Zum brennenden Tisch 23

  • Auch Alanis stutzte sichtlich, als sie den Mann bemerkte und ein Lächeln stahl sich kurz auf ihr Gesicht. Sie erwiderte den Gruß höflich - sie konnte zu Menschen, die guten Schinken und noch besseren uisce beatha mochten, einfach nicht unhöflich sein - und richtete sich dann an ihrem eigenen Tisch ein.

  • Nach einigen Minuten betrat auch Hadra wieder den Schankraum. Sie nickte Jean-Michel freundlich zu und setzte sich dann mit einem kurzen Gruß zu Alanis. Als nur ein Sekundenbruchteil danach Tee und Kekse vor ihr standen, stutzte sie und warf erst der Schankmaid einen überraschten Blick zu, dann einen verstehenden zu Alanis. Wie aufmerksam von der Priesterin.


    Sie dankte der Schankmaid und dann Alanis. Als sie den Blick über Alanis Frühstück schweifen ließ, nickte sie anerkennend.


    "Man sagt ja, dass es gesund sei gut zu frühstücken. Was würde ich nur darum geben, wenn ich es könnte."


    meinte sie seufzend und in ihrem Blick war etwas zu erkennen, was ein klein wenig Neid sein könnte.

  • Alanis warf einen Blick von dem mageren Frühstück zu Hadra und wieder zurück.


    "Achtet Ihr auf Euer Gewicht oder seid Ihr kein Frühstücker?", fragte sie recht direkt und tunkte die kleine Pfannkuchenrolle in den Tiegel mit der Himbeermarmlade.

  • "Einfach kein Frühstücker."


    sagte Hadra und versteckte ganz gut, dass der Kommentar sie irritiert hatte. Direkt. Sehr direkt.


    "Könnt Ihr mir sagen, worin der Konflikt mit diesen Kindern Outilias bestand? War es einfach nur Land?"

  • "Tja, wenn ich das wüßte", gab Alanis zurück, nachdem sie einen Bissen vom Pfannkuchen genossen hatte und ihr Mund wieder leer war. "Leider kam es in den Tagen des ersten Kontakts mit den Outilisten zu einem magischen Unfall, der Amonlonde in zwei Realitätssphären spaltete, was mich nachhaltig beschäftigt hielt." Wider Willen stellen sich die feinen Haare auf ihren Unterarmen auf und sie bekommt eine Gänsehaut. Sie erinnerte sich an den Schmerz, am ganzen Körper verbrannt zu werden und das Gefühl, dass selbst die Luft in ihren Lungen brannte. "Ich denke Land könnte einer der Gründe gewesen sein. Frauen und Gold scheiden wohl aus."


    Sie nahm einen Schluck warmer Schokolade, um das Gefühl des Unwohlseins loszuwerden.

  • "Sind Frauen und Gold nicht oft genug Grund für Kriege?"

    Hadra legte den Kopf schief und sah Alanis fragend an.


    "Wie sind diese Outilisten? Ein rückständiges Volk? Ohne abfällig klingen zu wollen: Wenn eine behäbige Republik wie Amonlonde sie in die Knie zwingen kann, muss das einen Grund haben."

  • "Öfters, als man denkt", gab Alanis zurück und griff nach einigen frischen Trauben, die auf ihrem Frühstücksbrett angerichtet waren. "Was die Outilisten angeht - rückständig würde ich sie nicht nennen. Dann hätte Amonlonde wohl mit ständigen Angriffen zu rechnen und nicht einem Zweckbündnis wie das, das sich jetzt andeutet. - Und man sollte die Amonlonder nicht unterschätzen, was ihre Kampfkraft angeht und ihren unbedingten Willen, ihre Freiheit zu verteidigen. Das beste Beispiel dafür ist nun einmal Baul thar Shar."


    In ihrer Stimme klang eindeutig widerwillige, belustigte Bewunderung mit.

  • "Oh die Reserven eines jeden Volkes sind irgendwann erschöpft. Niemand kann ständig Krieg führen. Gerade wenn dieser Friedensschluß eher erzwungen war und er erst zwei Jahre vorüber ist: Wer sagt denn, dass sie nicht einfach nur Luft holen zu einem vernichtenden Schlag?"


    Auch der Große Bruderkrieg war eher eine Aneinanderreihung von ruhigen Phasen und Zeiten der Auseinandersetzung gewesen als ein großer, langer Krieg. Es wurde nur nie Frieden geschlossen. Doch alle Seiten hatten Möglichkeiten zum Durchatmen genutzt. Wäre es anders gewesen, wäre die Insel wohl schon lange entvölkert.


    "Was ist dieser Baul tha Shar für ein Mensch? Ratsherr, Krieger, Königsmörder, Politiker? Er scheint sehr vielseitig zu sein. Kommt er auch aus Aelm Arthosia?"


    Mit der letzten Frage holte sie ihr Notizbuch hervor und zog sich die Handschuhe von den Fingern. Dann legte sie Tinte und Feder bereit und schlug die Seite auf, auf der sie bereits vorhin die wenigen Stichworte niedergeschrieben hatte.

  • Alanis lehnte sich entspannt gegen die Stuhllehne zurück und schlug ein Bein über das andere.


    "Begnadeter Bauherr, der den flüssigen Stein nach Amonlonde gebracht hat. Vater mehrerer Kinder. Ehemaliger absoluter Herrscher des Landes Arakur." Letzteres kam ihr beinahe genüsslich von den Lippen. "Und ich glaube er könnte jeden von uns beiden ohne Probleme aus dem Weg schaffen, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen."

  • Auch Hadra lehnte sich zurück, faltete locker ihre Hände auf dem Tisch und ließ einige kurze Sekunden verstreichen.


    "Oh."


    sagte sie in einem feststellenden Tonfall und zog den rechten Mundwinkel in einem zynischen Lächeln hoch.


    "Wie schön."


    Jetzt schlug auch sie die Beine übereinander.

    "Also ein Mann, dem man am Besten aus dem Weg geht oder sich ganz nahe bei ihm hält. Und er gibt sich mit einem Ratssitz zufrieden?"

  • "Ja, das tut er. Es mag manchen verwundern, wieso ein Mann wie Baul, der in seinem sehr langen Leben große Macht und Einfluß gesammelt hat, nicht zugreift und sich nimmt, was er will." Sie lächelte kurz und erneut lag so etwas wie Bewunderung in ihrer Worten, wenn auch gepaart mit großem Ernst. "Und, ganz ehrlich: ich weiß es nicht. Er tut es eben nicht. Er hat ein Haus, einen Ratsposten, eine Familie, viele Freude. Er hat das Militärwesen übernommen und verzeichnet Erfolge."

  • "Wenn sie klug sind, beobachten sie ihn."


    stellte Hadra fest und lächelte.


    "Das Militär in der Hand eines solchen Mannes könnte ein denkwürdiger Schritt sein. Wir werden sehen."


    Sie machte sich einige Notizen zu dem Namen Baul tha Shar und legte die Feder dann so auf die Kante des Buches, dass das Papier nicht beschmutzt wurde.


    "Waren diese Kinder Outilias schon immer hier und es gab dann erst den Konflikt als die Siedler aus Aelm Arthosia kamen oder tauchten sie auf, als hier bereits eine Siedlung exisitierte?"

  • Alanis zuckte mit den Schultern und nahm noch einen Schluck Kakao.


    "Ich habe erst von ihnen gehört, als der Konflikt mit ihnen damals entstand. Ob sie schon vorher da waren, weiß ich nicht. Ich bin nur Gast hier und sicherlich keine Eingeweihte, was Landespolitik angeht."

  • "Gerade als Gast hat man zuweilen Einblicke, die anderen verwehrt bleiben. Habt Ihr eine Einschätzung zu den Beziehungen? Wie seht ihr diese Outilisten?"


    Hadra legte den Kopf schief und schaute Alanis fragend an. Konnte das alles gewesen sein? Das Sammeln von Informationen gestaltete sich schwieriger als gedacht. Ihr fehlten einfach die notwendigen Kontakte, wie sie erkannte. Und über dieses Volk wusste sie nach wie vor noch nichts.

  • Ein sehr feines Lächeln legte sich auf Alanis Lippen.


    "Ich habe nie behauptet, dass ich gewisse Einblicke nicht doch bekomme. Die Frage ist allerdings, ob es sinnvoll ist, diese beim Frühstücksplausch zu erörtern. Zumal ich vermute, dass es auf magonischer Seite sicherlich viele Berichte gibt, was Amonlonde angeht. Der Hohe Herr von Saarweiler dürfte darauf Zugriff haben, wenn ich mich nicht irre."

  • 'Ah, das erklärt einiges.' dachte sich Hadra. Sie wollte ihr also nicht mehr Informationen geben.


    "Nun, ich sehe es unter anderem als meine Aufgabe an, Informationen einzuholen, die eben nicht in den Berichten stehen. Um zu wissen mit wem man es zu tun hat, sollte man möglichst viele Meinungen hören und alle abwägen. Dass das der Hohe Herr nicht selbst tun kann, ist selbstverständlich. Ich behellige ihn nicht mit unnötigen Details, wenn ich ihm Bericht erstatte, behalte sie aber im Kopf für den Fall, dass sie notwendig werden."


    Das Lächeln war auf ihrem Gesicht geblieben, hinter ihrer Stirn aber arbeitete es. Sie hatte keine Einsicht in die Berichte gehabt, hatte aber auch nicht danach gefragt oder auch nur daran gedacht. Zugegebenermaßen. Ob man es ihr gewährt hätte? In einige sicherlich, andere sicherlich nicht.
    Das, was sie vom einfachen Gardisten unterschied, war nicht nur ihre Gabe sondern auch ihre Bildung und ihr Vermögen und der Wille Konstellationen zu erkennen. Gerade, wenn es die äußeren Umstände erforderten, war das ungemein wichtig und scheinbar noch eine Sache, die sie unter Beweis stellen musste. Bis dahin war ihr die zweifelhafte Freude vergönnt, ohne offizielle Befugnis an verschiedenen Stellen um Informationen zu betteln. Eine Sache, die ihr nicht behagte, aber wohl notwendig war. Rückschläge musste sie einkalkulieren.

  • "Das Schwierige an Amonlonde ist, dass es, obwohl seine Gesellschaftsform so seltsam ist, ein nützlicher Verbündeter ist. Daher sollte man genau abwägen, wo man welche Fragen stellt und mit welchem Nachdruck. Denn zusätzlich zu der Freundschaft zwischen Renascân und Amonlonde kommt sicherlich noch die ein oder andere private Freundschaft hinzu, die eine Rolle spielen könnte", warnte Alanis Hadra sehr freundlich und zupfte sich nur ein paar Trauben ab. "Was die Outilisten angeht - ich weiß darüber tatsächlich nicht mehr."

  • "Oh, jetzt verstehe ich. Details über Amonlonde waren nicht mein Ziel, da die wohl wirklich hinreichend bekannt sind. Zudem steht es mir kaum zu, die politischen Beziehungen unserer Herren in Frage zu stellen. Mir geht es vielmehr um die Outilisten. Das Wissen über sie scheint ja nicht gerade geheim zu sein, wenn darüber in der Gazette berichtet wird, die jeder lesen kann.
    Und die Fragen über Baul tha Shar waren eher aus privater Neugier heraus gestellt. Zugegebenermaßen. Ich bin sehr gespannt ihn selbst einmal kennenzulernen."


    Sie setzte den Becher an die Lippen und nahm einen Schluck Tee. Hatte sie sich wirklich derart verkalkuliert? Einigermaßen peinlich.

  • "Es ist, wenn man Amonlonde ein wenig kennt, relativ klar, dass nur wenige Personen dafür infrage kommen, die diplomatischen Vorstöße gemacht zu haben, die diese gemeinsame Siedlung erst möglich machen. Wenn man denn davon ausgeht, dass das Bestreben von Amonlonder Seiten ausging, um die Siedlungspläne abzusichern."


    Die Priesterin schmunzelte.


    "Die Hexe werden sie wohl kaum geschickt haben. Also Celeb Dol selbst oder Malglin. Diese beiden könntet Ihr also befragen."

  • Nicht wirklich auf das Stichwort Hexe hin aber seltsam zeitgleich, öffnet sich die Türe des Brennenden Tischs und eine bekannte Wildelbe, eher schnüffelnd als zielstrebig erhabend betritt das ihr bekannte Etablisement.


    Das Haar trägt sie heute offen die einzigen Schmuckstücke sind die Hautbilder auf ihren Wangen und den Schläfen. Die leuchtend blauen Augen, denen der Lichteinfall völlig egal ist sehen sich wie ein Wolf um, ehe sie eine kleine Gruppe aus... Menschen... ausmacht und wie immer recht leise auf sie zugeht.


    Hinter Alanis bemüht versteckt, bleibt sie stehen und schnuppert auf ihr Haupthaar hinunter.