Der Tempel Kapals

  • Alanis war zurückgeschreckt, als sich die Tür öffnete. Nun, als sie sah, wer herauskam, entspannte sie sich wieder ein wenig und lächelte dünn, aber nicht unfreundlich.


    "Guten Tag."


    Auch nach über 11 Monaten, die sie nicht im Tempel gewesen war, befiel sie ein Gefühl seltsamer Beklemmung an diesem Ort.

  • Der Priester machte einen weiteren Schritt nach vorne und stellte sich ebenfalls unter den Sturz des Portals. Nach einem tiefen Atemzug warf er der Frau neben sich einen kurzen Blick zu und musterte ein paar Augenblicke lang ihr Gesicht, bis er schließlich sanft für sich nickte. Darauf wanderte sein Blick zu der Straße, auf der sich bereits große Pfützen bildetend. Windböen peitschten den Regen immer wieder in wilden Bahnen durch die Luft.


    "Ich habe euch schon lange nicht mehr hier gesehen. Früher wart ihr öfter im Tempel."


    Gerade aus und trocken fragte er weiter:


    "Ihr haltet es wohl nicht mehr sonderlich gut mit dem Herr Kapal, wie?"

  • Alanis Mundwinkel zuckte hoch, sie konnte sich nicht dagegen wehren. Sie schätzte es, wenn man ohne Umschweife mit ihr sprach. In den letzten Monaten waren viel zu viele Menschen um sie herumgetänzelt, ohne wirklich auszusprechen, was sie von ihr erwarteten, weswegen sie sich entschlossen hatte, sich von den meisten von ihnen zurückzuziehen.


    "So würde ich das nicht sagen", gab sie nach einem Moment zurück und ließ resiginiert ihre Kapuze fahren, die der Wind nachhaltig von ihrem Kopf wehen wollte. "Ich schätze alle magonischen Fünfe hoch, auch wenn es nicht meine Götter sind. Aber manchmal treibt einen das Leben in andere Richtungen."

  • Growin nickte ihr zu. Bevor er jedoch eine weitere Frage stellen konnte trieb der Wind mit einer kräftigen Böe den Regen in die Richtung des Portals. Der Priester wischte sich das Wasser aus dem Gesicht, machte einen Schritt zurück und deutete der Dame an das gleich zu tun.


    "Hier hinten werden wir nicht ganz so nass. Ihr wart also viel auf Reisen?"

  • Alanis zögerte für einen Moment. Die Schwelle zu übertreten mochte nichts bedeuten. Vielleicht bedeutete es aber auch alles.


    Sie tat es und spürte, wie die wabernde Wärme aus der Halle ein wenig stärker wurde, nach ihr griff und ihr in die Knochen sank.


    "Das war ich", bestätigte sie schlicht und wischte sich ein paar dunkel gewordene, nasse Haare aus dem Gesicht. Ein Teil dieser Reisen hatten zwar in ihrem Heim stattgefunden und sich eher nach innen gerichtet, aber dennoch hatten sie viel Zeit gefordert. "Aber im Endeffekt treibt es mich immer wieder hierher, in den sicheren Hafen."

  • Growin schmunzelte unter seinem grauen Bart leicht.


    "Es freut mich zuhören, dass auch Fremde, aus anderen Landen als Magonien, hier ein Zuhause gefunden haben. Ich fühle mich hier nun auch ganz wohl, obwohl ich die Heimat in meinem Alter garnicht mehr verlassen wollte."


    Er lachte leise und fröhlich auf. Aus dem hinteren Teil des Tempels, wie aus weiter Ferne mischte sich unter das Platschen des Regens immer wieder auch das Schlagen eines Hammers auf Metall. Zuerst fast nicht hörbar, doch dann immer deutlicher.

  • Alanis schenkte dem alten Priester ein Lächeln.


    "Hin und wieder kann man es sich eben nicht aussuchen, wohin der Glaube einen verschlägt. Aber meiner Erfahrung nach lohnt es sich am Ende immer, ganz gleich, wieviel Steine einem auf dem Weg vor die Füße gelegt wurden."


    Als die Geräusche des Hammers in ihr Bewußtsein drangen, huschte ihr Blick in den hinteren Teil des Tempels, so als könne sie die Quelle des Geräuschs sehen, was natürlich Unsinn war. Eigentlich blieben ja nur zwei Personen, die sich momentan in dieser Umgebung an einem Stück Metall versuchen konnten. Sie schluckte kurz trocken.

  • "Das stimmt wohl."


    Brummelte der Priester. Sein Blick wanderte ebenfalls nach hinten.


    "Das ist nur der junge Kestor mit unserer Novizin. Wir brauchen mal wieder ein neues Übungsschwert."


    Er schüttelte leicht den Kopf.


    "Allerdings muss ich mit ihr noch schnell auf den Markt, sobald es aufgehört hat zu regnen. Es fehlt uns an ein paar frischen Sachen."

  • Der kurze Hinweis ließ für einen Moment ihren Puls ansteigen, auch wenn sie sich um eine gleichmütige Miene bemühte. Ein schräger Blick traf den alten Priester, um zu erforschen, ob da irgendwas im Busch war.


    "Wollen wir hoffen, dass der Markt noch steht. Eben ist irgendwo da hinten etwas eingeschlagen."


    Sie wies auf die Richtung, in der der Blitz heruntergekommen war.

  • Alanis grinste schwach zu seinen ersten Worten. Nein, das würde Teldron wohl sicherlich nicht. Dann allerdings fiel ihr das Lächeln aus dem Gesicht und sie rang sich ein Nicken und eine Antwort ab:


    "Ich kenne Damorg jetzt schon seit über drei Jahren. Er und ich, wir haben einige Reisen miteinander gemacht und so manche Kämpfe Seite an Seite ausgefochten. - Warum fragt Ihr?"


    Zeit für den Gegenangriff. Man konnte nicht immer nur auf Eiern laufen.

  • "Kein Problem. Das sieht man mir nicht unbedingt an der Nase an, wenn ich mein Ornat nicht trage. Beim Arbeiten im Hospital ist das manchmal ziemlich unpraktisch."


    Alanis hob mit einem Lächeln die Schultern. Diese Reaktion war sie durchaus gewöhnt. Derweil ließ der Regen ein wenig nach und schwoll zu einem sachten Rauschen ab. Der Donner grollt in weiterer Ferne als noch zuvor. Die Priesterin schaute skeptisch hinaus.

  • "Ich arbeite gerne dort. Das ist was Anderes als auf dem Schlachtfeld, wo ich eigentlich als Heilerin zuhause bin." Ein Schwall feuchtwarmer Luft drang durch das Portal zu ihnen in den Innenraum des Tempels. "Tja, sieht so aus. Dann hoffe ich mal, dass Ihr nicht doch noch nass werdet."

  • Erneut war der Blick skeptisch als Growin von den Tätigkeiten der Priesterin hörte. Aber er nickte. Die schwüle Luft hinterlies kleine Schweißtropfen auf der Stirn des alten Mannes.


    "Das wird schon werden und selbst wenn. Etwas Wasser hat noch keinem geschadet. Entschuldigt mich bitte einen Augenblick."


    Er ging in den hintern Teil des Tempels zum Durchgang der zu den restlichen Räumlichkeiten des Tempels führte.

  • Alanis sah ihm nach, unschlüssig, was sie nun machen sollte. Alle ihre Sinne waren auf Flucht gerichtet, andererseits wußte sie, dass es Dinge gab, vor denen sie nicht ewig davonlaufen konnte. Also betrat sie den Kapaltempel schließlich endgültig und löste ihren Umhangspange, um den feuchten Stoff über den Arm legen zu können.


    Vor der großen Feuerschale blieb sie stehen und blickte grüblerisch hinein. Die Hitze biss in ihr Gesicht, von dem sie sich gerade wünschte, dass es nicht so blass und abgehärmt aussah. Dann wartete sie.

  • Das Hämmern aus der Schmiede verklang. An deren Stelle konnte man aber Growins Stimme leise vernehmen.


    "Lira, wir können los. Bring die Beutel mit und vergess deinen Umhang nicht."


    Kurz darauf kehrte der alte Mann zurück in die Halle. Seinen Umhang hatte er sich unter den Arm geklemmt.


    "Wir machen uns dann bgleich auf den Weg. Ihr wollt noch etwas hier bleiben? Oder können wir euch wohin geleiten?"