Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • Der Landsknecht nahm die Beutel und schnupperte daran. "Mh, ähnlich, aber nicht sehr." meinte er mehr zu sich selbst.
    Dann sah er Alanis an: "Euch muß überhaupt nichts leid tun, wie hättet ihr das ahnen sollen? Die Schuld liegt allein bei mir, weil ich mit den Dämonen meiner Vergangenheit nicht fertig geworden bin." stellte er kühl fest.


    "Ich bin auch nicht an einer Wiederholung interessiert, vielleicht sollten wir hier ordentlich durchlüften und es nochmal versuchen." meinte er lächelnd. Sah dann auf seine Hände und schnell wieder zu ihr auf. Seine Miene war betroffen. "Es sei denn, ihr wollt es nicht noch einmal versuchen, weil ihr...ähm...nun..." er brach ab.

  • "Einigen wir uns also darauf, dass niemand Schuld ist. Bloß weil man mit seinen Dämonen nicht fertig wird, weil einem das Leben ständig neue Herausforderungen vor die Füße legt, muss man sich nicht darüber zerfleischen. Für alles kommt der richtige Ort und die richtige Zeit."


    Alanis erhob sich und ging zum Fenster. Nachdem sie es geöffnet hatte, schlug ein Schwall kühler, feuchter Luft in den kleinen Raum und nahm nach und nach sowohl die Wärme als auch den leichten Geruch nach Räucherwerk mit sich. Alanis blieb einen Moment dort stehen, um sich zu sammeln und drehte sich dann um. Eine Gänsehaut lief über ihren Nacken, denn der Herbst mit seiner trüben Stimmung zerrte an ihrem Gemüt.


    "Und Du denkst ich will es nicht nochmal versuchen - weil?", erkundigte sie sich freundlich, auch wenn sie ahnte, in welche Richtung seine Gedanken zielten.

  • "Ehm,...weil ihr vielleicht....vielleicht befürchtet...befürchtet ihr, daß ich....daß ich euch etwas....etwas antun könnte, wenn ich nochmal einem Trugbild erliege." stammelte er betreten.
    "Und ich wünschte, ich könnte euch schwören, daß dem nicht so sein wird, aber das kann ich nicht, denn es war alles so wirklich für mich." unsicher senkte er den Blick.

  • "Das Risiko würde geringer, wenn Du in meinem Haus keine Waffen mehr tragen würdest", gab Alanis recht trocken zurück, aber in ihren Augen lang Verständnis. Ihr Blick glitt recht auffordernd zu seiner Zimmertür hinüber. "Ansonsten habe ich vor Dir nicht mehr Angst als ich vor Männern im Allgemeinen habe. Eigentlich eher weniger."


    Sie nahm die Kiste mit dem Räucherwerk vom Boden auf, schloß sie und stellte sie auf ihrem ziemlich unordentlichen Schreibtisch ab.


    "Also versuchen wir es nochmal. Ohne Räucherung. Mit etwas mehr - hm - Führung."


    Sie schloß frierend das Fenster.

  • "Einen Moment bitte." sagte der Landsknecht, stand auf und ging in sein Zimmer. Als er zurückkam bemerkte Alanis, daß er keinen Gürtel mehr trug und somit auch seinen Dolch nicht mehr bei sich trug. Zwar war er sich sicher, daß Alanis seinem Angriff, sollte er jemals aus welchen Gründen auch immer erfolgen, erliegen würde, egal, ob er einen Dolch hatte oder nicht. Deshalb hatte er beim Ablegen auch nochmal kurz Hesinde um Beistand gebeten, auf das sie seinen Geist schärfe und er nicht wieder einem Trugbild erläge. Außerdem glaubte er, es würde Alanis tatsächlich beruhigen, wenn er keinen Dolch mehr trüge und das wäre der Situation sicher zuträglich.
    Dann setzte er sich wieder gegenüber Alanis. "Gut, auf ein Neues!"

  • Alanis atmete kurz durch und nickte beifällig, als er unbewaffnet zurück kam. Sie erlaubte sich nicht, den Gedanken weiterzudenken, was hätte sein können, wenn sie das Ziel seiner Verwirrung gewesen wäre. Geistesabwesend schaute sie auf ihre mit kleinen, weißen Narben überzogenen Hände hinunter. Die letzten Messerstechereien waren zum Glück nur Übungen gewesen und außer Schnittwunden und einem gebrochenen Daumen war alles gut ausgegangen.


    "Wir versuchen die selbe Übung noch einmal. Solltest Du das Gefühl haben, dass wieder etwas geschieht, das nicht geschehen sollte, streckst Du die Hand aus und ich führe Dich aus der Meditation. Versuch, Dich meinem Atemrhythmus anzupassen, das bietet Dir zusätzliche Orientierung." Sie machte eine kleine Pause und lächelte leicht. "Und gestehe mir bitte zu, dass ich diejenige bin, die führt."

  • Auch Thraxas lächelte. "Natürlich führt ihr hier in der Meditation, denn weder tanzen wir, noch sind wir auf dem Schlachtfeld. Ich habe kein Problem jemanden in Feldern führen zu lassen, in denen er oder sie mehr Erfahrung und Kenntnisse hat als ich."
    Dann schloß er die Augen und begann wieder kontrolliert ein- und auszuatmen.

  • Alanis machte ein Geräusch, das verdächtig nach einem leisenHmpf klang und schloß dann ebenfalls die Augen. Dieses Mal blieb sie aufmerksam, sehr aufmerksam, vor allem, weil sie sich nicht sicher war, ob sie selbst nicht einen Teil der Mitschuld an der Situation getragen hatte. Vielleicht war sie zu schnell vorgegangen. Vielleicht gab es doch etwas im Innern das Hauses, das dunkle Momente hervorbrachte... . Das bliebe definitiv zu erforschen.


    Sie wartete eine Weile, bis ihrer beiden Atem sychron ging, dann sagte sie leise:


    "Dieses Mal lässt Du Dir ein wenig mehr Zeit, um das positive Gefühl zu ergreifen und zu verbreiten. Lass es mit jedem Atemzug stärker werden, jeden Teil Deines Körpers erfüllen. Es ist hell...klar...und es verdrängt, was nicht dort sein soll. Lass das Negative aber unberührt, gib ihm keinen Raum. Konzentrier Dich nur auf das, was Dir gefällt, was Dir gut tut."

  • Der Landsknecht antwortete mit einem geflüsterten: "Ja, Frau Alanis." und versuchte weiter seinen Atem mit dem der Priesterin synchron zu halten. Er versuchte etwas in seinem Leben zu finden, was positiv war. Viele Dinge fielen ihm auf anhieb ein, aber viele dieser Dinge hatten sich dann auch ins Gegenteil verkehrt, waren zu etwas Traurigem, Negativem geworden.
    Endlich hatte er etwas gefunden. Birnoscha, seine zwergische "Mutter", die Güte und Gastfreundlichkeit in Person, ganz ähnlich wie die Wolkovin Rosale. Diese beiden Frauen waren für ihn durchweg positiv besetzt und deshalb beschwor er Bilder von ihnen herauf, von ihren Gesten, ihrer Freundlichkeit und stellte sich vor, wie sie sich treffen und auf Anhieb prächtig verstehen würden. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, ebenso wie Wärme in seinem Innern.

  • Zeit verging. Alanis nahm die Gelegenheit wahr, um sich den Elementen zu öffnen, um Ruhe und Sicherheit zu finden, die sie an diesem Morgen sichtlich eingebüßt hatte. Lautlos bewegten sich ihren Lippen in der steten Wiederholung der tausendfach vertrauten Worte, die ihr halfen, den Alltag abzustreifen. Nichts störte ihre Ruhe - zumindest nichts von außen. Dass ihre eigene Fehlerhaftigkeit in ihrem Inneren an ihrem Sein zerrte, war nichts Neues und hatte einen Teil seines Schreckens eingebüßt.


    Irgendwann öffnete sie die Augen, ohne jedoch wirklich etwas zu sehen als ihr Gegenüber. Thraxas wirkte entspannt und er lächelte, was Alanis vorerst beruhigte. Aber sie blieb wachsam in ihrem Schwebezustand zwischen Meditation und Erwachen und legte Vertrauen in die Elemente, dass sie sie eher warnen würden, als dass es ihre eigenen Sinne vermochte.

  • Thraxas versuchte weiter sich in dem Zustand zu halten, den er erreicht hatte. Er gefiel ihm sichtlich. Dann schlich sich etwas in seine Wahrnehmung, zuerst wurden die Bilder, die er sah einfach nur klarer, als ob jemand eine Laterne entzündet hätte oder als ob die Sonne den Morgendunst vertriebe. Dann nahm die Helligkeit aber weiter zu, so das sich nur noch die Konturen Rosales und Birnoschas abzeichneten und schließlich verschluckte das Licht sie ganz und blendete den Landsknecht, so daß er mit einem kleinen Fluch auf den Lippen erscchrocken die Augen aufriss.

  • Alanis spürte, dass sich etwas veränderte. Eine Welle von Wärme, gepaart mit einem leichten Kopfschmerz, der in ihrem Inneren echote und sich mit einem jähen weißlichen Gleißen ausdehnte. Etwas, das nicht von ihr kam, sondern das sie teilte. Sie ließ das kurze Ungleichgewicht abgleiten, indem sie ihr Amulett berührte und sich damit auf ihr Gleichgewicht besann. Dann kehrte mit einem Blinzeln endgültig in die Realität zurück, verstand, was geschah und kniete in dem Moment neben Thraxas, als auch er wieder zu sich kam.


    Besorgt legte sie instinktiv ihre Hand auf seinen Arm.


    "Alles in Ordnung?"

  • "Du hast das Feuer gesehen, so wie es ist. Oder vielmehr den Aspekt des Lichtes darin", erklärte Alanis sachte und setzte sich wieder gemütlich hin, da ihre Beine ihr das Knien nicht mehr so gut verziehen. "Viele Menschen neigen dazu, dem Feuer, dem Licht nur gute Eigenschaften zuzuschreiben. Die Erhellung des Weges, der vor uns liegt, Geborgenheit, Wärme, Leidenschaft, Vertreibung der Finsternis. Hoffnung. Aber das ist zu simpel. Alles im Leben hat zwei Seiten."


    Ihr Lächeln enthielt eine Spur Ironie, die sie nicht verbergen konnte.


    "Das Licht ist gnadenlos. Es blendet Dich und macht alles gleich, bis Du nicht mehr erkennen kannst, wo Du gehst und stehst. Es verbrennt jene, die ihm nicht folgen und verletzt diejenigen, die zwischen Licht und Dunkelheit wandeln. Du erinnerst Dich daran, dass die Spiralchaoten Schmerzen hatten, als Du sie behandelt hast? Das Licht, Thraxas, ist eine wunderbare Gabe, die Du erhalten hast. Und es ist ebenfalls eine sehr wirksame Waffe."

  • Der Landsknecht riss erschrocken die Augen auf und wich leicht zurück. "Eine Waffe?
    Es...es soll...keine Waffe sein. Ich will...will nur heilen damit...nicht...nicht verletzen." stammelte er.
    "Nein, keine Waffe." flüsterte er.

  • Der Gesichtsausdruck der Elementegeweihten war verständnisvoll, aber ernst.


    "Bitte denk nicht, dass ich Dich in irgendeine Richtung drängen möchte", begann sie vorsichtig, doch dann veränderte sich ihr Tonfall. "Ich weiß, dass Du niemanden damit verletzten willst. Aber ich bitte Dich, über das, was ich Dir jetzt sage, nachzudenken." Der Blick ihrer grünen Augen war für einen Moment bar jeder Emotion. "Du bist ein Mensch. Und ich bin sicher, dass Du großes Potential hast, Andere zu verletzen oder zu töten. Das ist ebenso in Dir wie Dein Verlangen, die Menschen zu heilen und ihnen zu helfen. Kannst Du ausschließen, dass Du jemals Deine Gabe so einsetzen wirst, dass Du jemanden damit ernstlich verletzt?" Eine kurze Pause, um die Härte ihrer Worte ein wenig abklingen zu lassen. "Falls Du es nicht ausschließen kannst, dann mußt Du auch diese Aspekte des Lichts kennenlernen. Nicht, um die Waffe noch furchtbarer zu machen. Sondern um zu lernen, wie Du die Kontrolle bewahrst und im schlimmsten Fall den Schaden so klein wie möglich halten kannst."

  • Auch der Landsknecht bekam sich sichtlich wieder in den Griff. "Natürlich kann ich nicht ausschließen eine mir zur Verfügung stehende Waffe zu nutzen, wer so etwas behauptet lügt oder hat noch keine Todesangst erlebt." meinte er. Mit einem kleinen Seufzen setzte er hinzu: "Dann werde ich auch diese Seite kennenlernen müssen und hoffen, daß ich darauf verzichten kann, es als Waffe zu nutzen."


    "Aber was ist da gerade passiert, Euer Gnaden? Warum habe ich das Licht plötzlich so hell gesehen?" fragte er ratlos.

  • Alanis wiegte den Kopf hin und her.


    "Was immer Du Dir dieses Mal vorgestellt hast, hat es Dir leichter gemacht, Dich dem Feuer zu nähern und das ist gut. Behalte es als Weg in Deinem Herzen."


    Sie umschlang ein Knie mit den Armen, weil die Luft im Zimmer ihr auf einmal kühl erschien.


    "Was dazu geführt hat, dass es Überhand genommen hat? Wohl vor allem Anderen die Tatsache, dass das Feuer genau das tut, was seine Natur ist. Es wird immer heller brennen, wenn man ihm Nahrung gibt. Und da genau wären wir an dem Punkt, dem wir uns nähern müssen."


    Eine Windböe trug einige Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Die Geweihte sah hinaus in den halbdunklen Tag und seufzte leise.


    "Du darfst niemals zu viel geben. Ich bewerte es zwar als gut, dass Du von selbst zurückgekehrt bist. Es ist viel zu einfach, sich im Feuer, im Licht zu verlieren."

  • "Mh." machte Thraxas. "Da das Licht nicht schmeichelnd und wärmend kam, sondern mit Macht und blendend, war es ein Leichtes zurückzukehren. Im anderen Fall wäre die Gefahr wahrscheinlich viel größer gewesen.


    Ihr sprecht vom Feuer und setzt es mit dem Licht gleich, aber ist denn das wirklich das Selbe und wie gebe ich nicht zuviel?" fragte er nach.

  • "In meinem Glauben ist das Licht ein unverzichtbarer Aspekt des Elementes Feuer. Die Wärme kann niemals ohne das Licht sein. Das ist wie -." Sie hielt inne und schmunzelte flüchtig, von einem alten Scherz nach Jahren wieder eingeholt. "Ein Kachelofen, der Hitze abstrahlt, dessen Flammen man aber nicht sehen kann, bis man die Tür öffnet und Holz nachlegt. Bloß, weil man hin und wieder nur den einen Aspekt wahrnimmt, heißt es nicht, dass nicht beide unverzichtbar zusammen gehören."


    Sie überlegte kurz, wie sie ihre nächste Antwort formulieren sollte.


    "Bei mir und meinen Lehrmeistern gibt es den Spruch 'Rufst Du das Feuer, dann gedenke des Wassers'. Das soll bedeuten, dass Du niemals die Verbindung zu all dem verlieren darfst, was Dich ausmacht und was Dich umgibt, wenn Du Deine Gabe anwendest. Und was wir dafür rein praktisch machen - also ich gebe zu, dass ich mir darüber nach ein paar Gedanken machen muss."