Die Hütte von Esme

  • Fröhlich rumorte Esme quer durch den Raum bis Lamask aufwachte. Der Gute schien sich bei ihr recht wohlzufühlen. Zumindest bekam er zufällig immer gerade dann ganz furchtbare Kopfschmerzen, Schwindelanfälle, Halluzinationen oder dergleichen, wenn Esme ihm erklären wollte, er wäre wieder vollkommen gesund und könne an seine Arbeit zurück kehren.


    Im Laufe des Tages ignorierte die Alte dann doch alle Übelkeitsanfälle von Lamask und sagte ihm großmütterlich bestimmt, dass seine Fähigkeiten nun gebraucht seien. Nachdem er so heraus zitiert worden war, machte sich Lamask dann doch auf um seinen Dienst wieder anzutreten.


    Esme stand im Türrahmen, sah dem Mann nach, den sie irgendwie lieb gewonnen hatte und seufzte leis.

    Mögen dich die Fünfe beschützen, mein Sohn, vor was auch immer da kommen möge. Mögen sie uns alle beschützen.


    Mit einer fahrigen Bewegung strich sie ihre Röcke glatt und ging wieder zurück ins Haus.

  • Ein kleiner Junge nähert sich der Hütte. Vorsichtig schaut er sich um, dann zückt er sein kleines Messer und schneidet einige der Kräuter ab, die zum Trocknen vor der Hütte hängen. Nervös blickt er sich nochmals um, dann nimmt er die Füße in die Hände und läuft schnell davon.
    'Hoffentlich hat mich keiner gesehen', denkt er sich.

  • Aus einer Astgabel beobachten zwei grüne Augen gelangweilt das Geschehen. Der schwarz bepelzte Schwanz hing frei herunter.


    Der kleine Kater späht durch die Blätter und genießt die Sonne, die durch das Blätterdach gedämft auf sein Fell scheint.

  • Die drückende Schwüle wurde nur von dem sanften vom Meer kommenden Wind unterbrochen, der durch die offenen Läden und die Tür durch das Haus wehte.


    Am Herd stand die alte Kräuterfrau und rührte in einem Topf, aus dem der starke Geruch aromatischer Kräuter dampfte. Plötzlich hielt sie inne und schloß unwillkürlich die Augen. Ein Lufthauch bewegte eine graue Strähne, die aus ihrem Zopf gerutscht war. Und dann war es wieder mit dem Wind verschwunden.


    Die Alte öffnete die Augen und fuhr fort in ihrem Topf zu rühren. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Der Wind hatte ihr etwas geflüstert. Eine Nachricht aus der Heimat hatte er gebracht. Und es machte sie auf eine leichte, beschwingte Art glücklich und ihr Herz frei.

  • Sich mit einem Stock stützend ging die Alte langsam zu ihrer Hütte zurück. Obwohl sie die Nachrichten nachdenklich machten, war sie dennoch nicht gewillt, dem ganzen eine solche Tragweite zuzubilligen. Der Wind hätte es ihr schon geflüstert, wenn sich auf der Insel ein neuer Krieg seinen Weg bahnen würde.
    Außerdem mussten die ganzen jungen Hühner, die hier kopflos durch die Gegend rannten, sowieso noch lernen, dass sie gegen manche Dinge erst etwas tun konnten, wenn sie tatsächlich da waren. Aber diese Besonnenheit lernte man wohl erst, wenn der Rücken nicht mehr so wollte und das Knie bei jedem Schritt schmerzte.


    Als sie sich ihrer Hütte näherte, sah sie schon die Gestalt davor stehen und rufen. Wer das war, konne sie erst an der Stimme erkennen.


    "Ah, Elena. Kind. Hier bin ich doch. Eine alte Frau ist nun mal nicht mehr so schnell."

  • "Guten Tag, Frau Esme." brgüßte Eléna die alte Frau. "Wart Ihr auch beid dem Aufruhr dabei? Ich hätte eine Bitte. Ich war bevor die ganze Sache passiert ist ein wenig unvorsichtig und habe mich verletzt."


    Sie zeigte ihre Hand mit der mittlerweile verschorften Wunde in der noch jede Menge kleiner Kristallsplitterchen steckten.

  • "Das sieht böse aus, Kind. Damit hättest du schon viel früher zu mir kommen sollen." Sie schüttelte tadelnd den Kopf und zwinkerte Elena zu


    "Jaja, die Jugend hat für solche Dinge einfach keine Zeit. Komm nur mit rein, meine Liebe. Komm rein."


    meinte sie und schob die Tür auf, die weder Schloß noch Riegel besaß. Drinnen schürte sie zu allererst das Feuer an und setzte einen Topf mit Wasser auf. Dann ging sie zu einem Wandschrank um dort eine Rolle aus Stoff herauszuholen. Aus einer Kiste holte sie ein Arsenal von Tontöpfchen, öffnete einige, schnupperte hinein um sie dann wieder zu verschließen und wegzustellen. Drei davon behielt sie jedoch und trug sie zum Tisch.


    Mit einem prüfenden Blick schaute sie sich um.


    "Nein, so geht das nicht. Zu dunkel, Liebchen. Wir sollten dazu raus gehen. Nimmst du gerade das Tigelchen, ja? Sei so lieb."


    Den Rest stellte sie auf ein Tablett und ging wieder hinaus, wo das Tageslicht noch stark und hell genug war für das Kommende.

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Homunkulus (~835 - 902)

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  • "Der Eintopf wird auch heißer gekocht, als er gegessen wird. Das haben die Leute hier einfach noch nicht verstanden. Aber vielleicht tun sie das, wenn sie erst ein paar Jahre älter sind."


    Während sie redete, knotete sie die stoffrolle auf. Darin kamen eine Schere, ein Messerchen, diverse Nadeln aus Metall und Knochen und eine Pinzette aus Knochen zutage. Letztere nahm sie heraus und nahm dann Elenas Handgelenk und zog es sanft zu sich heran.


    "Das wird jetzt ein wenig zwicken. Aber es muss sein. Auf die Nähe kann ich zum Glück noch sehr gut sehen."


    Mit überraschend ruhiger Hand begann sie die mühselige Arbeit die kleinen Kristalle herauszuziehen. Nach einiger Zeit besah sie sich ihr Werk kritisch und seufzte.


    "Dachte ichs mir doch. Einige kann ich mit der Pinzette nicht bekommen. Vor allem weil Schorf darüber ist."


    Mit mitleidig gerunzelter Stirn sah sie Eléna an.


    "Der Schorf muss wohl runter, Liebchen."

  • Routiniert nahm sie eins der Tiegelchen, das sich als leer heraus stellte und ein kleines Löffelchen. Aus den beiden anderen Töpfchen nahm sie einige Löffel einer honigfarbenen Masse, die auch so ähnlich Fäden zog und aus dem andere gab sie ein grünlich braunes Pulver hinzu. Sorgfältig verrührte sie es, bis ein zähflüssiger, gleichförmiger Brei daraus geworden war.


    Mit dem Löffel trug sie die Masse großzügig und dick auf die Handfläche auf. Das Zeug roch nicht besonders angenehm - genau genommen nach Kuhdung, nur nicht so stark - fühlte sich aber leicht warm an auf der Haut.


    "So, jetzt müssen wir einige Augenblicke warten." sagte sie und tippschte vorsichtig mit der Fingerkuppe in die Masse um die Festigkeit zu prüfen. Der Brei zog deutlich Fäden, hinterließ aber keinen Rest auf dem Finger der Alten.

  • "In den letzten Wochen wollte ich sowieso einmal in der Akademie vorbei kommen. Ich habe ja die Kammer frei, seit Lili ausgezogen ist. Und über ein wenig Hilfe würde ich mich freuen. Wäre vielleicht an der Akademie eine Schülerin, die noch eine Unterkunft sucht? Sie könnte in der Kammer schlafen und würde sich um ihre Verpflegung keine Gedanken..."


    Mit einem heftigen Ruck zog sie die inzwischen fest gewordene Masse ab und hielt nun die Platte in der Hand, an der der Schorf fest hing, aber auch kleine Splitterchen glänzten. Nach einem kurzen Augenblick fing das Blut an Elenas Hand an hervor zu quellen.

  • "Ich glaube ich weiß jemanden für Euch. Morgaine such glaube ich noch eine andere Unterkunft. Das ist diejenige, die im Zaunkönig aushilft. Ihr kennt sie bestimmt."


    Als sich die Mischung aus Schorf und Salbe von ihrer Hand löste zog Elèna scharf Luft ein. Dann beeilte sie sich die Hand weit genug von sich weg zu strecken, so dass kein Blut auf ihre Kleidung tropfte.


  • SL SL SL SL


    >>>>Zeitanpassung



    Seit dem aufrührerischen Vorfall war einige Zeit vergangen. In Renascân war es, abgesehen von einigen kleineren und kaum erwähnenswerten Reibereien, erstaunlich ruhig geblieben.


    Mittlerweile hatte der Herbst Einzug gehalten. Die Tage wurden kürzer, das Wetter nasser und kälter.


    Wir befinden uns mittlerweile im elften Mond des Jahres 408 n.Dj., kurz vor dem berühmten Kartoffelfest.

  • Narvi erreicht etwas außer Atem die Hütte an der Anhöhe und verlangsamt ihre Geschwindigkeit. Sie mustert die Umgebung nun genauer.


    Die kleine, rustikale Hütte schmiegt sich unscheinbar zwischen die Bäume und Gräser am Waldrand. Ein sehr beruhigendes Bild, wie sie es bisher selten erlebt hat. Noch wusste sie von der werten Frau Esme nicht viel. Nur, dass sie ihr beibringen könnte mit Heil- und Giftpflanzen umzugehen. Das war nun das große Ziel, aber würde die Dame Narvi auch aufnehmen wollen?


    Ein frischer Geruch von kühler Luft und Feuchtigkeit aus dem Waldesinneren schwang heran und machte Narvi bewusst wie anders es hier roch, und dass es einem zwischen den friedlich vor sich hin hängenden Pflanzen im Bereich vor der Eingangstür ziemlich behaglich vorkam. Sowas war sie nun wirklich nicht gewohnt. Die Hektik aus Morigan und in dem Kreis ihrer Ziehfamilie war zwar vertrauter, doch ebenso verhasst und so wurde sie sehr vorsichtig, weil es ihr vorkam, als würde sie eine neue Welt betreten.


    "Jetzt werd mal nicht zimperlich!" sagte sie sich...


    Mit bedächtigen Schritten ging sie auf die Eingangstür zu und klopfte.


    Hallooo? Ist jemand hier?


    Narvi schien alles so ruhig zu sein. Unmöglich konnte jemand hier sein, sonst wäre doch irgendetwas zu hören...