Im Hafen von Rendor

  • Dunja läßt sich einen Moment lang von Maries Überschwang mitreissen, doch dann schüttelt sie bedauernd den Kopf,


    "Liebe Marie, ich will dir gerne beibringen, was ich weiß und mit dir all jene Orte besuchen, die du vielleicht nur aus Erzählungen kennst! Aber bei dir wohnen... das kann ich nicht...!"


    Sie ergreift Maries Hände und schaut sie ernst an,


    "Ich will dich gerne so oft als mir möglich besuchen kommen, und ich werde mich als dein Gast mehr als wohlfühlen, dessen bin ich gewiss! Aber dies alles hier ist nicht meine Welt... es ist für mich fremd..."


    Ihr gehen die Worte aus und sie ringt um eine Erklärung, die der jungen Frau verständlich macht, was sie fühlt.


    "Schau Marie, ich bin ein unruhiger Geist und das Reisen liegt mir im Blut! Wenn ich längere Zeit an einem Ort verweile, werde ich rastlos und unleidig... hier in einer Stadt zwischen braven Bürgern & betuchten Kaufleuten würde ich eingehen..."


    Mit entschuldigendem Blick sieht sie zu Marie,


    "Wenn du es dir wirklich so sehr wünschen würdest, würde ich dir den Gefallen tun... aber bitten würde ich dich, lass mich bei dir zu Besuch sein und deine Gastfreundschaft geniessen!"


    Sie seufzt und gibt dann zu,


    "Ich weiß, dies muß nun in deinen Ohren furchtbar undankbar klingen... immerhin ist dein Angebot über alle Maßen großartig... aber vielleicht wirst du auf unseren Reisen verstehen, was ich meine & mir verzeihen können, dass ich es nicht annehmen kann!"

  • Marie sah Dunja nachdenklich an...


    "Mhhmm... ja, ich kann Dich verstehen. Aber ich möchte, dass Du weißt, dass Du hier immer willkommen bist und trotzdem Dein eigenes Reich haben sollst - ein kleiner Zufluchtsort, wenn du des Reisens mal für eine Zeit überdrüssig wirst. Ja?!"


    Dann überlegte sie weiter:


    "Ich würde mich wirklich freuen, wenn Du mir alles beibringst, was ich wissen müsste, um 'da draußen' zu überleben. Unter anderem würde ich auch gerne versuchen, ein Schwert oder einen Dolch zu führen. Ich würde gerne wissen, welche Kleidung am praktischten für das freie Feld wäre... soweit ich nämlich gehört habe, soll die Fürstin das Schlachtfeld nicht meiden wollen und da möchte ich mich nicht wie ein Tölpel benehmen. Wunden verbinden, Heilmittel herstellen, das kann ich bereits durch meine Klosterarbeit..."


    Dann fiel Marie ein, dass sie ja auch noch einen Hosenrock hatte für den Anfang. Fehlten nur endlich noch ein paar feste Stiefel fürs freie Feld. Sie würde sich heimlich welche anfertigen lassen - vielleicht über Fanny, damit Ihr "Aufpasser" es nicht ihrem Vater berichtete... und sie würde einen dunklen, warmen Umhang benötigen. Nach und nach würde sie sich diese Dinge anschaffen.

  • "Na gut! Das ist ein Kompromiss, den ich gerne eingehen will!"


    Dunja nickt zustimmend,


    "Wie man überlebt, will ich dir gerne beibringen... aber wisse, dass das nichts mit Heldenmut oder romantischen Abenteuergeschichten zutun hat. Das was manch Ritter Feigheit oder Kleinmut nennen würde, rettet dir vielleicht einmal das Leben! Kämpfen, zu mehr als der Verteidigung ist nur etwas für Krieger, denen es Spass macht sich sinnlos Waffen um die Ohren zu schlagen... wenn du wirklich in Gefahr gerätst, gibt es nur eine einzige effektive Art zu handeln... die Flucht!"


    Sie schaut Marie ernst an,


    "Das du der Heilkunst mächtig bist, ist gut! Macht dich jedoch auch angreifbar... oft sind die Heiler die ersten, die im Krieg ausgeschaltet werden, um dem Feind die Möglichkeit der Wiederherstellung seiner Soldaten zu nehmen."


    Ein bitteres Lächeln huscht über ihre Züge,


    "Wenn du kannst, halte dich aus Kämpfen heraus! Ich halte wenig davon Hofdamen nur der Bequemlichkeit einer Herrscherin wegen mit an die Front zu nehmen..."

  • Marie nickte:


    "Ich verspreche hiermit, dass ich immer vorsichtig sein werde und mich nicht freiwillig und mutwillig in Gefahr begeben werden!" schwor Marie mit der Hand aufs Herz.


    "Schließlich bin ich keine Kriegerin oder Heilerin. Ich möchte mich halt nur verteidigen und zu benehmen wissen. Und mutig genug werde ich wahrscheinlich auch nie sein... ich bin eben nicht Du."


    Es wurde langsam dunkel und Marie schlug daher vor:


    "Wir sollten rasch die anderen Zimmer begutachten bevor wir nichts mehr sehen... und dann gehen wir wieder nach Hause. Dort wartet noch ein Bad auf Dich! Und vielleicht sind der Kapitän und Jan auch schon da..."


    Marie ging aus dem Zimmer und forderte Dunja auf, ihr zu folgen. Sie zeigte ihr ein weiteres Zimmer auf dieser Etage und erklärte noch, dass über ihr das Personal schlafen werde in drei kleinen Kammern.


    Dann gingen beide die Treppen wieder runter ins Entree. Marie trat aus der Haustür und rief dem Handwerker auf dem Gerüst zu:


    "Verehrter Herr, es wird dunkel. Geht nach Hause zu Eurer Familie. Der Rest kann auch noch morgen erledigt werden." Sie schenkte ihm ein Lächeln. "Und Eure Frau sollte in den nächsten Tagen vorbeikommen. Ich habe das neue Rezept für die Medizin fertig."


    Der Mann nickte ihr ebenso freundlich zu. "Ja, Ma'am. Da wird sie Ihnen dankbar sein."


    Marie ging die kleinen Treppen hinab und erklärte Dunja: "Sie hat Rheuma, die Ärmste. Ich habe ihr Rosmarinöl und einige andere Zutaten zusammengemischt. Damit kann sie sich ihre Hände, die sie so dringend zum arbeiten benötigt, einreiben und hoffentlich bringt es wieder Linderung. Sie hat 5 Kinder und verkauft nebenbei noch sehr leckere Backwaren."

  • "Ich werde dich daran erinnern!"


    Trotz ihres fröhlichen Zwinkerns ist Dunjas Stimme bei diesen Worten ernst und leise fügt sie an,


    "Mut ist nicht das Fehlen von Angst, sondern das Wissen darum, dass es etwas gibt, dass wichtiger ist als diese!"


    Sie lächelt und folgt Marie dann in das andere Zimmer hinüber und zum Schluß wieder nach draussen. Dem Gespräch zwischen der jungen Frau und dem Handwerker hört sie erfreut zu und bei Maries nachfolgender Erklärung nickt sie zustimmend, bevor sie leise flüstert,


    "Wenn du nicht acht gibst, werden sie dich irgendwann als Heilige verehren und Santa Marie nennen!"


    Sie zwinkert ihr zu und muß dann lachen...

  • "Ach quatsch!" schlug Marie Dunja scherzhaft auf den Unterarm und musste ebenso herzlich lachen...


    "Ich bin so erzogen worden im Kloster - das ist unsere Sinnung. Helfe Deinen Nächsten und befreie dadurch Deinen Geist. D.h. gebe soviel Du kannst und erwarte nichts dafür. Nur dann kannst Du Deinen inneren Frieden finden und zum Wohl aller beitragen. Sollte es einem aber dann auch mal schlecht gehen, wird es Dir jemand vergelten, dass Du reinen Herzens bist.


    Und ich helfe gern, das nunmal mein Naturell. Wir haben soviel und andere so wenig bis gar nichts... es wäre doch nicht fair, alles zu horten und nichts zurückzugeben.


    Und durch solche Aufgaben habe ich wenigstens etwas zu tun, womit ich aus meinem Alltag ausbrechen kann. Ich sehe Menschen so gerne Lächeln, wenn sie sich über solche Kleinigkeiten freuen. Am meisten macht mir die Arbeit mit den Kindern Freude... wie schön Kinderaugen leuchten können, wenn man ihnen etwas beibringt oder auch nur vorliest..."


    Marie und Dunja gingen den Weg wieder zurück, den sie hierher gekommen waren. Nach einigen Minuten standen sie wieder vor Maries Haus und traten ein.

  • Dunja hat Maries Worten aufmerksam zugehört und das ein oder andere Mal beifällig genickt. Als die junge Frau endet, bemerkt sie halb ernst, halb im Scherz,


    "Du brauchst dringend einen Gemahl und eine große Familie! Am besten mit einem ausgedehnten Gut, wo du schalten & walten kannst, wie es dein Herz gebietet!"


    Sie zwinkert Marie zu und fügt dann sehr ernst hinzu,


    "Ganz gleich was... aber du brauchst dringend eine vernünftige Aufgabe, meine Liebe!"


    Während sie dies sagt, scheint ein eigentümliches Glitzern in ihren Augen zu liegen und ein feines Lächeln umspielt ihre Lippen...

  • "Oh doch! Deine Taten sind mehr als vernünftig! Aber es sind nur Dinge, die du nebenbei tust. Nicht wie bei deinem Vater, der von Beruf Kaufmann ist und dessen vornehmlichste Aufgabe der Handel ist oder bei den frommen Schwestern, die ihr Lebenswerk dem Dienst an ihren Göttern geweiht haben."


    Dunja schaut Marie begütigend an,


    "Du bist von Beruf 'Tochter' und du versuchst dies mit so viel guten Taten auszufüllen, wie dir möglich ist! Aber wenn du eine wirkliche Aufgabe hättest... etwas, dass dir wichtig ist... etwas, dass du dir ausgesucht hast... ich glaube, dann wärst du glücklicher... zufriedener... erfüllter!"


    Sie zuckt mit den Schultern und gibt dann zu,


    "Ach, es ist schwer in Worte zu fassen... bitte versteh mich nicht falsch! Es ist nur so schwierig zu erklären!"

  • "hmmhh.." Marie sagte nichts mehr und trat schweigend in ihr Haus ein... sie nahm die warme Kleidung ab und nahm Dunjas Umhang entgegen.


    "Vielleicht..."


    Marie setzte nochmal an und ließ es dann doch schulterhängend... statt dessen befand sie es besser, das Thema zu wechseln:


    "Möchtest Du vielleicht das heiße Bad nehmen?"

  • "Hey... das was du tust ist gut! Sehr gut sogar!"


    Dunja berührt Marie am Arm,


    "Wirklich!"


    Sie schaut sie ernst an und geht dann auf den Themenwechsel ein,


    "Sehr gerne! Ein Bad wäre jetzt wirklich herrlich!"

  • Marie schaute Dunja an... es schien, als würde sie noch was sagen wollen, konnte es aber nicht... sodann erwiederte sie:


    "Dann nimm doch bitte noch Platz im Salon. Ich werde schnell Bescheid geben und dann können wir nach oben gehen." Marie wendete sich ab und wollte gerade in die Küche gehen.


    In dem Moment klopfte es an der Tür und Marie drehte sich wieder um, ging auf die Tür zu und öffnete diese.


    "Kapitän! Jan! Wie schön, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid! Kommt doch bitte herein!"

  • Marie begrüßte beide herzlich und bat sie ebenfalls in den Salon.


    Dunja konnte kurze Zeit später ihr Bad genießen, während der Kapitän und Jan ihr Zimmer bezogen.


    Sie verbrachten einen schönen gemeinsamen Abend zusammen, an dem sehr viel sehr herzlich gelacht wurde. Marie hatte lange nicht mehr soviel Gelächter in ihrem Heim gehört und manchmal kam ihr die Erinnerung an ihre herzliche Mutter zurück, die immer so gerne viele Gäste zuhause hatte und deren Gesellschaften immer sehr beliebt waren, weil dort viel gelacht wurde.


    Am nächsten Morgen wurde eilig das Reisegepäck gepackt und Marie verabschiedete sich von Fanny, die auf das Heim aufpassen sollte, während sie weg war. Sie würde ja bald wieder da sein.


    Dunja, der Kapitän und Jan ließen sich noch einiges an Leckereien von Fanny mitgeben und Marie nahm noch einige kleine Säcke mit Gewürzen für Maurice, dem Koch der Dorntal, mit.


    An Bord der Dorntal angekommen verließen sie auch sodann den Hafen - in Richtung Abendteuer wie Marie so sehr hoffte. Sie stand an der Reling und schaute zu ihrem Heimathafen, der immer kleiner wurde. Vor freudiger Erwartung leuchteten ihre Augen und ihre Wangen wurden rot durch den frischen Wind gefärbt. Ja, das gefiel ihr....

  • Marie stand an der Reling der 'Dorntal', während das Schiff anlegte und schaute auf den ihr so vertrauten Hafen und doch konnte sie sich nicht freuen, zuhause zu sein, war alles doch irgendwie anders... soviel war in den letzten Wochen passiert war.


    Sie wollte Abendteuer erleben und war nun bedrückter als je zuvor. Wenn sie nur nichts mehr fühlen würde... wenn sie nicht auf diese Reise gegangen wäre... vielleicht würde sie dann zwar nicht reicher an Erfahrungen und neuen Bekannten sein, aber vielleicht würde sie sich nicht so fühlen wie jetzt... wenn diese Beklommenheit nur gehen würde... noch nie hatte sie sich so gefühlt... ihr war schwer ums Herz.
    Die Tage ihrer Reise zurück nach Rendor war Marie Babette nicht sehr redsam gewesen, schaute oft aufs offene Meer und dachte nach.


    Entscheidungen standen an, die ihr die Luft zum Atmen zu nehmen schienen... was sollte sie tun? Sie wusste, sie musste alleine entscheiden, wo ihr Weg zukünftig hinführte... eine völlig neue Erfahrung, hatten bisher doch immer andere für sie in wichtigen Angelegenheiten entschieden.

  • Dunja hatte auf der Fahrt versucht Marie so viel Raum für sich zu geben, wie es in der Beengtheit an Bord nur irgend möglich gewesen war. Nun steht sie ein gutes Stück abseits der jungen Frau und beobachtet sie nachdenklich. Sie war sich sicher, dass es notwendig gewesen war, Marie vor diese Entscheidung zu stellen und doch bedauert sie, dass sie mit ihrer Befürchtung Recht zu haben schien, dass ihre Freundin vielleicht doch glücklicher geblieben wäre, hätte sie ihr nicht so viele Dinge gezeigt, die ihr völlig fremd waren. Sie seufzt kurz und schüttelt dann den Kopf als ihr klar wird, dass all die Dinge, die geschehen waren nur einen winzigen Bruchteil dessen darstellten, was Marie in Thyngary bevorstand, würde sie ihr Angebot wirklich annehmen. Vielleicht wäre es doch besser..., sie seufzt erneut, unschlüssig mit sich selbst und dieser vermaledeiten Sache...

  • Marie krallte sich fest an die Reling und seufzte. Dann schüttelte sie ihren Kopf, als könnte sie sich von ihren Gedanken befreien.


    'Du dumme, dumme Gans!' sagte sie leise zu sich selbst. 'Wie konnte ich bloß so dumm sein?'


    Marie drehte sich um, wusste sie doch, dass Dunja nicht weit von ihr stand. Sie war ihr dankbar, dass sie sie in den letzten Tagen in Ruhe ließ. Dunja wusste sicherlich, dass sie viel über ihre Zukunft und das Geschehene nachdachte.


    Der Steg zum Kai wurde runtergelassen und sofort wurde begonnen, Gepäck und leere Fässer herunterzubringen.


    "Dunja... Du bist doch noch mein Gast für einige Tage? Oder musst Du gleich wieder zurück? Vielleicht ist ja Flora auch schon da von ihrer Reise..."


    Flora... ihr hatte sie viel zu erzählen. Vielleicht wüsste ihre Freundin aus Kindertagen, was sie tun sollte und vor allem, wie sie jemanden vergessen könnte. Marie seufzte abermals auf.

  • "Ganz wie du magst!"


    Dunja mustert Marie einen Moment besorgt,


    "Bedwyr wird mit der >Dorntal< weiter nach Taron segeln, aber wenn du möchtest, kann ich gerne noch eine Weile hier in Rendor bleiben. Vorausgesetzt, du willst nach all dem nicht lieber alleine sein..."

  • "Oh Dunja - wie könnte ich nicht wollen, dass Du bleibst?! Das Schiff muss wieder zurück? Ich dachte, vielleicht könnten wir Flora in einigen Tagen einsammeln und alle zusammen zum Aranientreff fahren...?"


    Marie lächelte geqält.


    "Außerdem würde ich mich freuen, wenn Du mir noch ein wenig Gehör gewährst... ich muss über vieles Nachdenken und vielleicht kannst Du mir ein paar andere Gedankengänge aufzeigen."


    Marie umarmte Dunja urplötzlich, die sie etwas überrumpelt ansah.


    "Dunja - ich weiß nicht, was ich machen soll... komm, lass uns von Bord gehen. Mir ist nach einer heißen Tasse Tee."

  • Nach einem kurzen Moment der Überraschung erwidert Dunja die Umarmung, nickt zustimmend und bittet Marie dann,


    "Ich hole nur rasch meine Sachen und gebe Bedwyr Bescheid!"


    Sie löst sich von der jungen Frau und verschwindet unter Deck, von wo sie nur wenig später mit einem Reisesack in der Hand wieder auftaucht. Gemeinsam mit Marie Babette verläßt sie das Schiff über den schmalen Steg, den zwei der Seeleute direkt nach ihnen wieder einholen. Einen Moment schaut Dunja der ablegenden >Dorntal< noch zu, dann wendet sie sich ab und erklärt Marie,


    "Es gibt noch ein paar Sachen zu erledigen und Kapitän Bedwyr ist einfach der beste Mann dafür!"


    Sie zwinkert Marie verschmitzt zu, während sie Richtung des Kontors der Moribas gehen.


    "Um nach Aranien zu kommen, werden wir einfach ein anderes Schiff nehmen, dass dürfte in einem so regen Hafen wie Rendor doch nicht wirklich ein Problem darstellen oder?"