Zum brennenden Tisch 22

  • "Ja, ich musste mich auch erst daran gewöhnen... und diese Gradwanderung zwischen dem arkanen & dem klerikalen Weg gelingt auch nicht vielen!"


    Sie lächelt belustigt,


    "Immerhin ist Magie etwas, das man durch seinen Willen formt und lenkt. Zwar kommt die arkane Kraft an sich meist von ausserhalb, aber man vereint sie in sich und benutzt sie dann um Zauber zu weben... die klerikale Kraft der Priester allerdings liegt in ihrem Glauben und der Macht ihrer Götter, die durch das Gebet oder die Bitte des Priesters wirken. Und ich glaube, wenn man es gewohnt ist als Magier seinem eigenen Willen zu folgen, ist es nicht ganz einfach den Wünschen der Götter zu gehorchen... verträgt sich doch allzu oft das Wissen nicht gut mit dem Glauben...!"


    Bei diesen Worten verzieht sie leicht das Gesicht, bevor sie dann hinzufügt,


    "Möglicherweise ist das der Grund dafür, daß alle Diener der Göttin, die ich kenne, welche beide Wege beschreiten, zuerst Priester waren, bevor sie sich der arkanen Kunst zuwandten. Denn als Priester lernen sie, sich der Macht der Göttin zu öffnen und quasi ihr >Werkzeug< zu sein, in dem sie sie durch sich wirken lassen. Und wenn ein Priester dann den Weg der Magie einschlägt, lernt er zusätzlich sich der arkanen Kraft zu bedienen & diese nach seinem Willen zu formen und einzusetzen."


    Chandra überlegt einen Moment und gibt dann unumwunden zu,


    "Ich glaube, mir würde das nicht gelingen... dazu beschreite ich zu lange den Weg der Magie, als dass ich mich für fähig hielte, die so streng gehegte Selbstbeherrschung so weit fallen zu lassen. Aber nichts destotrotz beschäftige ich mich sehr gerne mit der Theologie der unterschiedlichen Länder und muss Euch zustimmen, es kommt nicht oft vor, dass man Gleichgesinnte findet, mit denen man den offenen, unfanatischen Disput über Verrgleiche in den verschiedenen Glaubensrichtungen führen kann! Um so mehr sollte man die seltenen Gelegenheiten nutzen, wenn sie sich einem bieten... findet Ihr nicht?"


    Ein mutwilliges Funkeln liegt in ihrem Blick...

  • "Ich als Elemente-Priesterin scheine wohl offenkundig dafür prädestiniert, mich über Götter und ihre Vergleichbarkeiten und die Schwächen jeglicher göttlicher Theorie zu unterhalten" , gibt Alanis, recht trocken, zurück. "Fakt ist, dass ich Götter in jeder Form - es sei denn sie ist dunkler oder chaotischer Natur - respektiere und als Ausformung oder besser gesagt Erscheinungsbild meines Glaubens ansehe. Jegliches göttliche Handeln ist doch, meiner Erfahrung nach, auf die Grundlage einer Veränderung im Gefüge der Elemente gestellt. Der Mensch neigt aber nun einmal dazu, sich Göttlichkeit, Heiligkeit, mit Dingen zu erklären, die weniger abstrakt sind als die Idee, dass es neben dem Feuer, das im Herd lodert, noch DAS Feuer gibt, das Elemente, das Ureigenste. Erwartung bestimmt Form - oder irre ich mich da vielleicht auch?" Sie schmunzelt. "Meine bisherigen Begegnungen mit Göttern waren recht unerfreulich. Ich kam nicht dazu, nachzufragen."

  • "Etwa nicht? In Adalonde stehen die Elementaristen im Ruf sehr... weltoffen zu sein!"


    Sie lächelt Alanis gewinnend zu, überlegt dann einen Moment und bemerkt schließlich,


    "Das ist die Frage nach dem Huhn und dem Ei... was war zuerst da. Wenn ich die Elemente als Grundlage eines jeden Seins ansehe, so ist es nur folgerichtig, dass auch die Götter Ausdruck dieser Elemente sind. Gehe ich allerdings davon aus, dass es die Götter waren, die dem Sein die Form gaben, so müßte ich ebenso glauben, dass die Elemente von den Göttern geschaffen wurden und somit nicht die Götter Teil der Elemente, sondern viel mehr die Elemente Teil der Götter wären."


    Der letzte Satz der Heilerin verwundert Chandra allerdings ausserordentlich,


    "Ihr seid Göttern begegnet?"


    Überraschung liegt auf ihren Zügen, gepaart mit einer guten Portion Zweifel...

  • "Vor einiger Zeit zogen mich einige Wesenheiten durch meinen Schrein in ihre Sphäre und erschienen mir dabei in aller elementaren Allmacht. Es müssen wohl Götter gewesen sein - oder etwas, das mich glauben ließ, es seien welche. Es waren das Gute, das Böse und die Ausgleichung. Sie befragten mich und fanden in mir den Wunsch, mehr bewirken zu können, dann kehrte der Böse mit mir zurück in meine Welt. Ungesehen von allen, nur von mir, frevelte er meinen Schrein und bot mir mehr Macht an, wenn ich ihm folgen würde." Ihre Lippen zucken, aber ihe Worte klingen nachdenklich. "Aber jedes Kind weiß, dass bei so einem Handeln nur Schlechtes herauskommt. Ich wies ihn ab."

  • "Das Gute, der Ausgleich & das Böse..."


    Chandra schaut die Heilerin sehr ernst an,


    "Ist dem tatsächlich so? Oder ist nicht vielmehr die Unterscheidung von Gut und Böse, von Licht und Dunkelheit eher eine Sache des eigenen Standpunktes?"


    Dann schüttelt sie den Kopf und kehrt mit ihrer Aufmerksamkeit zu Alanis Geschichte zurück,


    "Ihr lehntet das Angebot des Bösen also ab... und dann?"

  • Alanis grinst und leert ihren Becher.


    "Er war wütend und das habe ich natürlich abbekommen. Die Schmerzen waren recht - unvergleichbar mit allem, was mich bisher in meinem Leben so ereilt hat. Aber ich hatte das Gefühl, dass ihm nicht die Macht inne war, mir mehr anzutun als das - warum auch immer."


    Sie räuspert sich und winkt mit dem leeren Becher in Richtung der Schankmaid, um Nachschub zu bestellen.


    "Was Gut und Böse, Licht und Schatten angeht - das ist ein weites Feld. Es sind Attribute, mit denen Menschen und Götter sich schmücken, als sei es eine Eigenschaft, die unabänderlich ist. Aber für mich definieren sich Menschen - und auch Götter - immer wieder neu durch ihre Taten und nicht durch das, was man ihnen nachsagt zu sein. Und der Begriff 'Licht' ist schwierig. Es gibt menschen, die sich 'licht' nennen, aber Unschuldige auf den Scheiterhaufen ihres Glaubens verbrennen. Ich selbst kenne wenige Menschen, denen ich vollends zugestehen würde, diese absolute Tugendhaftigkeit und Güte zu verkörpern und in jeder Entscheidung, jeder Tat, stets ehrenvoll, gut, selbstlos und aufopferungsvoll zu handeln. Mich selbst würde ich aber niemals 'in dieses Licht' gerückt sehen wollen."

  • Die Magierin verzieht mitfühlend das Gesicht, doch dann wirkt sie erneut sehr nachdenklich,


    "Sind es nur Attribute, die man sich selber gibt? Oder sind es nicht viel eher Attribute, die wir anderen Menschen, Wesen und Dingen verleihen? Gewiss sagt es einiges über einen Menschen oder vielleicht auch einen Gott aus, wenn dieser sich als Gut oder Böse bezeichnet... aber wieviel mehr sagt es über einen selbst aus, wie wir die Dinge sehen & benennen."


    Sie schaut Alanis fragend an,


    "Das, was Ihr vielleicht böse nennt, könnte in meinen Augen durchaus gut sein... oder andersherum. Manchmal frage ich mich, ob wir mit diesen Bezeichnungen nicht oft sehr unüberlegt & leichtfertig umgehen... oder zu engstirnig und verbohrt..."


    Ein kleines Lächeln huscht über ihre Züge,


    "Was ich zum Beispiel noch nie getroffen habe, ist ein Mensch, der wahrhaft neutral ist..."

  • "Wahre Neutralität verträgt sich nicht mit Gefühlen, denke ich", gibt Alanis zurück. "Und was die Begrifflichkeiten angeht - ich benutze sie trotzdem. Optimalerweise natürlich in Fällen, in denen ich sie eindeutig verwenden kann. Ein Nekromant, der seine Geliebte von den Toten erweckt, handelt aus Liebe, aber in meinen Auge böse, da er die Natur und das Leben selbst frevelt. Ich glaube darüber gibt es kaum Diskussionsbedarf - es sei denn Ihr seid aus Torog Nai." Ein schmales Lächeln liegt auf ihren Lippen, als sie sich an einige Begegnungen in der Vergangenheit erinnert.

  • "Nur dann dürfte ich anderer Meinung sein als Ihr?"


    Ein feines, fast belustigtes Lächeln liegt auf Chandras Zügen, dann bemerkt sie leise, aber sehr bestimmt,


    "Wenn aber nun ein Geweihter der Tsa, in ähnlicher Situation, seine Göttin um ebenjenes Wunder bittet, welches den selben Effekt hat, wie die Tat des Nekromanten... ist sein Handeln dann auch böse?"

  • Alanis verflechtet die Finger auf dem Tisch.
    "Ich kenne Wesen, die nach dem Tod von ihren Göttern zurückgesandt wurden. Ich habe sie gesprochen, berührt, in den Elemente angesehen. Sie sind so, wie sie vorher waren, nichts Unnatürliches haftet ihnen an, kein Gleichgewicht wurde gestört, das Leben durch göttlichen Entschluss nicht gefrevelt. - Ich sehe also durchaus einen Unterschied zwischen dem, was der Glaube zu tun fähig ist und dem, was ein Nekromant tut. Sein Interesse reicht meistens nur aus, um willenlos, verderbte Kreaturen aus ihren Gräbern zu erheben. Weil es allein sein Wille ist und weil er sich weder um Gleichgewicht noch Glauben schert. Denn wären die Wesen, die er schafft, den Göttern gefällig, würden sie nicht vor heiligen Gegenständen zurückweichen."

  • Nach Alanis Antwort auf ihre Frage schweigt Chandra eine Weile, bevor sie schließlich vorsichtig fragt,


    "Aber ist diese Aussage nicht ein Zirkelschluß? Weil wir den Nekromanten als böse definieren und die Götter als gut, ist sein Handeln automatisch böse und das der Götter automatisch gut...?"


    So wie die Magierin mit diesem Thema umgeht, scheint sie sich schon längere Zeit, recht intensiv damit zu beschäftigen. Ihr Blick ruht aufmerksam beobachtend auf den Zügen der Heilerin,


    "An welcher Stelle hat wer Recht? Wenn der Diener einer 'lichten' Gottheit Euch, wegen Eurer Verehrung der Elemente als Ketzer brandmarkt... wessen Definition gilt dann? Seine... weil er in seinen Augen der 'Gute' ist und Ihr die 'Böse'... oder Eure, die Ihr ihn vielleicht wenn nicht für 'böse', so doch für arg fehlgeleitet haltet und Euch natürlich, zumindest im Sinne des Vorwurfs der Ketzerei als unschuldig anseht..."


    Sie hält einen Moment inne und bemerkt dann leise,


    "Vielleicht gibt es auch das absolute 'Gute' oder 'Böse' unter den Sterblichen gar nicht..."

  • "Am allerehesten gibt es wohl mehrheitliche Beschlüsse, was gut und böse ist" , sagt Alanis, nach einer kleinen Pause. "Bis auf kleinere, nennen wir es 'regionale Unterschiede', gibt es in den meisten ganz von einandern unabhängigen Kulturen zum Beispiel Strafen, wenn man einen Anderen tötet oder verletzt. Deswegen vermute ich, der Mensch - und ich habe nun einmal am Meisten mit menschlichen Kulturen zu tun - hat so etwas wie einen Ursinn dafür, was er als Gut und Böse empfindet."

  • "Hmm..."


    so recht scheint Chandra mit dem, was Alanis über den Ursinn sagt, nicht übereinzustimmen und schließlich erklärt sie,


    "Ich habe etwas Schwierigkeiten damit, was die mehrheitlichen Beschlüsse angeht... bzw. mehr die möglichen Auswirkungen derselben."


    In ihren Zügen spiegelt sich Abscheu gepaart mit einer guten Portion Zorn,


    "Der letzte mehrheitliche Beschluss, denn ich erlebte, hätte fast zum Tod einer armen 'unschuldigen' Irren auf dem Scheiterhaufen geführt..."


    Die Erinnerung an diesen Vorfall scheint die Magierin immer noch zu beschäftigen...

  • "Oh, Schwierigkeiten habe ich damit auch - und das nicht zu knapp. In dem Sinne muss ich Euch natürlich zustimmen, dass alles im Endeffekt Resultat von Erfahrungen ist. Aber ich glaube, bei dieser Debatte ist es wichtig, jegliche Emotionalität außen vor zu lassen. Ich selbst habe einen 'Mehrheitsbeschluss' samt Scheiterhaufen und Tribunal auch nur überlebt, weil ein paar Amonlonder einen Gegenbeschluss getroffen habe, was sie für Gut und Richtig halten. Wenn ich nach meiner Erfahrung urteilen würde, würde ich wohl Orden, die 'das Licht' anbeten, für böse und fanatisch halten."


    Alanis lächelt leicht, aber man kann deutlich sehen, dass sich die feinen Falten neben ihren Mundwinkeln ein wenig schärfer abzeichnen.

  • Die Magierin nickt zustimmend,


    "Da teilen wir die gleichen Erfahrungen... was mich gegenüber den meisten Definitionen von 'Gut' & 'Böse' doch sehr skeptisch macht!"


    Sie lächelt ein wenig resigniert und bemerkt schließlich,


    "Emotionslos über dieses Thema zu disputieren ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit... rufen doch gerade diese beiden Begriffe stets und ständig Gefühle hervor. Zumindest bei den meisten Menschen, mit denen ich bislang versucht habe darüber zu reden."


    Ein Schulterzucken begleitet ihre Worte, dann gibt sie nachdenklich zu,


    "Der Einzige, mit dem ich jemals wirklich fast emotionsfrei über dieses Thema geredet habe, war ein 'finsterer, schwarzmagischer Dämonenbeschwörer'...!"


    Sie nimmt einen Schluck von ihrem Tee, während sie anscheinend einer Erinnerung nachhängt...

  • "Finstere, schwarzmagische Dämonenbeschwörer können interessante Gesprächspartner sein, wenn man sie auf neutralem Grund trifft und sie in Plauderlaune sind, ja." Das breite Lächeln ist zurückgekehrt, ebenso wie der heiße Tee in Alanis Tasse, in der die Zuckerstücke gemütlich vor sich hinknacken. Ihre nächsten Worte sind recht leise gesprochen. "Ich habe mich auch schon mit Dämonen gut unterhalten, die frierend in unserer Sphäre aufgetaucht sind und verdammt sauer auf denjenigen waren, der sie aus ihrem gemütlichen Höllenfeuer gezerrt haben. - Im allgemeinen halte ich es bei Dingen, bei denen mich die Elemente nicht warnen, so, dass ich sie gut behandele, bis sie mich schlecht behandeln. Ein gutes Beispiel sind Orks. Ich habe schon mit einigen gemeinsam in der Schlachtreihe gestanden, ihre Wunden versorgt und wäre fast von einem geheiratet worden, weil er mich mochte. Andererseits haben mich Orks genauso oft auch schon angegriffen, weswegen ich mich verteidigen musste."

  • "Das klingt vertretbar!"


    Chandra schenkt der Heilerin ein erfreutes, mehr als zustimmendes Lächeln,


    "Ich stelle fest, dass mir Eure Ansichten sehr sympatisch sind! Und ich wünschte, es gäbe mehr Menschen, die so denken würden!"


    Sie seufzt und scheint einen Moment in Gedanken versunken...

  • "Und doch nennen mich manche eine Fanatikerin." Alanis Lippen zucken, nach ihren Worten über dem Rand des Bechers geschlossen. Tief atmet sie das herbe Aroma das Tees ein und für einen Moment scheinen ihre Augen zutiefst bedauernd aufzuleuchten. Dann ist der Moment vorbei, sie trinkt, lehnt sich zurück und schlägt entspannt ein Bein über das andere. "Aber wohl nur in Momenten, in denen ich manchmal selbstständig entscheide, was für mich Gut oder Böse ist."

  • Der Magierin gelingt es nicht ein leises Lachen zu unterdrücken und belustigt schaut sie Alanis an,


    "Fanatikerin!? So, so..."


    Sie schüttelt den Kopf und bemerkt dann, fast ein wenig herausfordernd, aber immer noch lächelnd,


    "Ich frage mich, ob ich lieber herausfände was für Leute das sind... oder wie Ihr seid, wenn sie ein solches Urteil über Euch sprechen..."