Das Haus von Alanis am Oberen Stichweg

  • Die Elbe macht nur ein unsicherse Gesicht auf den Dank der Menschenfrau und schließt ihrer Aufforderung nachkommend die Luke zum Keller.


    Wieder in der Küche setzt sie die Dinge auf ihrem Arm ab und greift nach einem scharfen kleinen Dolch in ihrem Stiefel, wohl um die Nahrung zu zerteilen.


    "Wenn jemand liebt und verzweifelt ist, ist das oft eine hilflose Angelegenheit aber hier konnte man ein wenig helfen... und dann tue ich das."


    Sie wird etwas leiser und lächelt Alanis mutvoll an. "Es ist mir nicht egal... Liebe ist das wichtigste auf der Welt."


    Ihren Kopf wieder ein wenig nach hinten ziehen und sich über die Wurst hermachend mit ihrem Messer, fügt sie noch murmelnd hinzu. "Werden sie nicht, wie gesagt, es ist schon erlebt, es ist schon verlebt. Einfach Mühe geben."

  • "Mühe geben?" Alanis lacht leise. "Ja, versprochen, ich werde mir große Mühe geben."


    Sie verteilt den Zwieback auf die zwei Teller und öffnet dann das Glas mit der Marmelade, genießerisch daran schnuppernd. Schließlich fischt sie das Tuch mit der Weidenrinde aus Tear'asels und ihrer Tasse - mehr als zweimal Aufbrühen würde damit keinen Sinn machen.


    "Ich freue mich auf einen ruhigen Winter", sagt sie plötzlich, fast übergangslos das Thema wechselnd. "Wo wirst Du ihn verbringen?"

  • Die Elbe blickt dem Forgefischten nach. "Ich weiß es nicht. Überall...? Nirgendwo. Ich bin ein ziemlich rastloses Wesen... einige Zeit werde ich aber in Amonlonde verbringen."

  • "Rastlos bin ich auch", erklärt die Priesterin schmunzelnd und schneidet einige Scheiben Käse hinunter. Dann schenkt sie noch einmal dampfend heißen Tee nach und setzt sich schließlich an den Tisch. "Was ist mit Deiner Heimat?" Ein interessierter Blick heftet sich auf die Elbin.

  • Tear verfällt augenblicklich in Nachdenklichkeit, die mit ein wenig Träumerei einhergeht. "Avaraen... Heimat.. ja ich könnte den Winter dort verbringen und ich würde aber ich wäre dort ohne meine Gefährten... ich wäre dort ohne meine Liebe."

  • Alanis stapelt Käse auf ihr Brot und häuft ein wenig Marmelade darauf - eine Kombination, die wohl so manchem seltsam vorkommen müsste. Sie gibt ein wenig Honig in ihren Tee und betrachtet Tear'asel aufmerksam.


    "Die Männer, denen unser Herz gehört, riskieren ständig ihr Leben. Wir riskieren ständig unser Leben. Ich frage mich manchmal, ob die Liebe da nicht doch immer den zweiten Platz einnehmen wird, hinter der Verantwortung - unserem Glauben gegenüber, unserer Heimat oder unseren Überzeugungen."

  • "Ansichtssache," für den Honig im Tee bekommt Alanis einen mißbiligenden Blick zugeworfen. "Manche exercieren das gerade zu, dass der Liebe nicht die gleiche Stellung wie der Verantwortung durch die Berufung zuzumessen ist. Sie irren in dieser Ansicht beständig... und haben beständig recht. Je nachdem, wie es ausgeht, wird die Erkenntnis sie sehr traurig stimmen. Wer eine wirkliche Familie gründet, der hat, so es die Möglichkeit gibt, gerade zu die Verpflichtung in der Zeit, da diese Familie enge Bande zum Wachsen braucht, seinem Leben als umtriebsamer Verantwortlicher moralischer, ethischer oder religöser Werte ein Ende zu setzen. Beides zu behalten... bedeutet egoistisch zu sein."


    Sie hebt leicht ihre Schultern und schnippelt weiter, ehe sie einen kleinen Bissen Wurst in den Mund schiebt.


    "Ich kenne Wesen, die lasten sich eine Menge Verantwortung auf ihre Schultern, aus den verschiedensten Gründen heraus, ehrbaren und weniger ehrbaren... und doch wollen sie lieben, sie wollen platzen vor Emotionen, wollen alles auskosten, ohne Rücksicht auf Verluste und scheitern... sie scheitern und bereiten allen, die sie trotz ihrer fehlenden Weitsicht lieben, Kummer. Andere lassen mit voller Absicht jenes Licht, dass ihnen spürbare, hörbare Herzschläge versetzt verkümmern, kerkern die Seele und das Herz in ein Verließ aus Pflicht ein und wundern sich dann, warum ein Lächeln ihr Inneres nicht wärmen kann."

  • Alanis schiebt mit einem mokanten, aber auch herzlichen Lächeln den Honig zu Tear'asel hinüber. Dabei holt sie sich ein Stück Wurst und steckt es in den Mund. Nachdenklich kaut sie.


    "Ich stimme Dir zu, dass entweder eine Familie oder ein Glauben im Vordergrund stehen können. Beides gleichzeitig zu vereinen ist so gut wie unmöglich, ohne dass jemand leidet." Ein kurzes Zögern. "Eigentlich hatte ich bisher ein Zolibät für Priester immer für Unsinn gehalten, eine Beschneidung der menschlichen Art. Aber inzwischen glaube ich, dass es schon seinen Sinn hat." Ihr Blick heftete sich auf Tear'asel. "Gibt es solche Gebote bei Euch Elben - habt Ihr überhaupt Priester?"

  • "Das Gebot von Keuschheit?" Fast wäre der Elbe ein Bissen aus dem Mund gefallen. Sie muss husten. "Das gibt es... natürlich nicht... es gibt auch keine Regeln, die eine Entscheidung zwischen der Berufung und einer Familie fordern...," sie bekommt den Husten unter Kontrolle, "solche Regeln sind nur eins...hemmend für die Entfaltung eines verantwortungsvollen Geistes... Bestimmte Aufgaben in meiner Gesellschaft fordern viel, viel des eigenen Herzens und Verstands und Körpers und es bleibt am Ende nicht viel für andere übrig aber sie verbieten die Liebe nicht. Die Seldar - unsere Priester bejahen das Leben und finden einen Weg es einerseits zu beschützen, es zu lehren und es selbst für sich einzufordern."


    Sie schluckt und schließt kurz die Augen.
    "Natürlich gibt es spezielle Möglichkeiten meiner Rasse, was die Schaffung von Leben angeht. Dir diese zu erklären geht weiter in die Tiefe und ich weiß nicht, ob es dich interessiert... denn noch niemand hat je wirklich danach gefragt... gegen Gefühle sind wir dagegen genau wie ihr Menschen hilflos ausgeliefert, es sei denn Magie und Doktrin sorgen dafür, dass wir wie Stein werden."

  • "Keuschheit? Naja, gut, diesen Teil des Zölibats meinte ich weniger als den mit der Familienplanung." In Alanis Augen blitzt er kurz amüsiert auf, doch dann wird ihre Miene wieder ernst und interessiert, als Tear von den speziellen Möglichkeiten der Elben spricht. "Tatsächlich würde mich das sehr interessieren, was Du da ansprichst", erklärt sie dann.

  • Sie schluckt hinter und überlegt kurz, wie sie Alanis Interesse stillen sollte, ohne das sie so viele Worte wählte, dass die Priesterin graues Haar bekam.


    "Die Möglichkeit ein Kind zu gebären ist bei uns noch viel seltener gegeben als bei euch, die ihr wie die Tiere an bestimmte lebensbejahende und lebensbeneinende Zyklen gebunden seid. Wir sind diesen Dingen nicht unterworfen, was in unserer Vergangenheit begründet liegt. Und geschieht es doch, das Wunder des Lebens, entscheiden wir bis auf einen Fall selbst, ob wir es gebären und somit einem weiteren Unsterblichen den Weg in diese Welt weisen. Ohne es lange auszuführen. Ein Wesen unserer Natur kann sehr sehr mächtig werden...denn wenn uns nichts geschieht, sind wir unsterblich und die Ewigkeit ist eine lange Spanne um ein Gott werden zu können."


    Sie sagt das ohne Pathos, ohne Angeberei, sondern wie die Abfolge definitiv auf einanderfolgender Ereignisse, die ohne Eingriff von Außen fast zwangsläufig waren.


    "Wären wir wie ihr...wieviele von uns würden hier wandeln, wie vielen müssten unsere Lehrer ihr Wissen beibringen und dürften nicht scheitern an Aufmerksamkeit zu gleichen Teilen."

  • "Was bedeutet "ohne es lang auszuführen"?" Die Priesterin runzelt die Stirn und beißt dann in ihr Brot. Es knackt und Krümel rieseln auf den Teller hinunter. Obwohl sie immer noch müde ist, zum Einschlafen müde, interessiert sie das Thema brennend.

  • Tear überlegt und muss dann leicht lachen. "Sprache..., " sie räuspert sich und betont dann richtig. "Ohne es lange auszuführen...: ein Wesen unserer Art und so weiter."

  • "Es war aber doch lang ausgeführt", lächelt Alanis. "Und ja, menschliche Sprache ist schwierig. - Ihr meint also, dass das Wissen, das die Elben besitzen, so delikat ist, dass es niemals vielen zugleich vermittelt werden kann und es unter Anderem deswegen nur wenige von Euch gibt? Oder geht es dabei mehr um Macht als um Wissen?"

  • "So ein Unsinn," Tear grinst breit. "Natürlich würden das einige von unserer Art sehr gerne sagen und ihr Kinn dabei bis in die obersten Regionen des Himmels recken." Aglarien zum Beispiel aber das behielt die Wildelbe für sich...


    "Wir tragen viel Macht in uns... sie erwacht sehr schnell nach unserer Geburt. Wir verstehen sehr viel intuitiv - glauben wir -. Die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt, ihre Unterschiede aber wir brauchen auch Lehrer, weise alte Lehrer, die uns den Wandel und die Gefüge lehren und wie wir sie von vielen Seiten betrachten ohne vorschnell und mit fehlender Weitsicht in eine Richtung davon springen. Wir können wenn wir wollen sehr weit springen...denn unsere Kraft wächst unabhängig von den Lehren, die wir aus ihr oder mit ihr ziehen."


    Ein kurzes Seufzen folgt. Fast hätte sie noch etwas anderse gesagt, aber mit einem kurzen Biss auf ihre Lippen verschwindet es in der Versenkung.

  • Alanis hört schweigend zu.


    "Also gibt es auch so manchen Elben, dessen Macht größer ist als sein Wissen, wie er damit umzugehen hat?", folgert sie aus den letzten Bemerkungen und beugt sich ein wenig vor. Der Ärmel ihres Kleides landet prompt in der Marmelade, was sie aber nicht bemerkt.

  • Dafür hat die Aufmerksamkeit der Wildelbe jedoch mitnichten gelitten. Ihre Hand schnellt nach vorne, erwischt Alanis Ärmel, kann jedoch nicht mehr verhindert, dass dieser schon eine feste Beziehung mit dem Rot der Marmelade eingegangen ist. Sorgsam zieht Tear den Ärmel samt Hand und Unterarm in die Höhe.


    "Das war zwangsläufig," gibt sie trocken zu und schaut mit stoischer Ruhe vom beschmutzen Ärmel wieder zum Gesicht der Priesterin.


    "Das mag sein," kam sie wieder auf Alanis eigentliche Frage zurück. "Es gibt einige in meinem Volk, die zwar die Macht haben aber nicht die Lehren daraus gezogen haben. Manche können nichts dafür, die Umstände haben sie zu dem gemacht was sie sind, andere geben sich nicht genügend Mühe, wiederum andere lassen sich verleiten - wie schade, dabei sind wir so wenige geworden."


    "Wir sind nicht von dieser Welt und doch aus freien Stücken zu ihr geworden. Wir müssen nicht hier sein, wir können und auch wenn der Weltenlauf, der Kreislauf aus Leben und Tod an uns vorübergehen kann wie ein ferner Schatten... wir haben uns entschieden an ihr Teil zu haben. Die Welt zu erkennen, wie klein sie auch manchmal sein kann... und mit der Macht, die uns gegeben ist und der Zeit... haben wir die Verpflichtung über das Unwissen hinauszuwachsen, über das Schnelle und Einfache, weil es oft zerstörerisch sein kann... ."


    Als sie bemerkt dass sie sich ein wenig überschlägt, zwingt sich die Wächterin zur Ruhe und atmet durch, ehe sie weiter isst. Das nächste dsa sie sagt, ist wieder fast tonlos und kühl.


    "Dies zumindest ist meine Weisheit, andere mögen anders darüber denken und damit scheitern oder nicht."

  • "Mist", murmelt die Priesterin und steht auf, um mit einem im Wassereimer befeuchteten Küchentuch den Fleck zu bearbeiten. Sie wirkt grüblerisch, fast bedauernd und das spiegelt sich auch in ihrer Stimme wieder. "Es ist schade zu hören, dass mit größerer Macht, größerem Einblick nicht ganz automatisch der Hang zu einem guten und ausgeglichenen Wesen entsteht."


    Sie legt das fleckige Handtuch beiseite und nimmt die Katze wieder auf den Arm, die sich leise miauend um ihre Fußknöchel schlängelt. Einige Krallen schlagen sich durch den Wollstoff des Kleides in ihren Arm, als sie sich wieder setzt. Das Tier macht jedoch keine Anstalten, sie wieder zu verlassen.


    "Aber das ist wohl das, was wir unter dem 'freien Willen' zusammengefaßt haben. Was man mit seinem Potential macht, ist einem am Ende selbst überlassen."

  • Sie nickt bekräftigend. "Am Anfang eurer Zeit gab es viele Khel'Emiril, sie lebten sogar unter euch. Sie liebten euch, so entstand das Zweiblut. Lieder und Legenden von Licht und Schöpfung. Geschichten von großen Dingen, alt wie die Zeit selbst."


    Sie lehnt ihre Ellenbogen wieder auf die Tischplatte und lässt ihr Kind auf die Hände fallen.


    "Aber so vieles vergeht... Wir sind am Ende auch nur die Kindeskinder der Ersten. Ich bemühe mich aber es gelingt mir nicht immer die Tochter meiner Väter zu sein."