin, was schleppst du denn wieder an? Na zumindest siehts nicht aus, als habe es mal gelebt. Komm, gib her."


    Moclin hingegen dachte gar nciht daran und hopste spielerisch zurück und rückte den Zettel erst raus, als Ashaba ihn mit einem bösen Blick versah. Aus irgendeinem Grund war das Papier nur relativ wenig voll gesabbert.

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • Der Zettel war wohl einmal ordentlich zusammengefaltet gewesen, was diverse Knicke zumindest erahnen ließen. Es war teures Papier, dick, von guter Qualität. Und darauf war - leicht verschmiert von Hundespucke - in eine großzügigen Männerschrift folgende Botschaft niedergeschrieben:


    "Liebes, Du hast mich eingeladen, hier bin ich. Ich habe ein Zimmer im 'Zaunkönig' genommen, also komm vorbei. Und zieh was Hübsches an. Liam.'

  • Ashaba runzelte die Stirn, sah sich um. Keiner der ihr bekannten Männer würde sie 'Liebes' nennen, außerdem kannte sie keinen Liam. Ergo: Der Zettel war nicht für sie bestimmt.
    Hier war es sehr windig. Der Zettel konnte also von überall her gekommen sein. Sie faltete ihn zusammen und steckte ihn sich in die Gürteltasche. Dabei fiel ihr Blick auf Alanis' Haus. Nein, von überall her. Sie zuckte mit den Schultern und ging die restlichen Meter zu ihrem Grundstück.


    Dort begann sie einige Holzscheite zu spalten um sich ein kleines Feuerchen zu machen.