Bellarias Haus (2)

  • Wenn Bellaria wüßte, wie ähnlich ihre Assoziationen im Moment denen ihrer Freundin zu dem Zeitpunkt sind...
    "Doch, es ist geschehen. Und nein, Geddi und ihr seid natürlich noch am Leben. Das hab ich dazugesponnen weil ich es nicht geschafft habe mich... davon abzugrenzen. Ich habe mich darin verloren. Ich wäre von alleine wahrscheinlich nicht mehr da rausgekommen. weißt du, es waren nicht nur Bilder, es waren die Erinnerungen und Gefühle... Nicht meine, aber ich habe sie zu meinen gemacht. So viel Verzweiflung... und Hilflosigkeit." Sie schaudert, doch jetzt läßt sie sich nicht mehr völlig davon vereinnahmen. Sie nutzt was sie von Silia gelernt hat, pure Notwendigkeit, sie weiß was sonst passiert.
    "Was es mir gezeigt hat ist aber etwas anderes: Es hat mir vor Augen geführt, daß Enduneath wesentlich älter ist als er wirkt. Daß er aus einem Volk stammt, daß mir viel fremder ist als ich vermutet hatte. Daß wir uns viel weniger ähnlich sind als ich dachte..."
    Und das ist der eigentliche Grund für ihre Traurigkeit. Dummes kleines Menschenmädchen, das glaubt mit Elben befreundet sein zu können...

  • Also hat sich in der Geschichte, die du verändert hast, deine eigene Angst widergespiegelt? Die Angst, Freunde zu verlieren. Oh, wie gut ich dich verstehen kann... Die letzten Wochen haben diese meine Angst genährt.



    Sie seufzte tief. Als Kassandra fortfuhr, nickte sie. Sie war bei Elben aufgewachsen. Nie hatten sie ihr zu spüren gegeben, dass sie anders sei oder weniger wert. Sie hatten Bellaria immer als eine ihresgleichen behandelt. Und doch...


    Ich verstehe, dass Elben keine Menschen mit spitzen Ohren sind. Uns unterscheidet mehr als das. Vielleicht mehr als wir begreifen können. Vielleicht hast du genau das gesehen.


    Aber ... hmmm...
    Kennst du Lindain? Er ist Hochelb. Er ist Bardenlehrling. Er ist Freund. Wir teilen ein Seelenband. Er ist all das. Wir mögen sehr unterschiedlich sein und doch ... gleich. Die Musik verbindet uns. Die Elemente, vor allem Wasser, das unser Band geschaffen hat, verbinden uns. Wir mögen unterschiedlich sein und doch...


    Worte... Manchmal waren sie nicht ausreichend. Wie konnte sie das, was sie ausdrücken wollte, in Worte fassen? Gab es für ihre Freundschaft Worte? Lindain müsste hier sein. Sie müssten zusammen Musik machen und Kassi würde wissen, was sie sagen wollte. Die Musik würde alles klarstellen. Aber Lindain war weit entfernt, auf dem Weg nach Arûn.

  • Kassandra nickt. "Ja, genau das war es. Und weil es genau diese schrecklichste Angst so... vollständig wiedergespiegelt hat konnte ich mich davon nicht distanzieren..."
    Obwohl es das nicht sollte überrascht es sie doch, wie genau Bellaria den Kern der Sache getroffen hat.


    "Lindain... ich habe ihn ein paarmal getroffen. Ich glaube bei dir, hier." Sie lächelt. "Daß ich ihn kenne will ich nicht behaupten..."
    Und Bellaria sagt, ein Seelenband verbindet sie... Eine Sterbliche... und einen Elben. Was würde das ihm antun wenn Ballaria irgendwann einmal das Ende ihres Lebens erreichte...?

  • Bellarias Schweigen zeigt der Schankmaid recht deutlich, daß sie nicht die einzige ist, die Sorgen hat.
    Sie nimmt Bellaria noch mal in den Arm.
    "Und was waren das jetzt für Briefe, von denen du eben geredet hast?"

  • Sie erwiederte die Umarmung. Bevor sie sprach, seufzte sie noch einmal tief.


    Ja, die Briefe... Diese Angst von der du geredet hast. Freunde zu verlieren. Stell dir vor, du bekommst innerhalb weniger Wochen zwei Briefe von Freunden, die sich von dir verabschieden und erlebst im gleichen Zeitraum zwei Mal, wie eine derjenigen, mit denen du ein Seelenband teilst, ins Totenreich geführt wird.


    Sie brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Der Schmerz war ihr deutlich anzusehen.


    Glanwen wurde beide Male wieder in die Welt der Lebenden zurück geschickt. Aber Anna von Lorbach und Dankwart werden nie wieder auf dieser Erde wandeln.

  • Kassandra schließt die Augen.
    Dankwart ist kein sehr enger Freund gewesen, aber zu wissen, daß er nicht mehr da ist tut weh.
    "Niro hat von Dankwart erzählt", sagt sie leise. Und sie hatte gehofft er hätte unrecht.

  • Ja... In seinem Brief stand, dass er einem schweren Kampf mit einem alten Feind entgegen sieht und dort höchstwahrscheinlich nicht lebend heraus kommen wird.


    Ich hoffe immer noch, ihn auf dem nächsten Treffen in der Akademie Airikas Traum zu sehen, aber...


    Sie konnte den Satz nicht beenden.



    Und dann war Ignatzio auch noch so leichtsinnig und riskierte sein Leben leichtfertig und vor Kurzem kam Ashaba zu mir und vertraute mir etwas an für den Fall, dass sie sterben würde.


    Warum kam immer alles zusammen? Sie schüttelte den Kopf. Ironie des Schicksals? Oder wollten die Götter ihr mitteilen, dass auch sie Vorbereitungen treffen sollte, dass jeder Tag ihr letzter sein könnte?

  • Kassandra streicht ihr mitfühlend übers Haar.
    "Ach Liebes... du kriegst es grad wieder ganz dick, hm?"
    Sie schüttelt den Kopf.
    "Und dann komm ich und lade meine Sorgen auch noch bei dir ab."
    Sie stellt fest, daß ihr Tee leer ist und schenkt sich und der Bardin nach.
    "Sollte Dankwart tatsächlich zurückkommen...", sagt sie langsam. "Ich wäre froh wenn du mir dann schreibst."

    Das Problem ist nicht der Druck! Das Problem sind die Apachen!!

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Kassandra ()

  • Kommt alles auf einmal, ja.
    Mach dir keinen Kopf. Fürs gegenseitig Sorgen abladen sind Freunde doch da, oder? Du hast ohne meine Probleme sicher auch genug zu tragen.


    Sie nimmt den frischen Tee dankend an.


    Entweder Dankwart hat den Kampf überlebt oder nicht. Er scheint mir nicht wie jemand, der zurück kommen würde. Aber ich habe nichts von ihm gehört seit dem. Glanwen und Lindain auch nicht. Es sieht nicht gut aus. Sollte ich aber erfahren, dass er es doch geschafft hat, dann werde ich dir schreiben, versprochen.

  • "Danke", sagt Kassandra nur und schweigt dann wieder eine Weile und hängt ihren Gedanken nach.
    Es ist schon eine Weile her, daß sie hier in Bellarias Kaminzimmer saß, mit Gedron, erinnert sie sich, und sie die Liste der gemeinsamen Freunde durchgegangen waren um Informationen auszutauschen wer noch am Leben war und wer nicht mehr. Wie bestürzt war der Halbelf über ihre Tränen bei der Nachricht von Felis Tod gewesen. Die einzige, die sie je 'Schülerin' genannt hatte...
    Jetzt muß sie lächeln. Nein, das stimmte nicht mehr ganz.
    "Silia unterrichtet mich", beginnt sie wieder, in der Absicht vielleicht mit ein paar fröhlicheren Themen Bellaria wieder ein wenig aufzuheitern.
    "Darin, mit den Visionen umzugehen. Damit ich mich nicht wieder darin verliere. So ist doch was Gutes aus dieser Sache hervorgegangen..."

  • Wer ist Silia? Ich glaube nicht, dass ich sie kenne. Aber das ist gut, dass du jemanden hast, der dich das lehren kann. Es ist immer besser, nicht allein mit einem Problem dazustehen.



    Sie freute sich für Kassandra.
    Den Themenwechsel hatte sie durchaus bemerkt. Sie interessierte schon, wie es mit Endu weiterging, aber sie wollte nicht wieder ein trauriges Thema anschneiden. Auswahl gäbe es jedoch genug...

  • "Silia ist eine Elbe. Aus Teranbar. Und Seherin. Sie wohnt im Moment bei uns. Und ja, ich bin auch froh, daß sie das tut, auch wenn es echt anstrengend ist. Das nächste Mal geht vielleicht nicht so glimpflich aus... Nicht daß ich vorhab sowas in absehbarer Zeit noch mal zu machen."

  • Es klopft draußen an der Tür.


    Ein junger Mann stand davor, trat von einem Bein auf das Andere und wartete auf eine Reaktion. Gerade eben war er von der Anlegestelle gekommen, wo ihm ein Fremder einen Brief in die Hand gedrückt, auf welchem Bellarias Name stand.


    Er hatte sich durchgefragt, bis zu eben ihrem Haus.



    Und jetzt war er hier.

  • Du hast es mit Elben, hm?


    Bellaria lächelte sanft.
    Als es an der Tür klopfte, stand sie seufzend auf.



    Ich weiß auch nicht. Monate war es ruhig und nun klopft es schon zum zweiten Mal an einem Tag an meine Tür. Wer das wohl sein mag?
    Kann ich dir noch etwas bringen? Brauchen wir neuen Tee oder hast du Hunger?


    Sie ließ die Tür offen, als sie den Raum verließ. So würde sie Kassandras Antwort immer noch hören. Kurz sah sie beim Vorbeigehen in die Küche und entdeckte Hani und Ruth ins Spiel vertieft. Sie lächelte.


    Sie öffnete die Tür und sah den Fremden fragend an.


    Ja?

  • Ja, das bin ich wohl.


    Beim Wort "Brief" wurde sie kreidebleich. Bitte nicht noch ein "Brief ".
    Ein paar Augenblicke später hatte sie sich wieder gefangen und nahm dankend das Papier entgegen. Mit der anderen Hand kramte sie in ihrer Gürteltasche und gab dem Jungen ein Kupfer.


    Auf dem Weg zurück ins Kaminzimmer begutachtete sie den Brief genauer, um herauszufinden, von wem er sein könnte.

  • Erleichtert atmete sie aus. Glanwen. Sie erkannte das Siegel und die Handschrift. Durch das Seelenband wusste sie, dass es ihr gut ging. Sie würde den Brief später in Ruhe lesen. Kassi würde sich viel zu schnell wieder auf den Weg machen und die Zeit wollte sie genießen.


    Briefe.
    Die letzten Briefe, die ich erhalten habe, brachten keine guten Nachrichten. Aber der hier ist von Glanwen und ich wüsste, wenn ihr etwas passiert wäre. Von daher ist alles gut.


    Sie sah auch nicht mehr so blass aus. Sie legte den Brief ab und schaute sich um. Dann sah sie Kassi an.


    Tee? Essen? Alkohol? Sonstwas?