Taubtrüber Ginst am Musenhain

  • Ein lauschiges Plätzchen irgendwo im Umland von Renascân.


    Ein Tautropfen blinzelt, an frisches Grün geklammert, schüchtern in die Sonne und rezitiert im Stillen:


    "Melusine!
    Kraweel, Kraweel!
    Taubtrüber Ginst am Musenhain!
    Trübtauber Hain am Musenginst!
    Kraweel, Kraweel!"

  • Eine feuchte Schnauze schnüffelt sichernd aus einem Busch hervor und scheint dann zu beschließen, dass auf der Lichtung keine Gefahr droht. Nach und nach schlüpfen fünf kleine, braune Frischlinge zwischen den Klauen der Bache hindurch auf die Wiese.
    Die Wildschweindame fragt sich derweil sorgenvoll, wo ihr Mann abgeblieben sein mag. Ob er sich aus dem Staub gemacht hat und sie nun die fünf Kleinen allein aufziehen muss? Aufmerksam beobachtet sie ihren Nachwuchs, der spielend über das nasse Gras tollt.

  • Die Rippen zeichnen sich deutlich ab unter dem graubraunen Fell, denn der Winter war hart. Er hat kaum Beute gefunden. Und schließlich muss man auch daran denken, dass er in den kalten Monaten Strecken zurück gelegt hat, die nicht erlaubten, zu jagen. Sein Magen knurrt und hungrig leckt er sich über die Schnauze. Seit sein Rudel ihn verjagt hat, ist Futter Mangelware gewesen. Die Jagd allein ist eben doch schwieriger als er das dachte.


    Vorgestern hat er ein unvorsichtiges Kaninchen erlegt. Doch nach diesem Winter ist das nichts weiter als ein schmackhafter Anfang. Der Frühling hält Einzug und er kann nun hoffen, wieder mehr Jagdglück zu haben. Wer weiß? Vielleicht findet er auch eine Gefährtin.


    Der Wind dreht und weht ihm einen Geruch in die Nase, der ihn aufmerken lässt. Der Geruch bedeutet Beute. Keine leichte Beute zugegebenermaßen. Aber wenn er nicht bald ordentlich was in den Magen bekommt, so spürt er, wird er nicht mehr lange stark genug sein um überhaupt zu jagen. Im leichten Trab geht er der Witterung nach.

  • Grunzend wühlt sich die Bache durch die nasse Erde und findet tatsächlich noch ein paar Eicheln vom letzten Jahr. Ihre Frischlinge geben sich mit solchen Dingen noch nicht ab. Übermütig wuseln sie durch das hohe Gras und knabbern mal hier, mal dort am jungen Grün der Bäume und Sträucher.
    Niesend muss eines feststellen, dass Ameisen in der Nase kitzeln.

  • Der Rüde folgt der Witterung bis seine Sinne ihm sagen, dass er nahe gekommen ist. Der Wind weht ihm entgegen - Gut für ihn, schlecht für die kleine Rotte.


    Jetzt setzt er die Pfoten vorsichtiger auf den weichen Waldboden und nähert sich langsam der Lichtung. Bevor er ins Licht tritt, schiebt er sich geräuschlos unter einen Busch und nimmt das Bild in sich auf, das sich ihm bietet.

  • Aus einer anderen Richtung tritt ein Hirsch auf die Lichtung. Majestätisch hebt er den Kopf mit dem prächtigen Geweih ins Licht der noch schwachen Wintersonne. An der Rotte stört er sich nicht, als ob er sich als König des Waldes sähe und dem niederen Volk der Wildschweine keine Beachtung schenken müsse.
    Doch plötzlich wirft er sich herum und verschwindet mit großen Sprüngen im Wald.

  • Dass der Hirsch ihn entdeckt hat, könnte ihm zum Nachteil gereichen. Noch immer drückt er sich in das Unterholz und wittert in den Wind. Der Hirsch wäre wahrlich zu große Beute für ihn gewesen. Doch eines der Ferkel käme ihm grade recht. Er müsste nur die Bache von ihnen trennen.


    Das Verhalten des Hirsches hat die Bache aufgeschreckt. Aufmerksam sichert sie in alle Richtungen. Doch der Wind steht günstig für ihn und sie wittert ihn nicht. Ihre Augen scheinen zu schlecht zu sein, als dass sie ihn erkennen könnte. Die Lage scheint ihr nicht geheuer. Mit einem leisen Grunzen gibt sie ihren Ferkel zu verstehen, dass sie die Lichtung verlassen will. Die Kleinen huschen ohne einen Ton von sich zu geben ihrer Mutter hinterher.


    Der Wolf sieht seine Chance schwinden. Sein Puls erhöht sich und unwillkürlich spannt er die Muskeln an seinem mageren Leib an. Die Bache könnte ihn töten, weiß er. Doch wenn sie es nicht tut, dann würde es der Hunger bald darauf tun.

  • Der Bache scheint die Gefahr bewusst zu sein, dann sie treibt ihren Nachwuchs zu größter Eile an. Sie selbst könnte schneller laufen, aber dazu müsste sie die Ferkel zurücklassen. Und was könnte ihr schon gefährlich werden? Sie selbst ist sicher.


    Wie von der Sehne geschossen springt der magere Rüde aus seinem Versteck und setzt den Wildschweinen hinterher. Sein Fokus ist gerichtet auf ein schwächliches Opfer, das gut zwei Meter hinter der Mutter her läuft und sichtlich Probleme hat mit ihr und den Geschwistern Schritt zu halten. Ängstlich quiekend bleibt es immer weiter zurück. Sollte die Bache weiter laufen und ihre restlichen Ferkel auf Kosten des sowieso schwächlichen retten, wäre dem Rüden nur gedient.


    Doch die Bache denkt nicht daran. Sie stoppt ihren Lauf aprupt und stellt sich dem Feind, der im gestreckten Lauf ihrer kleinen Rotte folgt. Die Ferkel drücken sich ängstlich in den Waldboden und sind mucksmäuschenstill. Die Farbe ihres Fells lässt sie fast mit dem Untergrund verschmelzen.


    Mit wildem Knurren und gesträubtem Fell stoppt der Rüde und taxiert. Das wäre zu einfach gewesen.

  • Lederne Pfoten graben sich in die aufgewühlte Erde, als der Wolf aus dem gestreckten Lauf stoppt. Die Bache würde versuchen ihr Gewicht auszunutzen um ihn einfach niederzurennen. Der Rüde weiß sehr genau, dass ihm das einige Rippen brechen könnte.


    Er leckt sich über die Schnauze und bleckt die Fänge in einem lautlosen Knurren. Sein Nackenfell ist wild gesträubt als er wenige zögerliche Schritte zurück weicht.


    Der schwächliche Frischling hat inzwischen aufgeholt. Instinktiv drückt er sich an ein Geschwisterchen als die Bache zum Angriff übergeht.