Bellarias Haus

  • ---weiter aus den Wäldern von Renascân---




    Nachdem sie noch kurz auf dem Markt vorbeigeschaut und einige Lebensmittel eingekauft hatte, betrat Bellaria ihr Haus.
    Latoya saß am Tisch und las ein Buch. Die beiden Frauen unterhielten sich kurz über die Einweihung der Tanzenden Hexe und die Rückfahrt Latoyas aus Amonlonde, während Bellaria die Lebensmittel in den Schränken verstaute.
    Dann ging sie in ihre Schreibstube, holte eine Rolle Pergament hervor und begann, zu schreiben.

  • Es klopfte an die Türe.
    Latoya, die aufgestanden war, und die Tür geöffnet hatte, konnte ihren Augen nicht trauen. Vor ihr standen ihr Bruder, seine Frau und ihre Nichte. Das Kind auf dem Arm ihrer Schwägerin war noch nicht auf der Welt gewesen, als Latoya Hrayland verlassen hatte. Freudestrahlend schloss sie ihre Familie in die Arme.


    Was macht ihr denn hier? brachte Latoya nur hervor.



    Latoya, wir haben beschlossen, uns in Renascân niederzulassen. Hier werden gute Schmiede gebraucht und wir haben nur Gutes gehört. Hier sehen wir unsere Zukunft.
    Die Tage werden wir anfangen, ein Haus zu bauen. Solange haben wir die Möglichkeit, in der Präfektur zu wohnen. Wir wollen, dass du bei uns wohnst. Du kannst deine Studien weiterführen und Selma mit den Kindern helfen. Außerdem gehörst du zur Familie. Was sagst du?


    Latoya wirkte etwas unentschlossen. Auf der einen Seite liebte sie ihre Familie, auf der anderen Seite wollte sie ihre Meisterin nicht enttäuschen. Sie wollte gerade etwas sagen, als sie hinter sich die Tür zur Schreibstube hörte.

  • Bellaria schaute etwas verdutzt, als sie die kleine Familie vor ihrem Haus sah.


    Ähhh... Latoya, willst du die Herrschaften nicht reinbitten? Und uns vielleicht vorstellen?



    Oh... sicher... stammelte Latoya und machte ihre Meisterin mit ihrer Familie bekannt. Latoyas Bruder erzählte von seinem Vorhaben.
    Bellaria schaute ihre Schülerin an.


    Und, was ist deine Meinung dazu? Möchtest du zu deiner Familie ziehen? Du kannst ja weiterhin zum Unterricht zu mir kommen und mit der Delegation reisen. Außerdem, wenn Talinor bald öfter hier ist, wird das kleine Haus doch schon recht eng für uns drei...



    Latoyas Zweifeln war von ihrem Gesicht verschwunden.


    Ich würde gerne zu meiner Familie ziehen, Meisterin - wenn Ihr nichts dagegen habt.



    Latoya, ich kann niemals deine Familie ersetzen und deshalb begrüße ich es, dass du zu deinem Bruder ziehen willst.


    Die beiden Frauen packten Latoyas Hab und Gut zusammen in einen Rucksack und verabschiedeten sich.


    Ich erwarte dich morgen.

  • Bellaria blickte der Gruppe lächelnd hinterher. Latoya hatte den Säugling, ihren Neffen, auf den Arm genommen und erzählte von dem, was sie alles erlebt hatte in den Monaten, seit sie in Bellarias Lehre war. Die Familie entfernte sich immer weiter und war bald aus Bellarias Blick verschwunden.
    Sie schloss die Tür, setzte sich auf die Felle und seufzte tief. Sie vermisste Talinor. Nun waren sie noch keinen halben Tag getrennt und doch quälte sie die Sehnsucht.
    Das Haus war seltsam ruhig und leer. Bellaria lehnte ihren Kopf an die Wand und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie seufzte zwischendurch immer wieder auf und griff schließlich zu ihrer Laute.


    Nicht mehr lange...



    Dann stimmte sie die Laute und fing an, ein Lied zu singen.



    For centuries down through the ages,
    I knew I'd find one of my kind,
    And I felt not a fear of finding you here,
    For I knew you'd be there at my side!


    And through all the time we'll be together,
    You'll be my strength and my pride,
    And if all the long years bring an ocean of tears,
    I'll fear nothing with you at my side
    I'll fear nothing with you at my side


    And now here we stand with each other,
    Our faith has been tested and tried,
    We'll say as we stand to the world hand in hand,
    I'll fear nothing with you at my side.


    And through all the time we'll be together,
    You'll be my strength and my pride,
    And if all the long years bring an ocean of tears,
    I'll fear nothing with you at my side
    I'll fear nothing with you at my side


    When we have grown old together,
    We'll look back on the roads we did ride,
    I'll say to you what the years have made true,
    I feared nothing with you at my side.


    And through all the time we were together,
    You were my strength and my pride,
    And 'though all the long years brought an ocean of tears,
    I feared nothing with you at my side
    I feared nothing with you at my side

  • Den ganzen Mittag verbrachte Bellaria damit, Musik zu machen. Gegen Abend erhob sie sich, holte ein Dokument aus der Schreibstube, legte ihren Umhang an und machte sich dann auf den Weg in die Taverne zum Zaunkönig, wo der ehrenwerte Procurator Emerald di Lorenzo sein 30. Wiegenfeste feiern wollte.




    ---weiter im Zaunkönig---

  • ---weiter aus dem Zaunkönig---




    Im frühen Morgengrauen kam Bellaria von der Feier zurück. Sie stellte die Laute an ihren Platz und zog sich um. Dann legte sie sich auf ihr Lager und schlief ein.


    Nachdem sie ausgeschlafen hatte, machte sie sich erneut für eine Reise bereit. Sie packte ihre Sachen in einen Rucksack, hüllte sich in ihren Mantel und trat vor die Türe, die sie gut verschloss. Dann machte sie sich auf in Richtung Wald.




    ---weiter in den Wäldern von Renascân---

  • So langsam kehrte wieder eine gewisse Form von Alltag in Bellarias Leben ein. Sie unterrichtete täglich Eléna und Latoya, brütete über einigen Büchern und forschte. Es war fast wie früher, nur dass da ein Barde in ihrem Haus saß, ihr half, wo er konnte, sie bebardete und bekochte und stundenlang mit ihr über alles Mögliche redete. Inzwischen konnte sie sich ein Leben ohne ihn kaum noch vorstellen.
    Die Tumulten in der Präfektur hatten die beiden nur am Rande mitbekommen.


    Eines Abends beschlossen die beiden nach langer Abwesenheit wieder einmal bei Mirav im Zaunkönig vorbeizuschauen, dort ein Mahl zu sich zu nehmen und die Gäste mit ihrer Musik zu erfreuen. Mit zwei Lauten und einer Bodhrán bepackt zogen sie los in Richtung Zaunkönig.





    ---weiter in der Taverne Zum Zaunkönig---

  • Talinor hatte Teewasser aufgesetzt und stand nun mit einer dampfenden Kanne Karamelltee vor Bellaria.


    Mittlerweile fühl ich mich hier schon richtig heimisch.


    Er lächelt Bellaria an, stellt den Tee ab und setzt sich wieder zu ihr.


    Es ist jedesmal wieder wunderschön, nach einem schönen Abend im Zaunkönig
    mit Dir nach Hause zu kommen...


    Er hält einen Moment inne...


    ...hab ich grad "nach Hause" gesagt? Ja... ich fühle mich hier zuhaus...


    Er beugt sich zu ihr und gibt ihr einen langen zärtlichen Kuß.

  • Sie blickte Talinor tief in die Augen.


    Mein Herz... Egal in welchem Land, in welcher Stadt wir uns befinden... Solange du an meiner Seite bist, bin ich zuhause.



    Als er sich zu ihr beugte, nahm sie ihm die Teekanne aus der Hand und stellte sie neben sich auf den Boden, während sie ihn zu sich zog und den Kuss erwiederte.


    Bellaria und Talinor saßen noch eine ganze Weile da, tranken Tee und redeten über die Gegenwart, ihre Zukunft und ihre Träume. Träume von einer gemeinsamen Zukunft voller Musik, Liebe, Vertrauen und Geborgenheit.
    Sie saßen dort und waren sich unendlich nahe.




    Am nächsten Morgen stand Bellaria leise auf und ließ Talinor noch schlafen. Sie zog sich an, richtete das Frühstück und ging dann vor die Türe, um die frische Luft des Morgens einzuatmen.

  • Bellarias Haus lag relativ abgelegen hinter dem Präfekturgebäude. Es war normalerweise sehr ruhig hier - vor allem zu dieser Stunde. Aber heute schien die Siedlung so früh schon lebhaft - zu lebhaft. Bellaria spitzte ihre Ohren, aber durch die Konzentration bemerkte sie etwas ganz anderes als Geräusche. Sie nahm Wesen wahr, die nicht auf dieser Ebene wandelten.
    Bellaria setzte sich auf der Veranda hin, konzentrierte sich, schloss die Augen und fing an, leise zu summen. Es sah aus als ob sie meditiere. So verharrte sie einige Minuten. Plötzlich schlug sie die Augen wieder auf und eilte ins Haus.



    Talinor, steh auf - man braucht unsere Hilfe.



    Talinor verstand nicht, aber die Dringlichkeit in Bellarias Stimme sagte ihm, dass es etwas Ernstes sein musste. So zog er sich so schnell es ging an. Bellaria schnappte sich eine der Lauten, die noch vom Vorabend eingepackt waren und trat schnellen Schrittes aus der Tür. Talinor folgte ihr, besorgt ob der Eile und Entschlossenheit seiner Gefährtin.




    ---weiter an der Anlegestelle---

  • Seit der Festivität im Zaunkönig waren schon einige Tage vergangen.


    Es war auffallend ruhig in Bellarias Haus. Nur selten waren Saitenklänge und Singstimmen zu hören. Auch sah man die Bardin kaum im Dorf. Einige dachten wohl, dass sie wieder in Amonlonde weilte, was jedoch nicht der Fall war.


    Viel eher saß Bellaria jeden Tag in der Schreibstube und versuchte zusammen mit Talinor etwas über die Zeichen und die seltsamen Fellwesen herauszufinden.
    Sie hatten an ihr geschnüffelt und sie angestubst und Bellaria konnte nicht das Geringste tun. Ihr Körper und ihre Lippen waren wie gelähmt, doch ihr Geist war klar.
    Später fand sie heraus, dass es sich um ein schamanistisches Ritual handelte im Umkreis von ungefähr 60 Schritt, das die Zeit verlangsamte - selbst die Bäume klagten Bellaria ihr Leid.
    In Deifontes' Gedächtnis war die gleiche Schwärze zu sehen wie einst in Dragos, als er die Zeichen aufgeschrieben hatte. Für ihn war das Ganze nicht einmal passiert.
    Gedanken und Bilder strömten immer wieder auf Bellaria ein... Bei der ersten Festivität im Zaunkönig, als Emerald von einem Fellwesen sprach, das ihn angegriffen haben soll; doch alle hielten das für die Folgen seiner Trinkfreudigkeit. Bei der zweiten Festivität kippten eine Hand voll Menschen einfach so um und Drago schrieb die Zeichen auf. Bei der dritten Festivität nun tauchten diese Wesen deutlich auf und untersuchten Deifontes. Immer, wenn viele Magonier und Gäste zusammenkamen... Wer waren sie?
    Wie oft hatte Bellaria Emerald geraten, eine Expedition zu organisieren, um Renascân näher zu erforschen? Wie oft und wie lange schon hatte sie an ihn geredet, ohne ihn überzeugen zu können?
    Das Land, auf dem sich die Magonier niederließen, mag es schon seit Tausenden von Jahren geben und es ist mehr als logisch, dass es auch vorher schon bewohnt war. Es wurde wohl nicht ausreichend erkundet oder diese Wesen lebten gar nicht (ausschließlich) in der Gegenwart. Vielleicht waren es zeitlose Wesen, die in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich lebten und somit von kaum jemandem gesehen werden konnten. Aber die Gegenwart hat Einfluss auf die Zukunft und es ist nur logisch, dass diese Wesen ihren Lebensraum verteidigen wollen.
    Dieses Ritual... Kein Großmeister allein wäre zu solch einem Ausmaß fähig. Es mussten einige mächte Magier sein und diese Wesen bestanden wohl auch aus sehr viel Magie, wie alle alten Völker.


    Schon bald wurde die Tatsache deutlich, dass Bellarias kleine Bibliothek nicht ausreichte und sie darin nicht das fand, wonach sie suchte - wonach suchte sie eigentlich? Sie müsste in eine größere Bibliothek gehen, in der mehr Bücher waren, mehr niedergeschriebene Erfahrung. Es war wie die Suche der Stecknadel im Heuhaufen... Vielleicht hatte noch nie jemand etwas von solch Wesen gehört oder gesehen. Vielleicht waren diese Schriftzeichen noch nirgens aufgetaucht. Aber vielleicht eben doch und darauf hoffte Bellaria.
    Die Zeit, bis sie zur Laurenburg reisen würde, war zu kurz, um noch einen Aufenthalt in Amonlonde einzuschieben.
    Bellaria und Talinor beschlossen jedoch, nach dem Fest in Laurenburg nach Amonlonde zu reisen. So konnte Bellaria sich in der Bibliothek der Akademie umsehen und Maglor wäre bestimmt auch erfreut, Talinor wieder öfter zu Gesicht zu bekommen.


    Bis dahin blieb ihnen nicht allzu viel übrig, als die Sache mit den Fellwesen ruhen zu lassen.

  • ---von der Anlegestelle kommend---



    Gesenkten Blickes und beladen mit Gepäck traf Bellaria an ihrem Haus ein, welches sie sogleich öffnete. Sie legte das Gepäck in einer Ecke des großen Wohnraumes ab und begab sich dann auf das Schlaflager, bei dem sie sogleich ihr Gesicht in die Kissen vergrub und anfing, zu schluchzen...


    "So viel Gleichgültigkeit..." dachte sie sich und ihr Herz wurde wieder so schwer, wie es in den letzten Tagen so oft der Fall war, seit sie auf die Insel der Stürme gekommen waren...

  • Mittlerweile war auch Talinor eingetroffen, legte sein Gepäck ab und ging zu Bellaria zum Schlaflager.
    Er setzte sich zu ihr, legte einen Arm um sie und streichelte ihr sanft durch das Haar.


    Gleichgültigkeit schmerzt oft... ich weiß... und habe es ja auch erfahren..
    Aber das Wissen darum, daß es auch Menschen gibt, denen man nicht gleichgültig ist, kann auch wieder aufbauen.
    Liebe Freunde... oder...
    ...Liebende... wie wir.
    Unsere Liebe soll Trost sein, in Momenten wo wir nicht mehr wissen wohin wir uns wenden sollen. Sie hat ewig Bestand und trotzt allen Widrigkeiten.


    Uivelin le, meleth e-guilen...



    Dann beugt er sich zu ihr herunter und gibt ihr einen sanften und zärtlichen Kuß. Noch lange verharrt er so, eng an sie gekuschelt, einfach nur ihre Nähe genießend.

  • ------------------=[ Am nächsten Morgen ]=------------------


    Talinor und Bellaria sitzen beim Frühstück.


    Ich habe einen Brief von Gedron bekommen, er fragt uns ob wir mit ihm zu einer Siegesfeier reisen. Wenn Du magst, nehmen wir das nächste Handelsschiff.


    Bellaria schaute Talinor an. Sicher, das wäre eine gute Idee. Vielleicht genau das, was sie beide jetzt brauchen würden.


    Sie stimmte zu, und nachdem sie ihren Tee ausgetrunken hatten packten sie Instrumente, Sachen und Verpflegung für die Fahrt ein und verließen das Haus in Richtung Anlegestelle, wo sie an Bord eines Magonischen Handelsschiffes eine Kajüte bezogen.

  • An einem dieser Abende wurde Bellarias Haus erleuchtet, nachdem wenige Tage Dunkelheit herrschte. Man hatte jedoch niemanden gesehen, der in das Haus hinein gegangen war.
    Im Haus zündete Bellaria gerade die Kerzen und das Feuer an, während Talinor sehr erschöpft auf der Schlafstatt lag und sich ausruhte.
    Bellaria gab ihm zu trinken, zu essen, setzte sich anschließend zu ihm und sah ihn sorgenvoll an.


    Auf diese Art sollten wir nicht oft reisen - es schwächt dich viel zu sehr...



    Dann legte sie eine Hand auf seine Stirn und gab ihm etwas von ihrer Kraft ab, damit er nicht mehr allzu schwach war. Anschließend nahm sie Talinor in ihre Arme und kuschelte sich an ihn.

  • Talinor war zwar geschwächt von den Anstrengungen der Reise, jedoch auch zufrieden. Sie hatten einen ereignisreichen Abend erlebt, und auch wenn aus der geplanten Siegesfeier mehr eine klare Niederlage wurde, so tat das der Freude keinen Abbruch: Man suchte Zerstreuung im Feiern.
    Außerdem hatten Bellaria und er dort noch helfen können, und mehrere Leute geheilt. Talinor merkte, daß seine Fähigkeiten sich stetig verbesserten - immerhin hatte er nicht nur eine Wunde, sondern gleich mehrere auf einmal heilen können, auch wenn ihn das zur Zeit noch viel Kraft kostete.


    Und jetzt, nach all den Strapazen der Reise endlich wieder zuhaus zu sein, ...ja, zuhause... das war es mittlerweile für ihn. Renascân und vor allem Bellarias Haus waren für ihn zu einer Heimat geworden, zu der hin zurückzukehren er sich mindestens genauso freute, wie nach Amonlonde zurückzukehren - wenn nicht noch mehr.


    Er lag auf der Schlafstätte und genoß Bellarias Berührung. Lag einfach da und war froh bei ihr zu sein. Sehr bald schlief er ein und träumte von ihrer Beider Zukunft. Einer Zukunft wie er sich sie schöner nicht vorstellen könnte.