Der Tempel Kapals

  • Die Priesterin nickte leicht und war froh, dass er über den Moment ihrer Befangenheit hinweg ging. Sie hatte Damorgs Groll erwartet, doch das, was hier geschah, überraschte sie maßlos. Ein Teil von ihr blieb wachsam, dem Frieden nicht trauend, doch ein anderer Teil war so erleichtert, dass selbst das Gefühl des schwindenden Drucks und der abflauenden Befürchtungen noch schmerzte.


    "Das blieb nicht aus. Die Reise nach Daynon war unschön und die Nachbetrachtung mit meinen Meistern hat Kraft und Zeit gekostet."

  • "Entschuldige, bitte."


    Er räusperte sich leicht.


    "Ich meinte das keines Falls im Schlechten. Du wirkst einfach nur anders. Irgendwie kühler. Nicht unbedingt der Mensch den ich kannte"

  • Alanis wirkte milde amüsiert.


    "Du musst Dich nicht entschuldigen. Das stimmt schon, Daynon kann einem recht langfristig die gute Laune rauben."


    Und noch mehr. Sie tastete kurz nach dem Anhänger an ihrem Hals. Das Metall fühlte sich immer warm an, ganz gleich, wie kalt es um sie herum sein mochte.

  • Er nickte der Frau zu.


    "Das stimmt wohl. Ich habe nichts Gutes von dort gehört. Den Göttern sein Dank, dass ich mich gegen die Reise in diese Land entschieden habe. Auch wenn es mich mittlerweile wieder reizen würde den Tempel zu verlassen. Nun wo alles seine teldrongefälligen Wege geht."

  • "Und ich habe noch nicht mal Malglins Expedition erreicht", sagte sie bitter, machte dann aber eine wegwerfende Geste. "Nun ja, Schnee von gestern. - Du willst wieder losziehen? Gut."


    Sie lächelte schwach.


    "Dein Stellvertreter macht eine gute Figur. Ich glaube kaum, dass Du ihn, Deine Novizin und den Tempel nicht einmal ein paar Wochen alleinlassen kannst."


    Früher war es eher die Frage gewesen, ob er sie alleinlassen konnte, das wußte sie.

  • "Das stimmt wohl, den Winter über habe ich nichts Neues gehört."


    Er nahm einen Schluck Wasser und füllte seinen Krug nach.


    "Ja es wird Zeit. Es juckt mich. In der Tat Growin hat mehr als zweimal soviel Lebenserfahrung wie ich, da brauche ich keine schlechtes Gewissen zu haben. Jetzt wo alles fertig ist."


    Ein wenig Freude war bei diesen Worten in seinem Gesicht zu erkennen.

  • Alanis nahm den Weinbecher auf. Sie schwenkte die Flüssigkeit mit einer geübten Bewegung des Handgelenks einmal durch und nahm dann einen Schluck.


    "Schön", sagte sie und meinte das auch ganz ehrlich. Sie hob den Blick ihrer Augen, die seltsamerweise ihren grünen Ton verloren zu haben schienen und nun ebenso grau wirkten wie ihr Kleid und sah Damorg direkt an. "Da die Arbeit Dich nicht hält und ich Dich nicht mehr halte, bist Du auf jeden Fall freier als noch vor einem Jahr. Das freut mich für Dich."

  • Damorg nahm seinen frisch gefüllten Becher und schüttete das Wasser hinter sich auf den Boden. Jetzt ging es an das Eingemachte. Er schnekte sich aus dem Weinkrug ein und leerte sofort die Hälfte seines Bechers.


    "Ja. Das freut mich auch. Aber diesen Preis hätte ich nur zu gerne bezahlt. Wieviel ist eine Reise wert, wenn man sich nur noch halb soviel freut heimzukehren?"

  • Alanis betrachtete ihn verdutzt.


    "Also -." Dazu fiel ihr wirklich nichts ein - zu seinem Verhalten, wohlgemerkt, nicht zu dem, was er sagte. Was sie dazu zu sagen hätte, mochte wohl den Rahmen dieser ersten Zusammenkunft nach fast einem Jahr sprengen. Oder? "Es liegt mir fern, Dich ins Trinken zu treiben."

  • "Ich trinke auch ohne dich. Keine Sorge."


    Er seufzte laut.


    "Es ist nur..."


    Der Priester bricht kurz ab und beginnt von Neuem.


    "Wieviele Monate ist das nun her? Es kommt mir vor als sitze eine Fremde vor mir. Jemand den ich nicht kennen, als wenn nichts gewesen wäre. Du bist eine neue Person und ich bin noch der gleiche Mann der von Afang an zum scheitern verurteilt war."

  • "Ziemlich genau elf Monate", sagte Alanis leise und hielt ihre Hand, die auf dem Weg zur Weinkaraffe war, in der Mitte des Weges auf. "Es stimmt nicht, dass Du noch derselbe bist. Nach all der Zeit kann es nicht stimmen. Und es stimmt auch nicht, dass es ist, als sei nichts gewesen. Genau das ist doch das Problem. Deswegen bin ich ja hier. Eben weil - alles gewesen ist."


    Sie stricht sich eine trocknende Haarsträhne aus dem Gesicht und holte sich doch den Wein heran, um sich nachzuschenken.


    "Ich schleiche schon seit Wochen um dieses Gemäuer herum und frage mich, ob die Möglichkeit besteht, dass ich nicht mehr um Dich herumschleichen muss. Ob wir wieder miteinander umgehen können."

  • Damorg nahm einen weiteren Schluck Wein.


    "Sicherlich können wir das. Sonst würden wir hier nicht sitzen."


    Er blickte sie verwundert an als er realisierte, dass sie scheinbar die Wochen und Tage nach ihrem Abschied mitgezählt hatte.


    "Ich würde mich sogar sehr freuen, wenn man sich nicht mehr aus dem Weg gehen müsste. Es kommt nur gerade alles wieder hoch."


    Der Priester schluckte trocken.

  • "Soll ich gehen?" Das war ganz nüchtern vorgeschlagen, so als würde sie keine der Wahlmöglichkeiten, die sie ihm gab, bevorzugen. Was natürlich nicht ganz stimmte. Sie legte den Kopf in die aufgestützte Hand und trank einen großen Schluck Wein.

  • "Nein."


    Er unterstrich das Wort mit einem Kopfschütteln.


    "Ich dachte nur, dass ich die ganze Sache für mich abgeschlossen habe."


    Seine Stimme die am Anfang des Gesprächs noch sehr sicher klang hatte mittlerweile an Kraft verloren.


    "Das habe ich wohl nicht."

  • Alanis war ganz froh über die Tischplatte zwischen ihnen, denn wenn diese nicht da gewesen wäre, hätte sie vermutlich etwas Unüberlegtes getan. Allerdings hatte sie in den letzten Monaten schmerzlich gelernt, dass unüberlegte Dinge am Ende mehr Schaden bringen konnten, als dass es die kurze Freude wirklich wert gewesen wäre.


    "Ich habe das auch nicht. Es wird noch mehr Zeit brauchen." Ihre Stimme klang erstaunlich fest und optimistisch, wie sie erstaunt feststellte. "Solange es uns nicht im Weg steht, dann ist es gut."

  • Er nickte ihr zu ob er dabei in seinen Gedanken wo anders war, oder doch resigniert war nicht eindeutig. Wieder lies er ein paar Herzschläge Stille verstreichen.


    "Weißt du.... Ich habe so manches in meinem Leben geschafft."


    In seinem Kopf ging er wie so oft all das Erlbete durch. Die Reise an das Festland, den Dienst in der Garde, die Kämpfe gegen Schwarzmagier und Orks, den Bau des Tempels.


    "Ich habe sogar einen Tempel errichten lassen und das in meinem Altern. Aber an dir bin ich gescheitert."

  • Alanis ließ sich gegen die Stuhllehne sinken, als habe sie einen Schlag erhalten. Sie atmete durch.


    "Es tut mir Leid, dass Du das so siehst", brachte sie schließlich hervor und war ziemlich stolz darauf, sich zusammenreißen zu können. Für einen Moment blickte sie hinunter auf die Tischplatte und wischte einen Tropfen Wein mit dem Ärmel ihres Kleids auf. "Zumindest weißt Du jetzt, was Du in einer Beziehung nicht mehr haben willst oder ertragen kannst."


    Das klang härter als es gemeint war und sie begriff das erst, als die Worte ihren Mund schon verlassen hatten.

  • "Es braucht dir nicht Leid tuen. Ich glaube ich bin daran gewachsen."


    Er schürzte kurz seine Lippen.


    "Ich habe vorhin nicht gelogen. Mir geht es gut. Aber es war nicht ich, der es nicht mehr ertragen konnte."


    Bei seinen Worten Blickte er auf seinen Becher vor sich. Er konnte ihr dabei nicht in die Augen schauen.

  • Alanis nickte leicht und widerstrebend.


    "Ich verschanze mich recht gerne hinter meiner eigenen Feigheit, wenn ich es nicht über mich bringe, etwas Schlimmes hinter mich zu bringen. Kein schöner Zug an mir - und Du kennst ihn leider indes zur Genüge."


    Sie verzog den Mund zu einem sehr bitteren Lächeln, das die neu hinzugekommenen Falten in ihrem Gesicht vertiefte.


    "Ich habe gemerkt, dass es nicht funktionieren würde. Und habe all meine Möglichkeiten überdacht. Fakt war, dass ich bereit war, alles, aber auch alles für Dich aufzugeben, um zumindest von meiner Seite aus alle Unwägbarkeiten vom Tisch zu wischen. Aber dann kam Khai Thee mit seiner dummen Prophezeiung."

  • Damorg lehnte sich nach hinten auf seinem Stuhl. Beide Hände umfassten zugleich seinen Becher, der noch immer auf dem Tisch stand. Seine Augenbraue wanderte fragend nach oben.


    "Eine Prophezeiung? Das Schlimme ist sie haben meistens recht oder haben zumindest einen wahren Kern."