Die Taverne "Zum Zaunkönig" ( 8 )

  • "Ich habe Euch zu denken gegeben?"


    fragte Hadra mit einem leichten Lächeln.


    "Seid Ihr am Ende gar doch ein Wanderprediger und ich habe Euch schlicht falsch eingeschätzt?"


    Sie widmete sich ihrem Eintopf nur in kleinen Happen. Richtigen Hunger schien sie nicht zu haben.

  • Liam nahm sich den Wasserkrug, um sich selbst etwas einzuschenken, dann füllt er auch Hadras Becher nach. Das gab ihm die Zeit zur Formulierung einer Antwort.


    "Es gab mir nur zu denken, dass die bewußte Dame niemals jemand war, den ich mit einem Priestertum in Verbindung gebracht hätte."


    Ihre Frage übergeht er schlichtweg.


    "Könnten also der hiesige Sergeant oder der hiesige Klerus eher wissen, wo ich sie finde? Immerhin wissen Freunde doch mehr als die Menschen, mit denen man arbeitet."

  • "Oh ich gehe fest davon aus, dass sie es wissen."


    bestätigte Hadra und nickte dankend, als er ihren Becher nachfüllte.


    "Es muss eine gute Weile her sein, dass Ihr sie gesehen habt. Als ich sie kennenlernte wirkte sie sehr gesetzt in ihrem Glauben. Umso denkwürdiger, dass sie mit unserem Klerus nicht auf Kriegsfuß steht."

  • "Wir waren lange Jahre auf uns gestellt und die Priester bekamen keine... Konkurrenz. Nun, hier in Renascân, gibt es viele verschiedene Kulturen und auch fremde Religionen. Das nimmt ihnen einen guten Teil ihres alleinigen Anspruchs auf das Seelenheil der Leute. Was glaubt Ihr also?"


    Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher, betrachtete für einen kurzen Moment die Eiswürfel darin und lächelte leicht. Morgaine war doch zu leicht zu reizen. Es machte kaum noch Spaß.

  • Liam zuckte lediglich mit den breiten Schultern.


    "Ich habe es auf meinen Reisen nie anders kennengelernt. Man versucht, sich zu arrangieren - oder man scheitert und es gibt Verfolgungen und Krieg."


    Er blickte von seinem Eintopf auf.


    "Haltet Ihr das hier für möglich? In dem Fall muss ich die Dame wohl überreden, mich zu begleiten."

  • Hadra lachte leise und faltete die Hände.


    "Wenn sie nicht gerade irgendetwas sehr Dummes tut - was sie bisher scheinbar noch nicht getan hat, da sie ja noch nicht mit einem wütenden Mob angeführt von der Priesterschaft verbrannt wurde - dann sollte sie hier eigentlich recht sicher sein. Ihr scheint Euch ja sehr um sie zu sorgen."


    Sie betrachtete ihn unter leicht geschlossenen Lidern und versuchte ihn einzuschätzen. Er zeigte sehr viel Interesse an der Priesterin. Nur wieso?

  • Liam ließ ein Lächeln in Hadras Richtung aufblitzen.


    "Ich sorge mich stets um das Wohl der Damen in meiner Umgebung."


    Sein Blick schien zu fragen, ob sie nicht auch Interesse an ein wenig Umsorgung hätte. Er beendete dann seine Mahlzeit und legte den Löffel neben die Suppenschüssel.

  • Hadra erwiderte seinen Blick offen und hob leicht eine Augenbraue. Von ihrem Eintopf war noch gut die Hälfte übrig.


    "Das ehrt Euch."


    entgegnete sie leicht spöttisch.


    "Dann hoffe ich doch für Euch, dass Ihr Euch nicht sorgen müsst."


    So langsam begann sie ein anderes Interesse an dem Mann zu gewinnen. Was wollte er nur von der Priesterin? Ob sie sich sogar vor ihm hier versteckte? Sie überlegte kurz, ob sie ihr eine Nachricht zukommen lassen konnte und fragte sich im selben Augenblick, ob sie überhaupt derzeit in Renascân weilte. Sie war nicht mit zurück nach Renascân gekommen und seit ihrem Treffen in Amonlonde hatte sie sie auch nicht mehr getroffen. Weder auf diesem Boden noch auf anderem. Auch gut. Mehr Zeit für sie, sich diesen Mann anzusehen.

  • "Ihr glaubt mir nicht?" Liam beugte sich wieder ein wenig über die Tischplatte und lächelte Hadra warm an. "Ich sehe das in Euren Augen. Ihr haltet mich doch für einen Schurken." Er seufzte leise und das klang halb fatalistisch, halb amüsiert. "Aber natürlich habt Ihr Recht. Ich bin ein Schurke. Allerdings nur ein ganz kleiner Fisch, der stets den Weg zurück in's Wasser gefunden hat."

  • "Und wieder habt Ihr mich durchschaut."


    sagte Hadra und lächelte amüsiert.


    "Also seid Ihr ein... ehrenhafter Halunke, ja? Was ist Euer Geschäft?"


    Ihrer Stimme und Miene war nicht anzusehen, ob sie hier scherzte. Man könnte es wohl meinen.


    "Stehlen?"


    Sie warf ihm einen Blick zu, der möglicherweise sagte ".. die Herzen der Frauen?".


    "Oder gar Schmuggelei oder Überfälle?"

  • "Ehre ist nur etwas für Menschen, die sie sich leisten können", gab Liam zurück und seine Augen blitzten kurz herausfordernd auf. Dann lehnte er sich zurück und maß Hadra mit einem langen Blick. "Mit der Liste meiner Verfehlungen will ich Euch nicht langweilen und mich nicht um Kopf und Kragen reden. Schließlich seid Ihr ja tugendhaftes Mitglied der Staatsgewalt." Er sah Hadra tief in die Augen. "Würde es reichen Euch zu versprechen, dass ich während meines Aufenthaltes hier brav sein werde?"

  • Hadra lehnte sich langsam zurück, drehte den Fächer locker zwischen den Fingerspitzen. Auf ihrem Gesicht war ein fröhliches Lächeln zu sehen.


    "Oh, ich weiß nicht."


    Sie schenkte ihm einen sehr mädchenhaften Augenaufschlag.

  • Liam lächelte langsam und genüsslich, wie ein Mann, dem man just ein Stück Kuchen mit Sahne vor die Nase gesetzt hatte.


    "Was muss ich armer Mann also tun, um Euch nicht vollends mit Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein?" Er legte den Kopf schräg. "Ein Gefallen etwa? Eine Tat?"

  • Hadra machte eine Pause, sah ihn an, lächelte leicht dabei.


    "Möglicherweise sollte ich Euch ein wenig im Auge behalten. Was zählt schon das Wort eines Halunken?"


    Ihre Worte waren neckend, kaum ernst gemeint und doch ein Vorstoß in ein Gebiet, das er als Beleidigung auffassen könnte, wenn er wollte. Auf spielerische Art und Weise versuchte sie Grenzen auszuloten. Das romantische Bild des stehlenden, gut aussehenden Räubers, der nicht nur Geld mitgehen lässt sondern zuweilen auch das Herz einer Frau, war auch hier nicht unbekannt. Genauso dumm, aber nicht minder begehrt.

  • Liam nickte leicht.


    "Tja, was zählt es schon?" Er schien eher amüsiert als beleidigt, aber etwas Dunkles glomm dennoch in seinem Blick auf und er schaute zum Tresen. "Also schlage ich vor, dass wir uns wieder verabreden, damit Ihr Euer Vorhaben auch ohne Hinderung durchführen könnt. Was meint Ihr?"

  • Hadra seufzte ergeben und beobachtete aufmerksam und zufrieden seine Reaktion.


    "Daran führt wohl kein Weg vorbei."


    Sie schaute ihn über den Rand ihres Bechers an.


    "Wann wäre es Euch gelegen? Je nachdem wie Euer... Anliegen sich entwickelt, bezieht Ihr wohl scheinbar auch Quartier. Das macht es für mich schwieriger, Euch zu finden."

  • Der große Mann überlegte kurz.


    "Nun, ich denke der morgige Tag wäre - schicklich. Wenn sich ein Mann und eine Frau mehr als einmal an einem Tag treffen, ist das ja fast so. als würden sie mehr als zweimal miteinander tanzen." Noch immer lag etwas in seinen Augen, eine Nuance, die vorher nicht dagewesen war. Nicht, dass er wirkte, als hätte man ihn beleidigt, nein, er schien an etwas zu denken, das ihn beschäftigte. "Was die Wahl meiner Unterkunft angeht, hängt wirklich von meinem Ansinnen ab, Ihr habt schon Recht -." Er ließ die Worten einen Moment in der Luft stehen. "Aber erst einmal werde ich hier unterkommen, denke ich. Wenn Ihr mich dann sucht, werdet Ihr mich sehr einfach finden."

  • "Oh wunderbar. Wenn das so einfach ist, dann werde ich meine Spitzel rasch entsenden."


    meinte Hadra und strahlte ihn an. Sie hatte keineswegs die Absicht irgendwen zu entsenden um ihn im Auge zu behalten und sie glaubte auch nicht wirklich, dass er irgendetwas anstellen würde, aber falls Alanis etwas zustoßen sollte, wusste sie, wo man nachfragen könnte. Je nachdem natürlich, wie lang seine Geduld war. Wann die Priesterin hier wieder auftauchen würde, wusste wohl niemand so genau.


    "Ihr erlaubt...?"


    Sie erhob sich und strich ihr Kleid glatt.


    "Die Studien, Ihr versteht?"