Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg (5)

  • "Gut, dann macht ihr euch Gedanken." sagte Thraxas und stand auf.


    "Ich werde jetzt meine Schwertübungen absolvieren, euch danach gerne in der Küche bei der Vorbereitung des Essens unterstützen und dann muß ich mich auf den Weg zu Nieselitz machen, um meinen Teil der Abmachungen zu erfüllen." ergänzte er.

  • Alanis nickte und warf einen skeptischen Blick aus dem Fenster. Kein gutes Wetter für die Rübenernte und für den Aufenthalt im Freien erst recht nicht.


    "Ich bleibe noch ein wenig hier oben und gehe in mich, vielleicht ergeben sich dann einige Antworten. Bis später. Erkälte Dich nicht."


    Als sie dann alleine war, ließ sie sich mit einem Seufzer auf den Rücken fallen und verschränkte die Arme unter dem Kopf. Für sie war es mit den Jahren zur Selbstverständichkeit geworden, Ruhe zu finden, selbst wenn die Eindrücke der Welt, die sie umgab, sie bedrängten. Wie war das damals mit El Gar gewesen? Sie grübelte vor sich hin, versuchte, sich an die Meditationen und die damit verbundenen Gefühle zu erinnern....


    ...und musste lachen. Seine Art und Weise, sie mit dem Feuer bekannt zu machen, war im Nachhinein betrachtet wohl nicht die Geschickteste gewesen. Aber immerhin hatten sie eine Menge Spaß miteinander gehabt.


    Mit einem Grinsen auf dem Gesicht beschloss sie, die Frage zu vertagen und in die Küche zu gehen. Tee kochen, alltägliche Dinge tun...die Elemente würden ihr eine Antwort geben, wenn sie bereit dazu waren.

  • Thraxas verbeugte sich vor der Priesterin und sagte etwas spöttisch: "Vielen Dank für eure Sorge, Euer Ganden!"


    Dann verließ er das Zimmer und da Alanis ihn anscheinend nicht in der Küche als Hilfe benötigte, verschwand er nach seinen Übungen Richtung Stadt und ging später zum Hof der Nieselitz.




    Schon in der Dämmerung hörte Alanis von der Tür her ein leises Rufen - eine Frauenstimme: "Frau Alanis?, Seid's Zahuus?"

  • Die Geweihte war gerade damit beschäftigt, an ihrem neuen Kleid zu arbeiten und schaffte es vor Schreck direkt, sich in den Finger zu stechen. Mit einem seltsam schlechten Gefühl im Bauch - die Stimme kannte sie doch?! - warf sie eilig den dunkelgrauen Stoff über die Lehne ihres Sessel und eilte dann zur Tür, um sie zu öffnen.


    "Was gibt es denn?"

  • Vor der Tür stand Frau Nieselitz, diese schlug gerade die Kapuze des Umhangs zurück, der sie gegen den leichten Regen geschützt hatte. In ihrem Gesicht waren ihre Beunruhigung zu lesen.


    "Verzeihn'se, Frau Alanis! Aba ich glaub' mittem Mann, den 'se uns geschickt ham ist was nich richtich." sagte sie.

  • Alanis öffnete rasch die Tür ein wenig weiter, damit die ältere Dame eintreten konnte, falls sie es wollte.


    "Was ist denn passiert?", erkundigte sie sich alarmiert. Das seltsame Gefühl in ihrer Magengrube verstärkte sich. "Ist alles in Ordnung bei Ihnen, Frau Nieselitz?"


    Sie glaubte zwar kaum, dass Thraxas etwas angestellt hatte...aber andererseits... . Wer kannte schon die Menschen?

  • Tatsächlich trat die Bäuerin zu Alanis in den Flur, blieb aber dort dann stehen und sagte: "Bei mir schonn. Aba, dieser bunte Kerl, ich weiß nich?


    Arbeiten tut er gut, da gibbet nix zu klagen. Der kann wenichstens lesen, schreiben und rechnen, aba dann, wenn die Arbeit rum is, dann geht der nich nach Huus, dann geht'a innen Stall und liest seine Tiere vor." Bei der letzten Bermekung verdrehte sie die Augen, schaute Alanis danach aber etwas unsicher an.

  • Alanis blinzelte und bemühte sich, in Gegenwart des Besuchs ihre Gesichtszüge nicht entgleiten zu lassen. Er las seinen -? Gut, sie kannte einige ziemlich intelligente Tiere (unter anderem eine Kröte mit einem Glücksspielproblem, aber das konnte sie Frau Nieselitz wohl kaum erzählen), aber alle diese Tiere waren die Begleittiere von Hexen und damit jenseits normaler Normen, was Tiere anging. Dass jemand wie Thraxas magische Begleiter bei sich hatte, war aber in ihren Augen ziemlich ausgeschlossen.


    "Frau Nieselitz, ich kann mir vorstellen, dass das seltsam aussieht. Aber ich kann Euch versichern, dass Thraxas vollkommen ungefährlich ist." Was definitiv eine faustdicke Lüge war. "Ich glaube es war ein wenig zu lange im Krieg, wenn Ihr versteht, was ich meine." Das würde die ältere Dame wohl verstehen. Gerüchtehalber waren einige ihrer Kinder im Bruderkrieg gefallen. "Aber ich verbürge mich für ihn und seine Absichten. Wer gut zu Tieren ist, ist kein schlechter Mensch."

  • Frau Nieselitz schien nicht vollständig überzeugt. "Ihr glaubt mir wohl nich, Frau Alanis? Aber er tut dat wirklich. Und ihr glaubt wirklich, der is nicht gefährlich? Immerhin war er lange im Kriech, versteht sich also sicher aufs Töten und wenn er nicht ganz richtich im Kopf is dann..."
    Sie ließ den letzten Satz unvollendet, schaute Alanis aber bedeutungsschwanger an.

  • "Ich spreche mit ihm darüber", versprach Alanis in beruhigendem Tonfall, auch wenn ihr doch ein wenig mulmig war. "Und wenn ich den Eindruck gewinne, dass er doch eine Gefahr ist, dann werde ich mich darum kümmern."


    Vielleicht war es nicht die schlechteste Idee, mit Ashaba zu reden. Andererseits...vielleicht doch nicht. Wenn das so weiter ging, war der Fackeln-und-Forken-Mob näher als jemals zuvor seit sie in Renascân wohnte.

  • Damit gab sich Frau Nieselitz zufrieden. "Gut. Wenn's Hilfe brauchen, schick ich die Knecht."
    Sie schlug die Kapuze wieder hoch und wandte sich zum gehen. "Wiederseh'n, Frau Alanis!" sagte sie noch und verschwand aus der Tür.

  • "Gute Nacht Frau Nieselitz", echote die Geweihte artig, dann schloß sie betont sanft die hölzerne Tür und lehnte sich dann daran. Sie schüttelte den Kopf, versuchte, nicht hysterisch zu lachen und beschloss dann, die Notfallflasche aus dem Keller zu holen und einen Schluck Nüsschen zu trinken.


    Einige Zeit - und tatsächlich nur zwei Pinnchen Likör später - hatte sie sich wieder beruhigt und ging an ihre Näharbeit zurück. Was sollte sie denn auch sonst machen? Sie konnte ja wohl kaum bei den Bauersleuten vorbeischauen und sich zu der Vorlesestunde in der Scheune dazu setzen. Was Thraxas wohl vorlas? Rahjaliebromane? Sie kicherte.

  • Thraxas kam wie gestern circa eine halbe Stunde nach Anbruch der Dunkelheit zurück.
    "Ich bin wieder da, Frau Alanis!" rief er beim reinkommen und ging dann gleich in die Küche und stellte sich an den wärmenden Herd und hielt nach etwas zu Essen ausschau.

  • Am höchsten Haken der Kesselsäge hing der verschlossene Topf mit dem Eintopf, den Alanis aus den restlichen Zutaten des vergangenen Tages und einigen neuen Ingredienzen gekocht hatte. Der Tisch war gedeckt und wies neben dem Wasserkrug eine Flasche mit mattgoldenem Inhalt und ein noch zur Hälfte gefülltes Schnapsglas auf, das intensiv süss und nussig roch.


    Die Priesterin tauchte erst nach einigen Sekunden oben an der Treppe auf und kam mit ein wenig mehr Schwung als gewöhnlich in die Küche hinunter.


    "Regnet immer noch, oder?", erkundigte sie sich aufgeräumt und wischte sich die Hände an der Schürze ab, die sie trug. "Häng den Topf tiefer, dann können wir gleich essen." Sie ging zum Spülstein und schüttete sich ein wenig Wasser aus dem Wassereimer darunter über die Hände, um sie sich mit der am dem Fensterbrett liegenden Seife zu waschen. "Wie geht es Deinen Tieren?"

  • Thraxas legte einige Zähne zu und schaute Alanis skeptisch an. "Meinen Tieren geht es gut. Danke der Nachfrage, die Bauersleute kümmern sich anscheinend gut um sie."
    Dann begann er den Eintopf umzurühren damit nichts anbrannte.
    "Warum habt ihr Schnaps ohne mich getrunken? Wißt ihr denn nicht, daß alleine trinken einsam macht?" fragte er dann lachend.

  • Also ob das in ihrem Fall noch etwas verändert hätte. Die Geweihte schnitt eine kleine Grimasse.


    "Oh, hups. Hab ein Glas für Dich vergessen." Alanis ging zum Küchenschrank und bügelte den Lapsus aus. "Schnaps ist das übrigens nicht. Das ist Haselnusslikör. Den benutzen die Eichentempler immer, um sich Freunde zu machen. Klappt ganz gut."


    Sie füllte beide Gläser und entschloss sich, dann direkt zur Sache zu kommen, bevor sie das ganze Abendessen auf der Tatsache herumkaute, es ihm noch nicht gesagt zu haben.


    "Apropos Freunde - Frau Nieselitz ist leicht über die Tatsache besorgt, dass Du den Tieren vorliest. Ich fürchte das durchschlägt die renascâner Fremdenskala um einige Punkte."


    Fragend hob sie eine Augenbraue.

  • Thraxas, der den Haselnusslikör schon zum Mund geführt hatte ließ das Pinnchen wieder sinken und lächelte Alanis an. Völlig ruhig sagte er: "Ach, hat sie es doch schon bemerkt? Normalerweise dauert es immer ein, zwei Tage länger.


    Und warum macht sie sich deshalb Sorgen?" fragte er nach, während er den nun wieder warmen Eintopf in zwei Schüsseln füllte und diese auf den Tisch stellte.

  • Alanis nahm ihr Nüsschen vom Tisch, prostete Thraxas zu und nahm einen Schluck.


    "Die Leute hier sind vom Kopf her immer noch auf ihrer Heimatinsel. Alles, was sie nicht kennen, beunruhigt sind. Und sollten sie etwas sehen, das sie nicht mögen, das sie aber auch nicht ändern können, dann ignorieren sie es einfach."


    Sie setzte sich gelassen an den Tisch und stellte fest, dass sie offenbar doch ein bisschen angetrunken war. Aber alles noch im normalen Maße - immerhin vertrug sie nicht viel.


    "Die gute Bäuerin also vermutet, dass Du geistesgestört bist. Und wenn ich das mal aus der renascâner Perspektive betrachte, dann kann ich durchaus verstehen, warum sie das denkt. Hier gibt es niemanden, der seinen Tieren Geschichten vorliest. - Naja, zumindest niemanden, der sich dabei erwischen lässt."

  • Thraxas trank ebenfalls einen kleinen Schluck seines Nüsschens. Dann begann er zu Essen und forderte die Priesterin mit einem Kopfnicken auf, es ihm gleich zu tun.


    "Und, glaubt ihr auch, daß ich geistesgestört bin, vielleicht sogar eine Gefahr?" fragte er lauernd.

  • Alanis brauchte nicht wirklich lange für eine Antwort.


    "Wenn ich mir den Verlauf der letzten zwei Tage so ansehe - ja, definitiv. Zu beidem." Sie nahm ihren Löffel auf und probierte in aller Seelenruhe ihr Abendessen. Nicht übel. "Alles Andere wäre wohl gelogen und ich lüge nicht gerne."


    Ihr rechter Mundwinkel hob sich kurz in einer ironischen Regung.


    "Aber ich schätze ich vertraue Dir, Thraxas. Deswegen habe ich der guten Dame gegenüber auch für Dich gebürgt."