Novigrader Gassen

  • Die Alchemistin blieb zurück und wischte sich die Hände am Rockteil ihres Kleids ab. Die Ruhe, die sie schon einige Wochen genossen hatte und die durch den Hexer zerstört worden war, kehrte langsam zurück und sie streckte sich erst einmal, bis die Knochen knackten. Sie mochte es, allein zu sein. Alleinsein kam nicht mit Erwartungen und Enttäuschungen.


    Der Friedhof in der Abenddämmerung schien auf den ersten Blick friedlich zu sein. Es gab nur drei größere Mausoleen, von denen eines in Riekes neue Wohnstätte führte. Die beiden anderen, einst prächtig anzusehen, verfielen bereits seit einiger Zeit. Alle anderen Grabstellen waren unauffällig, die meisten Steine alt und verwittert. Doch ganz am Rande des Friedhofs gab es mehrere frische Gräber und die Grabspuren in der herbstnassen Erde schienen nicht von Menschen zu stammen.


    Noch war nichts zu sehen, doch das leise Geräusch von Schaben und Graben vibrierte durch den Boden. Für einen Menschen nicht zu hören. Für einen Hexer jedoch -.

  • Das zarte Vibrieren seines Medaillons ließ Vladim erahnen, dass dort etwas am Gange war. So musterte er die Umgegend und schaute sich nach Spuren um, die den Eingang des Ghulbaus anzeigten.


    Nach etwas Suche und dem Ziehen des Silberschwertes fand er am Rand der Friedhofsmauer ein unscheinbares Loch unter einem Busch. Soweit Vladim sehen konnte, wären es nicht viele Ghule – vielleicht zwei bis drei, die dort ihren Bau hatten.


    Da er keine Katze mehr hatte, um in der Dunkelheit gut zu sehen, kniete er sich gut zehn Schritt vom Eingang so hin, dass er wahrnehmen konnte, wenn sich dort etwas tat. Aber er brauchte nicht lange zu warten, denn irgendwann nach zehn Augenblicken oder so, kam eine gebückte Gestalt aus dem Erdloch gekrochen, die Arme schliffen auf dem Boden.


    Leise erhob sich der Hexer und stürzte sich auf den Ghul, indem er einen diagonalen Hieb von oben rechts tat und mühelos durch den Körper des Monsters schlug. Das dunkle Blut des Untoten spritzte umher und die Kreatur versuchte noch zurückzuweichen, aber der zweite Hieb von Vladims Silberschwert durchtrennte die Muskeln, Sehnen und Knochen am Hals so mühelos, dass der Kopf mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden aufschlug.


    Vladim blieb stehen und horchte noch einmal in alle Richtungen, sich dabei vergewissernd, dass niemand ihm in den Rücken fiel. Als dies nicht der Fall war, wischte er am erschlagenen Ghul sein Schwert ab und entnahm dem Ghul mit Hilfe seines Kukris dessen immer noch blutvolles Herz. Das sollte Rieke reichen. Den Kadaver ließ er zurück, die Ghule würden sich um die Überbleibsel ihres Kameraden sicherlich kümmern.

    Wieder am Mausoleum angekommen, polterte er in die Kammer und legte das blutende Herz des Ghuls in eine ausreichend große Schale. Dann nahm er einen Lappen auf und wischte sich die Hände daran ab.


    „Ich denke, das sollte reichen…“

  • Rieke blickte auf.


    "Ja, wunderbar", nickte sie und sparte sich nachzufragen, ob der Hexer verletzt war. Er würde es ihr sagen oder schlichtweg umfallen, wenn die Wirkung des Tranks verflogen war. "Die regenerativen Eigenschaften sind wirklich interessant. Außerdem kann ich sicherlich einige Inhaltsstoffe herausziehen."


    Sie blickte irgendwann auf und ihre Stirn legte sich erneut in Falten.


    "Und, über Dein Wohnungsproblem nachgedacht? Einerseits brauche ich Dich in der Nähe, um mir Zutaten zu besorgen. Andererseits brauche ich meine Privatsphäre. Und ich kann Dich ja schlecht bitten, in einem der Sarkophage zu schlafen und denn Deckel zuzuziehen, wenn Du schnarchst."

  • "Eben noch war ich dein Versuchskaninchen," dabei zeichnete er Gänsefüsschen mit seinen Fingern in die Luft, "und im nächsten Augenblick soll ich ausziehen?" Vladims Stimme klang beleidigt und er hatte die Augenbrauen entsetzt hochgezogen. Dann kroch ein Lächeln auf sein Gesicht.


    "Ich hatte ohnehin angenommen, dass dies hier einfach nur eine Übergangslösung für den Augenblick sein würde." Damit lehnte er sich an den Tisch neben Rieke und verschränkte die Arme vor der Brust.


    "Da ich viel umher reise, wird das wohl nun auch dein Modus Operandi. Zumindest vorerst. Wobei ich zusehe, dass wir unterwegs unterkommen und nicht in irgendeiner Hecke pennen müssen. Das wäre in Anbetracht des Herbstes und des Winters, der vor der Türe steht, nicht so angenehm."

    Der Hexer blickte auf den Tisch, wo die Versuche der Alchemistin dahin blubberten.


    "Die nächste Reise ist auch schon in Planung. Insel Geddes - das liegt vor den Skellige Inseln. Darfst mich gerne begleiten."

  • "Schade eigentlich. Gemütlich hier. Die Nachbarn sind ruhig und die Preise niedrig", murmelte Rieke leise und legte den Kopf leicht schief.


    "Insel Geddes - was gibt es da für mich zu gewinnen? Ich meine - wenn wir schon im Winter reisen, dann muss es sich für mich auch lohnen."


    Herausfordernd blickte sie den Hexer an.


    "Und sag nicht sowas wie "Meine Gesellschaft ist Gewinn genug", sonst müsste ich Dir leider sagen, dass ich auf Prahlerei nichts gebe."

  • "Als wenn ich prahlen würde..." dabei schaute er auf Rieke hinab, die dort immer noch werkelte.

    "Hm...soweit ich weiß, haben die dort wohl Probleme mit Scoia'tael und was weiß ich noch. Die Adelige, weswegen ich auf Siofra war, wollte noch einmal meinen Beistand. Und ich denke sooo viele Alchemisten werden wohl nicht vor Ort sein." Vladim zuckte mit den Schultern. "Jedenfalls ist sie ein Freundin und bezahlt gut. Ich erhoffe mir dort gute Geschäfte für meine Zunft. Vielleicht gibt es für dich auch was zu tun, wenn die Eichhörnchen vergiftete Pfeile nutzen..."

  • "Eichhörnchen -", murmelte die Alchemistin und runzelte wieder einmal die Stirn. "Nun gut. Wäre schön, wenn ich nicht von eben jenen Pfeilen gespickt werden würde. Das käme uns beiden und unseren Plänen wirklich nicht entgegen."


    Ihre grünen Augen wanderten über die Gruft und ihre Aufbauten.


    "Wann müssen wir uns einschiffen? Ich muss nochmal zu meinem Schneider. So kann ich definitiv nicht im Herbst auf See."


    Sie deutete an sich herab.