Zum brennenden Tisch 23

  • Noch bevor ihre Augen es sehen, streifen ihre Finger über die glatte nicht sehr kühle Oberfläche des eingewickelten Gegenstands....klare Strukturen... pure Elektrizität in den Fingerkuppen... und bekannt.


    Kahri hat ihren Blick noch immer auf der Frau geheftet.


    "Ich schaue aber genau hin, ich habe nie etwas anderes getan als das..."


    Für einen winzigen Moment sind ihre fast geflüsterten Worte scharf wie Stahl...

  • Alanis zögerte nicht, den Gegenstand auszuwickeln, auch wenn sich ihr Magen zusammenkrampfte. Über Furcht war sie längst hinaus - und doch war es nichts anderes als Furcht, in dem alles seinen Anfang genommen hatte.


    Die Priesterin lächelte Kahri an, wenn auch kühl.


    "Für die anderen reicht es. Das ist die Hauptsache."

  • "Ihr habt an einem Ort, den ihr nicht kennt, in einer Stadt, die ihr nicht kennt, jemanden getötet, den ihr nicht kanntet... Andere haben diese Spuren verwischt, Andere retteten euer Leben, Andere ließen euch gehen.Andere leben mit den Konsequenzen eurer Taten, andere leben nicht mehr damit."


    Die toten Löcher über den perfekt nach empfundenen Wangen, welche Alanis Gesichtszügen glichen, wie das Portrait eines guten Malers, sehen die Priesterin wie aus dem Nichts einer sternenlosen Nacht aufglimmend an.


    "Wirklich?"


    Seltsamerweise ist ein jedes ihrer Worte, ohne Anklage, eher von einer wissenden Traurigkeit begleitet, die sich nur im Ton ihrer Stimme wiederfindet, während ihre grünen Augen große Leere und gleichermaßen eine nicht fassbare Fülle von unbekannten Dingen vereinten

    Pink fluffy unicorns dancing on the rainbow..dummidudidummm

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Kahri ()

  • Alanis hörte zu - und zuckte mit den Schultern. Die Gedanken an das, was geschehen war, hatte sie immer und immer wieder gewälzt, von allen Seiten betrachtet und schließlich beschlossen, die Dinge zu akzeptieren.


    "Man soll nicht über vergossene Milch weinen", sagte sie ohne jedlich Regung. "Nichts von dem zählt. Eine andere Stadt, ein anderes Land, ein anderes Leben. Soll ich etwas dankbar sein?"


    Letzteres klang tatsächlich spöttisch.

  • Nun hob sich eine von Kahris Augenbrauen. Sie schien nun irritiert.


    "Sitzt hier ein Meuchler vor mir, der im Auftrag, für Gold, unliebsame Menschen aus dem Weg räumt? Oder ein gerechter Rächer, der Wiedergutmachung für Leid eingefordert hat? Oder ist es viel schlimmer als das, ...jemand der nicht im Geringsten mit irgendeinem Gefühl behaftet, ein Leben genommen hat, weil er es konnte und dann weitergezogen ist?"

  • Alanis Mundwinkel zuckte hoch.


    "Das, was geschehen ist, lässt sich nicht in Kategorien pressen, um es im Nachhinein mit einer moralischen Wertung zu versehen."


    Sie legte den Kopf zur Seite.


    "Vielleicht war ich alles. Eigentlich bin ich keines. Ich habe es mir betrachtet und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich es weder bedauern noch bejubeln kann. Und damit ist es einfach nur ein Stück meines Lebens."

  • Die Irritation ist vorüber, kaum, dass Alanis ihren Satz zu Ende gesprochen hat. Betrübnis hatte sich in ihre Augen eingeschlichen. Mit einer fast spürbar schmerzhaften Enttäuschung lehnte sich Kahri wieder zurück und wandte ihren Blick von der Priesterin ab.


    "Dann hat er also zwei Mal gewonnen."


    Und sie hasste ihn dafür... und verbarg es, weil es nicht Alanis Geschichte war.


    Deshalb war ihr die Frau so bekannt vorgekommen, alles hatte sich im Augenblick, da sie ihre Züge gesehen hatte, vereint. Die Maske, keine unbekannte Komponente nur mit anderen Zügen, auf dem Boden des Flurs... der seelenlose Tote im Zimmer, neben dem dampfenden Badezuber.


    Sie wollte gehen, hatte die Begründung für seine Selbstgefälligkeit als sie einander das letzte Mal begegnet waren. Wieso hatte sie auch nur einen Moment lang gedacht, das der Tod dieses dreckigen Hundes, der so viel Leid verursacht hatte, ein Geschenk der Widergutmachung gewesen sei. Am Ende hatte sie mehr als nur eine Seele bekommen.

  • Die Priesterin wirkte irritiert.


    "Wie meint Ihr das? Zweimal? Über mich - ganz klar hat er das. Und es wird mich den Rest meines Lebens kosten, damit umzugehen zu lernen."


    Darin klang nicht etwas Selbstmitleid mit, sondern des Wissen, dass nichts mehr so war, wie es vor Daynon gewesen war.

  • Kahri war schon im Gehen begriffen und wollte sich gerade erheben, als sie noch einmal zu Alanis hinüberblickte und nickte.


    "Er hat in dem Augenblick über euch gewonnen, da ihr das Leben des anderen genommen habt. Er hätte auch gewonnen, hättet ihr das Leben des anderen über eurer eigenes gestellt und euch selbst gerichtet. Das ist das Spiel, dass er spielt, er weiß, dass er gewinnen wird, nur wie es geschieht und welchen möglichen Ausgang der Möglichkeiten es hat, weiß er nicht und tut gerade deshalb ergebenen Dienst an seiner Göttin. Und mit eurer Tat, habt ihr IHR ebenfalls Opfer dargebracht. Er musste sich nicht einmal die Hände schmutzig machen. Aus einem Leid enstehen zwei, aus zwei, vier ... und der fünfte betet und beginnt zu rächen."


    Sie lächelt traurig und obwohl sie die Maske nicht wieder annimmt, legt sie mit einer sachten Handbewegung das Tuch wieder darüber. Erst dann erhebt sie sich.

  • "Seht Ihr", lächelte Alanis sachte, wenngleich ein wenig traurig. "Und genau deswegen muss ein Amulett wieder ein Amulett sein. Und ein Spiegel wieder ein Stück aus tausend Scherben. "Für meine Freunde und Gefährten werde ich wieder genau das sein, was sie immer hatten und brauchten. Eine Heilerin. - Für mich selbst werde ich immer diejenige sein, die verloren und etwas Heiliges auf dem falschen Altar zerstört hat."

  • "Ein gutes Buch... wird für den Leser interessant, wenn es eine ansprechende Einleitung hat... aber viel wesentlicher ist der Inhalt, das was sich hinter den Worten versteckt. "


    Sie lächelt wieder, wirkt auf eine seltsame Art erleichtert und nimmt Alanis kurzen betrübten Blick wahr, ohne ihn mit irgendwas zu verstärken... ganz im Gegenteil.


    "Wir sollten jetzt etwas essen, findet ihr nicht? Und ein Glas Portwein dazu trinken."

  • Alanis nickte und schob den zweiten Becher, den sie im Hinblick auf ihr Treffen bestellt hatte, zu Kahri hinüber. Sie füllte beide Becher mit in trägem Rot fließendem Portwein, dann schob sie auch die reichlich gefüllte Platte mit kaltem Abendessen - Speck, Wurst, Käse, Radieschen, Tomaten, Gurken, Brot und Kräuterbutter - zu Kahri hinüber.


    "Bedient Euch." Sie nahm einen Schluck Wein und hob kurz anerkennend die Braue. Er war gut. "Und woher kennt Ihr nun unseren gemeinsamen Freund?"

  • Sie bediente sich zurückhaltend an den leichten Sachen und genoß sichtlich den ersten Schluck des Weines, der in ihren Händen wie Blut wirkte.


    Über den Rand ihres Kelches sah sie zu Alanis hinüber.


    "Er hat mich ausgebildet."

  • "Ah." Alanis nickte sachte vor sich hin. Mildes Amüsement stand auf ihrem Gesicht, hinter dem sich jedoch etwas anderes verbarg. Ein Anfall von Wahnsinn? Oder einfach Hysterie? Oder vielleicht doch nur ein Lachen über die Winkelzüge des Lebens. "Und seid Ihr sowas wie seine Erfolgskontrolle?"

  • Kahri betrachtete ruhig die Reaktion ihres Gegenübers und wartete, bis diese ein wenig verebbt war.


    "Aber nein, so würde ich das nicht bezeichnen, auch wenn diese Definition schon fast irrwitzig richtig ist."


    Wieder nahm sie einen Schluck Portwein zu sich, auch wenn kaum eine Schluckbewegung zu sehen war. Dann winkte sie plötzlich ab.


    "Unser Treffen ist Zufall, es war nicht geplant, es endet nicht in einem Krieg in euren Kopf zu kommen, um die mühsam geflickten Wunden der letzten Monde aufzureissen und dafür zu sorgen, dass eure Seele in tausend Scherben zerbrochen, zu einem erneuten Werkzeug einer Göttin wird, deren Namen ihr noch nicht einmal kennt."


    Kahri hielt inne, rollte ein wenig mit den Augen und begann dann leise zu lachen.


    "Bei Hoar, was für ein theatralischer Satz, mehr Pathos ist wohl kaum zu ertragen."


    Sie sieht Alanis wieder an, ihren Kopf schüttelnd, kühlten ihre Züge sich merklich ab..


    "Als ich wußte, wer vor mir steht, denn die Maske ist wirklich wunderschön, egal wie grausam ihre Geschichte ist, wollte ich sehen, was er da geboren hat... und für einige Augenblicke dachte ich schon, er wäre erfolgreich gewesen... aber ich glaube, noch ist er das nicht und das macht mir ein wenig Hoffnung, das er langsam aber sicher fahrlässig wird."

  • "Pathos ist ekelhaft", gab Alanis trocken zurück und biss ein eine Brotscheibe, die sie mit Kräuterbutter bestrichen hatte. Sie dachte an die anderen Vertreter von Glaubensrichtungen, die mit dem Schatten und dem Nichts zu tun hatten. "Ich verabscheue dieses pathetische Herumschlawenzeln im Dunkeln, das geheimnisvolle Flüstern, das Herumlavieren mit schönen Worten - ich mag meine Angelegenheiten direkt und auf den Punkt."


    Ihr Mundwinkel zog sich hoch, um den harten Worten die Spitze zu nehmen.


    "Ihr hofft, dass er fahrlässig wird. Sägt Ihr an seinem Thron?"

  • Kahri lehnte sich nun fast lässig zurück und lachte wieder leise. Was sie hinsichtlich von Alanis ersten Worten wirklich dachte, blieb verborgen, sie schien nicht weiter darauf einzugehen. Nur der kurze Anflug eines leichten Kopfschütteln konnte Mutmaßungen Platz einräumen.


    "Der Thron ist wirklich hübsch oder? Aber nein, daran säge ich nicht... ich bin Teehändlerin, an mir hätte die Göttin nun wirklich keinerlei Gefallen. Er ist dort besser aufgehoben, als ich."

  • Alanis zog eine Grimasse.


    "Nein, hübsch ist der Thron wirklich nicht. Allein schon, weil er sein Thron ist."


    Sie lehnte sich zurück und schlug ein Bein über das andere. Dunkelgraues Leinen von guter Qualität raschelte vornehm dabei.


    "Also wart Ihr in derselben Situation wie ich? Oder durftet Ihr Euch weitaus länger als ich an seinem milden Interesse erfreuen?"

  • Kahri spitzte ein wenig ihre Lippen.


    "Jetzt seid ihr aber ein wenig trotzig," meinte sie etwas süffisant und lächelte dann entkräftigend.


    Dann mustert sie Alanis wieder ein paar Momente schweigend.
    "Ich möchte euch fragen, wieso das von euch für Interesse ist, vielmehr warum ihr solche Fragen stellt," entgegnet sie dann sanft.

  • "Ein wenig Trotz kann man mir zugesehen, denke ich", kam es relativ gelassen zurück. "Was meine Interessen angeht: ich versuche auszumachen, ob ich in Euch einen Freund, einen Feind oder - etwas gänzlich Anderes sehen sollte."