Zum brennenden Tisch 22

  • Alanis schaut sichtlich erfreut drein, als sie bemerkt, dass ihre Gesprächspartnerin offenkundig zu den Personen gehört, die beim Stichwort Elementeglauben nicht in Zuckungen oder Bekehrungsversuche verfällt.


    "Das fünfte Element nennt meine Glaubensgemeinschaft das 'Sein'. Erst seine Fähigkeit, die unbelebten, anderen vier Elemente zu vereinen, ermöglicht die Existenz des Lebens an sich. So hat alles, was ist, sein Gleichgewicht in jenen fünf, an die ich glaube."


    Sie bestellt, als ein Teller mit Schmalzbroten an ihr vorbeischwebt, getragen von den fleißigen Händen der Schankmaid, ebenfalls welche.


    "So ist uns der Schutz des Lebens heilig, ebenso das Gleichgewicht der Elemente."

  • "Ah... das ist interessant! In Adalonde gibt es die Kirche der Wissenden, der Göttin Nahâsh... dort ist der Elementarismus in seiner Verehrungs-, nicht Beschwörungsform, ein Teil des Glaubens! Allerdings gilt dort als fünftes Element die Magie... was mir stets als eine recht reizvolle Alternative zu dem "Sein" erschien."


    Chandra mustert Alanis etwas nachdenklich, nachdem ihr deren Erleichterung über ihre eigene Reaktion aufgefallen ist, dann fragt sie vorsichtig,


    "Ihr scheint mit Eurer Glaubensauffassung nicht nur auf Zustimmung zu stossen? Sind die hiesigen Lande so wennig tolerant, was andersartige Weltanschauungen betrifft?"


    Sie erinnert sich an die Gesetze Amonlondes, die sie sich in der Bibliothek angesehen hat und ist nun seinerseits etwas überrascht, hatte doch auch dem Gespräch mit dem Ratsherrn Baul keine irgendwie geartete Engstirnigkeit angehaftet...

  • Alanis lächelt.


    "Amonlonde akzeptiert vielerlei Daseinsformen und Glaubensrichtungen. Die persönliche Freiheit des Einzelnen endet hier dort, wo sie die eines Anderen berührt. Also habe ich hier niemals Widerspruch erfahren in dem, was ich tue. Nur in dem, was ich denke, was andere tun sollten. - Aber das führt zu weit."


    Sie winkt ab, schmunzelt und beißt in ihr Schmalzbrot. Eine kleine Pause entsteht, in der sie kaut.


    "Aber davon ganz abgesehen, sind in vielen Landen die Gläubigen anderer Religionen weder sehr höflich noch sehr zimperlich, was die Reaktion auf meinen Glaubens angeht. Zum Glück aber nicht überall."


    Der Blick, der ihr Gegenüber trifft, ist freundlich und ein wenig fragend.


    "Bringt Euch der Wissensdurst her in diese Republik?"

  • "Ja! Das tut er allerdings!"


    Chandras Augen blitzen vergnügt als sie Alanis Frage bejaht,


    "Ich bin eine Weile durch Montralur gereist und da lag der Weg hier her nach Amonlonde recht nah."


    Sie zuckt mit den Schultern, während sich ein leichter Schatten über ihre Züge legt,


    "Es ist sehr angenehm zu wissen, wie die Amonlonder den Begriff der Freiheit definieren und, dass es hier anscheinend keine religiösen Eiferer zu geben scheint... davon gibt es andererortens gewiss genug, da habt Ihr Recht!"


    Das Lächeln kehrt zurück und behutsam geht sie auf das Thema ein, dass Alanis so rasch übergangen hat,


    "Ihr sagtet, dass Euch der Schutz des Lebens heilig sei... darf ich dem entnehmen, dass Eure Profession auf dem Gebiet der Heilkunde liegt oder gehört Ihr, ähnlich wie der Herr Firudad, dem Bereich der Agrarwissenschaft an?"


    Der Magier scheint ihr in guter Erinnerung geblieben zu sein, doch dann fragt sie weiter,


    "Ist Euer Denken von dem, was andere tun sollten so exotisch, dass man leicht damit in Konflikt geraten könnte?"


    Die Magierin betrachtet Alanis aufmerksam mit einem leichten Lächeln...

  • Bei der Erwähnung von Wes muss Alanis lachen.


    "Nein, ich bin nicht so sehr mit Spreu und Weizen verwoben wie Wes, wenngleich ich eine gewisse Neigung zur Natur nicht leugnen kann. Und ja, ich bin Heilkundige, wenngleich ich mich auf die Feldschererei spezialisiert habe."


    Interessiert bemerkt sie, dass die andere Frau wohl nicht locker lassen will bei dem, was sie selbst nur angerissen hat und dann übergehen wollte.


    "Was meine Meinungen angeht - nein, sie sind weder exotisch, noch unvernünftig. Aber, wie gesagt, meine religiösen Überzeugungen enden an diesem Ort dort, wo sie das Tun eines Anderen einschränken könnte. Daher bin ich wohlmeinende Freundin Amonlonde, aber keine Bürgerin."


    Der Weißwein wird gebracht, den sie dann großzügig mit Wasser streckt, bevor sie einen Schluck nimmt. Ihre kleinen, kräftigen und narbigen Hände spielen eine wenig mit dem Becher, bevor sie ihm wieder auf dem Tisch abstellt.

  • Sowohl auf ihren Reisen als auch während ihrer Zeit iim Tempel zu Meggido hatte Chandra gelernt, dass der Austausch von Meinungen, gerade mit Leuten, die einem fremd oder nicht so gut bekannt waren, einen, die eigenen Gedanken überaus befruchtenden Effekt haben konnten. So ist sie stets darum bemüht, diesen Austausch zu suchen, denn meistens waren die interessantesten Weltanschauungen bei jenen Personen zu finden, die sie eher für sich zu behalten pflegten als bei jenen, die damit hausieren gingen.
    So muss sie nun ein Schmunzeln unterdrücken als sie feststellt, dass Alanis ihrer Frage bezüglich ihrer eigenen Vorstellungen erneut geschickt ausweicht und sie überlegt, ob es wohl klug ist, auf einer Antwort zu beharren, doch dann beschließt sie vielleicht später noch einmal auf das Thema zurückzukommen.
    Statt dessen folgt sie Alanis Thema der Heilkunde,


    "Seid Ihr nur in der konventionellen Heilkunde oder auch..."


    Sie sucht nach den richtigen Worten und formuliert dann vorsichtig,


    "... in der klerikalen Kunst des Heilens bewandert?"

  • "Ich bin der Meinung, dass beide Arten der Heilung untrennbar miteinander verbunden sein sollten. Wer betet und sich darauf verlässt, dass das, woran man glaubt, 'einfach mal machen sollte', obwohl man selbst mit den eigenen Händen und dem eigenen Wissen schon viel bewirken kann, ist in meinen Augen ein Narr."


    Ihre Mundwinkel heben sich leicht.


    "Ihr fragt so, als wäre Eure Worte ein rohes Ei."

  • Mit einem Lachen bekommt sie zur Antwort,


    "Wenn ich eins während der Tage des Lernes gelernt habe, dann, meine Worte mit Bedacht zu wählen!"


    Sie verzieht ein wenig das Gesicht als sie zu erklären versucht,


    "Hier sind so viele Dinge so ganz anders als in meiner Heimat oder in Adalonde! Ich musste wiederholt feststellen, dass selbst bestimmte Begriffe unterschiedlich belegt sind... von Handhabungen und Ansichten ganz zu schweigen! Daher bemühe ich mich darum, möglichst den hiesigen Gepflogenheiten zu folgen, da mir nichts ferner liegt als jemanden in ungewollter Weise zu brüskieren!"


    Ein fast bedauerndes Schulterzucken begleitet ihre Worte,


    "Ich habe zum Beispiel die Vorlesung des Herrn Meanor über Ritualkunde besucht, allerdings erscheint mir die Vorgehensweise in diesen Landen so unterschiedlich von dem, was ich gewohnt bin, dass ich beschlossen habe, hier lieber die Finger davon zu lassen."


    Sie lächelt erneut,


    "Und in Adalonde würde Euch zum Beispiel bezüglich Eurer Sichtweise über die Beziehung zwischen konventioneller und klerikaler Heilkunst fast jeder Priester der Zwölf widersprechen, mit dem Argument, dass das Wirken der Götter stets über das Handeln des Menschen zu setzen ist... dort wird der klerikale Weg der Heilung dem konventionellen meist vorgezogen... es ist dort einfach >normal<!"

  • Alanis legt den Kopf leicht zur Seite, Interesse liegt in ihrem Blick.


    "Eine interessante Einstellung zur Heilung - mir ist zwar oft zugetragen worden, dass die gute alte Handarbeit als recht profan angesehen wird, aber tatsächlich noch niemals, dass es kein gutes Werk an den Göttern ist." Sie legt die Stirn in Falten. "Nun, aber genauso könnte man dann auch argumentieren, dass die meisten anderen Handwerke ebenso nutzlos sind, weil eh das Handeln der Götter vorzuziehen ist. Also warum den Acker bestellen, wenn die Götter doch für alle sorgen können?"


    Ihr Tonfall ist weder spöttisch noch hetzerisch, sondern ruhig und wirkt fast so, als würde sie einen Teil von dem, was sie sagt, sich selbst erzählen. Sie reibt geistesabwesend über eine lange, verblassende Narbe an ihrem Hals.


    "Und was Handhabungen und Ansichten angeht - welche genau meint Ihr?"

  • Für einen Moment scheint die Magierin etwas irritiert, dann jedoch erkennt sie, dass sie sich augenscheinlich etwas mißverständlich ausgedrückt hat und schüttelt schließlich lächelnd den Kopf,


    "Nein, ich glaube, das funktioniert ein wenig anders... jedes Handwerk & jede Arbeit, die die Menschen oder auch andere Wesen verrichten, hat absolut ihren Wert und wird auch nicht gering geachtet, weil es >nur< das Tun der Sterblichen ist. Es ist vielmehr so, dass die Götter einigen ihrer Diener die Gabe verliehen haben Wunder im Namen ihrer Gottheit zu wirken... unter anderem eben auch die Fähigkeit der Heilkunst. Und in Adalonde ist es nichts außergewöhnliches, dass die Götter durch ihre Priester wirken... es gehört zum Alltäglichen, Normalen."


    Ihr Blick ruht prüfend auf Alanis Zügen,


    "Das Prinzip >Hilf dir selbst, dann helfen dir auch die Götter!< wird dort nicht so absolut gesehen, wie Ihr es für Euch postuliert habt! Natürlich gibt es auch genügend >profane< Heilkundige... wir nennen diese Art >konservativ<, denn es ist ja auch nicht immer ein heilkundiger Priester zugegen, wenn es zu Verletzungen kommt. Und nicht alle Priester sind automatisch auch mit der Gabe des Heilens gesegnet, so gibt es sicher auch in deren Reihen genügend konservative Heilkundige, die ihre Arbeit ebenso gut versehen, wie ihre Kollegen!"


    Sie lächelt zaghaft,


    "Wie Ihr seht, reicht schon ein Gespräch über die Art der Heilkunde, um sich der Unterschiede bewußt zu werden..."

  • "Ich habe einmal einen hochfahrende Priester gesehen, der den Feldscher, der sich stundenlang um einen sterbenden Soldaten bemüht hatte, zur Seite schubste mit den Worten 'Nun lasst einmal die wirklich Kundigen heran'. Wobei mir natürlich nicht missfällt, dass die Götter - oder das, was man verehrt -ein Wunder geschehen lassen, sondern vielmehr das Selbstverständnis mancher Priester."


    Alanis lächelt sachte und verschränkt die Finger auf der abgewetzten Tischplatte vor sich.


    "Mit aller Kraft mit meinem eigenen Wissen und Geschicklichkeit zu arbeiten und dann doch zu sehen, dass nur der Weg des Glaubens die vollkommene Heilung bedeuten kann, ist für mich jedes Mal auf's Neue eine Lektion in Sachen Demut. Daher ist es so wichtig für mich, beides zu beherrschen und ich würde es jedem, der bei mir lernt, auf dieselbe Weise weitergeben, wie ich es mir im Lauf der vergangenen Jahre beigebracht habe."

  • Chandras Gesicht ist anzusehen, dass ihr die, von Alanis beschriebenen Vertreter mancher Götter ebenfalls zur Genüge bekannt sind und sie nickt zustimmend,


    "Vielleicht liegt Eurer Einstellung zum Umgang mit der Kunst des Heilens ja auch einfach der kleine, aber feine Unterschied zwischen einem Götterdiener & einem Elementaristen zugrunde..."


    In ihrer Stimme liegt ganz klar die Sympatie eher auf Seiten der Elementaristen, was angesichts der Tatsache, dass sie selbst Magierin ist, vielleicht gute Gründe hat. Einen Moment wirkt sie nachdenklich, dann bemerkt sie mit einem Schmunzeln,


    "Aber hier in Amonlonde scheint die Heilkunst an sich doch einen recht hohen Stellenwert zu besitzen... so viele Vorlesungen, wie an der Akademie zu diesem, beziehungsweise um dieses Thema gehalten wurden. Und wie ich an dem Vortrag zum Thema >Schamanistische Heilung< feststellen konnte, auch auf überaus exellentem Niveau. Da kann man wirklich hin und wieder bedauern, dass man diesem Zweig der Kunst nicht folgt... weder auf arkanem noch auf konservativem Wege."


    Sie zwinkert Alanis zu und fügt dann an,


    "Was mich auch dazu veranlaßt für jede Art von Heiler dankbar zu sein... wenn er denn nur seine Kunst versteht und vielleicht noch ein freundliches Wort dazu hat."

  • "Die Elemente sprechen nur im seltensten Falle mit klarer Stimme, ihnen zu gehorchen erfordert Einfühlungsvermögen - und wenn einem das abgehen sollte, dann macht man auch Fehler, die einem Demut lehren."


    Alanis schmunzelt.


    "Aber das sind Feinheiten - Erfahrungswerte. Leider konnte ich dem Kurs über die schamanistische Heilung nicht beiwohnen, habe allerdings Hochwürden Aklutos Vortrag über Amputationen gelauscht. Auch der war sehr gut, wie ich es von Cornelius gewohnt bin."


    Sie nimmt noch einen Schluck gewässerten Weißwein und blickt sinnend in den Becher.

  • "Da mögt Ihr Recht haben... die Götter sind in solchen Dingen wahrscheinlich wesentlich direkter."


    Sie grinst, fast ein wenig wissend und zuckt dann mit den Schultern,


    "Ich gestehe, dass ich auch eher zufällig in der schamanistischen Vorlesung gelandet bin... aber es hat sich gelohnt!"


    Bei der Erinnerung an das, was sie dort gesehen hatte, huscht ein fast befreit wirkendes Lächeln über ihre Züge.


    "Soweit ich hörte, finden diese Tage in der Akademie jedes Jahr statt, ich hoffe, auch beim nächsten Mal daran teilnehmen zu können! Vielleicht... mit einer eigenen Vorlesung, falls daran Interesse besteht..."

  • "Oh, ich denke, das wird man Euch sicherlich danken" , bestätigt Alanis. "Obwohl es hier einige sehr fähige Magier gibt, habe ich dieses Jahr doch die grundsätzlichen Themen bei der Magie ein wenig vermisst. Ebenso wie die Alchemie, obwohl ich in diesem Gebiet wirklich zwei linke Hände habe."


    Wie zum Beweis hebt sie jene Hände hoch und dreht sie leise lachend.


    "Ich habe bisher nur in der Akademie zu Muntia im Lande Lupien Vorträge gehalten, aber beide waren - naja, ich bin keine gute Rednerin vor Fachpublikum. Ich ziehe die Praxis vor."


    Alanis verdreht ein wenig die Augen und grinst dabei, in der Erinnerung an ihre katastrophalen Vorlesungen.


    "Ich denke, ich werde nächstes Jahr auch wieder herkommen. Es ist jedes Mal wie ein - Familientreffen."

  • "Oh nein! Ich werde mich hüten in diesen Landen eine Vorlesung zum Thema Magie zu halten! Da seien die Götter vor!"


    Chandra schüttelt energisch den Kopf,


    "Ich dachte eher an etwas einfaches, unverfängliches wie Rätsel- oder Schriftenkunde..."


    Die Magierin lächelt verschmitzt, nimmt einen Schluck von ihrem Tee und läßt ihren Blick dabei durch den Schankraum schweifen. Der größte Teil der Gäste ist bereits gegangen, es scheint also schon zu vorgerückter Stunde zu sein und ein kleines unterdrücktes Gähnen erinnert sie daran, dass sie in der vergangenen Nacht nur wenig geschlafen hatte. Also wendet sie sich wieder Alanis zu und fragt diese,


    "Ich stelle gerade fest, dass es bereits später ist als ich dachte... würdet Ihr es als sehr unhöflich empfinden, wenn ich euch vorschlüge unser Gespräch morgen bei einem guten Frühstück fortzusetzen?"