Der Tempel der fünf Gottheiten (2)

  • "Hmm...Sie verspotten mich, wenn ich etwas sage, was in ihren Augen keine perfekte Antwort ist, sie beschimpfen mich als Naiv, wenn ich mein Vertrauen in sie ausspreche. Sie Hacken auf mir herum, verpassn mir leichte Schläge mit dem Wissen, dass ich mich niemals gegen sie wehren würde. Und die fallen einem in den Rücken, wenn man einen Spass macht, über die Vorgesetzten oder etwas in der Art. Und was das schlimmste ist, sie alle lassen sich von Macht beeinflussen, jedesmal wenn einer der Gardisten den Befehl über die anderen bekommt, wird er zu einem fürchterlichen weggefährten."


    Gerion schüttelte den Kopf.


    "Alles in allem sind das immer nur Kleinigkeiten, doch auch Tropfen höhlen Fels aus und zusammen mit dem was ich erlebe, weckt das Dinge in mir die mich erschaudern lassen."

  • "Hm." Johanna lehnt sich gegen die Bank zurück, sie sieht nachdenklich aus. "Und ich vermute, Du versuchst zu all dem eine gute Miene zu machen, nicht wahr? Du übergehst das mit einem Scherz?"


    Sie beugt sich wieder vor.


    "Hast Du versucht, die Schläge zurückzugeben? Und in vollem Ernst und mit lautem Ton 'Nein!' gesagt? Ich gebe zu, das ist ein vielleicht etwas ungewöhnlicher Rat für eine Priesterin der Lächelnden. Aber ich habe genug Erfahrung damit, dass Menschen meinen, hinter einem Lächeln und einem Sinn für Humor lägen Naivität und unendliche Duldsamkeit. Dem ist aber nicht so, aber viele Menschen sind nicht bereit, das zu hinterfragen."

  • Tief in seinem Inneren war Gerion sehr glücklich darüber, dass jemand das aussprach was fühlte und sich bei seinem Tun hauptsächlich dachte.


    "Ja klar könnte ich das machen, aber ich will nicht zurückschlagen. Das ist etwas was ich nicht verstehen kann und ich einfach nicht machen will. Und ob Worte allein reichen um dem Einhalt zu gebieten, daran zweifle ich. Sie würden mich nur wieder nicht ernst nehmen und mich noch mehr dafür verspoten."


    Gerion raufte seine Hände in sein länger gewordenes Haar.


    "Und noch mehr von alle dem ertrage ich nicht. Die Bilder und Gedanken in menem Kopf können wahr werden und wenn das so weit ist, bin ich nicht mehr ichselbst."

  • "Du solltest die Dinge ausprobieren, bevor Du sie in den Wind schlägst. Denn sich Gedanken um das Was-wäre-Wenn zu machen, die mit jedem Mal schlimmer werden, wenn Du sie in Deinem Kopf hin und her wendest, ist gänzlich falsch - und schädlich."


    Sie legt eine Hand in den Schoß und bemerkt dann, dass sie die fleckige Arbeitsschürze noch trägt, ignoriert das aber einfach. Die andere Hand legt sie ganz sachte auf Gerions Schulter.


    "Diese Bilder in Deinem Kopf - was sind das für Bilder?"

  • "Es sind Bilder davon wie ich meine Wut an ihnen auslasse. Eine Wut die ich nichtmehr zügeln kann..."


    Für ihn waren das schon zuviel Worte über die Dinge die ihn so quälten.


    "Und was das in den Windschlagen angeht, ich habe momentan einfach nicht die Kraft dazu. Und die lsst sich schwer neu schöpfen, wenn sich die Situation nicht ändert."

  • Für einen Moment wirkt Johanna erschrocken, doch sie fängt sich sofort wieder. Die unterstützende Hand auf Gerions Schulter bleibt dort, wo sie ist.


    "Und Du sagst dass Du niemanden hier hast, den Du als Freund bezeichnen würdest?" Betrübt schüttelt sie den Kopf. "Gibt es nichts anderes in Deinem Leben, mit dem Du Dir die Kraft holen kannst, die Du brauchst? Irgendetwas, das Du gerne tust? Irgendetwas, bei dem Du Deinen Zorn herauslassen kannst, ohne Dir oder irgendjemand Anderem zu schaden?"

  • "Ich weiß nicht. Ich bin kein Mensch der gerne Dinge alleine tut, ich glaube das liegt daran, dass wir daheim im Clan alles zusammen oder in Gruppen gemacht haben. Natürlich finde ich etwas mehr Ruhe, wenn ich mich einige Tage durch den Wald und die Wildnis schlage, doch wenn ich zurück komme, sich nichts geändert und alles beginnt von vorn."


    Gerions Hand zuckte kurz in Richtung den Hand auf seiner Schulter um seine darauf zu legen, doch kurz davor zog er sie wieder zurück.


    "Ich weiß keinen Ausweg mehr, als Nachhause zurückzukehren, doch dann weiß ich würde ich nicht wieder zurückkehren."

  • "Was mich hier noch hält ?"


    Diese Frage hatte sich Gerion die letzte Zeit nicht gestellt. Er wusste warum er hier her gekommen war, und hatte das auch gefunden, doch ob es nun das alles was er sehen und erleben musste auch wert war, dass wusste er nicht.


    "Ich weiß es nicht. Ich denke die Götter wollen dass ich hier bin und, dass ich meinen Beitrag dazu leiste ihre hier Ordnung aufrechtzuerhalten."


    Diese Antwort war selbst für gerion nicht ganz zufriedenstellend.

  • Johanna schüttelt ganz leicht den Kopf.


    "Die Götter wollen, dass Du ihre Gebote erfüllst und Dein Leben in ihrem Sinne gestaltest. Ein Leben, in dem Du unglücklich bist, kann keines sein, in dem Du Deinen Dienst an ihnen gut erfüllen kannst."


    Sie seufzt leise.


    "Die einen mögen sagen, dass dies wohl eine Phase der Prüfung für Dich ist, die Du durchstehen mußt wie ein Mann. Oder dass es für jedes Tal im Leben auch einen Berg gibt, auf dem Du bald stehen wirst. Oder dass alles, was Du erlebst, Ausdruck der Gerechtigkeit der Götter ist."


    Die Anspielungen an Kapal, Ellyris und Teldron waren leicht, aber sie waren vorhanden.


    "Ich sage: Du leidest und deswegen musst Du etwas ändern. Aber tue es nicht unbedacht. Prüfe noch einmal, warum Du hier bist und was Dich hier hält. Abseits dessen, was Du denkst, was die Götter von Dir erwarten. Erwarten tun sie sicherlich etwas, aber ob Du das so einfach hinterblicken kannst?" Sie lächelt milde. "Sieh Dir Dein Leben hier noch einmal mit offenen Augen an, versuch zu sehen, ob neben all dem Kummer, den Du erfährst, noch etwas geblieben ist, das Deine Seele erfreuen kann. Und dann fälle eine Entscheidung." Ihre Hand streicht kurz über Gerions Oberarm. "Wenn Du Kummer hast oder Dich verlassen fühlst, komm hierher - oder in's Waisenhaus, ja?"

  • "Ich werde euren Rat beherzigen. Ich werde eine Antwort darauf suchen, was mein Leben hier erfüllt und wenn ich sie gefunden habe, werde ich abwegen und eine Entscheidung treffen."


    Gerions Kopf senkte sich unmerklich noch etwas weiter. Die last auf seinen Schulter wurde zwar etwas kleiner für den Moment, doch nun stand er vor einem neuen Problem. Dann atmete er tief ein und aus und machte Anstallten sich zu erheben.


    "Ich bin froh, dass ihr hier her gekommen sied, denn die Güte Layas die ihr hier verbreitet würde ansonnsten einfach fehlen und diesen Ort trostloser erscheinen lassen."

  • "Warte", sagt Johanna unvermittelt, als Gerion sich erheben und damit ihre Hand abstreifen will. "Noch einmal: wenn es nicht gut um Dich steht und irgendjemandem etwas geschehen könnte, so komm jederzeit zu mir oder meiner Schwester Miriel." In ihren grauen Augen steht nun ein großer Ernst und etwas, was man fast Bezwingung nennen könnte, wenn Johanna keine Laya-Priesterin wäre.

  • "Vielen Dank." Johanna zieht ihren Arm fort und gibt ihn frei. "Ich bin nach Gesprächen wie diesen immer in Gedanken bei denen, die zu mir gekommen sind. Und ich freue mich über jeden, um den ich mir keine Sorgen machen muss." Sie lächelt warm und erhebt sich, wirkt dann aber für einen Moment irritiert, als sich die Tür den Tempels kurz öffnet, um zwei ältere Damen einzulassen und man deutlich hört, wie Stimmen vor der Tür 'Verbrennt den Hexer!" skandieren und ein allgemeines Gerenne entstanden zu sein scheint. "Weißt Du, was da los ist?" Johanna begrüßt die beiden Damen mit einem Kopfnicken, blickt dann wieder fragend zu Gerion.

  • "Nein."


    Gerion war verwundert, über die Situation, und dass er seinen Bogen oder seinen Speer in der Unterkunft gelassen hatte ärgert ihn noch mehr.


    "Wir sollten nachsehen."


    Also machte sich Gerion auf den Weg zum Tummult.

  • Eine ganze Weile, nachdem Johanna und Gerion den Tempel verlassen haben, um dem Aufruhr bei der Präfektur nachzugehen, kommt Johanna vom Hospital zurück und betritt die Nische, die Laya gewidmet ist.


    Leise vor sich hin summend, arrangiert sie die letzten Kleinigkeiten auf dem Altar und nimmt dann den angesengten Altarbesatz, den sie bei einer der Frauen, die immer im Tempel helfen, zum Ausbessern zu geben. Sie verneigt sich vor dem Altar, dann geht sie wieder in Richtung Ausgang, den Kopf geneigt und das Brandloch auf dem kostbar bestickten Stoff seufzend betrachtend.

  • Kurz bevor sie am Portal ankommt, schwingt die Tür auf und der Kapalpriester kommt schnellen Schrittes herein gelaufen. Als er Johanna bemerkt bleibt er wie angewurzelt stehen. Der Anblick Damorgs ist etwas ernüchternd, wenn man die Position bedenkt, die er hier in der Siedlung inne hat. Er sieht aus als wenn er die letzte Nacht durchgefeiert hätte und auch seine Kleidung ist zerknittert.

  • Johanna blickt auf, als sich das Portal öffnet und tritt einen Schritt zurück - bei ihrem Pech hätte sie das Holz vermutlich direkt gegen den Kopf bekommen. Als sie Damorg sieht, schleicht sich ein verdutzter Ausdruck auf ihr Gesicht. Sie betrachtet ihn einmal, von oben bis unten, verweilt dann mit den Augen kurz auf seinem Gesicht und tritt dann wortlos zur Seite, um ihm den Weg zu dem schmalen Korridor, der in die Räume der Priester führt, freizumachen.