Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • "Es ist eine höchstehrenwerte Aufgabe und ich bin froh hier eine Anstellung als Koch gefunden zu haben." lachte Thraxas. Dann sagte er zu Ashaba: "Ich bin inzwischen oft allein unterwegs, obwohl nicht ganz allein. Ich war lange Jahre Soldat, dann Söldner bei den Darpatbullen, da hatten wir immer gute Köche. Dann war ich ein paar Jahre mit einer sehr kleine Gruppe unterwegs und nun komme ich mal hier und mal da unter. Die Zugehörigkeit zu einer großen Gruppen macht immer Kompromisse nötig, die ich auf meinem Weg nicht immer eingehen kann."
    Dann fragte er: "Und Du, bist Du schon immer hier Gardistin gewesen?"
    Thraxas war sich ziemlich sicher, daß es nicht so war und er war es auch leid, daß Ashaba ihn ausfragte und er nichts über sie erfuhr. Natürlich machte sie sich Sorgen um ihre Freundin, das merkte man deutlich, auch wenn sie es nicht offen zeigte, aber nichts desto trotz konnte es nicht schaden mehr über sie zu erfahren.

  • "Höchst ehrenwert." stimmte sie den beiden zu. "Ich hoffe du zahlst auch entsprechend." sagte sie direkt an Alanis' gewandt und grinste.


    Sie hätte ihn für deutlich steter gehalten als seine Laufbahn das vermuten ließ. Kurz versuchte sie sein Alter zu schätzen und musste zugeben, dass sie daran scheiterte. Darin war sie sowieso nie gut gewesen.


    "Ja, direkt aus Mutters Schoß in die Garde." erwiderte sie dann ernsthaft. "Genau genommen seit fast zehn Jahren inzwischen. Davor war nicht viel. Rebellisches Nichtstun, sich durchschlagen und versuchen erwachsen zu werden." Sie wedelte vage mit der Rechten. "Das Übliche. Dann habe ich mich hier verpflichtet, habe mich wohl nicht ganz dumm angestellt und.. damit hat mein Werdegang bisher ein Ende."

  • "Ich zahle mit Rat - ob er gut ist, muss Thraxas entscheiden. Hin und wieder zahle ich auch mit schlechter Laune, weil er meinen Winterschlaf gestört hat", gab Alanis zurück und ihre Augen funkelten amüsiert, ohne zu verhehlen, dass Letzteres durchaus aus öffentliche Entschuldigung gesehen werden konnte. Dann wandte sie sich dem Mann an ihrer Seite zu. "Der Sergeant unterschlägt, dass wir schon einige sehr denkwürdige Reisen miteinander getan haben und sie sich stets sehr gut geschlagen hat. Also wird ihr Werdegang sicherlich noch einige interessante Entwicklungen erfahren." Die Art und Weise, wie sie 'denkwürdig' formulierte , ließ durchblicken, dass damit das gesamte Spektrum des Wortes gemeint war, von katastrophal bis wunderbar.

  • "Die Bezahlung ist miserabel." raunte der Landsknecht der Gardistin zu, aber immernoch so laut, daß Alanis es gehört haben mußte. " Dann lachte er: "Und den Winterschlaf habe ich auf die Einladung ihrer Gnaden selbst gestört und bisher klang es eigentlich nicht so, als sei Euch das nicht willkommen, Frau Alanis!"


    Zu Ashaba sagte er: "Nunja, zehn Jahre sind ja noch keine lange Zeit. Immerhin schon Sergeant. Ich war in meinem zehnten Jahr ebenfalls nur Waibel, dann kam der Krieg und es ging etwas schneller aufwärts bevor ich dann nach 17 Jahren endlich meinen Abschied nehmen durfte. Dann kamen die Jahre bei den Darpatbullen,.." kurz lachte er auf. "...da habe ich dann von ganz vorne angefangen. Aber das ging schneller, Reisiger, Rottmeister, Feldwaibel und schließlich Hauptmann in fünf Jahren und nach acht dann raus. Hauptsächlich waren das gute Zeiten, aber jetzt ist es eben Zeit für etwas anderes."
    Warum er das alles so freimütig erzählte, wußte er gerade nicht zu sagen, aber vielleicht erzählte er es auch für Alanis, die ja auch noch nicht viel von seiner Vergangenheit wußte.


    "Wollt Ihr zwei mir nicht mal von diesen denkwürdigen Reisen berichten, sie waren sicher nicht nur denk, sondern auch erzählenswürdig?"

  • Bei Alanis Einwurf brummte sie und nickte leicht.


    "Denkwürdig allemal." bestätigte sie.


    "Bei uns ist die Hierarchie eher flach. Wir haben hier fünf Sergeanten, denen insgesamt zehn Korporäle unterstellt sind. Dann kommen die Gardisten. Wenn man mag noch die Rekruten. Die Miliz steht etwas außerhalb dessen. Das war also nur halb so rasant, wie es sich anhören mag.


    Sie war schon drauf und dran, Thraxas danach zu fragen, was ihn stets wieder auf die Reise geschickt hatte. War sie in der Position dazu? Dann fragte er nach diesen denkwürdigen Reisen und sie stellte die Frage erst einmal hinten an. Sie grinste Alanis schief an.


    "Ich lasse dir den Vortritt und ergänze dann, wenns Not tun sollte."

  • Alanis warf Thraxas für seine kleine Frechheit einen Blick zu, der jeden jüngeren Mann vermutlich eingeschüchtert hätte, von dem sie jedoch ausging, dass er ihn geflissentlich übersehen würde.


    "Hm, erzählenswürdige Dinge?" Sie sah mit nur vor halber Ernsthaftigkeit gerunzelter Stirn zu Ashaba hinüber. "Im Geschichtenerzählen bin ich schlecht, also schönen Dank auch. - Unsere Geschichten sind eigentlich zu unspektakulär für Andere. Als gefühlt 60 Mann aus dem grauen Lager ziemlich erfolglos das grüne Lager angegriffen haben und ich danach drei Pfeile im Rucksack stecken hatte - das war schon denkwürdig. Die Vampire von Forlond waren auch ganz - herausfordernd, aber das ist zu schwere Kost für den Nachtisch." Sie stützte das Kinn in die Hand und überlegte weiter. "Meine Güte, das ist alles schon wirklich lange her... ."

  • Mit gespielter Empörung erwiderte der Landsknecht: "Wirklich lange her? Was sollte bei Euch lange her sein, höchstens Eure Abenteuer als Kinder, wenn Ihr dem Nachbarn die Äpfel vom Baum stiebitzt habt, alles andere kann nicht so lange her sein. Bei mir schon, aber bei Euch!" Thraxas lächelte. "Aber gut, wenn Ihr nicht ausführlich erzählen wollt. Vielleicht will ich es ja auch gar nicht so genau wissen, weil ich dann nur noch mehr graue Haare bekomme."


    "Ashaba," sprach er dann die Gardistin an, "warum bist Du zur Garde gegangen. Familiär vorbelastet? Gab es keinen anderen Beruf, den sich Deine Eltern für Dich vorgestellt haben?"

  • Ashaba lachte leise und war nicht unglücklich, die alten Geschichten nicht ausgraben zu müssen. Beim Gedanken an Forlond rieselte ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken. Reflexartig griff sie sich an das Handgelenk.


    "Ah, war das der Angriff, bei dem sie mich gefangen genommen haben, ich die beste Gastfreundschaft genoss - sie waren wirklich sehr zuvorkommend - und ihr sie dann später überrollt habt? Um es zusammenzufassen: Greif nicht mit 60 Mann das Grüne Lager an. Du bekommst es auch auf andere Weise, wie sich einige Zeit später gezeigt hat. Hätte El Gar mich nicht daran gehindert den Kender abzustechen, wäre aus dem Bündnis aber wohl nichts geworden. Und die zweite Erkenntnis: Leg dich nicht mit Vampiren an, die Heim und Herd verteidigen. Es ist wirklich Ewigkeiten her."


    Sie nickte bekräftigend und füllte ihren letzten Tropfen Wein mit Wasser auf. Gefühlt waren es Ewigkeiten. Das alles schien so weit weg zu sein. Manchmal vermisste sie es, aber nicht so oft. Sie wurde wohl doch alt und das Leben der letzten Jahre hinterließ seine Spuren.


    "Familiär vorbelastet? Nein. Ich war nur immer gut darin, mehr Fähigkeiten vorzutäuschen als ich habe." Sie zuckte mit den Schultern. "Also habe ich hervorragende Fähigkeiten im Umgang mit der Waffe vorgetäuscht, was so ziemlich das einzige war, was ich auch wirklich halbwegs konnte. Meine Mutter hätte sicherlich andere Pläne mit mir gehabt, die aber alle nicht in Frage kamen. Ich neige zuweilen zu Bissigkeit. Die Entscheidung für die Garde war also eher ein Mangel an Alternativen. Das Herzblut bei der Sache kam erst später. Manche Dinge geschehen einfach. Die sind von den Göttern vorherbestimmt und jeder geht seinen Weg. Auf die eine oder andere Art und Weise."

  • Alanis kommentierte Thraxas leicht zu dick aufgetragenes Kompliment mit einer hochgezogenen Augenbraue, sparte sich aber jeden weiteren Kommentar dazu. Als die Rede auf den Kender und El Gar kam, hob sie die Schultern.


    "Du kennst meinen Meister doch. Grimmig kucken, aber am Ende ein weiches Herz. - Der Kender ist übrigens inzwischen tot. Er wurde vor 2 Jahren auf einer Hochzeit in Aldradach ermordet."


    Zu Ashabas Erklärungen mußte sie lächeln. Fraglich, ob sich Thraxas, der schon soviel von sich erzählt hatte, damit abspeisen lassen würde. Aber man würde sehen... .

  • "Man muß seinen Weg und die Zeichen der Götter aber auch erkennen." gab Thraxas auf Ashabas Allgemeinplatz zurück und fragte nicht weiter nach, denn wenn die Gardistin hätte erzählen wollen, dann hätte sie das getan.
    "Wie fällt Dein vorläufiges Urteil aus, Sergeant? Wird die Garde mich der Stadt verweisen?" Der Landsknecht fragte es leichthin und mit einem Lächeln, aber man spürte deutlich, daß es keine Frage im Scherz war, denn das Lächeln erreichte Thraxas' Augen nicht, diese musterten Ashaba aufmerksam.

  • Als Alanis das mit dem Kender sagte, schaute Ashaba überrascht.


    "Oh ha. Nun gut, ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass ich es bedaure."


    Ebenso überrascht reagierte sie auf Thraxas' Frage.


    "Stand das denn zur Debatte?"


    Sie legte den Kopf ein wenig schräg und schaute ihn forschend an. Bis zu diesem Augenblick hatte sie an einen völlig normalen - wenn auch recht seltenen - Besuch bei Alanis und ihren Hausgast gedacht. Ja, zugegeben, vermutlich weil die Freundin ihr die Sorgen nehmen wollte. Aber ganz sicherlich nicht für eine.. Überprüfung? Oder gar um einen Grund zu suchen ihn rauszuwerfen.

  • Alanis blickte Thraxas nach dessen Frage an Ashaba eine Weile schweigend an, so als könne sie die Beweggründe für diese Frage auf seiner Stirn lesen - was natürlich leider Unsinn war. Warum sollte es ihm auch etwas bedeuten, nicht rausgeworfen zu werden? Immerhin waren sie überein gekommen, dass Renascân für seine Ausbildung nicht das ideale Pflaster war und sie hatte ja zugestimmt, ihn in seine Heimat zu begleiten, wo vielleicht einige Dinge leichter waren als in ihrem Heim.

  • Thraxas lächelte weiterhin. "Das weiß ich nicht. Aber sollte die Garde nicht jeden überprüfen, der sich länger in den Mauer der Stadt aufhält und dazu auch noch ein erhebliches Waffenarsenal mit sich herumträgt?" sagte er, als halte er so etwas für vollkommen selbstverständlich "Und dann habe ich mich auch noch bei Deiner Freundin eingenistet. Auch das alleine wäre schon ein Grund." Dann lachte er: "Vielleicht nicht, um mich direkt rauszuwerfen, aber zumindest um mal einen kritischen Blick auf mich zu werfen,oder?"

  • Ashaba stellte ihren Becher auf dem Tisch ab und sah Thraxas an.


    "Auf ersteres: Nein. Auf zweiteres: Vielleicht. Nenn' es einen neugierigen Blick."


    Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? War das ein Sinneswandel? Sie hätte schwören können, dass das kein echtes Lächeln war, war sich aber nicht sicher. Er wollte ihr nicht wirklich erklären, wie sie ihre Arbeit zu machen hatte, oder? Sie war keineswegs auf eine Konfrontation aus, was aber offenbar nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Was für eine krude Probe sollte das sein?


    Sie warf Alanis mit gerunzelter Stirn einen Blick zu, der so viel ausdrückte wie 'Was passiert hier grade?' und wandte sich dann wieder dem Mann zu.


    "Auf was willst du hinaus?" fragte sie direkt.

  • Alanis erwiderte Ashabas Blick leicht verwirrt und hüstelte dann leise.


    "Also eigentlich habe ich den Sergeanten eingeladen, damit sie sieht, dass ich nicht in Gefahr bin. Ich glaube das ist geglückt und wir sollten es dabei belassen." Letzteres klang nun doch recht resolut. "Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht nötig ist, 'was wäre wenn' zu spielen."


    Sie sah vom einem zum Anderen.

  • Thraxas schaute Alanis nicht an, sondern behielt weiter Ashaba im Auge und sagte, nachdem Alanis geendet hatte: "Aber Was-Wäre-Wenn, ist ein so schönes Spiel, es hält geistig beweglich und läßt uns die Standpunkte des Anderen erfahren." Dann lachte er und hob abwehrend die Hände. "Schon gut, wie Euer Gnaden wünscht."


    Sein Lachen ebbte ab und er schaute wieder Ashaba an. "Ich wollte schlicht und ergreifend nur wissen, ob Du Dir jetzt mehr oder weniger Sorgen um Alanis machst - mich betreffend." sagte er gerade heraus, weil der Gardistin das wohl am liebsten war. Wie ihm selbst auch, nur war sie nicht immer gerade heraus. Der Landsknecht hatte in ihren Augen so einige Fragen gesehen, die sie nicht gestellt hatte.

  • "Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich dich für harmlos halte."


    Sie lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander.


    "Und ansonsten hat Alanis Recht: Keine Gefahr für sie."


    Ihr war nicht klar, wieso er so sehr auf ihre Meinung bedacht war. Die Frage hätte sie auch gestellt, beugte sich aber Alanis' Wunsch es dabei bewenden zu lassen.

  • "Dann bin ich froh, dass wir da einer Meinung sind und das jetzt geklärt ist", nickte Alanis zufrieden. "Ich hab geahnt, wen ich einlade und ich wußte auch, dass das dazu führen würde, dass wichtige Menschen in meinem Leben neugierig oder besorgt sind. Oder beides. Was ich übrigens sehr zu schätzen weiß."


    Sie lächelte begütigend in beide Richtungen.

  • Jetzt lächelte Thraxas aufrichtig Ashaba an. "Danke für das Kompliment, wenn ich irgendwann für harmlos gehalten würde, dann schnitze ich mir einen Gehstock, setze mich vor ein Haus auf die Bank und fange an Passanten über die guten Zeit früher zu belehren."


    Zu Alanis sagte er: "Und ich dachte, Euer Gnaden hätten inzwischen von meiner Diskussionsfreude gewußt und sich damit arrangiert."